Herr Minister Schwarz, Sie haben den Vorsitz bei der Sonder-Agrarministerkonferenz am morgigen Freitag zum Umbau der Tierhaltung. Mit welchen Erwartungen gehen die Länder in die Gespräche mit dem Bund?
Als Vorsitzender einer Ministerkonferenz bin ich vor allem der Moderator der Konferenz. Eine sachliche und konstruktive Diskussion ist mir daher ein wichtiges Anliegen. Von der Sonder-AMK erhoffe ich mir, dass wir in den Fragen rund um die Nutztierhaltung einen entscheidenden Schritt weiterkommen.
Was braucht Ihr Land, Schleswig-Holstein?
Unsere Landwirtinnen und Landwirte sind seit Jahren bereit, den gesellschaftlich gewünschten Umbau der Nutztierhaltung mitzugehen. Dafür brauchen sie aber schnellstmöglich Klarheit. Wir benötigen ein Gesamtkonzept aus Tierhaltungskennzeichnung, langfristiger Finanzierung sowie Anpassung von Naturschutz-, Immissionsschutz- und Baurecht. Andernfalls läuft der eingeschlagene Weg zum Umbau der Tierhaltung und zum Umstieg auf höhere Haltungsformen ins Leere. Dies könnte zu einer Verlagerung der Erzeugung und Verarbeitung von tierischen Lebensmitteln ins Ausland führen.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat heute Stakeholder aus der Landwirtschaft – besonders junge – zu einer Nachhaltigkeitskonferenz in Baden-Württemberg geladen. Ein Ziel der Ampel-Koalition ist ja, den Anteil des Ökolandbaus von heute 11 auf 30 Prozent bis 2030 zu steigern. Was halten Sie von diesem Ziel?
Auch unsere Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Ökolandwirtschaft ambitioniert auszubauen. Wir müssen daher Anreize schaffen, damit die Marktnachfrage steigt und mehr Biolebensmittel aus heimischer Erzeugung in den Handel gelangen. Umso wichtiger ist es, dass wir über die Erschließung neuer Absatzwege sowie die Weiterentwicklung von Vermarktungsstrategien beraten. Mit dem „Runden Tisch Ökolandbau“ haben wir in Schleswig-Holstein kürzlich eine hervorragende Plattform zum Austausch und Dialog mit der Branche geschaffen. Gleichzeitig führen wir bestehende Förderangebote fort und verbessern sie: Neben einer Anhebung der Prämien für ökologisch bewirtschaftete Flächen wurde auch das Budget für die einzelbetriebliche Beratung zum Ökolandbau aufgestockt. Die Betriebe müssen zudem keinen Eigenanteil mehr tragen.
Der Anteil an biologisch bewirtschafteter Fläche variiert stark. Das Saarland liegt mit 19,4 Prozent weit vorne, dicht gefolgt von Hessen und Brandenburg, Schlusslicht ist Niedersachsen mit 5,6 Prozent; ihr Bundesland ist mit 7,5 Prozent drittletztes. Liegt das an besseren oder schlechteren Förderprogrammen?
Schleswig-Holstein hat aufgrund des maritimen Klimas, den guten Böden und den ausreichenden Niederschlägen in der landwirtschaftlichen Produktion ein natürliches Potenzial. Diese Grundvoraussetzungen ermöglichen hohe Erträge, wie zum Beispiel beim Getreideanbau. Vor dem Hintergrund der Ernährungssicherung ist es auch in Zukunft wichtig, diese Standortvorteile zu nutzen und eine heimische Lebensmittelerzeugung zu sichern. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag haben wir uns auf eine Verdopplung der ökologisch wirtschaftenden Betriebe verständigt. Dies wäre für Schleswig-Holstein ein deutlicher Anstieg, der gleichzeitig auch ein starkes Wachstum auf der Nachfrageseite voraussetzt.
Selbst wenn das 30-Prozent-Ziel erreicht wäre, würde immer noch auf 70 Prozent der Äcker und Felder synthetischer Dünger und Pestizide eingesetzt. Deutschland exportiert Lebensmittel, zum Beispiel mehr als die Hälfte des Fleisches. Sollten die Bauern nicht darauf verzichten, und Böden und Gewässer durch eine weniger intensive Bewirtschaftung zu schonen, gerade angesichts des Klimawandels?
Absolut betrachtet ist Deutschland ein Netto-Importeur von Nahrungsmitteln. Wir importieren deutlich mehr Agrarwaren als wir exportieren. Es ist aber auch die Frage zu stellen: Wo ist die optimale Region für die Produktion? Ein Beispiel: Mit dem Import von Tomaten aus Marokko, für die beim Anbau viel Wasser benötigt wird, importieren wir auch viel Wasser aus einer Region, die das Wasser selbst für andere Zwecke gut gebrauchen könnte. Mit modernster Technik und durch die zunehmende Digitalisierung eröffnen sich neue Möglichkeiten. Dadurch kann die konventionelle Landwirtschaft ihren ohnehin schon sparsamen Einsatz chemisch-synthetischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel noch weiter reduzieren. Die mechanische Unkrautbekämpfung oder die GPS-gesteuerte Präzisionslandwirtschaft sind dabei nur zwei Stichworte.
Gibt es messbare Verbesserungen auf den konventionell bewirtschafteten Böden durch Europas neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die ja mehr Fruchtfolgen und weniger Pestizide mit mehr Subventionen belohnt?
Die neue GAP hat gerade erst am Jahresanfang begonnen. Wir wissen noch nicht, an welchen Ökoregelungen die Landwirtinnen und Landwirte teilnehmen, da die Antragstellung noch läuft. Aussagen zu messbaren Verbesserungen wird es im ersten Jahr nicht geben. Die EU-Kommission überprüft alle Ziele anhand von Indikatoren.
Der Antrag der Unionsfraktion zu einer erleichterten Bejagung des Wolfs ist letzte Woche im Bundestag abgelehnt worden. Haben Sie Verständnis für die Haltung der Regierungsfraktionen?
Die Debatte um den Wolf verläuft aktuell sehr emotional. Ich würde mir eine Versachlichung wünschen. Dazu gehört allerdings auch eine offene Diskussion über den Schutzstatus. Der Wolf ist bisher „streng geschützt“ und darf nicht bejagt werden, weil er im Anhang IV der FFH-Richtlinie eingestuft ist. Erst wenn die Einstufung des Wolfes in den Anhang V auf EU-Ebene erfolgt – wo er immer noch „geschützt“ ist – können unter bestimmten Umständen Maßnahmen zur Regulation der Wölfe ergriffen werden.
Was hören Sie von ihren Länderkolleginnen und -kollegen? Teilen die Meinung Ihrer Fraktionskollegen im Bundestag? Immerhin haben auch die im Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft organisierten Biobauern gemahnt zu prüfen, ob der Wolfsbestand wirklich noch keinen „günstigen Erhaltungszustand“ erreicht hat.
Die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland ist ein großer Erfolg für den Artenschutz, stellt aber viele landwirtschaftliche Betriebe vor enorme Herausforderungen. Die Diskussion um den günstigen Erhaltungszustand ist vom Bundesumweltministerium transparent zu führen, damit nachvollziehbar ist, welche Parameter für einen günstigen Erhaltungszustand erfüllt sein müssen.
Bayerns Regierung hat nun eine Art eigene Lex Wolf aufgestellt, um die Jagd auf Problemwölfe zu fördern. Ist das ein Wahlkampfschlager oder wirklich eine Neuheit?
Inwiefern die bayrische Verordnung einer rechtlichen Prüfung standhält, bleibt abzuwarten. Ergänzend zu den bestehenden naturschutzrechtlichen Vorgaben planen wir in Schleswig-Holstein eine Anpassung des Landesjagdgesetzes in Hinblick auf den Wolf, um potenziell auftretenden Problemen begegnen zu können.
Letzte Frage zu Ihnen: Sie züchten selbst Schweine, waren Vize-Präsident des Deutschen Bauernverbands und sind nun Landwirtschaftsminister in einer schwarz-grünen Regierung. Hat die neue Rolle Ihre Sichtweise verändert?
Den Betrieb hat inzwischen unser Sohn übernommen, sodass ich nicht mehr im landwirtschaftlichen Tagesgeschäft involviert bin. In meiner früheren Funktion ging es natürlich eher darum, an der einen oder anderen Stelle ein bisschen mehr zu fordern als unter Umständen umsetzbar sein würde. Allerdings habe ich auch hierbei immer versucht, den Bogen nicht zu überspannen. Übertragen auf mein neues Amt heißt das: keine vorschnellen Versprechungen machen, sondern ernsthaft und offen mit allen Beteiligten über mögliche Lösungen diskutieren. Anschließend müssen politische Entscheidungen erklärt werden. Politik darf nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg gemacht werden.