Analyse | Sozialpolitik
Erscheinungsdatum: 24. Juli 2025

Arbeitsmarkt: Was die Chancen von Langzeitarbeitslosen erhöhen würde

Es gibt viele Gründe dafür, warum Menschen keine Stelle finden (picture alliance/dpa/Jens Kalaene)

Mehr als eine Million Menschen finden seit mehr als 12 Monaten keine Arbeit. Fachleute haben analysiert, was ihnen helfen könnte.

Wer mehr als ein Jahr lang arbeitslos ist, gilt als langzeitarbeitslos. Bei knapp 200.000 und damit fast einem Fünftel der Betroffenen ist das seit fünf oder mehr Jahren der Fall. Unter Einbeziehung von Betroffenen, die selbst andere Langzeitarbeitslose befragten, haben Fachleute ihre Situation untersucht. Eine zentrale Erkenntnis lautet: „Die“ Langzeitarbeitslosen gibt es nicht. Vielmehr führen ganz unterschiedliche Belastungen und Krisen zu dem Zustand, der dann oft in eine „Abwärtsspirale“ führt.

Deshalb brauche es ein intensives Coaching, schreiben der Evangelische Fachverband Arbeit und Soziale Integration (EFAS) und das Sozialunternehmen NEUE ARBEIT in ihrer Studie. Demnach sollte jede betroffene Person ein auf sie zugeschnittenes „Entwicklungsangebot“ bekommen, gegebenenfalls in einem ersten Schritt auch in Form einer aufsuchenden Beratung – da manche sich nicht (mehr) trauen, aktiv Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Weil Angst ein „Grundgefühl“ bei viele Langzeitarbeitslosen sei, brauche es „wohlwollenden Druck“.

Sanktionen „führen nur zu kurzfristigen Erfolgen, verstärken aber langfristig kontraproduktive Drehtüreffekte und können hochfragile Lebenslagen verschärfen“, so die Autoren. Stattdessen brauche es Angebote mit Perspektive, damit Menschen nicht die Hoffnung aufgeben und sich in der Isolation einrichten. Coaching als Angebot gibt es schon länger. Unter dem Namen „Ganzheitliche Betreuung“ wurde es im Zuge der Bürgergeld-Reform zum 1. Juli 2023 als offizielles Förderinstrument mit dem sich auf den Paragrafen im SGB II beziehenden Kürzel 16k eingeführt.

Coaching ist auch Bestandteil der „Maßnahmen“ nach § 16e („Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“) und § 16i („Teilhabe am Arbeitsmarkt“). Im Juni 2025 waren laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nur rund 35.000 Menschen im „Bestand“ eines dieser drei Instrumente. Das liegt vor allem daran, dass sie recht teuer sind und Jobcenter infolge der unsicheren Finanzlage und der vorläufigen Haushaltsführung zuletzt zusätzlich zurückhaltend waren.

16e und 16i beinhalten Lohnkostenzuschüsse für einen Zeitraum zwischen zwei und fünf Jahren und sind anders als viele andere Teile aus dem BMAS-Etat nicht Teil gesetzlicher Ansprüche. Daher sind sie tendenziell bedroht, wenn es um Kürzungen im Bundeshaushalt geht. Sozialverbände und Fachleute verweisen aber darauf, dass diese Instrumente effektiv seien und die Investition sich folglich lohnen würden.

Im Entwurf des BMF für 2025 wird der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit mithilfe von Coaching denn auch ausdrücklich erwähnt unter dem Punkt „Wesentliche Ziele, die mit den veranschlagten Mitteln erreicht werden sollen“. Aus Sicht der Macher der Studie zum Thema hilft aber nicht nur Geld. Vielmehr müsste die Vermittlung in Arbeit „einen anderen gesellschaftlichen Stellenwert bekommen“ – dazu brauche es auch „das Engagement der Mitte“.

Konkret schlagen sie als zusätzliches Mittel ein Mentorensystem vor: Wenn „wie bei der Flüchtlingskrise breite Schichten der Bevölkerung ihre Netzwerke für die Bürgergeldempfänger:innen“ bereitstellen könnten, würde das den Zusammenhalt stärken, schreiben sie.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!