Analyse | Migrationspolitik
Erscheinungsdatum: 30. September 2025

Einwanderung: Wie China mit dem K-Visum um internationale Talente wirbt

Überlaufene Job-Messe auf einem Shanghaier Campus. Viele fürchten, dass sich der Konkurrenzkampf durch die neuen Fachkräftevisa noch verschlimmert.

Während die USA den Fachkräftezuzug erschweren, tritt in China das K-Visum für internationale Tech-Talente in Kraft. Das Visum bietet einen deutlich vereinfachten Arbeitsmarktzugang. Doch vom Status eines Einwanderungslands bleibt China weit entfernt.

Eine bessere Optik hätte sich die chinesische Führung kaum ausmalen können: Mitte August stellte sie das neue K-Visum für ausländische Tech-Talente vor. Wenige Wochen später verfügte die Trump-Regierung hohe Gebühren für die Vergabe ihrer H-1B-Visa. Internationale Beobachter spekulierten vor der bevorstehenden Einführung des K-Visums zum 1. Oktober, ob China ein neuer Zielort für gestrandete Tech-Fachkräfte werden würde.

Mit der Visumsoffensive unterstreicht China seine strategische Ausrichtung auf Hightech-Fertigungsindustrien und Informationstechnologien. Die kommunistische Staatsführung richtete zuletzt schon die inländische Universitätsausbildung mit Quotenregelungen stärker auf Naturwissenschaften und Technik aus. Die Entwicklung bietet auch Chancen für ausländische Talente. Laut der Unternehmensberatung McKinsey könnten in China bis 2030 rund vier Millionen KI-Fachkräfte fehlen.

Die Personalberaterin Miriam Wickertsheim mit Sitz in Shanghai sieht das K-Visum als eine von vielen Maßnahmen Chinas im Wettbewerb um internationale Talente und Soft-Power. Die unmittelbaren Erfolgsaussichten beurteilt sie eher vorsichtig. Letztlich seien es Firmen und Entscheidungsträger in den Zentralen, die entschieden, ob sie mehr Ausländer einstellen wollen, nicht die chinesische Regierung. Die Arbeitsmarktsituation und gesamtwirtschaftliche Lage in China bleibe jedoch schwierig.

Dennoch registrierte Wickertsheim in den vergangenen Wochen zahlreiche Anfragen aus Indien – jenem Land, aus dem auch rund 70 Prozent der H-1B-Visa-Inhaber in den USA stammen. Das US-Visum ziele jedoch auf hoch qualifizierte Fachkräfte in speziellen Jobs ab, das K-Visum vor allem auf Berufseinsteiger mit technischem Hintergrund, so Wickertsheim. Zur Zielgruppe gehörten ausländische Studienabsolventen in China, internationale Talente und womöglich junge Erwachsene mit chinesischen Wurzeln, die mit einem ausländischen Pass nach China zurückkehren wollen.

Voraussetzung für ein K-Visum ist mindestens ein Bachelorabschluss oder substanzielle Forschungserfahrung in einer der MINT-Fachrichtungen. Anders als derzeit für Arbeitsvisa in China üblich wird eine mehrjährige Berufserfahrung und Einladung durch einen Arbeitgeber in China nicht verlangt – eine deutliche Vereinfachung. Ob das Visum auch Einreise und längeren Aufenthalt zur Arbeitssuche in China ermöglicht, ist noch ebenso wenig klar wie viele andere Details. Das Außenministerium in Peking verweist auf noch ausstehende Umsetzungsregeln der Konsularabteilungen.

Bislang ist Chinas Einwanderungspolitik im Vergleich zu Industrieländern extrem restriktiv. Laut dem Zensus vom November 2020 lebten knapp 850.000 ausländische Staatsbürger im Land, mit rund 0,05 Prozent einer der niedrigsten Anteile weltweit. In Deutschland lebten im Vergleichszeitraum 11,4 Millionen Menschen ohne deutschen Pass. Die Zahl deutscher Staatsbürger in China lag 2020 bei etwas mehr als 11.000. Der Zensus wurde nach dem massiven Einbruch der ausländischen Bevölkerungszahl im Zuge der Corona-Pandemie erhoben. Laut jüngeren Schätzungen hat sich die Zahl der Ausländer in China nicht markant erholt.

Nach Jahrzehnten der Ein-Kind-Politik und massiv gefallenen Geburtenraten steht China vor gewaltigen demografischen Herausforderungen. Die Bevölkerung wird nach UN-Prognosen bis 2050 um über 100 Millionen Menschen schrumpfen, bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sie sich halbieren. Dass China sich in Reaktion auf diese Szenarien zu einem Einwanderungsland entwickelt, glaubt HR-Spezialistin Wickertsheim nicht: Die Herausforderungen, vor denen westliche Länder, auch Deutschland, mit ihrer Immigrationspolitik stünden, würden überwiegend negativ gesehen.

Entsprechend kritisch wurden vorab mögliche soziale Folgen des ausländischen Zuzugs durch das K-Visum in China diskutiert. In Onlinedebatten vermischten sich Sorgen um Konkurrenz zu jungen ausländischen Fachkräften auf dem ohnehin prekären Arbeitsmarkt mit diffusen Ängsten und diskriminierenden Untertönen. Insbesondere potenzielle indische Einwanderer wurden teils pauschal als gefährlich und frauenfeindlich abgewertet.

Hu Xijin, früherer Chefredakteur der nationalistischen Global Times, sandte in einem Online-Artikel kurz vor der Einführung des K-Visums ein deutliches Signal. „Wird China eine große Zahl gering qualifizierter Einwanderer aufnehmen? Auf keinen Fall, davon bin ich überzeugt. Die Regierung hat keinen Anreiz dazu, die einfachen Leute (老百姓) würden es nicht akzeptieren, und China hat keine große Einwanderungstradition.“ Zugleich gestand er begrenzte Möglichkeiten zum Zuzug hoch qualifizierter Einwanderer zu.

Perspektivisch könnte sich China laut Wickertsheim eher an einem Einwanderungssystem wie Kanada orientieren. Mit einer Punktestaffelung holt das System hoch qualifizierte Arbeitnehmer ins Land. Ob China langfristig deutlich mehr ausländische Arbeitskräfte anziehen will, bleibt jedoch zweifelhaft. Denn das oberste Ziel der Staatsführung in einer Vielzahl von Direktiven ist strategische Autonomie. Dies zeigt nicht zuletzt die zunehmende staatliche Präferenz für Universitätsabsolventen, die in China und nicht im Ausland ausgebildet wurden. In Schlüsselindustrien verstärkt auf internationale Fachkräfte zu setzen, dürfte Chinas Führung auch als geopolitisches Risiko sehen.

Letzte Aktualisierung: 01. Oktober 2025

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