Table.Briefing: Security

Ukraine vor der Offensive + Warum Kiew den Kampfjet F-16 will + Nachschub von der Nato-Ostflanke + Der neue deutsche Nato-Botschafter

Liebe Leserin, lieber Leser,

während in Moskau heute mit einer Militärparade an den Sieg über Nazi-Deutschland 1945 erinnert wird, wachsen im Westen die Erwartungen, dass die Ukraine gegen die russischen Besatzer vorgeht. Die Frage der Stunde lautet: Ist Kiew dafür bereit?

Im Gegensatz zum westlichen Ausland sind die Menschen in der Ukraine vorsichtig mit ihren Hoffnungen auf schnelle Erfolge, schreibt mein Kiewer Kollege Denis Trubetskoy. Warum die Regierung von Wolodymyr Selenskyj dennoch unter Druck steht – das erläutern wir in einer gemeinsamen Analyse.

Gerne hätte die ukrainische Armee bereits jetzt amerikanische F-16-Kampfjets im Einsatz, doch gegen deren Lieferungen gibt es Widerstände – noch. Einiges aber deutet darauf hin, dass sie früher oder später über der Ukraine fliegen könnten. Weshalb Kiew ausgerechnet die F-16 will, erklären Nana Brink und Thomas Wiegold.

Eine wichtige Rolle bei der militärischen Unterstützung der Ukraine spielen die osteuropäischen Nato-Staaten. Lisa-Martina Klein hat eine detaillierte Übersicht, was wer geliefert hat. Sie zeigt, dass selbst Ungarn unter Viktor Orbán hilft, wenn auch sehr verhalten.   

Wir stellen Ihnen außerdem den neuen Nato-Botschafter Deutschlands in Brüssel vor: Géza von Geyr. Der erfahrene Diplomat wird die Beziehung zu Russland mitgestalten.

Eine gute Lektüre wünscht Ihnen,

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

Analyse

Frühjahrsoffensive: Ukraine bereit für Rückeroberung

Ukraine-Russland-Karte

Der Frühling in Kiew lockt Menschen in die Cafés, doch ihre Gesprächsthemen korrespondieren nicht mit dem schönen Wetter. Es geht um den Krieg, um Verwandte oder Freunde, die an der Front sind oder nach der Mobilmachung bald damit rechnen. Es geht um die jüngsten Drohnen- und Raketenangriffe der russischen Armee gegen zivile Ziele. Und es geht um das, was alle erwarten: eine Offensive gegen die Besatzer.

Seit den ukrainischen Rückeroberungen im Herbst 2022 im Donbass ist viel Zeit vergangen – Zeit, die auch Russland nutzte und seine Verteidigungsstellungen ausbaute. In den Gesprächen der Ukrainer ist deshalb zurückhaltender Optimismus zu vernehmen. Sie hoffen auf Erfolge, wissen aber, dass der Krieg durch einzelne Rückeroberungen noch lange nicht entschieden sein wird.

Erfahrene Soldaten wurden geschont

Für die ukrainische Armee spielen neben den westlichen Waffen zwei Faktoren eine wichtige Rolle:  

  • die Zahl erfahrener Soldaten
  • die Ausbildung neuer Brigaden

Die erfahrenen Soldaten, das sind die, die schon 2015 im Donbass waren. Diese Einheiten sollen zuletzt bewusst geschont worden und nur selten in die verlustreichen Kämpfe um die Stadt Bachmut entsandt worden sein. Die neuen Brigaden dagegen setzen sich aus überwiegend frisch rekrutierten, unerfahrenen Männern zusammen, die eigens für eine Offensive ausgebildet wurden, auch an neuer, schwerer westlicher Technik. Zudem gehören den insgesamt zwölf neuen Brigaden jeweils weniger als die üblichen 4.000 Mann an. Neun dieser Brigaden wurden in westlichen Staaten ausgebildet. Hinzu kommen acht neue Brigaden der Nationalgarde. Sie sollen beim Vorrücken der Armee die Lage in befreiten Orten unter Kontrolle halten.

Angriffe auf russische Logistik

Die Ukraine bereitet ihr Vorgehen auch anderweitig vor und stört die russische Logistik: Zuletzt gingen vier Öllager im Westen Russlands am Schwarzen Meer und auf der besetzten Krim in Flammen auf. Mindestens fünf Drohnenangriffe auf Raffinerien wurden von lokalen Behörden bestätigt. Zweimal entgleisten Frachtzüge in der belarussisch-russischen Grenzregion Brjansk; auf der Krim hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB vergangene Woche angeblich einen Anschlag auf den Moskauer Verwaltungschef Sergej Aksjonow verhindert; im besetzten Melitopol verübten mutmaßlich ukrainische Partisanen Angriffe auf prorussische Statthalter; hinzu kommt die bislang unaufgeklärte Drohnen-Attacke auf den Kreml Anfang Mai. Insgesamt habe es innerhalb einer Woche mindestens 25 Drohnen-Vorfälle in Russland und auf der Krim gegeben, meldete das regierungskritische russische Portal The Insider.  

Der frühere russische Botschafter bei der Nato, Dmitri Rogosin, veröffentlichte auf seinem Telegram-Kanal ein Video aus der besetzten Region Saporischschja und sprach von besseren Wetterbedingungen, denen nun eine Offensive der Ukrainer folgen werde. “Wir sind bereit”, sagte Rogosin und drohte zugleich: “Unsere Militärdoktrin erlaubt jetzt den Einsatz taktischer Atomwaffen.” Von offiziellen russischen Stellen gab es in den vergangenen Tagen keine Äußerungen zu Atomwaffen, mit deren Einsatz Putin immer wieder gedroht und deren Stationierung in Belarus er angekündigt hat.

Evakuierungen in Saporischschja angeordnet

Rogosin kündigt in seiner Telegram-Botschaft an, womit die russischen Besatzer rechnen: Zunächst würde die Ukraine mit massivem Artilleriebeschuss angreifen, dann Panzer und Infanterie schicken. Die russische Armee hat ihre Stellungen in den vergangenen Monaten gefestigt. In der Region Saporischschja sollen die Russen eine 120 Kilometer lange Verteidigungsfront aufgebaut haben, die aus Kampfstellungen und Abwehranlagen besteht. Für diese Region haben die Besatzer am vergangenen Freitagnachmittag Evakuierungen angeordnet. Insgesamt ist die Frontlinie aber mehr als 800 Kilometer lang.

Ein Vorstoß in Saporischschja ist nur eine von mehreren denkbaren Entwicklungen. Die von Russland gebaute Brücke auf die Krim ist ebenso ein mögliches Ziel. Nördlich von Cherson haben ukrainische Soldaten Ende April erfolgreich den Dnjepr überquert. Unklar ist, ob sie die Position halten konnten. Aber ein Vorgehen auf diesem Wege und dann nach Osten in Richtung Melitopol, wo eine starke Partisanengruppe aktiv ist, ist denkbar.

Westliche Unterstützer brauchen Erfolge

Oleksij Melnyk vom Think Tank Zentr Rasumkowa in Kiew geht davon aus, dass die ukrainische Militärführung “mehrere Pläne vorbereitet” habe und erst “im letztmöglichen Moment” entscheiden werde, “welcher wirklich eingesetzt wird”. Mit einem “Gegenangriff, der alles entscheiden wird”, rechnet der frühere Oberstleutnant nicht. “Ich kann mir theoretisch einen Durchbruch bis zu rund 30 Kilometer in die Tiefe vorstellen, bei dem auch die Flanken ausreichend gesichert werden können. Das wäre schon ein Riesenerfolg.”

Wahrscheinlicher als eine breite Offensive ist eine Mischung aus vielen kleinen Angriffen, ähnlich denen gegen russische Logistikpunkte und bei lokalen Durchbruchversuchen. Vor allem aus außenpolitischen Gründen steht die Ukraine derzeit unter Druck, Erfolge vorzuweisen. Westliche Politikerinnen und Politiker müssen schließlich auch ihren Wählerinnen und Wählern erklären, dass sich die Kosten der Unterstützung lohnen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weiß das, wie die Washington Post nach Gesprächen mit ihm berichtet. Mit Viktor Funk

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Westliche Kampfjets: Warum die Ukraine die F-16 will

Sie gilt als “Multitalent” in der Riege der Kampfjets und wird seit den 1970er Jahren in den USA produziert: die F-16. Ursprünglich von General Dynamics als leichtes Jagdflugzeug für die US-Luftwaffe gebaut, entwickelte sich der “Fighting Falcon” zum Exportschlager von Lockheed Martin. Mit einer Stückzahl von mehr als 4500 in verschiedenen Versionen ist die F-16 der weltweit meistverkaufte Kampfjet.

Neben den USA nutzen den vergleichsweise kostengünstigen Allzweck-Jet unter anderem Ägypten, Bahrain, Belgien, Dänemark, Griechenland, Indonesien, Norwegen, Niederlande, Pakistan, Portugal, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand, Türkei und Venezuela. Damit gibt es nicht nur eine starke Basis in den europäischen Nato-Ländern, sondern auch einen großen weltweiten Markt für Ersatzteile. Deutschland fliegt dieses Modell nicht.

Die F-16 kann als Jagdflugzeug für den Luftkampf eingesetzt werden, ebenso aber auch als Bomber mit Präzisionsmunition. Allerdings erwartet der Militärexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR), dass die Ukraine diese Jets weniger zur Bekämpfung von Zielen am Boden wünscht: “In der Luft-Boden-Rolle würden die ukrainischen Streitkräfte die F-16 vermutlich kaum einsetzen. Dafür fehlt ihnen bislang die Ausbildung und das Training.”

Ukraine will F-16 für Luftverteidigung

Die Regierung in Kiew will die westlichen Kampfflugzeuge vor allem zur Stärkung ihrer Luftverteidigung. “Mit der F-16 hofft die Ukraine auch auf moderne Lenkflugkörper für den Luftkampf, die ihnen einen fire-and-forget-Einsatz gegen russische Kampfflugzeuge ermöglichen würden. Damit wären vor allem Angriffe auf die russischen Jagdbomber möglich, die aus großer Höhe und hinter den Frontlinien weitreichende Gleitbomben abwerfen”, erläutert Gressel. Die älteren Lenkflugkörper sowjetischen Typs, die die Ukraine derzeit hat, erforderten dagegen eine längere Radar-Zielbeleuchtung. “Sie erleichtern damit russischen Jägern den Angriff auf die ukrainischen Maschinen.”

Die westlichen Jets könnten eine Lücke füllen: Die Ukraine hat zunehmend Schwierigkeiten, ihre Luftverteidigung mit bodengestützten Flugabwehrsystemen zu verstärken. Schon vor der russischen Invasion hatte das Land geschätzt rund 30 Batterien mit dem sowjetischen System S-300 und zehn des älteren, ebenfalls sowjetischen Buk-Systems. Zwar haben westliche Staaten inzwischen ihre Systeme geliefert, unter anderem Patriot aus US-Produktion und Iris-T SLM aus Deutschland – aber nur in geringen Stückzahlen. Denn die Nato-Staaten besitzen selbst nicht so viele Flugabwehrsysteme, wie sie in den nach sowjetischem Muster aufgestellten Streitkräften vorhanden sind.

Lieferung nach Beginn der Gegenoffensive?

US-Präsident Joe Biden hat bislang keine Entscheidung über die Lieferung von F-16 getroffen. Die Freigabe der USA als Herstellerland ist zunächst entscheidend. Die ersten ukrainischen Piloten werden jedoch bereits an der F-16 ausgebildet. Auch Großbritannien unterstützt die Ausbildung für diese Jets. Der frühere Nato-Oberbefehlshaber James Stavridis sagte im Januar im ZDF, die F-16 sei “ein relativ einfaches Flugzeug, das kann man gut lernen”. Anfang Mai sagte der niederländische Premier Mark Rutte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Den Haag, die Lieferung von F-16 sei “kein Tabu” mehr.

Für den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba ist die Lieferung von US-amerikanischen Kampfjets laut ntv nur eine “Frage von Zeit”. “Ich denke, dass diese Entscheidung der USA an die Resultate der Gegenoffensive geknüpft wird”, sagte der 42-Jährige im ukrainischen Fernsehen.

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Nato-Ostflanke: Drehscheibe für Nachschub an die Ukraine

Einst im Warschauer Pakt zusammen mit der Sowjetunion militärisch gegen den Westen vereint, bilden die Staaten an der Grenze zur Ukraine und Russland nun die Speerspitze des Nordatlantikpakts gegen Russland: Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die baltischen Länder Estland, Lettland, Litauen.

Polen

Polen hat bis April 2023 militärische Ausrüstung im Wert von 2,5 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert, vor allem Waffensysteme sowjetischer Bauart. Über den polnischen Flughafen Rzeszów-Jasionka – einem der wichtigsten Stützpunkte der US-Armee – wird der Großteil der westlichen Waffenlieferungen abgewickelt. Ende Mai geht im polnischen Gliwice ein von Berlin gemeinsam mit Warschau und Kiew betriebener Instandsetzungshub für Leopard-Kampfpanzer in Betrieb. Die USA betreiben in Polen bereits seit Ende 2022 einen Reparaturhub.

Slowakei

Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hat im Auftrag der Bundeswehr nahe Michalovce einen Instandsetzungshub zur Reparatur der Panzerhaubitze 2000, der französischen Caesar-Haubitze, des Gepard-Flugabwehrkanonenpanzers, des Raketenartilleriesystems Mars II und des gepanzerten Transportfahrzeugs Dingo geschaffen.

Rumänien

Rumäniens Rolle als Transit- und Verlegeland an der Südostflanke der Nato ist zentral für das westliche Verteidigungsbündnis. Zuletzt ist es auch zum wichtigsten Diesellieferanten der Ukraine avanciert, noch vor Polen und der Türkei. Dass über Art und Umfang der militärischen Hilfe an die Ukraine wenig bekannt ist, könnte daran liegen, dass Rumänien historisch und politisch eng mit dem benachbarten Moldau verbunden ist. Eine zu offene Unterstützung der Ukraine könnte die dortige Russland-kritische Regierung in Bedrängnis bringen.

Tschechien

Zwei Wochen nach Kriegsbeginn lieferte Tschechien große Mengen an Rüstungsgütern. Genaue Zahlen gab die Regierung aber erst im Februar 2023 bekannt: unter anderem waren 89 Kampfpanzer, 226 Schützenpanzer, 38 Haubitzen, sechs Luftverteidigungssysteme und vier Kampfhubschrauber, 33 Mehrfachraketenwerfer, 60.000 Stück Munition, anderthalb Millionen Schuss Gewehrmunition und weitere Munition dabei. Gesamtwert: 420 Millionen Euro.

Bulgarien

Bis Dezember 2022 lieferte Bulgarien offiziell keine Waffen oder Munition an die Ukraine. Recherchen der Zeitung Welt aber zeigen, dass bulgarische Rüstungsgüter über zwischengeschaltete Firmen, zum Beispiel in Polen, in die Ukraine gelangten, vor allem in den Anfangsmonaten des Krieges. Bulgarien verfügt über Waffen sowjetischer Bauart und produziert die passende Munition. Auch signifikante Mengen Treibstoff hat Bulgarien geliefert, das selbst abhängig ist von russischen Energielieferungen. Im Dezember 2022 hat das bulgarische Parlament beschlossen, offiziell Waffenlieferungen an die Ukraine zu erlauben.

Ungarn

Ungarn lehnt den Transport von Rüstungsgütern über sein Staatsgebiet bislang offiziell ab. Allerdings berichtete das Investigativ-Portal Atlatszo am 28. April, dass an mehreren Tagen im Februar 2023 auf den ungarischen Flughäfen Györ und Tököl leichte Militärhubschrauber landeten, die nachweislich eine Spende Frankreichs an die Ukraine waren. Die Helikopter flogen nach einer Wartung ins polnische Rzeszów. Außerdem nutzten viele militärische Transportflüge mit Erlaubnis den Luftraum Ungarns.

Estland/Lettland/Litauen

Die baltischen Staaten gehören, gemessen am Anteil ihres Bruttoinlandsprodukts, zu den führenden Gebernationen: Lettland 1,2 Prozent, Estland 1,1 Prozent, Litauen 0,9 Prozent. Estland liefert unter anderem Raketen für das Panzerabwehrraketensystem Javelin, Haubitzen, Panzerabwehrminen sowie Panzerabwehrgranatwerfer. Lettland beteiligt sich vor allem mit Stinger-Raketen, Litauen mit Flugabwehrgeschützen. In Litauen baute Rheinmetall im Juni 2022 mit KMW ein Wartungszentrum auf. Hier werden Gefechtsfahrzeuge der litauischen sowie weiterer im Baltikum stationierten Nato-Streitkräfte repariert. Zeitweise wurde auch westliches Militärmaterial, das die Ukraine erhalten hatte, dort instand gesetzt.

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News

Puma-Schützenpanzer: BMVg will trotz Risiken schnell bestellen

Trotz Bedenken aus dem Parlament, aber auch aus dem Bundesfinanzministerium, will das Verteidigungsministerium weitere Schützenpanzer des Typs Puma bestellen. Das Wehrressort legte für die Sitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses am morgigen Mittwoch eine sogenannte 25-Millionen-Vorlage vor, mit der die Abgeordneten die Bestellung von 50 Schützenpanzern eines zweiten Loses freigeben sollen. Für die Beschaffung der Gefechtsfahrzeuge ist gut eine Milliarde Euro vorgesehen, zusammen mit Systemzubehör und einem “Vorhalt” für Preissteigerungen erhöht sich die Gesamtsumme auf 1,5 Milliarden Euro.

Der Puma, nach Angaben des Verteidigungsministeriums der modernste Schützenpanzer der Welt, ist als Nachfolger des rund 50 Jahre alten Schützenpanzers Marder vorgesehen. Die Bundeswehr hat bereits 350 dieser Gefechtsfahrzeuge, die allerdings derzeit mit Milliardenaufwand nachgerüstet werden müssen. Ende vergangenen Jahres sorgte der Ausfall von allen 18 Puma bei einer Übung für Aufsehen – und dafür, dass ein zweites Los zunächst infrage gestellt wurde.

In der Vorlage für das Parlament, die Table.Media einsehen konnte, warnt das Finanzministerium, die jetzt vorgesehene Bestellung sei risikobehaftet: Bislang seien die nachgerüsteten Schützenpanzer des ersten Loses noch nicht darauf überprüft worden, ob die Anforderungen eingehalten würden. Auch der Haushaltsausschuss hatte eigentlich im vergangenen Jahr die Vorgabe gemacht, vor einer Bestellung weiterer Puma “sicherzustellen, dass die Maßgaben erfüllt sind und alle SPz PUMA 1. Los angemessen umgerüstet werden”.

Ein späterer Auftrag hätte die Kosten erhöht

Allerdings steht das Verteidigungsministerium unter Zeitdruck: Die Herstellerfirmen, ein Gemeinschaftsunternehmen der Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, hatten bereits mehrfach die Frist verlängert, die für das Angebot der Gefechtsfahrzeuge im zweiten Los gilt. Diese sogenannte Bindungsfrist endet am kommenden Freitag. Ein späterer Auftrag hätte die Kosten weiter erhöht – und schon jetzt bekommt das Heer für die angepeilte Summe von 1,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen nur 50 und nicht, wie ursprünglich geplant, 111 dieser Schützenpanzer. Um den Bedarf von insgesamt 111 Puma im zweiten Los zu erhalten, müsste das Verteidigungsministerium bis Februar kommenden Jahres die nächsten 54 Schützenpanzer bestellen – dann zum kalkulierten Finanzbedarf von weiteren 1,6 Milliarden Euro.

Das Verteidigungsministerium hatte am gestrigen Montag lediglich bestätigt, dass die Beschaffungsvorlage an das Parlament gegangen sei, ohne Einzelheiten zu nennen. “Wir wollen das deutsche Heer modernisieren, und der Schützenpanzer ist gewollt”, sagte eine Sprecherin. tw

Weg für Assads Teilnahme an Gipfel der Arabischen Liga in Riad frei

Syrien ist wieder Mitglied der Arabischen Liga. Zwölf Jahre nachdem das Regime von Baschar al-Assad 2011 wegen Menschenrechtsverletzungen und mutmaßlicher Kriegsverbrechen suspendiert worden war, stimmten Vertreter von 13 der zuletzt 21 arabischen Mitgliedsstaaten am Sonntag in Kairo in einer außerordentlichen Sitzung für die Rückkehr Syriens in die Organisation. Eine Teilnahme Assads am Gipfeltreffen des Regionalbündnisses am 19. Mai in Riad gilt nun als wahrscheinlich.

Saudi-Arabien hatte in den vergangenen Monaten sein Engagement für eine Rehabilitierung Assads verstärkt. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Jordanien setzten sich zuletzt zunehmend für eine Rückkehr des seit 2000 regierenden Staatschefs in die Arabische Liga ein. In den ersten Jahren nach Beginn des Aufstands gegen das Regime in Damaskus 2011 standen die vier sunnitischen Staaten noch auf Seiten der syrischen Opposition. Marokko und Katar lehnen ein Ende der Isolation Assads weiter ab.

350.000 Menschen sind seit Beginn des Kriegs in Syrien getötet worden, mehr als 14 Millionen Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben, davon 6,8 Millionen im eigenen Land. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben mehr als 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Assad war es nach dem Erdbeben in seinem Land im Februar gelungen, sich bei der Verteilung humanitärer Hilfe internationalen Organisationen als Mittler anzudienen. Er verspricht sich vom Ende der Isolation Milliardenhilfen für den Wiederaufbau des zerstörten Landes. mrb

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Sicherheitslage in Mali: Vertrauen in Russland, Ablehnung Frankreichs

Mehr als 90 Prozent der Malierinnen und Malier vertrauen Russland im Einsatz gegen Unsicherheit im Land. Das geht aus einer Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung hervor, die sie jährlich in Mali durchführt. 57 Prozent der 2.000 Befragten hingegen zeigten sich unzufrieden mit dem Einsatz der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Minusma). Drei von vier Befragten werfen der UN-Mission vor, dass sie die Bevölkerung nicht vor bewaffneten Gruppen schütze. Die Ablehnung ist in Regionen größer, in denen Minusma weniger präsent ist.

Die hohen Zustimmungswerte für Russland hätten “viel mit der Propaganda der malischen Regierung zu tun”, sagt Christian Klatt, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Diese feiere zwar “die russische Partnerschaft”, gebe aber nicht offiziell zu, “dass es Wagner-Truppen sind, die im Land sind”.

Die Enttäuschung über die europäische Intervention beziehe sich hauptsächlich auf die französischen Antiterrormissionen. Sie habe nicht die Erfolge gebracht, die sich die Malier erhofft hätten. Allerdings seien die Zustimmungswerte für Frankreich zu Beginn des französischen Einsatzes ähnlich hoch gewesen wie die aktuellen Zahlen für Russland, sagt Klatt. “Die Malier haben hohe Erwartungen. Man möchte, dass sich etwas ändert, weshalb sehr viel Vertrauen in bestimmte Akteure gesteckt wird.” Außerdem bilden die Zahlen zwar eine Tendenz ab, seien aufgrund der eingeschränkten Meinungsvielfalt in Mali aber “mit Vorsicht zu genießen”.

Deutschland hingegen hat einen guten Stand in der Bevölkerung. Das sei am Haupteinsatzort Gao spürbar. “Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr tragen klar die Flagge, weil Deutsche weniger angegangen werden”, sagt Klatt. Das habe einerseits damit zu tun, dass Deutschland anders als Frankreich in Mali keine Kolonialmacht war, zum anderen, weil die Bundesrepublik 1960 als erster Staat Malis Unabhängigkeit anerkannt habe.

2024 verlassen die letzten deutschen Soldaten Mali

Die Bundesregierung hatte vergangene Woche dem Bundestag vorgeschlagen, die deutsche Beteiligung an der UN-Mission letztmalig bis Mai 2024 zu verlängern. Das Mandat sieht innerhalb dieser Zeit den kompletten Abzug der derzeit gut 1.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vor. Zuletzt hatten Spannungen zwischen der Militärregierung des Landes und westlichen Ländern den Einsatz erschwert. Mit dem Ende des Mandats in Mali will die Bundesregierung das deutsche Engagement in der Sahel-Region nicht beenden. Die Bundeswehr soll etwa im benachbarten Niger im Rahmen der militärischen Partnerschaftsmission EUMPM nigrische Kräfte ausbilden. bub

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Schweden: Parlamentarier fordern schnellere Aufrüstung für Nato-Beitritt

Schwedens “Zeitenwende” ist zu langsam. Zu dieser Einschätzung kommt ein Bericht der schwedischen Verteidigungskommission, den sie Ende April Verteidigungsminister Pål Jonson übergeben hat. Die Aufrüstung der schwedischen Streitkräfte müsse schneller als geplant vonstattengehen, heißt es darin. “In Europa tobt ein großer Krieg. Umso wichtiger ist es, dass der Ausbau und die Investitionen in die schwedische Sicherheit weitergehen”, sagte Hans Wallmark, Mitglied der konservativen Regierungspartei (Moderata samlingspartiet). Wallmark gehört der Kommission an.

Laut des Berichts der Verteidigungskommission sind die Angaben über Munition, Personal und Ausrüstung veraltet. “Die Covid-19-Pandemie, die wichtige militärische Unterstützung der Ukraine und die erhöhte Nachfrage nach militärischer Ausrüstung” erforderten dringend eine Anpassung. Nach Auffassung der Parlamentarier müssten die Streitkräfte mit mehr qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Im Hinblick auf die zu erwartende Nato-Mitgliedschaft fehlten vor allem Offiziere.

Nato-Ziel von 2 Prozent bis 2026

Die schwedischen Streitkräfte verfügen über 14.600 aktive Mitglieder, 21.200 Freiwillige der “Hemvärnet” (Heimwehr) und rund 10.000 Reservisten. Die Verteidigungsausgaben von heute 1,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes sollen bis 2026 auf 2 Prozent steigen.

Für Wallmark, Vorsitzender der schwedischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato, ist der Bericht der Verteidigungskommission ein Zeichen “der Stärke und Geschlossenheit”. In dem Gremium sitzen unter anderem Vertreter aller acht Parteien des schwedischen Parlaments, Angehörige des Verteidigungs-, Außen- und Finanzministeriums sowie der Streitkräfte und des Katastrophenschutzes. nana

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Presseschau

Arte – Wanted: Der gefährlichste Waffenhändler der Welt: Auf den Chinesen Karl Lee alias Li Fangwei sind fünf Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt: Er soll den Iran trotz Sanktionen jahrelang mit modernen Raketenbauteilen versorgt haben. Dank ihm ist das Regime in Teheran heute im Besitz leistungsfähiger Mittelstreckenraketen, die auch von Russland gekauft werden könnten. 90 Minuten. Wer lieber hören mag: Gibt es auch als Tagesschau-Podcast.

Balkan Insight – Weapon supplies to Ukraine help repair tarnished image of Czech arms makers: Vom ungeliebten Kind zur großen Chance: Die Rüstungsindustrie in Tschechien erlebt derzeit einen Wandel. Vor allem Tschechiens lange Tradition in der Herstellung schwerer sowjetischer Waffen kommt derzeit sowohl Tschechien als auch der Ukraine zugute.

Tagesspiegel – Shot Show in L.A. und der deutsche Staat: Schützenhilfe vom Ministerium: Europäische Handfeuerwaffen, allen voran deutsche wie die von Sig Sauer, sind auf dem amerikanischen Markt stark vertreten. Der Tagesspiegel hat recherchiert, wie stark deutsche Waffenhersteller, aber auch das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium, in den USA vertreten sind.

Dekoder – “Putins Siegeskult erinnert an Kriegskult in Nazi-Deutschland”: Der ukrainische Soziologe Mychailo Mischtschenko beobachtet, wie der Krieg die Gesellschaft in der Ukraine verändert und er bietet interessante Erklärungen zum von Putin geförderten Kult in Russland an. Ein erkenntnisreiches Interview mit viel statistischem Material.

Table.Media – EU plant Sanktionen gegen chinesische Firmen: Mehrere chinesische Firmen sollen Russland Waffenbestandteile liefern, Brüssel könnte deshalb erstmals extraterritoriale Strafmaßnahmen verhängen. Peking warnt die EU bereits vorsorglich vor der Verhängung von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine.

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Heads

Géza von Geyr – Deutschlands neuer Nato-Botschafter

Geza Andreas von Geyr

Vor mehr als sechs Jahren, im März 2017, reiste Géza von Geyr nach Moskau. Der damalige Leiter der Politik-Abteilung im Berliner Verteidigungsministerium traf sich mit seinem russischen Gegenpart. Auf der Tagesordnung, so berichtete das Moskauer Ministerium, standen dabei unter anderem die russischen Bedenken “angesichts der Aktivitäten der Nato nahe der russischen Grenze” und von westlichen Raketenabwehrstellungen in Polen und Rumänien.

Der Besuch, den der ans deutsche Wehrressort ausgeliehene Diplomat von Geyr ein Jahr später wiederholte, fiel vor allem deshalb auf, weil die – militärischen – Gesprächskontakte zwischen der Nato und Russland seit der russischen Besetzung der Krim 2014 praktisch nicht mehr existierten. Der politische Direktor aus dem Berliner Bendlerblock versuchte, wenigstens auf politischer Ebene den Draht nach Moskau nicht abreißen zu lassen. Dass von Geyr dann 2019 das Verteidigungsministerium verließ und als deutscher Botschafter in die russische Hauptstadt wechselte, schien da nur folgerichtig.

Besondere Expertise nach vier Jahren in Moskau

Wenn der Diplomat, Jahrgang 1962, demnächst nach fast vier Jahren von Moskau als Botschafter an die deutsche Vertretung bei der Nato wechselt, verlässt er allerdings eine völlig gewandelte politische Lage in Russland – und trifft auf eine ebenfalls veränderte Allianz. Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 haben sich die Beziehungen zwischen Russland und der Nato von einem frostigen Miteinander zu offener Gegnerschaft gewandelt. Er werde in Moskau als Feind angesehen, räumte von Geyr bei Gesprächen am Rande seiner Deutschlandbesuche ein. Gesprächskontakte in die russische Regierung gebe es praktisch nicht mehr.

Darauf stellt sich auch die Nato ein. Die Verteidigungspläne für ihre östlichen Mitgliedstaaten werden über-, teilweise sogar erst erarbeitet. Deutschland als der größte und bevölkerungsreichste Mitgliedstaat in Europa hat dabei eine wesentliche Rolle und bringt künftig mit seinem neuen Vertreter in Brüssel zusätzliche Expertise und vor allem Kontakte dafür mit.

Von Geyr wird die Beziehung zu Russland mitgestalten

Der studierte Historiker und Politikwissenschaftler von Geyr, der vor gut 30 Jahren die klassische Diplomatenlaufbahn des Auswärtigen Amtes begann, hatte schon vor seinem Amtsantritt als Politischer Direktor im Verteidigungsministerium unter der damaligen Ressortchefin Ursula von der Leyen die Sicherheitspolitik zu seinem Schwerpunkt gemacht. Nach seinem ersten Posten als Attaché an der deutschen Botschaft in Marokko prägten praktisch nur noch außen- und sicherheitspolitische Aufgaben seine Arbeit. Dazu gehörten vor allem seine Tätigkeit als Referatsleiter in der Außen- und Sicherheitspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes und sein Posten als Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes.

Der Diplomat, der als einer der klügsten strategischen Denker in der deutschen Diplomatie gilt, wird in seiner neuen Position entscheidenden Anteil an der Gestaltung der künftigen Beziehungen des Westens zu Russland haben. Im Juli 2018, noch als Politik-Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, hatte sich von Geyr optimistisch gezeigt: Die Nato bleibe der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit, aber er “hoffe sehr, dass es die Politik Moskaus erlauben wird, auch wieder zu einem besseren Miteinander mit Russland zu kommen”. Thomas Wiegold

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    während in Moskau heute mit einer Militärparade an den Sieg über Nazi-Deutschland 1945 erinnert wird, wachsen im Westen die Erwartungen, dass die Ukraine gegen die russischen Besatzer vorgeht. Die Frage der Stunde lautet: Ist Kiew dafür bereit?

    Im Gegensatz zum westlichen Ausland sind die Menschen in der Ukraine vorsichtig mit ihren Hoffnungen auf schnelle Erfolge, schreibt mein Kiewer Kollege Denis Trubetskoy. Warum die Regierung von Wolodymyr Selenskyj dennoch unter Druck steht – das erläutern wir in einer gemeinsamen Analyse.

    Gerne hätte die ukrainische Armee bereits jetzt amerikanische F-16-Kampfjets im Einsatz, doch gegen deren Lieferungen gibt es Widerstände – noch. Einiges aber deutet darauf hin, dass sie früher oder später über der Ukraine fliegen könnten. Weshalb Kiew ausgerechnet die F-16 will, erklären Nana Brink und Thomas Wiegold.

    Eine wichtige Rolle bei der militärischen Unterstützung der Ukraine spielen die osteuropäischen Nato-Staaten. Lisa-Martina Klein hat eine detaillierte Übersicht, was wer geliefert hat. Sie zeigt, dass selbst Ungarn unter Viktor Orbán hilft, wenn auch sehr verhalten.   

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    Der Frühling in Kiew lockt Menschen in die Cafés, doch ihre Gesprächsthemen korrespondieren nicht mit dem schönen Wetter. Es geht um den Krieg, um Verwandte oder Freunde, die an der Front sind oder nach der Mobilmachung bald damit rechnen. Es geht um die jüngsten Drohnen- und Raketenangriffe der russischen Armee gegen zivile Ziele. Und es geht um das, was alle erwarten: eine Offensive gegen die Besatzer.

    Seit den ukrainischen Rückeroberungen im Herbst 2022 im Donbass ist viel Zeit vergangen – Zeit, die auch Russland nutzte und seine Verteidigungsstellungen ausbaute. In den Gesprächen der Ukrainer ist deshalb zurückhaltender Optimismus zu vernehmen. Sie hoffen auf Erfolge, wissen aber, dass der Krieg durch einzelne Rückeroberungen noch lange nicht entschieden sein wird.

    Erfahrene Soldaten wurden geschont

    Für die ukrainische Armee spielen neben den westlichen Waffen zwei Faktoren eine wichtige Rolle:  

    • die Zahl erfahrener Soldaten
    • die Ausbildung neuer Brigaden

    Die erfahrenen Soldaten, das sind die, die schon 2015 im Donbass waren. Diese Einheiten sollen zuletzt bewusst geschont worden und nur selten in die verlustreichen Kämpfe um die Stadt Bachmut entsandt worden sein. Die neuen Brigaden dagegen setzen sich aus überwiegend frisch rekrutierten, unerfahrenen Männern zusammen, die eigens für eine Offensive ausgebildet wurden, auch an neuer, schwerer westlicher Technik. Zudem gehören den insgesamt zwölf neuen Brigaden jeweils weniger als die üblichen 4.000 Mann an. Neun dieser Brigaden wurden in westlichen Staaten ausgebildet. Hinzu kommen acht neue Brigaden der Nationalgarde. Sie sollen beim Vorrücken der Armee die Lage in befreiten Orten unter Kontrolle halten.

    Angriffe auf russische Logistik

    Die Ukraine bereitet ihr Vorgehen auch anderweitig vor und stört die russische Logistik: Zuletzt gingen vier Öllager im Westen Russlands am Schwarzen Meer und auf der besetzten Krim in Flammen auf. Mindestens fünf Drohnenangriffe auf Raffinerien wurden von lokalen Behörden bestätigt. Zweimal entgleisten Frachtzüge in der belarussisch-russischen Grenzregion Brjansk; auf der Krim hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB vergangene Woche angeblich einen Anschlag auf den Moskauer Verwaltungschef Sergej Aksjonow verhindert; im besetzten Melitopol verübten mutmaßlich ukrainische Partisanen Angriffe auf prorussische Statthalter; hinzu kommt die bislang unaufgeklärte Drohnen-Attacke auf den Kreml Anfang Mai. Insgesamt habe es innerhalb einer Woche mindestens 25 Drohnen-Vorfälle in Russland und auf der Krim gegeben, meldete das regierungskritische russische Portal The Insider.  

    Der frühere russische Botschafter bei der Nato, Dmitri Rogosin, veröffentlichte auf seinem Telegram-Kanal ein Video aus der besetzten Region Saporischschja und sprach von besseren Wetterbedingungen, denen nun eine Offensive der Ukrainer folgen werde. “Wir sind bereit”, sagte Rogosin und drohte zugleich: “Unsere Militärdoktrin erlaubt jetzt den Einsatz taktischer Atomwaffen.” Von offiziellen russischen Stellen gab es in den vergangenen Tagen keine Äußerungen zu Atomwaffen, mit deren Einsatz Putin immer wieder gedroht und deren Stationierung in Belarus er angekündigt hat.

    Evakuierungen in Saporischschja angeordnet

    Rogosin kündigt in seiner Telegram-Botschaft an, womit die russischen Besatzer rechnen: Zunächst würde die Ukraine mit massivem Artilleriebeschuss angreifen, dann Panzer und Infanterie schicken. Die russische Armee hat ihre Stellungen in den vergangenen Monaten gefestigt. In der Region Saporischschja sollen die Russen eine 120 Kilometer lange Verteidigungsfront aufgebaut haben, die aus Kampfstellungen und Abwehranlagen besteht. Für diese Region haben die Besatzer am vergangenen Freitagnachmittag Evakuierungen angeordnet. Insgesamt ist die Frontlinie aber mehr als 800 Kilometer lang.

    Ein Vorstoß in Saporischschja ist nur eine von mehreren denkbaren Entwicklungen. Die von Russland gebaute Brücke auf die Krim ist ebenso ein mögliches Ziel. Nördlich von Cherson haben ukrainische Soldaten Ende April erfolgreich den Dnjepr überquert. Unklar ist, ob sie die Position halten konnten. Aber ein Vorgehen auf diesem Wege und dann nach Osten in Richtung Melitopol, wo eine starke Partisanengruppe aktiv ist, ist denkbar.

    Westliche Unterstützer brauchen Erfolge

    Oleksij Melnyk vom Think Tank Zentr Rasumkowa in Kiew geht davon aus, dass die ukrainische Militärführung “mehrere Pläne vorbereitet” habe und erst “im letztmöglichen Moment” entscheiden werde, “welcher wirklich eingesetzt wird”. Mit einem “Gegenangriff, der alles entscheiden wird”, rechnet der frühere Oberstleutnant nicht. “Ich kann mir theoretisch einen Durchbruch bis zu rund 30 Kilometer in die Tiefe vorstellen, bei dem auch die Flanken ausreichend gesichert werden können. Das wäre schon ein Riesenerfolg.”

    Wahrscheinlicher als eine breite Offensive ist eine Mischung aus vielen kleinen Angriffen, ähnlich denen gegen russische Logistikpunkte und bei lokalen Durchbruchversuchen. Vor allem aus außenpolitischen Gründen steht die Ukraine derzeit unter Druck, Erfolge vorzuweisen. Westliche Politikerinnen und Politiker müssen schließlich auch ihren Wählerinnen und Wählern erklären, dass sich die Kosten der Unterstützung lohnen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj weiß das, wie die Washington Post nach Gesprächen mit ihm berichtet. Mit Viktor Funk

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    Westliche Kampfjets: Warum die Ukraine die F-16 will

    Sie gilt als “Multitalent” in der Riege der Kampfjets und wird seit den 1970er Jahren in den USA produziert: die F-16. Ursprünglich von General Dynamics als leichtes Jagdflugzeug für die US-Luftwaffe gebaut, entwickelte sich der “Fighting Falcon” zum Exportschlager von Lockheed Martin. Mit einer Stückzahl von mehr als 4500 in verschiedenen Versionen ist die F-16 der weltweit meistverkaufte Kampfjet.

    Neben den USA nutzen den vergleichsweise kostengünstigen Allzweck-Jet unter anderem Ägypten, Bahrain, Belgien, Dänemark, Griechenland, Indonesien, Norwegen, Niederlande, Pakistan, Portugal, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand, Türkei und Venezuela. Damit gibt es nicht nur eine starke Basis in den europäischen Nato-Ländern, sondern auch einen großen weltweiten Markt für Ersatzteile. Deutschland fliegt dieses Modell nicht.

    Die F-16 kann als Jagdflugzeug für den Luftkampf eingesetzt werden, ebenso aber auch als Bomber mit Präzisionsmunition. Allerdings erwartet der Militärexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR), dass die Ukraine diese Jets weniger zur Bekämpfung von Zielen am Boden wünscht: “In der Luft-Boden-Rolle würden die ukrainischen Streitkräfte die F-16 vermutlich kaum einsetzen. Dafür fehlt ihnen bislang die Ausbildung und das Training.”

    Ukraine will F-16 für Luftverteidigung

    Die Regierung in Kiew will die westlichen Kampfflugzeuge vor allem zur Stärkung ihrer Luftverteidigung. “Mit der F-16 hofft die Ukraine auch auf moderne Lenkflugkörper für den Luftkampf, die ihnen einen fire-and-forget-Einsatz gegen russische Kampfflugzeuge ermöglichen würden. Damit wären vor allem Angriffe auf die russischen Jagdbomber möglich, die aus großer Höhe und hinter den Frontlinien weitreichende Gleitbomben abwerfen”, erläutert Gressel. Die älteren Lenkflugkörper sowjetischen Typs, die die Ukraine derzeit hat, erforderten dagegen eine längere Radar-Zielbeleuchtung. “Sie erleichtern damit russischen Jägern den Angriff auf die ukrainischen Maschinen.”

    Die westlichen Jets könnten eine Lücke füllen: Die Ukraine hat zunehmend Schwierigkeiten, ihre Luftverteidigung mit bodengestützten Flugabwehrsystemen zu verstärken. Schon vor der russischen Invasion hatte das Land geschätzt rund 30 Batterien mit dem sowjetischen System S-300 und zehn des älteren, ebenfalls sowjetischen Buk-Systems. Zwar haben westliche Staaten inzwischen ihre Systeme geliefert, unter anderem Patriot aus US-Produktion und Iris-T SLM aus Deutschland – aber nur in geringen Stückzahlen. Denn die Nato-Staaten besitzen selbst nicht so viele Flugabwehrsysteme, wie sie in den nach sowjetischem Muster aufgestellten Streitkräften vorhanden sind.

    Lieferung nach Beginn der Gegenoffensive?

    US-Präsident Joe Biden hat bislang keine Entscheidung über die Lieferung von F-16 getroffen. Die Freigabe der USA als Herstellerland ist zunächst entscheidend. Die ersten ukrainischen Piloten werden jedoch bereits an der F-16 ausgebildet. Auch Großbritannien unterstützt die Ausbildung für diese Jets. Der frühere Nato-Oberbefehlshaber James Stavridis sagte im Januar im ZDF, die F-16 sei “ein relativ einfaches Flugzeug, das kann man gut lernen”. Anfang Mai sagte der niederländische Premier Mark Rutte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Den Haag, die Lieferung von F-16 sei “kein Tabu” mehr.

    Für den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba ist die Lieferung von US-amerikanischen Kampfjets laut ntv nur eine “Frage von Zeit”. “Ich denke, dass diese Entscheidung der USA an die Resultate der Gegenoffensive geknüpft wird”, sagte der 42-Jährige im ukrainischen Fernsehen.

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    Nato-Ostflanke: Drehscheibe für Nachschub an die Ukraine

    Einst im Warschauer Pakt zusammen mit der Sowjetunion militärisch gegen den Westen vereint, bilden die Staaten an der Grenze zur Ukraine und Russland nun die Speerspitze des Nordatlantikpakts gegen Russland: Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die baltischen Länder Estland, Lettland, Litauen.

    Polen

    Polen hat bis April 2023 militärische Ausrüstung im Wert von 2,5 Milliarden Euro an die Ukraine geliefert, vor allem Waffensysteme sowjetischer Bauart. Über den polnischen Flughafen Rzeszów-Jasionka – einem der wichtigsten Stützpunkte der US-Armee – wird der Großteil der westlichen Waffenlieferungen abgewickelt. Ende Mai geht im polnischen Gliwice ein von Berlin gemeinsam mit Warschau und Kiew betriebener Instandsetzungshub für Leopard-Kampfpanzer in Betrieb. Die USA betreiben in Polen bereits seit Ende 2022 einen Reparaturhub.

    Slowakei

    Krauss-Maffei Wegmann (KMW) hat im Auftrag der Bundeswehr nahe Michalovce einen Instandsetzungshub zur Reparatur der Panzerhaubitze 2000, der französischen Caesar-Haubitze, des Gepard-Flugabwehrkanonenpanzers, des Raketenartilleriesystems Mars II und des gepanzerten Transportfahrzeugs Dingo geschaffen.

    Rumänien

    Rumäniens Rolle als Transit- und Verlegeland an der Südostflanke der Nato ist zentral für das westliche Verteidigungsbündnis. Zuletzt ist es auch zum wichtigsten Diesellieferanten der Ukraine avanciert, noch vor Polen und der Türkei. Dass über Art und Umfang der militärischen Hilfe an die Ukraine wenig bekannt ist, könnte daran liegen, dass Rumänien historisch und politisch eng mit dem benachbarten Moldau verbunden ist. Eine zu offene Unterstützung der Ukraine könnte die dortige Russland-kritische Regierung in Bedrängnis bringen.

    Tschechien

    Zwei Wochen nach Kriegsbeginn lieferte Tschechien große Mengen an Rüstungsgütern. Genaue Zahlen gab die Regierung aber erst im Februar 2023 bekannt: unter anderem waren 89 Kampfpanzer, 226 Schützenpanzer, 38 Haubitzen, sechs Luftverteidigungssysteme und vier Kampfhubschrauber, 33 Mehrfachraketenwerfer, 60.000 Stück Munition, anderthalb Millionen Schuss Gewehrmunition und weitere Munition dabei. Gesamtwert: 420 Millionen Euro.

    Bulgarien

    Bis Dezember 2022 lieferte Bulgarien offiziell keine Waffen oder Munition an die Ukraine. Recherchen der Zeitung Welt aber zeigen, dass bulgarische Rüstungsgüter über zwischengeschaltete Firmen, zum Beispiel in Polen, in die Ukraine gelangten, vor allem in den Anfangsmonaten des Krieges. Bulgarien verfügt über Waffen sowjetischer Bauart und produziert die passende Munition. Auch signifikante Mengen Treibstoff hat Bulgarien geliefert, das selbst abhängig ist von russischen Energielieferungen. Im Dezember 2022 hat das bulgarische Parlament beschlossen, offiziell Waffenlieferungen an die Ukraine zu erlauben.

    Ungarn

    Ungarn lehnt den Transport von Rüstungsgütern über sein Staatsgebiet bislang offiziell ab. Allerdings berichtete das Investigativ-Portal Atlatszo am 28. April, dass an mehreren Tagen im Februar 2023 auf den ungarischen Flughäfen Györ und Tököl leichte Militärhubschrauber landeten, die nachweislich eine Spende Frankreichs an die Ukraine waren. Die Helikopter flogen nach einer Wartung ins polnische Rzeszów. Außerdem nutzten viele militärische Transportflüge mit Erlaubnis den Luftraum Ungarns.

    Estland/Lettland/Litauen

    Die baltischen Staaten gehören, gemessen am Anteil ihres Bruttoinlandsprodukts, zu den führenden Gebernationen: Lettland 1,2 Prozent, Estland 1,1 Prozent, Litauen 0,9 Prozent. Estland liefert unter anderem Raketen für das Panzerabwehrraketensystem Javelin, Haubitzen, Panzerabwehrminen sowie Panzerabwehrgranatwerfer. Lettland beteiligt sich vor allem mit Stinger-Raketen, Litauen mit Flugabwehrgeschützen. In Litauen baute Rheinmetall im Juni 2022 mit KMW ein Wartungszentrum auf. Hier werden Gefechtsfahrzeuge der litauischen sowie weiterer im Baltikum stationierten Nato-Streitkräfte repariert. Zeitweise wurde auch westliches Militärmaterial, das die Ukraine erhalten hatte, dort instand gesetzt.

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    Puma-Schützenpanzer: BMVg will trotz Risiken schnell bestellen

    Trotz Bedenken aus dem Parlament, aber auch aus dem Bundesfinanzministerium, will das Verteidigungsministerium weitere Schützenpanzer des Typs Puma bestellen. Das Wehrressort legte für die Sitzung des Bundestags-Haushaltsausschusses am morgigen Mittwoch eine sogenannte 25-Millionen-Vorlage vor, mit der die Abgeordneten die Bestellung von 50 Schützenpanzern eines zweiten Loses freigeben sollen. Für die Beschaffung der Gefechtsfahrzeuge ist gut eine Milliarde Euro vorgesehen, zusammen mit Systemzubehör und einem “Vorhalt” für Preissteigerungen erhöht sich die Gesamtsumme auf 1,5 Milliarden Euro.

    Der Puma, nach Angaben des Verteidigungsministeriums der modernste Schützenpanzer der Welt, ist als Nachfolger des rund 50 Jahre alten Schützenpanzers Marder vorgesehen. Die Bundeswehr hat bereits 350 dieser Gefechtsfahrzeuge, die allerdings derzeit mit Milliardenaufwand nachgerüstet werden müssen. Ende vergangenen Jahres sorgte der Ausfall von allen 18 Puma bei einer Übung für Aufsehen – und dafür, dass ein zweites Los zunächst infrage gestellt wurde.

    In der Vorlage für das Parlament, die Table.Media einsehen konnte, warnt das Finanzministerium, die jetzt vorgesehene Bestellung sei risikobehaftet: Bislang seien die nachgerüsteten Schützenpanzer des ersten Loses noch nicht darauf überprüft worden, ob die Anforderungen eingehalten würden. Auch der Haushaltsausschuss hatte eigentlich im vergangenen Jahr die Vorgabe gemacht, vor einer Bestellung weiterer Puma “sicherzustellen, dass die Maßgaben erfüllt sind und alle SPz PUMA 1. Los angemessen umgerüstet werden”.

    Ein späterer Auftrag hätte die Kosten erhöht

    Allerdings steht das Verteidigungsministerium unter Zeitdruck: Die Herstellerfirmen, ein Gemeinschaftsunternehmen der Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, hatten bereits mehrfach die Frist verlängert, die für das Angebot der Gefechtsfahrzeuge im zweiten Los gilt. Diese sogenannte Bindungsfrist endet am kommenden Freitag. Ein späterer Auftrag hätte die Kosten weiter erhöht – und schon jetzt bekommt das Heer für die angepeilte Summe von 1,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen nur 50 und nicht, wie ursprünglich geplant, 111 dieser Schützenpanzer. Um den Bedarf von insgesamt 111 Puma im zweiten Los zu erhalten, müsste das Verteidigungsministerium bis Februar kommenden Jahres die nächsten 54 Schützenpanzer bestellen – dann zum kalkulierten Finanzbedarf von weiteren 1,6 Milliarden Euro.

    Das Verteidigungsministerium hatte am gestrigen Montag lediglich bestätigt, dass die Beschaffungsvorlage an das Parlament gegangen sei, ohne Einzelheiten zu nennen. “Wir wollen das deutsche Heer modernisieren, und der Schützenpanzer ist gewollt”, sagte eine Sprecherin. tw

    Weg für Assads Teilnahme an Gipfel der Arabischen Liga in Riad frei

    Syrien ist wieder Mitglied der Arabischen Liga. Zwölf Jahre nachdem das Regime von Baschar al-Assad 2011 wegen Menschenrechtsverletzungen und mutmaßlicher Kriegsverbrechen suspendiert worden war, stimmten Vertreter von 13 der zuletzt 21 arabischen Mitgliedsstaaten am Sonntag in Kairo in einer außerordentlichen Sitzung für die Rückkehr Syriens in die Organisation. Eine Teilnahme Assads am Gipfeltreffen des Regionalbündnisses am 19. Mai in Riad gilt nun als wahrscheinlich.

    Saudi-Arabien hatte in den vergangenen Monaten sein Engagement für eine Rehabilitierung Assads verstärkt. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Jordanien setzten sich zuletzt zunehmend für eine Rückkehr des seit 2000 regierenden Staatschefs in die Arabische Liga ein. In den ersten Jahren nach Beginn des Aufstands gegen das Regime in Damaskus 2011 standen die vier sunnitischen Staaten noch auf Seiten der syrischen Opposition. Marokko und Katar lehnen ein Ende der Isolation Assads weiter ab.

    350.000 Menschen sind seit Beginn des Kriegs in Syrien getötet worden, mehr als 14 Millionen Menschen wurden durch die Kämpfe vertrieben, davon 6,8 Millionen im eigenen Land. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben mehr als 90 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Assad war es nach dem Erdbeben in seinem Land im Februar gelungen, sich bei der Verteilung humanitärer Hilfe internationalen Organisationen als Mittler anzudienen. Er verspricht sich vom Ende der Isolation Milliardenhilfen für den Wiederaufbau des zerstörten Landes. mrb

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    Sicherheitslage in Mali: Vertrauen in Russland, Ablehnung Frankreichs

    Mehr als 90 Prozent der Malierinnen und Malier vertrauen Russland im Einsatz gegen Unsicherheit im Land. Das geht aus einer Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung hervor, die sie jährlich in Mali durchführt. 57 Prozent der 2.000 Befragten hingegen zeigten sich unzufrieden mit dem Einsatz der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (Minusma). Drei von vier Befragten werfen der UN-Mission vor, dass sie die Bevölkerung nicht vor bewaffneten Gruppen schütze. Die Ablehnung ist in Regionen größer, in denen Minusma weniger präsent ist.

    Die hohen Zustimmungswerte für Russland hätten “viel mit der Propaganda der malischen Regierung zu tun”, sagt Christian Klatt, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Diese feiere zwar “die russische Partnerschaft”, gebe aber nicht offiziell zu, “dass es Wagner-Truppen sind, die im Land sind”.

    Die Enttäuschung über die europäische Intervention beziehe sich hauptsächlich auf die französischen Antiterrormissionen. Sie habe nicht die Erfolge gebracht, die sich die Malier erhofft hätten. Allerdings seien die Zustimmungswerte für Frankreich zu Beginn des französischen Einsatzes ähnlich hoch gewesen wie die aktuellen Zahlen für Russland, sagt Klatt. “Die Malier haben hohe Erwartungen. Man möchte, dass sich etwas ändert, weshalb sehr viel Vertrauen in bestimmte Akteure gesteckt wird.” Außerdem bilden die Zahlen zwar eine Tendenz ab, seien aufgrund der eingeschränkten Meinungsvielfalt in Mali aber “mit Vorsicht zu genießen”.

    Deutschland hingegen hat einen guten Stand in der Bevölkerung. Das sei am Haupteinsatzort Gao spürbar. “Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr tragen klar die Flagge, weil Deutsche weniger angegangen werden”, sagt Klatt. Das habe einerseits damit zu tun, dass Deutschland anders als Frankreich in Mali keine Kolonialmacht war, zum anderen, weil die Bundesrepublik 1960 als erster Staat Malis Unabhängigkeit anerkannt habe.

    2024 verlassen die letzten deutschen Soldaten Mali

    Die Bundesregierung hatte vergangene Woche dem Bundestag vorgeschlagen, die deutsche Beteiligung an der UN-Mission letztmalig bis Mai 2024 zu verlängern. Das Mandat sieht innerhalb dieser Zeit den kompletten Abzug der derzeit gut 1.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vor. Zuletzt hatten Spannungen zwischen der Militärregierung des Landes und westlichen Ländern den Einsatz erschwert. Mit dem Ende des Mandats in Mali will die Bundesregierung das deutsche Engagement in der Sahel-Region nicht beenden. Die Bundeswehr soll etwa im benachbarten Niger im Rahmen der militärischen Partnerschaftsmission EUMPM nigrische Kräfte ausbilden. bub

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    Schweden: Parlamentarier fordern schnellere Aufrüstung für Nato-Beitritt

    Schwedens “Zeitenwende” ist zu langsam. Zu dieser Einschätzung kommt ein Bericht der schwedischen Verteidigungskommission, den sie Ende April Verteidigungsminister Pål Jonson übergeben hat. Die Aufrüstung der schwedischen Streitkräfte müsse schneller als geplant vonstattengehen, heißt es darin. “In Europa tobt ein großer Krieg. Umso wichtiger ist es, dass der Ausbau und die Investitionen in die schwedische Sicherheit weitergehen”, sagte Hans Wallmark, Mitglied der konservativen Regierungspartei (Moderata samlingspartiet). Wallmark gehört der Kommission an.

    Laut des Berichts der Verteidigungskommission sind die Angaben über Munition, Personal und Ausrüstung veraltet. “Die Covid-19-Pandemie, die wichtige militärische Unterstützung der Ukraine und die erhöhte Nachfrage nach militärischer Ausrüstung” erforderten dringend eine Anpassung. Nach Auffassung der Parlamentarier müssten die Streitkräfte mit mehr qualifiziertem Personal ausgestattet werden. Im Hinblick auf die zu erwartende Nato-Mitgliedschaft fehlten vor allem Offiziere.

    Nato-Ziel von 2 Prozent bis 2026

    Die schwedischen Streitkräfte verfügen über 14.600 aktive Mitglieder, 21.200 Freiwillige der “Hemvärnet” (Heimwehr) und rund 10.000 Reservisten. Die Verteidigungsausgaben von heute 1,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes sollen bis 2026 auf 2 Prozent steigen.

    Für Wallmark, Vorsitzender der schwedischen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato, ist der Bericht der Verteidigungskommission ein Zeichen “der Stärke und Geschlossenheit”. In dem Gremium sitzen unter anderem Vertreter aller acht Parteien des schwedischen Parlaments, Angehörige des Verteidigungs-, Außen- und Finanzministeriums sowie der Streitkräfte und des Katastrophenschutzes. nana

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    Presseschau

    Arte – Wanted: Der gefährlichste Waffenhändler der Welt: Auf den Chinesen Karl Lee alias Li Fangwei sind fünf Millionen Dollar Kopfgeld ausgesetzt: Er soll den Iran trotz Sanktionen jahrelang mit modernen Raketenbauteilen versorgt haben. Dank ihm ist das Regime in Teheran heute im Besitz leistungsfähiger Mittelstreckenraketen, die auch von Russland gekauft werden könnten. 90 Minuten. Wer lieber hören mag: Gibt es auch als Tagesschau-Podcast.

    Balkan Insight – Weapon supplies to Ukraine help repair tarnished image of Czech arms makers: Vom ungeliebten Kind zur großen Chance: Die Rüstungsindustrie in Tschechien erlebt derzeit einen Wandel. Vor allem Tschechiens lange Tradition in der Herstellung schwerer sowjetischer Waffen kommt derzeit sowohl Tschechien als auch der Ukraine zugute.

    Tagesspiegel – Shot Show in L.A. und der deutsche Staat: Schützenhilfe vom Ministerium: Europäische Handfeuerwaffen, allen voran deutsche wie die von Sig Sauer, sind auf dem amerikanischen Markt stark vertreten. Der Tagesspiegel hat recherchiert, wie stark deutsche Waffenhersteller, aber auch das grün geführte Bundeswirtschaftsministerium, in den USA vertreten sind.

    Dekoder – “Putins Siegeskult erinnert an Kriegskult in Nazi-Deutschland”: Der ukrainische Soziologe Mychailo Mischtschenko beobachtet, wie der Krieg die Gesellschaft in der Ukraine verändert und er bietet interessante Erklärungen zum von Putin geförderten Kult in Russland an. Ein erkenntnisreiches Interview mit viel statistischem Material.

    Table.Media – EU plant Sanktionen gegen chinesische Firmen: Mehrere chinesische Firmen sollen Russland Waffenbestandteile liefern, Brüssel könnte deshalb erstmals extraterritoriale Strafmaßnahmen verhängen. Peking warnt die EU bereits vorsorglich vor der Verhängung von Sanktionen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine.

    Empfehlungen aus der SZ

    So wehrt die Ukraine Putins Kinschal-Raketen ab: Mit zwei “Patriot”-Systemen kann sich die Ukraine besser gegen Luftangriffe schützen – und hat das nun offenbar schon erfolgreich geschafft. Wie die Abwehr einer Hyperschallrakete funktioniert. Mehr

    Du musst jetzt ganz stark sein: Die Bundeswehr bemühte sich über die Jahre mal achtsam, mal dümmlich um neue Rekruten. Die neue Kampagne geht nun vom Ernstfall aus. Mehr

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    Géza von Geyr – Deutschlands neuer Nato-Botschafter

    Geza Andreas von Geyr

    Vor mehr als sechs Jahren, im März 2017, reiste Géza von Geyr nach Moskau. Der damalige Leiter der Politik-Abteilung im Berliner Verteidigungsministerium traf sich mit seinem russischen Gegenpart. Auf der Tagesordnung, so berichtete das Moskauer Ministerium, standen dabei unter anderem die russischen Bedenken “angesichts der Aktivitäten der Nato nahe der russischen Grenze” und von westlichen Raketenabwehrstellungen in Polen und Rumänien.

    Der Besuch, den der ans deutsche Wehrressort ausgeliehene Diplomat von Geyr ein Jahr später wiederholte, fiel vor allem deshalb auf, weil die – militärischen – Gesprächskontakte zwischen der Nato und Russland seit der russischen Besetzung der Krim 2014 praktisch nicht mehr existierten. Der politische Direktor aus dem Berliner Bendlerblock versuchte, wenigstens auf politischer Ebene den Draht nach Moskau nicht abreißen zu lassen. Dass von Geyr dann 2019 das Verteidigungsministerium verließ und als deutscher Botschafter in die russische Hauptstadt wechselte, schien da nur folgerichtig.

    Besondere Expertise nach vier Jahren in Moskau

    Wenn der Diplomat, Jahrgang 1962, demnächst nach fast vier Jahren von Moskau als Botschafter an die deutsche Vertretung bei der Nato wechselt, verlässt er allerdings eine völlig gewandelte politische Lage in Russland – und trifft auf eine ebenfalls veränderte Allianz. Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 haben sich die Beziehungen zwischen Russland und der Nato von einem frostigen Miteinander zu offener Gegnerschaft gewandelt. Er werde in Moskau als Feind angesehen, räumte von Geyr bei Gesprächen am Rande seiner Deutschlandbesuche ein. Gesprächskontakte in die russische Regierung gebe es praktisch nicht mehr.

    Darauf stellt sich auch die Nato ein. Die Verteidigungspläne für ihre östlichen Mitgliedstaaten werden über-, teilweise sogar erst erarbeitet. Deutschland als der größte und bevölkerungsreichste Mitgliedstaat in Europa hat dabei eine wesentliche Rolle und bringt künftig mit seinem neuen Vertreter in Brüssel zusätzliche Expertise und vor allem Kontakte dafür mit.

    Von Geyr wird die Beziehung zu Russland mitgestalten

    Der studierte Historiker und Politikwissenschaftler von Geyr, der vor gut 30 Jahren die klassische Diplomatenlaufbahn des Auswärtigen Amtes begann, hatte schon vor seinem Amtsantritt als Politischer Direktor im Verteidigungsministerium unter der damaligen Ressortchefin Ursula von der Leyen die Sicherheitspolitik zu seinem Schwerpunkt gemacht. Nach seinem ersten Posten als Attaché an der deutschen Botschaft in Marokko prägten praktisch nur noch außen- und sicherheitspolitische Aufgaben seine Arbeit. Dazu gehörten vor allem seine Tätigkeit als Referatsleiter in der Außen- und Sicherheitspolitischen Abteilung des Bundeskanzleramtes und sein Posten als Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes.

    Der Diplomat, der als einer der klügsten strategischen Denker in der deutschen Diplomatie gilt, wird in seiner neuen Position entscheidenden Anteil an der Gestaltung der künftigen Beziehungen des Westens zu Russland haben. Im Juli 2018, noch als Politik-Abteilungsleiter im Verteidigungsministerium, hatte sich von Geyr optimistisch gezeigt: Die Nato bleibe der Eckpfeiler der europäischen Sicherheit, aber er “hoffe sehr, dass es die Politik Moskaus erlauben wird, auch wieder zu einem besseren Miteinander mit Russland zu kommen”. Thomas Wiegold

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    Security.Table Redaktion

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