Die Fachwelt ist sich eigentlich einig: In der Entwicklungspolitik ist eine Konzentration der Mittel, sektoral und regional, allemal effektiver als eine breite Streuung der zur Verfügung stehenden Gelder. Das hatte sich schon BMZ-Ressortchefin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) vor 20 Jahren zu eigen gemacht. Vier Beschlüsse hat die Bundesregierung seither verabschiedet, um die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) stärker zu konzentrieren. Zuletzt im Reformkonzept „BMZ 2030“, das 2020 unter Gerd Müller (CSU) verabschiedet und maßgeblich von seinem Staatssekretär Martin Jäger entwickelt worden war.
Das in Bonn beheimatete Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hat nun in einer Studie herausgearbeitet, dass die Beschlüsse Makulatur geblieben sind. Die Bestrebungen hätten weder zu einer „deutlichen Reduktion der Länder“ noch zu „einer signifikanten geografischen Konzentration der Zusagen “ geführt. Im Gegenteil: Trotz erheblicher Bemühungen erwiesen sich die Ausgabemuster seit dem Jahr 2000 als weitgehend stabil: „eine Konzentration der Mittel hat nicht stattgefunden“. Die Studie ist schon ein paar Monate alt, Aufmerksamkeit erfuhr sie seither erstaunlich wenig.
Bilaterale Hilfen haben sich zwischen den Jahren 2000 und 2020 sogar mehr als vervierfacht. Was auch damit zu hatte, auch wenn nicht in der Studie explizit erwähnt, dass die Minister Dirk Niebel (FDP) und Gerd Müller (CSU) keine Freunde großer multilateraler Hilfszusagen waren. Sie hatten mehr übrig für bilaterale Vereinbarungen. Bilanz der Studie: „Die Bemühungen mehrerer Regierungen, die deutschen Entwicklungsmittel zu konzentrieren, sind weitgehend erfolglos geblieben.“ Und: „Genauso wenig ist eine Reduktion der durchschnittlich in einem Jahr geförderten Schwerpunkte erkennbar.“
Bis zu 85 Kooperationsländer gleichzeitig habe es zeitweise gegeben. Bis 2020 sei die Zahl auf 60 zurückgegangen, im Jahr 2021 kam mit Sierra Leone wieder ein neuer Partner hinzu. Dabei seien einerseits besonders bedürftige, andererseits eher demokratisch regierte Länder bedacht worden. Tatsächlich habe sich gute Regierungsführung für die Partnerländer ausgezahlt. So heißt es in der Studie: „Besser regierte Länder finden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit auf der Liste bilateraler Partner.“
Obendrein, so konstatiert das DEval, hätten „außenwirtschaftliche Interessen und die Nähe zu Deutschland die Mittelvergabe beeinflusst“. Oder anders: Länder, in die Deutschland freizügig Waren exportieren kann und die in Afrika oder im Nahen Osten liegen, waren bei der Mittelvergabe im Vorteil.
Für die nächsten Jahre, so schreibt das DEval, zeichneten sich schwierige Abwägungsprozesse ab. Die Mittelvergabe zu konzentrieren, führe naturgemäß dazu, die Zusammenarbeit mit dem einen oder anderen Partner zu beenden. Dies sei „ein mit großen Herausforderungen verbundener Schritt“. Denn die Erfahrung sei: „In den hier untersuchten 20 Jahren gab es nach jeder Konzentration kurz darauf eine Gegenbewegung“.
Vor allem aber: Schlecht oder autoritär regierte Länder sind meist besonders hilfsbedürftig. Doch soll man Autokraten auch noch mit bilateralen Abkommen unter die Arme greifen? Dazu schreiben die Autoren: „Es wird auch weiterhin eine anspruchsvolle Aufgabe sein, dieses Spannungsfeld gut auszutarieren.“
Das heute von Svenja Schulze (SPD) geführte BMZ hat nach Erscheinen der Studie seinen Politikansatz begründet – und der Kritik in Teilen widersprochen.Eine inflationsbereinigte Vervierfachung des Volumens der bilateralen Mittel sei mit neuen und erweiterten Zielsetzungen einhergegangen. Hinzu kämen gestiegene internationale Erwartungen an die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Deutschland sei inzwischen international zweitgrößter Geber (unter den OECD-Ländern). Und schließlich gebe es eine Reihe neuer Aufgaben, etwa im Klimabereich, beim globalen Gesundheitsschutz oder beim Thema Flucht und Migration.
Außerdem, so heißt es in der Stellungnahme, sehe das Konzept „BMZ 2030“ bei bilateralen Partnern eine Fokussierung der Zusammenarbeit auf maximal drei Kernthemen vor. Das werde in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt.
Und, so ergänzt eine Sprecherin: In einer multipolaren Welt sei eine Vielzahl von Partnerschaften auf allen Kontinenten für Deutschland enorm wichtig. Darum könne es „bei aller wünschenswerten Fokussierung auch immer wieder gute Gründe geben, Kooperationsmodelle anzupassen und Partnerschaften auszuweiten“.