Das ist schnell gegangen, sehr schnell, vielleicht sogar zu schnell. Erst in diesem Jahr ist das BSW gegründet worden – und schon könnte es in Thüringen und Sachsen bald mitregieren. Doch obwohl es in ersten Gesprächen über mögliche Kooperationen zuallererst um Inhalte gehen wird, stellt sich beim BSW die Frage: Mit welchen Leuten wollen sie das eigentlich machen? Wo will das Bündnis die fachliche Expertise hernehmen, um in Verhandlungen und in einer möglichen Regierung überhaupt eigene Inhalte vertreten zu können? Die Landesverbände sind gemessen an den hohen Zustimmungswerten sehr klein: In Sachsen und Thüringen sind es aktuell rund 70 Mitglieder, in Brandenburg 40. Zum Vergleich: Die Grünen haben allein in Sachsen mehr als 4000.
In den aktuell besonders im Fokus stehenden Ländern Sachsen und Thüringen liegt die politische Erfahrung vor allem bei den Spitzenkandidaten. Sabine Zimmermann in Sachsen saß bereits für die SPD kurz im sächsischen Landtag und für die Linkspartei 16 Jahre im Bundestag. Ihr Vize Jörg Scheibe hingegen ist ein absoluter Politik-Neuling. Vereinzelt finden sich noch ehemalige Linken-Mitglieder, die auf Landesebene politische Erfahrungen gesammelt haben. Aber bislang ist die Personaldecke bei genauem Blick sehr dünn.
In Thüringen zeigt sich ein ähnliches Bild. Katja Wolf war für die Linke 13 Jahre im Thüringer Landtag und schließlich zwölf Jahre Oberbürgermeisterin in Eisenach. Die Listendritte Sigrid Hupach saß vier Jahre für die Linke im Bundestag, Tilo Kummer im Thüringer Landtag. Brandenburg-Spitzenkandidat Robert Crumbach wechselte von der SPD zum BSW, Landesgeschäftsführer Stefan Roth war früher bei der Linken. Ansonsten finden sich auf den Listen Betriebsräte, Juristen, Therapeuten, Sozialarbeiter, Landwirte und sogar zwei Studenten. Bislang keine Truppe, die man als Staatssekretärinnen oder Abteilungsleiter in ein Ministerium schicken könnte.
Bleibt der Blick in die Bundestagsgruppe. Ihr gehören derzeit zehn Abgeordnete an. Neben Wagenknecht selbst zählen die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali, Generalsekretär Christian Leye und der Ex-Linken-Abgeordnete Klaus Ernst zu den prominentesten Figuren. Man kann nicht ausschließen, dass auch sie sich mindestens Hoffnung machen könnten, für einen Job in Sachsen und Thüringen in Frage zu kommen. Aber von einer großen Personaldecke kann keine Rede sein.
Zuwachs kommt deshalb aktuell vor allem durch Gründungen von neuen Landesverbänden. Am Samstag geschah das in Sachsen-Anhalt. Dort waren rund 40 Mitglieder anwesend. Den Vorsitz übernehmen der Verwaltungsbeamte Thomas Schulze und der Student Lucas John Dittrich. Parallel wurde der Landesverband in NRW gegründet. Dort teilen sich Ex-Linken-Politiker Amid Rabieh und Rechtsanwalt Jan Ristau den Vorsitz. Mit 113 Mitgliedern ist er der bisher größte Landesverband und deshalb besonders interessant, weil auch Sahra Wagenknecht und Generalsekretär Christian Leye ihre politische Heimat hier haben.
Zentrale Ursache für die knappe Ressource Personal ist das strikte Aufnahme-Procedere. Jeder Antrag für die Aufnahme in einen Landesverband wird streng geprüft, insbesondere um eine etwaige, frühere AfD-Mitgliedschaft auszuschließen. Anschließend muss auch die Parteiführung in Berlin alles noch bestätigen. Inwiefern beim Bündnis politische Erfahrung und/oder fachliche Expertise Voraussetzung für einen Posten sein wird, ist bislang nicht erkennbar. Es scheint aber bis jetzt nicht so zu sein, als ob Menschen beim BSW Schlange stünden, die Regierungs- oder Verwaltungserfahrung besitzen und auf der Linie der Parteigründerin und ihrer Führungsmannschaft liegen.
Fehlbesetzungen in den Ländern könnten der Partei schnell zum Verhängnis werden, auch überregional. Das weiß Sahra Wagenknecht, und deshalb wird überall mit Aufmerksamkeit beobachtet, ob die Parteigründerin im Herbst 2024 – ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl – überhaupt das Risiko konkreter Regierungsarbeit eingehen will.