Analyse
Erscheinungsdatum: 26. Juni 2023

Der Staatspräsident ist verhindert

Außenminister Annalena Baerbock ist heute, wegen der Kurzrevolte in Russland mit 24-stündiger Verspätung, nach Südafrika aufgebrochen. Doch der Gastgeber, Präsident Cyril Ramaphosa, will sie nicht treffen. Dessen Verhältnis zu Baerbock und überhaupt zur Bundesregierung ist nicht unkompliziert.

Eigentlich wollte sie bereits am Sonntag gegen Mittag aufbrechen. Wegen des Machtkampfes in Russland und um am Vormittag am Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg teilnehmen zu können, hat Außenministerin Annalena Baerbock ihre Reise nach Südafrika verkürzt. Der geplante Tag in Kapstadt wurde gestrichen, sodass sich ihr Besuch auf das geplante Programm am Dienstag in und um Pretoria reduzierte.

Nach der Ankunft in der Nacht plant Baerbock am Dienstag den Besuch eines Vanadium-Werks in der Provinz Mpumalanga. Vanadium ist ein essenzieller Bestandteil bei der Herstellung nachhaltiger Batterien. Hauptgrund für den Besuch der Außenministerin ist jedoch die Sitzung der deutsch-südafrikanischen Binationalen Kommission, die den Rahmen der bilateralen Beziehungen bestimmt und alle zwei Jahre zusammenkommt. Dabei wird sie auch mit ihrer Amtskollegin Naledi Pandor zusammentreffen. Bei den Gesprächen soll es laut Auswärtigem Amt unter anderem um die Zusammenarbeit bei Grünem Wasserstoff und natürlich um den Krieg in der Ukraine gehen.

Ein Programmpunkt allerdings fehlt – trotz der neuen geopolitischen Lage nach der Wagner-Revolte in Russland: ein Treffen mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa. Das ist überraschend, repräsentiert Baerbock doch eines der wirtschaftlich stärksten Länder Europas. Diese Auslassung hat jedoch Gründe: Baerbock gilt in Pretoria als unerfahren. Außerdem ist die Regierung Südafrikas der Meinung, dass Baerbock von nicht mehr zeitgemäßen Vorstellungen geprägt ist: nämlich von jener, dass die Werte der westlichen Minderheit der Maßstab für die Mehrheit der Welt sein sollen.

In einem Namensartikel, der am Sonntag in der südafrikanischen Sunday Times erschien, zementierte Baerbock diese Sicht ihrer Gastgeber. Sie lobte zwar die afrikanische Friedensinitiative im Ukrainekrieg und setzte sich für eine Mitgliedschaft der Afrikanischen Union in der G20 ein. Doch was in Südafrika aufstößt, ist der Umstand, dass sie einerseits die UN-Charta betont („Russland hat die Regeln gebrochen“) und andererseits nicht anerkennen will, dass es für Sanktionen gegen Russland keine Mehrheit in der UNO gibt. Aus Sicht Südafrikas stellen die Sanktionen gegen Russland einen Alleingang des Westens dar. Südafrika beteiligt sich – wie Indien, Brasilien, China und die meisten anderen Länder des globalen Südens – nicht an den westlichen Sanktionen.

Insofern sieht Ramaphosa keinen Grund, Baerbock zu treffen. Protokollarisch ist er dazu ohnehin nicht verpflichtet. Doch nicht immer nimmt Ramaphosa diplomatische Rangfragen so genau: Beim Außenministertreffen der BRICS-Staaten in Südafrika Anfang Juni traf Ramaphosa Außenminister Jaishankar aus Indien. Im Januar empfing er den russischen Außenminister Sergei Lawrow – und nahm freundlich Grüße von Wladimir Putin entgegen.

Im Februar unterhielt sich Ramaphosa mit der chinesischen Vizeministerpräsidentin Sun Chunlan. Der neue chinesische Außenminister Qin Gang war kurz zuvor auf Antrittsreise in mehreren afrikanischen Ländern. Ramaphosa hatte auch dessen Vorgänger Wang Yi mehrere Male getroffen. Im vergangenen August wurde auch der Amerikaner Anthony Blinken bei Ramaphosa vorgelassen.

Südafrika steht mit seiner Ablehnung Baerbocks nicht allein. Als Baerbock Anfang Juni nach Brasilien reiste, wollten sich weder Präsident Lula da Silva noch sein Außenminister Carlos Alberto Franco França mit ihr treffen. „Der komplizierte Freund hat anderes zu tun“, titelte daraufhin die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Größter Konfliktpunkt zwischen Baerbock und Ramaphosa bleibt jedoch der Ukrainekrieg: Die deutsche Außenministerin macht sich dafür stark, dass Putin verhaftet wird, sollte dieser im August zum BRICS-Gipfel nach Südafrika kommen. Putin wurde im März vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag angeklagt. Dennoch will Ramaphosa Putin einladen und ihn mitnichten verhaften, weil er im Gespräch mit ihm bleiben will. Gleichzeitig haben die afrikanischen Staaten selbst eine Friedensinitiative im Ukrainekrieg gestartet.

Ramaphosas Einstellung zur Putin hält im Übrigen andere europäische Regierungschefs und Außenminister nicht von Reisen ans Kap ab. Mark Rutte und Mette Frederiksen, die Premierminister der Niederlande und von Dänemark, kamen kürzlich zu einem Doppelbesuch nach Pretoria und vereinbarten, einen Investmentfonds mit einer Milliarde Euro aufzusetzen. Dieser soll Projekte mit grünem Wasserstoff vorantreiben.

Zuvor war Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa zu Besuch. Auch hier ging es um Erneuerbare Energien. Außenministerin Catherine Colonna aus Frankreich kam Anfang vergangener Woche mit einer Nachricht von Präsident Macron: Dieser wolle gerne am BRICS-Gipfel teilnehmen, um „den Dialog zu vertiefen“. Offenbar teilen nicht alle Baerbocks Kritik an Ramaphosa, auch nicht in der EU.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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