Die Europawahl findet in diesem Jahr unter besonders heiklen Bedingungen statt. Mit Antidemokraten im Inland und mit der Gefahr mächtiger Cyberattacken von außen, die das Land und den Kontinent besonders herausfordern werden. Entsprechend wichtig sind auch bei dieser Wahl die Persönlichkeiten, mit denen die Parteien antreten. Und doch: Schaut man genauer hin, muss man erkennen, dass alle Parteien mit Kandidatinnen und Kandidaten antreten, die alles andere als Herzenskandidaten sind.
Die grüne Frontfrau Terry Reintke bekam es kurz nach ihrer Nominierung mit einer MeToo-Affäre in ihrer EP-Fraktion zu tun. Der ihr angelastete Vorhalt: Sie sei als Fraktionschefin den Vorwürfen gegen den inzwischen zurückgetretenen Abgeordneten Malte Gallée nicht energisch genug nachgegangen. Ernsthaft vertiefen wollte den Vorbehalt im aufkeimenden Wahlkampf aber niemand. Weder in Brüssel noch in Deutschland.
Katarina Barley, Spitzenfrau der SPD, hat zwar einen britischen Vater und ist schon deshalb überzeugte Europäerin, blieb in den vergangenen vier Jahren und auch als Parlamentsvizepräsidentin aber eher blass. Auch einen gemeinsamen Fototermin mit dem Kanzler für die Kampagne („Deutschlands stärkste Stimmen für Europa“) gab es nicht. Allerdings auch weit und breit keine Alternative für sie.
Die lauteste der deutschen Spitzenkandidatinnen ist ohne Zweifel Marie-Agnes Strack-Zimmermann. „Eurofighterin” hat sie Parteichef Christian Lindner genannt. Wenngleich ihr nicht alle Liberalen in Berlin nachtrauern werden, wenn es klappt mit Brüssel. Zu laut, zu selbstbezogen und bisweilen nur schwer berechenbar, lauten die Kommentare.
Obwohl sie nur für Platz zwei (hinter Martin Schirdewan) kandidierte, war Carola Rackete bei den Linken schon bei der Nominierung umstritten. Vor allem im Osten war der Hader mit dem Vorschlag der Führungsetage hörbar, so blieb es bei 77,8 Prozent Zustimmung. Hintergrund des Konflikts ist die Grundsatzfrage, ob die Linke ihre Zukunft eher als Partei der prekär Beschäftigten oder der Aktivisten für Klimaschutz und Flüchtlingsrechte sieht.
Und dann ist da noch der Sonderfall AfD, gegen deren zwei Spitzenleute, Maximilian Krah und Petr Bystron Vorermittlungen wegen Spionageverdachts und Vorteilsnahme laufen. Obendrein wurde Krahs Büro in Brüssel am Dienstag durchsucht. Beide waren schon bei der Nominierung nicht die Favoriten von Tino Chrupalla und Alice Weidel. Dass die Parteiführung ihren Spitzenkandidaten zum Wahlkampfauftakt in Donaueschingen auslud, hatte dann noch mal eine besondere Qualität. Nur Tage später sprach Chrupalla dann zwar doch auf dem gleichen Event wie Krah in Dresden; allerdings ohne diesen auch nur ein mal in seiner Rede zu erwähnen.
Bleibt noch Ursula von der Leyen, die EU-Kommissionspräsidentin, die für die Union antritt, obwohl sie in den Reihen von CDU und CSU alles andere als beliebt ist. Eine besondere Herausforderung dürfte sie am Mittwoch auf dem CDU-Parteitag für Markus Söder werden. Der CSU-Chef wird mit ihr diskutieren – und er muss beweisen, dass er auch Teamplay kann.