
Die private Raumfahrt boomt in China. Eine Hightechbranche mit Zukunft. Die Anbieter hoffen auf internationale Kunden für Weltraum-Services, wie sie bisher Firmen aus den USA oder Indien anbieten. Deshalb treten die chinesischen Provinzen miteinander in Konkurrenz und investieren Milliarden. Probleme könnte jedoch die Frage mit sich bringen, wie privat die Firmen tatsächlich sind.
Von Redaktion Table
Das Reich der Mitte spielt in der Raumfahrt seine Trümpfe aus. So lauten viele Schlagzeilen. Chinas Taikonauten (nach dem Wort Taikong 太空 für Weltall) sind auf dem Sprung, 2022 einen eigenen Himmelspalast (Tiangong 天宫) im All zu beziehen, kurz bevor US-Astronauten und russische Kosmonauten ihre überalterte Internationale Raumstation (ISS) räumen müssen. Chinas Fee (Zhang’e 嫦娥) kehrte wieder auf den Mond zurück und lässt dort ihren niedlichen Jadehasen (Yutu 玉兔) als Rover die Rückseite erkunden. Ab Mitte Mai hilft Feuergott (Zhu Rong 祝融) als zweiter Rover, den Mars zu erforschen. Die Volksrepublik, ein Spätankömmling im All, mischt mit traditioneller Folklore ihre Raumfahrtkarten neu – frei nach Konfuzius: „Der Edle ist in der Lage, die Begriffe zu bestimmen und seine Worte zu Taten werden zu lassen.“
Von Table.Briefings
China und Russland arbeiten in vielen Bereichen zusammen – vom florierenden Rohstoffhandel über Pläne einer gemeinsamen Mondstation bis hin zur Ablösung des US-Dollars als Leitwährung. Doch ein genauer Blick zeigt: Die vermeintliche Zuneigung hat klare Grenzen – und Konfliktpotential.
Von Michael Radunski
Für China ist die Raumfahrt mehr als nur ein Prestigeprojekt. Es geht um Geld, Geopolitik und die Pläne, eine Hightech-Nation zu werden. Alle News zur chinesischen Raumfahrt gibt es von der Table.Media-Redaktion.
Die Raumfahrt Chinas geht auf das Jahr 1956 zurück. Damals gründete die KP China eine militärische Forschungseinrichtung, die sich im Laufe der Jahre zur China Aerospace Science and Technology Corporation entwickelte. Im Jahr 1992 kam das Büro für bemannte Raumfahrt (CMSA) hinzu, ein Jahr später die Nationale Raumfahrtbehörde Chinas (CNSA), die für organisatorische Aufgaben zuständig ist. Neben einer großen Mondmission und der Errichtung einer Raumstation plant China bis zum Jahr 2030 drei große Missionen zur Erforschung des Sonnensystems durchzuführen. Dazu gehören Flüge zum Asteroiden Kamo’oalewa und dem Kometen 311P/PANSTARRS, eine Sample-Return-Mission zum Mars und die Erkundung des Jupiters.
Die Gründung des 5. Forschungsinstitut des Verteidigungsministeriums gilt als Beginn der Raumfahrt in China. Auf Basis sowjetischer Raketen forschten die Wissenschaftler Qian Xuesen und Ren Xinmin an einer militärischen Nutzung und Weiterentwicklung der Technologie. Nachdem es zum politischen Bruch zwischen China und der Sowjetunion kam, entwickelte die Volksrepublik allein die Kurzstreckenrakete Dongfeng 1 und die Mittelstreckenrakete Dongfeng 2A. Bis heute machte das chinesische Raketenprogramm große Fortschritte, auch wenn es regelmäßig zu Rückschlägen kam. Ein großer Kritikpunkt ist jedoch, dass China die ausgebrannten Stufen seiner Trägerraketen nicht steuern kann. Die Regierung nimmt wissend in Kauf, dass die Teile auch über bewohnten Gebieten abstürzen können. Auch im Ausland.
Im Jahr 1970 gelang China der erste Satellitenstart, 1975 konnte erstmals eine Nutzlast wieder zurück zur Erde transportiert werden. Seit dem Jahr 1988 schießt China außerdem Wettersatelliten ins All. Die Volksrepublik verfügt außerdem über Satellitennavigationssysteme: Beidou, das im Jahr 2003 in Betrieb genommen wurde, Beidou-2, das seit 2021 genutzt wird und Beidou-3, das seit 2020 in Betrieb ist. Zu internationalen Streitigkeiten kam es im Jahr 2007, als China ihren Wettersatelliten fengyun-1C mit einer Mittelstreckenrakete abschoss. Der Satellit explodierte unkontrolliert in 40.000 Teile, deren Durchmesser größer war als ein Zentimeter und mehrere Millionen kleinere Stücke. Eines der Bruchstücke kollidierte mit einem amerikanischen Kleinsatelliten, der Treibstoff an Bord hatte. Den trudelnden Satelliten schossen ihrerseits die USA im Jahr 2008 so ab, dass alle Trümmerteile verglühten.
Die ersten Pläne Chinas, einen Menschen ins Weltall zu befördern, stammen aus dem Jahr 1966. Das sogenannte Shuguang-Projekt musste jedoch aufgrund von Geldmangel und einer geänderten Politik eingestellt werden. Am 21. September 1992 nahm China die bemannte Raumfahrt unter dem Namen „Projekt 921“ wieder auf. Der Begriff orientiert sich am Datum. Der erste Chinese im Weltall war Yang Liwei an Bord des Raumschiffs Shenzhou 5. Am 15. Oktober 2003 absolvierte er einen 21-stündigen Flug im Weltall. Nur fünf Jahre später, am 27. September 2008, war Zhai Zhingang der erste chinesische Raumfahrer, der einen Außenbordeinsatz absolvierte – im Rahmen der Shenzhou-7-Mission.
In China werden Astronauten auch „Taikonauten“ genannt. Der Begriff wird für Menschen verwendet, die im Rahmen des chinesischen Raumfahrtprogramms ins All fliegen. Das Kunstwort setzt sich aus drei verschiedenen Vokabeln zusammen. Zum einen aus „taikong“, was „Weltraum“ bedeutet. Aus „ren“, was für „Mensch“ steht. „Taikongren“ würde also Raumfahrer bedeutet. Das Suffix „-naut“ wurde dem Wort „Kosmonaut“ entliehen.
Für Staatspräsident Xi Jinping gehört die Raumfahrt zum Chinesischen Traum. Darunter versteht die Kommunistische Partei das Ziel einer Wiederbelebung der Nation und die Entwicklung zu einer Weltmacht. Der Name ist angelehnt an den „American Dream“. Der Raumfahrttraum ist ein Teil dieser Strategie. So sagte Jinping im Rahmen eines Treffens mit der Besatzung der Shenzhou 10 im Jahr 2013: „Die Raumfahrtindustrie zu entwickeln, China zur Raumfahrtmacht zu machen, das ist der Raumfahrttraum, den wir unermüdlich verfolgen.“ Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, wurde unter anderem der „Tag der Raumfahrt“ eingeführt. Das Niveau der Weltraumtechnologie sei ein Indikator für die Stärke einer Nation. Anders als seine Vorgänger treibt Xi Jinping die Raumfahrt in China aktiv und ambitioniert voran.
Das politische Bekenntnis zur Raumfahrt und die Bereitstellung notwendiger Mittel haben dazu geführt, dass China in den jüngsten Jahren sehr schnell aufholen und wichtige Erfolge feiern konnte. So landete bereits der Rover Zhurong auf dem Mars, ein erstes Modul einer chinesischen Raumstation ist bereits im All und die Volksrepublik war das erste Land, das eine Sonde auf der Rückseite des Mondes landen konnte. Mit dem baldigen Ende der Internationalen Raumstation ISS sieht China die Chance gekommen, sich zur alleinigen Großmacht im Weltall aufzuschwingen. Es unterstreicht den Ehrgeiz der Kommunistischen Partei. Für die Regierung ist das Raumfahrt-Programm ein nicht zu unterschätzender Baustein in ihrer Soft Power Strategie – abseits der enormen technologischen Fortschritte, die damit einhergehen.
China ist nicht an der Internationalen Raumstation ISS beteiligt. Das verhinderte ein Veto der USA, die eine Zusammenarbeit ablehnten. Im Jahr 2024 läuft jedoch die Finanzierung der Station aus. Eine Verlängerung scheint derzeit unwahrscheinlich. Vor allem, da Russland angekündigt hat, zukünftig mit China zusammenarbeiten zu wollen. Die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA möchte gemeinsam mit der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos eine Raumstation auf dem Mond errichten. Obwohl die CNSA betont, das Projekt sei „offen für alle interessierten Nationen und internationale Partner“, scheint eine Beteiligung der USA ausgeschlossen. Russland soll vor allem seine Expertise in der bemannten Raumfahrt mit einbringen. Ein Bereich, in dem China noch Jahre hinterherhinkt. Dazu kommt die fortschrittliche russische Technik im Bereich der der Antriebstechnik mit flüssigem Sauerstoff und Kerosin. Mondbasen gelten in der Raumfahrt als Sprungbrett für bemannte Missionen in entferntere Gebiete – beispielsweise zum Mars.
Doch nicht nur China hat ambitionierte Pläne was die Raumfahrt betrifft. Die USA verfolgt zeitgleich das Projekt Artemis-Gateway. Dessen Ziel ist die Errichtung einer permanenten Raumstation in der Umlaufbahn des Mondes. Zwar hatte Ex-Präsident Donald Trump die Pläne wieder auf die Tagesordnung gebracht, die Mittel für Artemis wurden jedoch gekürzt. Eine Umsetzung bis zum Jahr 2024 scheint daher unrealistisch. Auch Russlands Präsident Waldimir Putin hat gefordert, dass sein Land den Status als führende Atom- und Raumfahrtmacht behalten müsse. Roskosmos baut daher an einer eigenen Raumstation. Sie soll als Zwischenstation für Flüge zum Mond dienen. Die Kosten für die Realisierung werden auf rund sechs Milliarden Dollar geschätzt. Ein erstes Basissegment sei bereits in Produktion. Die Zusammenarbeit zwischen Russland und China im Bereich der Raumfahrt ist auch ein Zeichen der Geopolitik. Die beiden Nationen sehen sich als Gegengewicht zu den USA. Die chinesische Zeitung Global Times kommentiert wenig diplomatisch: „Die beiden Länder zeigen ihre Entschlossenheit, weltweit Gerechtigkeit in einer multipolaren Welt aufrechtzuerhalten, während die USA unter dem Deckmantel des Multilateralismus anderen ihre Ideologie aufzwängen und sich in Staaten einmischen, um ihre eigene Hegemonie zu behaupten.“
Die ambitionierten Ziele in der Raumfahrt haben in China einen großen Markt privater Anbieter entstehen lassen. iSpace und Galactic Energy beispielsweise bieten Raketentechnik und die Beförderung von Satelliten an. Bei Ultimate Nebula können Consulting-Dienste im Bereich der Raumfahrt gekauft werden und C-Space hat in der Wüste Gobi ein Forschungszentrum für eine bemannte Marsmission eröffnet. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln schätzt, dass der globale Markt in diesem Bereich im Jahr 2030 bereits 1.400 Milliarden Dollar pro Jahr betragen könnte. Im Jahr 2019 lag er bei 366 Milliarden Dollar. Das Fernziel ist es, mit dem Abbau von Rohstoffen auf erdnahen Himmelskörpern und Weltraumtourismus Geld zu verdienen. Aktuell ist das Hauptgeschäft allerdings der Bau von Satelliten und deren Abschuss in die Umlaufbahn.
Hinter der Raumfahrt in China stecken geopolitische und wirtschaftliche Interessen. Das Land möchte zu einer Weltmacht und zum globalen Technologieführer aufsteigen. Die Raumfahrt soll dabei helfen. Die Redaktion von Table.Media hat alle News und Entwicklungen zum Thema.