Von Andrea Frank
Das größte staatliche Investitionspaket seit Jahrzehnten ist beschlossen: 500 Milliarden Euro sollen Deutschlands Infrastruktur modernisieren, Resilienz stärken und Krisenfestigkeit erhöhen. Doch eine zentrale Ressource droht übersehen zu werden: die Forschung an unseren Hochschulen – dort, wo Wissen für Sicherheit entsteht.
Eine zentrale Ressource gerät aus dem Blick. Denn was nützen digitale Netze, Energiesysteme oder Verkehrswege, wenn sie nicht gegen Angriffe geschützt, technologisch souverän und gesellschaftlich belastbar sind? Genau hier liegt das Potenzial sicherheitsrelevanter Forschung – von Cybersicherheit über Krisentechnologien bis hin zu gesellschaftlichem Nutzen, der vorher nicht erkennbar war. Was sie brauchen, ist keine Symbolpolitik, sondern strukturelle Anerkennung im Investitionsplan. Wer in Sicherheit investiert, muss auch in das Wissen investieren, das sie möglich macht.
Hochschulen im Wandel der Sicherheit. Die geopolitische Lage hat die Rolle der Hochschulen verändert. Forschung, Lehre und Transfer bewegen sich zunehmend im Spannungsfeld von technologischer Souveränität, internationaler Zusammenarbeit und gesellschaftlicher Resilienz.
Sicherheitsrelevante Forschung als Chance für Innovation. Eine Umfrage des Stifterverbandes im Rahmen des aktuellen Hochschul-Barometers zeigt: Hochschulleitungen sehen sicherheitsrelevante Forschung als Chance, nicht als Risiko – insbesondere für die Entwicklung neuer Technologien, für zusätzliche finanzielle Ressourcen und gesellschaftliche Sicherheit. Themen wie Cybersicherheit, kritische Infrastrukturen oder Versorgungstechnologien sind zudem zentrale strategische Zukunftsfelder – und doch bleiben Potenziale ungenutzt.
Sicherheitsforschung ist Verantwortung. Denn sicherheitsrelevante Forschung wird oft vorschnell mit Rüstungsforschung gleichgesetzt – und dabei unterschätzt. Es geht nicht um militärische Aufrüstung im Labor, sondern um Innovationen, die zu einer resilienten Gesellschaft beitragen. Hochschulen forschen zu Schutzmechanismen, Frühwarnsystemen oder digitalen Abwehrstrategien – nicht als militärischer Akteur, sondern als gesellschaftliche Instanz. Damit das gelingt, braucht es klare Leitplanken, verlässliche Strukturen und Vertrauen in die Wissenschaft.
Barrieren statt Beteiligung. Doch genau hier liegt das Problem: Zwei Drittel der Hochschulen verfügen laut Hochschul-Barometer nicht über die nötige Infrastruktur für sicherheitsrelevante Forschung. Sieben von zehn nennen erhöhte bürokratische Aufwände als zentrale Herausforderungen. Das bremst nicht nur internationale Kooperationen aus. Bürokratische Prozesse wie etwa umfangreiche Exportkontrollen, komplexe Drittmittelverfahren und enge Datenschutzregeln lähmen mehr, als sie schützen.
Gute Absichten treffen auf schlechte Rahmenbedingungen. Damit Hochschulen sicherheitsrelevante Forschung tatsächlich leisten können, braucht es gezielte strukturelle Befähigung. Drei Hebel sind entscheidend:
Bürokratie kostet Tempo. Die Prozesse sind realitätsfern, nicht innovationskompatibel.
Was es braucht: rechtssichere, aber zügige Verfahren – etwa ein Fast-Track-Förderweg für sicherheitsrelevante Drittmittel. Klare Zuständigkeiten und bundesweit einheitliche Standards würden helfen, Blockaden zu lösen.
Forschung braucht Infrastruktur. Zwei Drittel der Hochschulen geben an, dass sie essenzielle Sicherheitsstandards nicht einhalten können: sichere IT-Systeme, zertifizierte Labore, Schutzräume für sensible Daten. Was es braucht: einen ressortübergreifenden Fonds für Sicherheits- und Resilienzforschung, etwa im PPP-Modell. Denn ohne Hardware – kein Hightech.
Innovation entsteht im Netzwerk. Viele Lösungen entstehen zwischen den Systemen: an den Schnittstellen von Wissenschaft, Mittelstand, Start-ups und Verwaltung. Doch Plattformen für diese Zusammenarbeit fehlen. Was es braucht: Reallabore für sicherheitsrelevante Technologien, die interdisziplinäre Forschung mit Anwendungsnähe verbinden. Und Hochschulen als systematisch eingebundene Partner – nicht als Bittsteller.
Sondervermögen für Wissenschaft öffnen. Die Lösung liegt auf der Hand: Wenn Milliarden in ein Sondervermögen für Infrastruktur fließen, muss ein Teil davon gezielt in Wissenschaft, Innovation und Talente investiert werden. Forschungslabore, IT-Sicherheitszentren, ethische Governance-Strukturen – all das gehört ebenso zur Sicherheitsarchitektur wie neue Verteidigungssysteme.
Statt Abschottung braucht es eine verantwortungsvolle Öffnung. Dies entsteht durch transparente Entscheidungsprozesse, schnellere Förderverfahren und ressortübergreifende Programme. Der Vorschlag eines „Defence Science Infrastructure Fonds“ des Stifterverbands (Policy Paper „Mit Sicherheit zu mehr Innovationen“), zeigt: Es gibt konkrete Ansätze – sie müssen nur politisch gewollt sein.
Andrea Frank ist stellvertretende Generalsekretärin und Mitglied der Geschäftsführung des Stifterverbandes.