Analyse
Erscheinungsdatum: 05. März 2023

Bayerns liberale Fahrstuhlmannschaft

Martin Hagen, FDP-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag (Bild: IMAGO / Rolf Poss)
FDP-Chef Martin Hagen gilt seit 2018 als Aktivposten im Münchner Landtag. Trotzdem droht dem Polit-Talent der Karriereknick. Neben dem Abwärtssog aus Berlin machen die Freien Wähler Konkurrenz.

Dass es in der Berliner Koalition gegenwärtig nahezu jeden Tag wegen etwas anderem kracht, liegt nicht nur an unterschiedlichen Auffassungen der Ampel-Partner bei verschiedenen wichtigen Themen. Die gereizte Stimmung hat vor allem mit der Nervosität der FDP zu tun. Für die Liberalen waren die Landtagswahlen seit der Bundestagswahl 2021 ein Alptraum: Bei den fünf Wahlen seither fuhren sie eine Niederlage nach der anderen ein. Und es könnte noch nicht das Ende sein. Nach dem Debakel vor wenigen Wochen in Berlin stehen in diesem Jahr noch drei weitere Wahlen an: in Bremen, Hessen und Bayern.

Lediglich in Hessen verheißen die aktuellen Umfragen der FDP den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde; für Bremen und Bayern sieht es derzeit düster aus. Vor allem in Bayern, dem nach Nordrhein-Westfalen bevölkerungsreichsten Bundesland, wäre es für die FDP deprimierend, wenn sie den Einzug in den Landtag verfehlen würden. In Bayern sind die Liberalen das, was man im Fußball eine Fahrstuhlmannschaft nennt: Mal drin, mal draußen.

Zwischen 2008 und 2013 regierte die FDP in einer Koalition mit der CSU, nachdem diese nach Jahrzehnten die absolute Mehrheit verloren hatte. Ein Regierungsbonus erwuchs für die Liberalen daraus nicht, sie flogen 2013 aus dem Landtag, schafften aber 2018 den Wiedereinzug. Das hatte auch viel damit zu tun, dass ihnen der Generationswechsel an der Spitze gelungen war. Der damals 37-jährige Martin Hagen führte die FDP als Spitzenkandidat ins Parlament zurück, seit 2021 ist der studierte Politologe FDP-Landesvorsitzender und Fraktionschef. Im Landtag gehört Hagen zu den Aktivposten, auf seiner Homepage hat er Pressestimmen aufgelistet, die alle sehr wohlwollend sind. „Eines der größten politischen Talente in Bayern“ hat ihn die Augsburger Allgemeine genannt, die Süddeutsche Zeitung lobte ihn als „das personifizierte Update“ der Liberalen.

Trotzdem droht Hagen, der auch im FDP-Bundesvorstand sitzt und nach der Bundestagswahl zur FDP-Delegation für die Ampelverhandlungen gehörte, jetzt der Karriereknick. Das hat zum einen mit der schwierigen bundespolitischen Lage der FDP zu tun. Die FDP habe anfangs für den Koalitionsvertrag der Ampel „sehr viel Zustimmung“ bekommen, sagt Hagen im Gespräch mit Berlin.Table. Auch die Zustimmungswerte auf Bundesebene seien bis zum Ausbruch des Ukraine-Krieges „sehr gut“ gewesen. Doch dann habe das notwendige Krisenmanagement der Regierung die Fortschrittsprojekte, die vor allem für die FDP wichtig seien, etwa die Planungsbeschleunigung, die Digitalisierung und die Aktienrente, in den Hintergrund gedrängt. „Und gerade von unseren Anhängern wird das Krisenmanagement der Bundesregierung noch nicht so gewürdigt, wie es das meiner Meinung nach verdient hätte“, sagt Martin Hagen.

Der FDP-Mann setzt darauf, dass die Menschen in den nächsten Monaten erkennen würden, dass die Ampel das Land „ziemlich gut durch diese historische Krise gebracht hat“. Und wenn jetzt auch die wichtigen Projekte des Koalitionsvertrages angegangen würden, werde „auch die FDP wieder in ein besseres Fahrwasser kommen“, glaubt Hagen und fügt hinzu: „Das gilt auch für Bayern.“

Aber selbst wenn die FDP bis zum Herbst Wind unter die Flügel bekommen sollte, nützt ihr das in Bayern nichts. Denn dort gibt es einen Konkurrenten, den es sonst nirgends gibt und der den Liberalen eine Regierungsperspektive verbaut: die Freien Wähler mit ihrem populistischen Vorsitzenden Hubert Aiwanger. Alle Umfragen deuten darauf hin, dass die Koalition aus CSU und Freien Wählern eine stabile Mehrheit zum Weiterregieren bekommt.

Hagen setzt seine Hoffnungen darauf, dass bis zum Wahlkampf die in seinen Augen mäßige Bilanz der Regierung Söder ins Bewusstsein dringt. Die Freien Wähler seien in der Koalition ein „Totalausfall“, handwerklich seien ihre Minister „einfach schlecht“. Mit ihrer Kompetenz im Bereich Wirtschaft und Bildung sei die FDP „ein Angebot an bürgerliche Wähler für eine bessere Regierung“.

In der parteiinternen Debatte, ob die FDP nach der Niederlagenserie einen härteren Kurs in der Ampel fahren muss oder ob damit nicht die Gefahr besteht, als Neinsager und Quertreiber wahrgenommen zu werden, haben für Hagen „beide Seiten recht“. Die FDP müsse klarmachen, wofür sie stehe, dürfe aber keinesfalls den Fehler wiederholen, den die SPD in der großen Koalition gemacht habe: nämlich die eigene Regierung „dauernd schlechtreden und öffentlich an ihr zu leiden“.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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