Analyse
Erscheinungsdatum: 09. Juni 2025

BND-Chef Bruno Kahl zum Ukraine Krieg: „Putin verlangt eine Kapitulation und sonst nichts“

Die russische Aggression trifft die Ukraine erneut mit erbitterter Härte. BND-Chef Bruno Kahl warnt vor Moskaus Expansionsplänen Richtung Westen und mahnt zu mehr Entschlossenheit beim Schutz Europas. Zugleich rückt eine engere Rüstungskooperation mit Kiew in den Fokus.

Die russische Aggression gegen die Ukraine geht mit erbitterter Härte weiter. In der Nacht zum Pfingstmontag hat Russland die Ukraine mit dem bislang schwersten Drohnenangriff seit Kriegsbeginn überzogen. Die neue Bundesregierung will die Gründe für die finanzielle und militärische Unterstützung für Kiew deutlicher kommunizieren – auch angesichts des Zulaufs zu Parteien, die die russische Aggression verharmlosen. BND-Präsident Bruno Kahl warnt eindrücklich vor einer Unterschätzung der Gefahr für den Westen. „Wir sind sehr sicher und haben dafür auch nachrichtendienstliche Belege, dass die Ukraine nur ein Schritt auf dem Weg nach Westen ist“, sagte Kahl im Podcast Table.Today. Wie am Sonntag bestätigt wurde, wird er den Botschafterposten im Vatikan übernehmen.

„In Moskau gibt es Leute, die glauben nicht mehr, dass Artikel 5 der NATO funktioniert. Und sie würden das gerne testen.“ Ziel der russischen Machthaber sei es, „den Einflussbereich nach Westen auszudehnen. Sie wollen die NATO zurückkatapultieren auf den Stand von Ende der 90er Jahre.“ Moskau wolle Amerika aus Europa rauskicken „und dazu ist ihnen jedes Mittel recht“. Angesichts dieser russischen Pläne mahnte Kahl in einem seiner seltenen Interviews: „Das muss man in den Anfängen wehren.“

Dem Ruf nach Verhandlungen mit dem russischen Machthaber kann der BND-Chef nicht viel abgewinnen. „Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass Putin an seiner Denke, in seiner aggressiven Art und Weise, dieses Problem zu Ende bringen zu wollen, etwas geändert hat“, sagte Kahl. „Verhandlung sind im Sinne von Putin Diktate. Das letzte Papier, das in Istanbul übergeben worden ist, ist ein bester Beweis dafür, dass eigentlich eine Kapitulation verlangt wird und sonst nichts.“

Trotz der quantitativen Überlegenheit Russlands auf dem Schlachtfeld sei die Ukraine in der Lage, sich zu wehren, sagte Kahl. „Und natürlich ist der Umfang und auch die Qualität der Unterstützung, die der Westen leistet, dafür maßgeblich.“ Zur Diskussion um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern wollte sich der BND-Präsident nicht äußern, die Bundesregierung müsse aus den Informationen, die der BND liefert, ihre Schlüsse ziehen. „Ich habe viel Verständnis dafür, dass man das nicht öffentlich tut“, sagte Kahl. Dass die Ampel-Regierung immer wieder Waffengattungen öffentlich ausgeschlossen habe, hatte nach Kahls Darstellung „in erster Linie innenpolitische Gründe“.

Die Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten hat sich nach Darstellung des BND-Präsidenten Kahl seit Trumps Amtsantritt kaum verändert. „Das war ja nicht immer selbstverständlich bei den Äußerungen, die man so gehört hat“, sagte Kahl. Dass die USA im März kurzzeitig die Versorgung der Ukraine mit Informationen eingestellt hätten, bezeichnete der BND-Präsident als „beachtliche Demonstration dessen, was auf einmal über Nacht fehlen könnte“. Aber man sei „zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt und wir haben keine Anzeichen dafür, dass sich das ändern wird“. Kahl ist überzeugt, dass die US-Regierung die Artikel-5-Verpflichtung des NATO-Vertrags „sehr ernst“ nimmt. „Sie sagen nur: ‘Ihr müsst euren Anteil vergrößern’ – und da haben sie nicht Unrecht.“

Unterdessen wirbt Nathanael Liminski für eine engere Rüstungskooperation zwischen Deutschland und der Ukraine. Liminski ist nicht nur Chef der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei, sondern auch NRW-Minister für Internationales. „Wenn es um die richtige Bewaffnung für die moderne Kriegführung geht, verfügt kein westliches Land über so viel Erfahrung wie die Ukraine“, erklärte Liminski gegenüber Table.Briefings. „Eine vertiefte Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Produktion moderner Waffensysteme, insbesondere im Bereich bewaffneter Drohnen“, sei für Deutschland von großem Vorteil. „Der Moment für Investition und Kooperation ist jetzt“, sagte er während einer Ukraine-Reise, die ihn bis auf 100 Kilometer an die Frontlinie führte.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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