Analyse
Erscheinungsdatum: 13. April 2025

Das neue Kanzleramt: Wie Merz‘ Regierungszentrale aussehen könnte

Der Koalitionsvertrag ist geschlossen – aber wie Friedrich Merz sein Kanzleramt personell ausstatten und umbauen will, ist vollkommen offen.

Der Koalitionsvertrag ist geschlossen – aber wie Friedrich Merz sein Kanzleramt personell ausstatten und umbauen will, ist vollkommen offen. Selbst enge Mitarbeiter und potenzielle Kandidaten tappen im Dunkeln. Dabei sitzen einige Merz-Vertraute seit Monaten an der Frage, wie man die Arbeit effizienter und zielgenauer organisieren sollte. Wenn man mit Beteiligten spricht, lässt sich ein Bild zeichnen, wie das Ganze aussehen könnte.

Da ist zuerst der Kanzleramtsminister. Merz‘ Leute haben genau studiert, wo die Schwächen des bisherigen Chefs BK, Wolfgang Schmidt, lagen. Sie finden lobende Worte für dessen Einsatz; sie wissen darum, mit wie viel Leidenschaft sich Schmidt auch um Details kümmerte. Aber sie sind genau deshalb zu dem Ergebnis gekommen, dass er über diese Details nicht ausreichend Zeit und Kraft fand, die großen Linien im Blick zu behalten. Deshalb soll genau darauf geachtet werden, dass sein Nachfolger den Überblick behält und einen Vertrauten zur Seite hat, der alles wegräumt, was nichts mit den großen Linien zu tun hat. Heißester Kandidat für den Chefposten: Thorsten Frei. Sofern er nicht noch Fraktionschef wird.

Mindestens genauso wichtig sind die Pläne, aus dem Kanzleramt die Außen- und Sicherheitspolitik mehr zu steuern als bisher. Merz hat angekündigt, dass er diese Themen angesichts der Weltlage zur Chefsache machen will. Für eine optimale Aufstellung denkt er an einen außenpolitischen und einen europapolitischen Berater sowie einen Sicherheitsberater neuer Form, der alles im Blick behält. Merz hängt sehr an der Idee eines Nationalen Sicherheitsrats, mit eigener Infrastruktur und Personal. In seinem Umfeld heißt es, das bisherige Lagezentrum sei nicht viel mehr als eine Telefonvermittlung. Die Absicht ist deshalb, größer einzusteigen, um in alle Himmelsrichtungen zu zeigen: Hier gibt es einen ganz neuen Willen.

Bei der Suche nach Personal geht der Blick offenbar besonders nach Brüssel. So gelten der bisherige EU-Botschafter Michael Clauss, der aktuelle Nato-Botschafter Géza Andreas von Geyr und – still und leise – vielleicht auch der aktuelle Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, als Kandidaten für die Neuaufstellung. Von Geyr war Botschafter in Moskau und hat davor unter anderem die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als Chef ihres Planungstabes beraten. Clauss ist ein hoch angesehener Diplomat in Brüssel. Er ist Deutschlands Stimme in den Gremien, in denen Beschlüsse vorbereitet werden. Und er wurde zum öffentlichen Kritiker der Europapolitik der Ampel. Im Profil wäre er wie von Geyr sehr passend. Ein Szenario könnte deshalb heißen: Von Geyr kommt als außen- und Clauss als europapolitischer Berater nach Berlin. Kotthaus wiederum könnte als erfahrener Diplomat und ehemaliger Schäuble-Mitarbeiter Clauss oder von Geyr in Brüssel ersetzen.

Für den Posten eines Nationalen Sicherheitsberaters gibt es mehrere Namen – sofern er nicht mit dem des außenpolitischen Beraters verschmolzen wird. Da ist zunächst Jacob Schrot, ein in der Öffentlichkeit kaum bekannter, aber von Merz hoch geschätzter Mitarbeiter. Er arbeitete einst im Team des Kanzlerkandidaten Armin Laschet, soll Interesse an dem Posten haben und sich intensiv in die Schlussredaktion des außenpolitischen Teils des Koalitionsvertrags eingebracht haben. Schrot begleitete Merz auf vielen Auslandsreisen und pflegte zuletzt auch die Kontakte nach Paris und Warschau. Er lehrt Außenpolitik an der Hertie School und hat in North Carolina und an der Humboldt-Universität europäisch-amerikanische Beziehungen studiert. Schrot arbeitete zuvor für den Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg, der den NSA-Untersuchungsausschuss leitete.

Der zweite Name lautet Peter R. Neumann. Der Terror-Experte des Londoner King’s College gehörte einst ebenfalls zum Schattenkabinett von Laschet und wirbt lange schon für einen Nationalen Sicherheitsrat. In seinem Konzept, das Ende der Woche bekannt wurde, legt er großen Wert auf das Primat der Politik. Es erinnert deshalb weniger an das US-Vorbild und mehr an Modelle, die in London und Paris Praxis sind. Merz denkt außerdem darüber nach, einen Sicherheitsrat nicht nur für die Bedrohungen von außen zu nutzen, sondern nach den letzten Anschlägen auch für Gefahren im Innern. Auch das spräche für einen Kandidaten wie Neumann. Offen ist, ob ihm die Veröffentlichung seines Konzepts geholfen oder seine Chancen eher gemindert hat.

Bleibt noch der wichtige Job als wirtschaftspolitischer Berater. Im Gespräch ist der Ökonom Michael Eilfort. Der Honorarprofessor der Universität Tübingen und Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft ist seit fast 30 Jahren an der Seite von Merz, beriet ihn auch in den vergangenen Wochen intensiv und viele Stunden am Tag zu ökonomischen Fragen. Eilfort, promovierter Politikwissenschaftler und Oberstleutnant der Reserve, vertritt eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, die auf niedrige Kosten für Unternehmen setzt und Bürokratie abbauen will. Er ist ein Anhänger der Schuldenbremse, kritisierte aber immer auch die starren Regeln und die fehlenden investiven Ausgaben des Bundes.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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