Analyse
Erscheinungsdatum: 11. März 2024

Bahnstreik: Jetzt kritisieren auch Gewerkschafter die GdL  

Der sechste Streik der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) läuft – und erstmals melden sich andere Gewerkschaften mit scharfer Kritik an Claus Weselsky zu Wort. Dieser habe sich „total verrannt und kämpft ums Überleben“, so ein hochrangiges Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Am Montagabend hat der sechste Streik der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) begonnen, und ein Ende des Konflikts, der nach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft die deutsche Volkswirtschaft inzwischen über eine Milliarde Euro kostet, ist nicht in Sicht. Nun bekommt die Deutsche Bahn in ihrer Argumentation gegen die GdL überraschende Unterstützung aus anderen Gewerkschaften. Kritikpunkt ist die Dominanz der kleineren Lokführer-Gewerkschaft (40.000 Mitglieder) für die gesamten Lokführer, obwohl die weitaus größere EVG (180.0000) längst einen Tarifvertrag geschlossen hat.

Die oberste Vertreterin der größten Einzelgewerkschaft, die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner, sieht die Politik in der Pflicht. „Ich bin der Überzeugung, das Prinzip ,Ein Betrieb – eine Gewerkschaft’ ist der beste Schutz vor Spaltung in der Belegschaft, die am Ende nur dem Arbeitgeber nutzt“, sagte Benner Table.Briefings. Ein führendes Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes betonte, Claus Weselsky habe sich „total verrannt und kämpft ums Überleben“. Die Bahn habe ein substanzielles Angebot gemacht, die Totalverweigerung der GdL habe mit Verhandlungstaktik nichts zu tun.

Die Deutsche Bahn hatte gegen den Streik beim Arbeitsgericht in Frankfurt geklagt. Der Streik, der am Montagabend um 18 Uhr begann und nur 22 Stunden zuvor angekündigt wurde, sei „unverhältnismäßig“ und eine „blanke Zumutung“, erklärte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. Am Abend lehnte das Gericht den Antrag der Bahn ab. Allerdings ist eine Berufung gegen die Entscheidung möglich.

Im Bahn-Aufsichtsrat ist der Unmut über Weselsky groß. Vor allem Großkunden für die Güterzüge wie Autokonzerne könnten mit einem Vorlauf von 22 Stunden kaum umplanen. Es drohten Produktionsengpässe. Auch in der Chemieindustrie, wo Just-in-time-Lieferungen notwendig seien, drohten erhebliche wirtschaftliche Schäden.

Ein Bahn-Insider verwies darauf, dass es auch nach dem offiziellen Ende der Moderatorengespräche weitere Angebote an die GdL gegeben habe. Weselsky wolle aber von seiner Kernforderung, eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, nicht abrücken.

Die Bahn pocht nun auf ein Schlichterverfahren. Doch auch dieses können nur beide Parteien einvernehmlich anrufen. Der Vertreter des Bahn-Eigentümers Bund, Verkehrsminister Volker Wissing, hat ebenfalls intern ein Schlichterverfahren vorgeschlagen. Dafür kämen die Schlichter der EVG-Tarifeinigung aus dem vergangenen Herbst, die Juristin Heide Pfarr und der frühere CDU-Innenminister Thomas de Maizière infrage, heißt es in Regierungskreisen.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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