Analyse
Erscheinungsdatum: 01. September 2023

Berlin tut, was die INSM will – und bleibt sitzen

20. INSM-Bildungsmonitor vorgestellt 2023-08-30 - Deutschland, Berlin - Vorstellung des Bildungsmonitors 2023 der unternehmernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft INSM. Im Bild Dr. Katharina Günther-Wünsch, Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie CDU. *** 20 INSM Education Monitor presented 2023 08 30 Germany, Berlin Presentation of the Education Monitor 2023 of the business-oriented Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft INSM In picture Dr Katharina Günther Wünsch, Berlin Senator for Education, Youth and Family CDU

Berlin schneidet beim Bildungsmonitor stets miserabel ab. Obwohl es den Vorschlägen der Lobby-Organisation INSM treu folgt. CDU-Bildungssenatorin Günther-Wünsch will das Problem nun auf ihre Art lösen.

Als die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, eine zum Teil aggressiv auftretende Lobby-Organisation, am Mittwoch ihr Länderranking veröffentlichte, war es wie immer: Berlin zierte einen der hintersten Plätze. Diesmal steht die Hauptstadt im Bildungsmonitor auf Rang 15. Danach schlug der leitende Forscher Axel Plünnecke der Politik eine Reihe von Maßnahmen vor, die er bereits im Jahr 2003 empfohlen hatte: Ausbau der frühkindlichen Bildung und Sprachförderung stehen ganz vorne. Dieselbe Prozedur also wie jedes Jahr.

Zwischen den beiden Konstanten „Berlin liegt hinten“ und „Kitas sind Bildungseinrichtungen“ versteckt sich beim genauen Hinsehen ein Widerspruch. Denn Berlin macht seit 20 Jahren das, was Forscher Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft vorschlägt. Die Hauptstadt ist in diesen Disziplinen auch Spitze. Berlin hat bereits eine Betreuungsquote in der frühkindlichen Bildung, mit der sie auf Platz 2 des Monitors steht. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) machte deutlich, dass dies auch beim Ganztag in Grundschulen Ziel sei. Trotzdem klebt Berlin einen Platz vor Bremen und nur ein paar Zehntel hinter Brandenburg auf einem Abstiegsplatz. Wie kann das sein?

Integration: Brandenburg vor Berlin?

Das liegt daran, dass die Indikatoren des Rankings einerseits sehr umfassend sind. Sie reichen von Ausgabenpiorisierung und Inputeffizienz über berufliche Bildung, Betreuungsrelationen und Bildungsarmut bis Internationalisierung und Zeiteffizienz. Andererseits sind manche dieser Indikatoren – vorsichtig ausgedrückt – widersprüchlich. So steht das Land Brandenburg, das eine minimale Ausländerquote hat, ausgerechnet beim Indikator Integration auf Platz 1 in Deutschland. Berlin hingegen, das die zweitgrößte türkische Stadt in Europa ist, liegt beim Bildungsmonitor-Indikator Integration auf Platz 15. Kann es tatsächlich sein, dass die deutsche Multi-Kulti-Stadt bei der Integration hinter dem zum Teil ausländerfeindlichen Brandenburg liegt? Das ist wirklichkeitsfremd. Zahlen lügen vielleicht doch.

Der Indikatorenmix der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist also einerseits interessant – und andererseits so obskur, dass man auf das Ranking, bei dem Sachsen seit 18 Jahren beständig auf Platz 1 liegt, besser verzichten sollte. Aber dieses Ranking ist natürlich der Treiber für die fulminante öffentliche Rezeption des Bildungsbarometers.

Geschichtslose Schulpolitik in Berlin

Der zweite Grund dafür, dass Berlin eigentlich alles richtig macht, und trotzdem beharrlich am Ende der Skala hängen bleibt, hat mit der geschichtslosen Schulpolitik dieser Stadt zu tun. Berlin hat eine sensationelle Betreuungsquote in Kitas. Hier gibt es seit 20 Jahren ein Bildungsprogramm für Kindergärten. Die Hauptstadt nahm bereits Sprachstandsmessungen bei Vierjährigen vor, als andere Länder noch nicht wussten, dass es so etwas gibt. Und selbstverständlich liegen alle Daten der einzelnen Schulen in differenzierten Vergleichstests seit vielen Jahren vor. Und das sowohl dem Land als auch der Schulinspektion als auch allen Schulen.

Was nun schlug Katharina Günther-Wünsch im Gespräch mit Journalisten vor? Sie werde an der Betreuungsquote arbeiten. Sie wolle ein neues Bildungsprogramm für Kitas auflegen, und Sprachstandsmessungen würden durchgeführt. „Es ist wichtig, dass wir zu einer datenbasierten Schulpolitik kommen“, sagte Günther-Wünsch zu den Vergleichstests. „Daher wollen wir, dass die Schulen Schlüsse aus den Ergebnissen der Vergleichsarbeiten Vera 3 und Vera 8 ziehen – und jene Schüler gezielt fördern, die dort Defizite aufweisen.“

Bußgelder für Kita-Verweigerer

Alles, was Günther-Wünsch sagte, war richtig und sinnvoll. Aber alles ist eben nicht neu, sondern die x-te Auflage von Dingen, die seit 20 Jahren in Berlin stattfinden. Wie sollen die Bürger der neuen Senatorin also glauben? Die Antwort fällt zweischneidig aus.

Zum einen tritt die Neue auf dem Posten der Bildungssenatorin deutlich härter auf als ihre Vorgängerinnen. Günther-Wünsch setzt etwa bei der frühkindlichen Bildung nicht mehr nur auf Einladungen, sondern auf Zwang. „Wir wollen Kitabesuch und Sprachförderung noch verbindlicher machen“, sagte sie Table.Media. „Daher wird es Bußgelder für die Verweigerer geben – sonst sind wir ein zahnloser Tiger.“

Zum andern will sich die CDU-Senatorin für Bildung offenbar dem Vergleich mit anderen Bundesländern nicht mehr stellen. „Ich bin kein Freund des Rankings. Ich glaube, dass Berlin in kein Ranking gehört.“

Beides sind Paukenschläge. Allerdings wird man nicht erfahren, ob die Bußgelder wirklich wirken und Berlin im Bildungsmonitor nach vorne katapultieren. Denn wenn das Ranking wegfällt, dann wird man gewissermaßen die Röntgenbrille beiseite gelegt haben.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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