wir alle blicken auf ein Jahr zurück, das unsere Gewissheiten erschüttert hat und dessen Folgen uns noch lange beschäftigen werden. Der Angriffskrieg Russlands mit seinen unmittelbaren Auswirkungen für die Ukraine, die Sicherheitslage Europas und die Verfasstheit des westlichen Bündnisses: Es sind Zeiten der sicherheitspolitischen Neubestimmung.
Eines scheint mir bei allen Unwägbarkeiten sicher: Wer Entscheidungen fällen muss, braucht Wissen über die relevanten Ereignisse und sachkundige Einordnung. Wir, die Redakteurinnen und Redakteure von Table.Media, wollen Ihnen diesen Wissensvorsprung verschaffen. Wenn Sie sich jetzt genauso wie wir einige Tage der Weihnachtsruhe gönnen, wollen wir Ihnen dieses Versprechen für das Jahr 2023 mitgeben. Über wirklich Wichtiges werden wir Sie auf dem Laufenden halten. Die nächste reguläre Ausgabe des Security.Table erreicht Sie am 3. Januar – dann ohne Marco Seliger, der dieses Professional Briefing aufgebaut hat und sich nun anderen publizistischen Aufgaben zuwendet.
Was erwartet Sie in dem aktuellen Briefing? Zunächst der Puma, der Schützenpanzer im Streik. Ist dieses moderne Gefechtsfahrzeug zu komplex für den Einsatz im Krieg? Das fragt Thomas Wiegold. Wer für diesen für Deutschland peinlichen Totalausfall verantwortlich ist – der Streit darüber hat begonnen.
In Polen entsteht derweil “Little Ramstein”, ein bedeutender Stützpunkt des US-Militärs und nur einer von mehreren geplanten im östlichen Nachbarland Deutschlands. Am Flughafen Rzeszów nur 70 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, bauen die Amerikaner ihre Präsenz massiv aus, berichtet Nana Brink. Unklar ist nur, ob Warschau und Washington bei dieser Kooperation dieselben Interessen teilen.
Mehr als zehn Monate dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine schon an, trotz offensichtlicher Schwäche Putins ist ein Ende nicht in Sicht. Der Militäranalyst Yigal Levin spricht im Interview mit Viktor Funk über Moskaus Probleme und über Putins künftige Strategie.
Kommendes Jahr will die EU eine neue Mission im Niger starten, Deutschland, Frankreich und andere EU-Staaten beteiligen sich. Doch die militärische Präsenz aus dem Westen birgt Risiken. Niger hält die frühere Kolonialmacht Frankreich aus Ressentiments auf Distanz und orientiert sich beim Waffenkauf in Richtung Russland und Türkei, wie Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung in seinem Gastbeitrag erklärt.
Ich wünsche Ihnen besinnliche Weihnachtstage,
Das Debakel hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Keine zwei Wochen, bevor die Bundeswehr die Führung der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) übernimmt und Truppen innerhalb weniger Tage abmarschbereit halten muss, meldete ein General den Totalausfall: Bei einer Übung fielen gleich alle 18 Puma-Schützenpanzer einer Panzergrenadierkompanie aus.
Der Einsatz der Gefechtsfahrzeuge gleiche einem Lotteriespiel, warnte der Kommandeur der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, an das Heereskommando – in einem Brandbrief, der via Spiegel sehr schnell den Weg an die Öffentlichkeit fand.
Das Hauptproblem: die 18 ausgefallenen Schützenpanzer gehören zu denen, die gerade für die VJTF-Bereitschaft ab 1. Januar noch einmal nachgerüstet und auf den technisch neuesten Stand gebracht wurden. Vorsorglich stoppte deshalb das Verteidigungsministerium den Einsatz aller gut 40 nachgerüsteten Pumas und will den Jahrzehnte alten Vorgänger Marder für die Eingreiftruppe bereitstellen.
Sowohl die Truppe als auch die Industrie versuchen nun fieberhaft, den Grund für den Massenausfall festzustellen. Bei der Fehlersuche, so heißt es in einem internen Protokoll der Industrie, deute einiges auf Probleme bei der Truppe hin: Die Einheit habe weder die nötigen Ersatzteile mit in diese Übung genommen noch ausreichend Sonderwerkzeug. Die bereitstehende Hilfe der Herstellerfirmen sei nicht angefordert worden.
Ob das tatsächlich der ausschlaggebende Grund war, ist bislang nicht sicher. Und er führt zu einer Frage, die die Bundeswehr ebenso wie die beteiligten Unternehmen beantworten müssen: Ist ein Schützenpanzer, der so komplex ist und ohne Industrieunterstützung nicht einmal einige Tage auf dem Übungsplatz durchsteht, die richtige Wahl für einen Einsatz unter Kriegsbedingungen? Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellt sich jedenfalls vor ihre Soldatinnen und Soldaten. Sie sieht “die Industrie in der Verantwortung”, wie sie bei ihrem Besuch in der Slowakei am Montagnachmittag betonte.
Dass der Puma ein technisch hoch komplexes System ist, das zudem über die Jahre immer wieder verändert und damit noch komplizierter wurde, hat sich die Bundeswehr allerdings auch selbst zuzuschreiben: Von der ursprünglichen Forderung, der Schützenpanzer müsse auch im damals neuen Transportflugzeug A400M ins Einsatzgebiet geflogen werden können, bis zur Art der verbauten Kameras gingen viele Ansprüche und Nachforderungen auf Wünsche des Militärs zurück.
Nach dem aktuellen Debakel scheint sich allerdings die Frage zu stellen, ob die Bundeswehr das Dauerproblem Puma beenden will. Denn Verteidigungsministerin Lambrecht erklärte nicht nur, dass die für kommendes Frühjahr geplante Bestellung weiterer Schützenpanzer dieses Typs vorerst zurückgestellt werde.
Auch die vom Haushaltsausschuss des Bundestages erst in der vergangenen Woche freigegebenen Gelder für eine Nachrüstung der bereits beschafften Pumas sollen vorerst nicht genutzt werden: Der entsprechende Vertrag, hieß es aus dem Ministerium, werde zunächst nicht gezeichnet.
Die letzte Bestätigung aus dem Verteidigungsministerium fehlt noch, aber dies ist nur eine Frage von Tagen: Die USA wollen Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot in die Ukraine senden. Wie viele es sein werden, ist nicht bekannt. Wie sie aber unter anderem ihren Weg in die Ukraine finden werden, darüber kann man sich sicher sein. Über den Flughafen Rzeszów in Südpolen.
Ende März, genau einen Monat nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, landete dort eine Maschine, die man hier früher nicht erwartet hätte: die Air Force One mit US-Präsident Joe Biden an Bord. Die weiß-hellblaue Maschine stand gut sichtbar auf dem Rollfeld. Ebenso sichtbar waren die beiden gefechtsbereiten MIM-104 Patriot Flugabwehrraketen hinter dem Stacheldrahtzaun. Zu verstehen nicht nur zum Schutz für den US-Präsidenten, sondern auch als Signal in Richtung Russland. Hier, zirka 70 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, entsteht momentan ein “Little Ramstein”.
Spätestens seit dem Besuch Bidens gilt der Flughafen als einer der wichtigsten Stützpunkte der Amerikaner in Polen. Der internationale Airport Rzeszów-Jasionka (IATA code: RZE), nur 10 Kilometer von der 200.000 Einwohner-Stadt entfernt, ist das zentrale Drehkreuz für amerikanische Waffenlieferungen in die Ukraine. Amerikanische Uniformen bestimmen das Bild auf dem militärischen Teil des Flughafens. “Die USA haben hier das Sagen”, erklärt Bartosz Wieliński, stellvertretender Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, einer der wichtigsten polnischen Zeitungen.
Über die A4, die den Flughafen mit der polnisch-ukrainischen Grenze bei Korczowa verbindet, reisten nicht nur die Regierungschefs von Frankreich, Deutschland und Italien im April auf ihrem Weg in die Ukraine. Über die zweispurige Autobahn rollen sämtliche Transporte an die ukrainische Front. Das militärische wie zivile Gerät wird in großen US-Militär-Transportmaschinen wie die C-17 nach Rzeszów gebracht. Dafür wurde die Landebahn auf 3.200 Meter verlängert. Vor den neuen Depots rund um das Flugfeld stehen unzählige Lkw.
Bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten, unter anderem der 82. US-Luftlandedivision, sollen in provisorischen Unterkünften und Kasernen der polnischen Armee in der Nähe untergebracht sein. US-Präsident Biden traf sich dort schon im März mit der Führung des amerikanischen Luftlandeverbandes in der G2A Arena. Das futuristische Kongresszentrum, gebaut von einer der größten digitalen Plattformen für Computerspiele, gilt als Treffpunkt für amerikanische Truppen.
Der Flughafen in Rzeszów ist nur einer von mehreren Stützpunkten des US-amerikanischen Militärs in Polen, die gerade ausgebaut werden. Der außenpolitische Experte Wieliński schätzt die Zahl der in Polen anwesenden US-Militärangehörigen mittlerweile auf bis zu 10.000. Genaue Angaben verweigert das United States European Command (EUCOM) aus Sicherheitsgründen. Neben Truppenteilen des US Marine Corps, die in Gdansk stationiert sind, wird vor allem der Flughafen in Powidz als Base für die US Combat Aviation Brigade ausgebaut.
Auf dem Flugfeld, auf dem früher russische Atomflugzeuge landeten, sind heute US Apache Kampfhubschrauber stationiert. Seit 2019 befindet sich bereits ein großes Militärdepot in der Nähe des Flughafens. Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak erklärte im November: “Wir werden hier einen Stützpunkt mit Hangars, Warenlager und Treibstofftanks errichten”. Start- und Landebahn seien schon ausgebaut.
Die Äußerungen des Verteidigungsministers sind bislang nur in polnischen Medien erschienen. EUCOM scheint die Offenheit des polnischen Partners allerdings zu weit zu gehen. Man äußere sich nicht zu konkreten Vorhaben, so die Antwort. Der Ausbau von Powidz ist jedoch Teil des “2020 Enhanced Defense Cooperation Agreement” zwischen Washington und Warschau, das seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine erheblich ausgeweitet wird.
Geplant sind 114 Infrastrukturprojekte an elf Standorten in Polen. Ein Hinweis auf die verstärkte Präsenz der Amerikaner ist auch das sogenannte “permanent forward Headquarters” für das US Army V Corps, das es so zuvor nicht gegeben hat.
Normalerweise rotieren die Militärangehörigen des 5. US-Korps aus dem zentralen Headquarter in Fort Knox, Kentucky. Jetzt sind sie permanent in Powidz stationiert. Wie EUCOM gegenüber Security.Table bestätigte, ist das neue Kommando am 22. November in Poznan eingerichtet worden. Es umfasst 230 Soldaten und wird laut EUCOM vor allem “aktuelle Operationen” unterstützen. “Sie sind gekommen, um zu bleiben”, ist sich Wieliński sicher.
Seit der russischen Invasion der Ukraine setzt die polnische Regierung verstärkt auf bilaterale Kooperationen mit den Amerikanern. Traditionell misstraut Polens Führung der Nato und vor allem den Deutschen, wie das Hickhack um die Stationierung von Patriot-Raketen zeigt. So treibt der “polnische Musterknabe” schon seit Jahren die “Amerikanisierung der Beschaffungspolitik” voran, wie der Osteuropa-Spezialist der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Kai-Olaf Lang, analysiert.
Dazu gehört nicht nur der Kauf von Apache Kampfhubschraubern und Abrams Panzer, sondern auch der Ausbau des Flughafen Rzeszów. Allerdings warnt der SWP-Experte vor einer falschen Einschätzung der amerikanischen Interessen, die momentan rein strategischer Natur seien. “Für Polen gilt: America first, für die USA gilt: security first”.
Herr Levin, der Kreml will nun die Probleme seiner Armee beheben. Manager aus dem zivilen Bereich sollen die Kommunikation und die Logistik verbessern, in die neuen Ausbildungspläne sollen die Erfahrungen aus den zehn Monaten Krieg in der Ukraine einfließen. Kann Moskau die alten Probleme schnell überwinden?
Nein, das sind strukturelle Probleme. Es wird Jahre dauern, sie zu lösen, in manchen Bereichen sogar Jahrzehnte. Russland hat eine große Armee, entsprechend müssten die Reformen sehr umfassend sein, würden äußerst teuer werden. Es geht in erster Linie nicht um Waffen. Es geht eher um organisatorische Aspekte. Innerhalb eines Jahres die offensichtlichen Probleme zu lösen, funktioniert nicht.
Wird Russland den Terror gegen die Ukraine fortsetzen und parallel die Armee reformieren?
Ich denke nicht, dass es Reformen geben wird. Aber der Terror wird fortgesetzt. Sie greifen die Energieinfrastruktur der Ukraine an, weil sie keine anderen Mittel mehr haben. Sie können keine militärisch wichtigen Operationen mehr durchführen, sie können keine neuen Waffentechnologien einsetzen, oder ihre Kampffähigkeit verbessern. Das Einzige, was ihnen bleibt, ist der Terror gegen das zivile Leben.
Warum zweifeln Sie an der Reformierbarkeit der russischen Armee?
Neben der langen Dauer sind vor allem kompetente, ehrliche und mutige Fachleute nötig, die die Probleme benennen könnten. Dann ist ein politischer Wille nötig, eine Führung, die die Probleme anerkennt und dann Geld und andere Ressourcen zur Verfügung stellt, um sie zu lösen. Hier kommt die Korruption ins Spiel, das Geld wird gestohlen. Deswegen geht es nicht nur um die Rolle der politischen Spitze Russlands, sondern innerhalb des Militärs muss es sehr viele Menschen in den unterschiedlichsten Hierarchien geben, die Veränderungen wirklich wollen. Ich sehe sie in Russland nicht. Das bisschen militärische Qualität, die Russland besitzt, auch in der Technik, das ist sowjetisches Erbe. Danach hat Russland praktisch nichts Eigenes mehr entwickelt, was auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig wäre.
Was ist mit dem Panzer Armata und dem Kampfflieger Su-57?
Bisher gibt es nur Vorzeigemodelle, Russland ist nicht in der Lage, sie in Serie herzustellen. Su-57 wurde Anfang 2010 vorgeführt, heute haben wir aber schon das Jahr 2023, bis heute gibt es nur einige wenige Exemplare des Jets. Außerdem ist der Antrieb keine neue Entwicklung.
Trotz allem ist die Aggressivität Russlands hoch, es beschießt jetzt die kritische Infrastruktur der Ukraine. Wird das Kiew so weit unter Druck setzen können, dass es nachgeben muss?
Hinter der Regierung in Kiew steht die ukrainische Gesellschaft. Es gibt hier einen Konsens, dass alle Gebiete der Ukraine bis zur Grenze von 1991 befreit werden sollen. Das hat die Regierung gesagt und das sagen auch Menschen auf der Straße. Niemand sagt, man muss sich mit Putin einigen.
Auch die absehbaren Probleme im Winter schrecken nicht ab?
Nein, man will den Winter durchstehen. Die Gesellschaft will, dass der Krieg zu Ende geführt wird, das ist Konsens.
Was könnte Moskau mit dem Raketen-Terror erreichen?
Die Angriffe haben keinen militärischen Nutzen, sie sind ganz klar ein Zeichen von Schwäche. Das haben wir nach den ukrainischen Drohnen-Angriffen auf russische Flugplätze gesehen. Die Raketenangriffe waren Rache. Das Gleiche passierte nach der Zerstörung der Krim-Brücke.
Russland hat Probleme, Waffen in größerer Stückzahl herzustellen, Russland hat logistische Probleme und eine unmotivierte Armee. Warum denken Sie und auch andere Analytiker, dass der Krieg noch lange dauern könnte?
Der Krieg dauert schon seit acht Jahren. Er könnte schnell enden – und zwar, wenn Russland seine Truppen abzieht. Doch dieser Konflikt, wie er jetzt ist, kann sich auch Jahre lang hinziehen. Russland kann lange und primitiv diesen Krieg führen, dafür alte Technik wie die Panzer T-62 oder sogar den T-55 einsetzen. Und was die jüngste Mobilmachung betrifft – es werden noch weitere folgen. Jetzt läuft die Ausbildung der Wehrpflichtigen, die nach der Ausbildung in den Krieg geschickt werden können. Und nächstes Jahr soll wieder eine halbe Million eingezogen werden. Und die russische Gesellschaft wehrt sich dagegen nicht. Genügend sind bereit, sich in den Fleischwolf zu begeben.
Welches Ziel verfolgt der Kreml damit?
Für Moskau ist ein ewiger Krieg besser als eine beschämende Niederlage. Der Kreml wägt ab, welche inneren Risiken es gibt, etwa den Zerfall des Landes, dann ist der Krieg vielleicht die bessere Alternative dazu; es gibt hybride Kriege, es gibt die Möglichkeit, Konflikte lange bestehen zu lassen. Wir wissen nicht, welche Richtung im Kreml eingeschlagen wird.
Welche Vorteile hat dann die Verlängerung des Krieges?
Putin hofft, dass sich neue Chancen eröffnen, wenn zum Beispiel der Westen sich über die Ukraine enttäuscht zeigt. Oder wenn es im Westen zu Protesten kommt, oder wenn westliche Waffen gegen zivile Ziele mit vielen Opfer eingesetzt werden, also irgendwelche Verunsicherungen im Westen entstehen. Die Verlängerung des Krieges ist das Warten auf vorteilhaftere Bedingungen. Die Mobilmachung verlängert den Krieg. Dass Putin das macht, zeigt, dass er die Aussichtslosigkeit nicht begreift. Den Status quo kann er nicht halten, er kann den Krieg nicht einfrieren, weil die Gegenseite sich darauf nicht einlässt. Also bleibt nur Sieg oder Niederlage.
Yigal Levin (36) ist Oberleutnant der israelischen Armee in Reserve. Der gebürtige Ukrainer (Odessa) hält sich in der Ukraine auf, auf seinem Telegram-Kanal analysiert er mit Unterstützern den Verlauf des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Nach eigenen Angaben bekommt er viele Informationen von Augenzeugen. Er ist regelmäßiger Gesprächspartner ukrainischer Medien.
Russlands Präsident Wladimir Putin ist am Montag erstmals seit Kriegsbeginn gegen die Ukraine nach Belarus gereist, wo Tausende russische Soldaten stationiert sind. Die genaue Zahl ist unbekannt, Belarus selbst spricht von 9.000 russischen Soldaten. Westliche Analysten gehen von einer höheren Zahl aus.
Putins Besuch fällt mit dem Beginn von Übungen russischer Truppen in Belarus zusammen und dem Ende der Bereitschaftsprüfung belarussischer Truppen. Die Übung der belarussischen Armee begann am 13. Dezember. Offiziell ging es dabei um die Verteidigungsfähigkeit der belarussischen Armee. Doch in Kiew besteht die Sorge, dass Belarus und Russland einen möglichen Angriff vom Norden her vorbereiten. Am späten Montagabend kündigte Putin regelmäßige, gemeinsame militärischen Übungen von russischen und belarussischen Truppen an.
Die Ukraine hat in den vergangenen Monaten den Grenzschutz zu Belarus massiv verstärkt. Im Gegensatz zum Kriegsbeginn im Februar wäre es für die Angreifer heute deutlich gefährlicher, die Grenze zu überqueren. Das ukrainische Verteidigungsministerium teile am Wochenende mit, dass es akut keinen Angriff erwarte. Dennoch binden die russischen und die belarussischen Truppen ukrainische Kräfte in der Region, die deshalb nicht im Osten und Südosten des Landes eingesetzt werden können.
Neben Putin waren auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie Außenminister Sergej Lawrow in Minsk. Schoigu war erst Anfang Dezember in Belarus. Damals vereinbarte er mit seinem Kollegen, Waleri Rewenko, eine gegenseitige Unterstützung in Fragen der “regionalen Sicherheit”.
Belarus’ Armee besteht aus ca. 50.000 Mann. Seit Kriegsbeginn gibt es Spekulationen, dass Staatschef Lukaschenko versucht, trotz Druck aus Moskau, seine Armee aus der aktiven Kriegsbeteiligung im Nachbarland herauszuhalten. Zugleich hat sein Land eine wichtige logistische Rolle für die russischen Truppen. Darüber hinaus registrierte die Ukraine Raketenbeschuss vom belarussischen Territorium aus. Nach offiziellen Angaben aus Minsk und Moskau war das jüngste Treffen vor allem wirtschaftlichen Fragen gewidmet. vf
Eine iranische Delegation soll Russland wegen des Erwerbs von Kriegsschiffen und einer engeren Marine-Kooperation besucht haben. Darüber berichtet das amerikanische Onlinemagazin Breaking Defense unter Berufung auf israelische Quellen aus dem Verteidigungsbereich. Außerdem sollen die Iraner russische Experten um die Fertigung von Schiffsgerät nach eigenen Wünschen gebeten haben.
Russland könnte ein dankbarer Helfer für iranische Ambitionen sein, die Flotte zu verstärken. “Iran ist umgeben von Meeren und braucht deshalb eine bedeutende Marine“, sagt die ehemalige Kommandeurin der israelischen Marine, Eliezer Marom, dem Onlinemagazin. Das hänge auch mit dem iranischen Bestreben zusammen, eine wichtige Macht am Golf und im Nahen Osten zu werden.
Russland und Iran könnten auch wegen des Krieges in der Ukraine auf dem Weg sein, wichtige Militärpartner zu werden. Russland profitiert in der Ukraine von iranischen Drohnen. Erst am gestrigen Morgen flogen nach Angaben aus Kiew mehr als 20 Shahed-Drohnen auf die ukrainische Hauptstadt, die meisten konnten abgefangen werden.
Außerdem soll es iranische Pläne geben, russische Su-35 Kampfflugzeuge zu kaufen. Im Oktober hatte der israelische Premierminister Yair Lapid bei einem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba “große Sorgen über die militärischen Verbindungen zwischen Iran und Russland” geäußert. bub
Die US Air Force hat vergangene Woche den ersten Live-Feuertest ihrer Hyperschallwaffe vor der Küste Kaliforniens durchgeführt. Nach Angaben der Streitkräfte sollen die Raketen des Systems AGM-183A von Lockheed Martin fünffache Schallgeschwindigkeit erreichen. Das System, das besser unter dem Namen ARRW (Air-launched Rapid Response Weapon) bekannt ist, haben die Air Force und Lockheed Martin seit 2018 entwickelt. Innerhalb eines Jahres soll es einsatzbereit sein.
Auch Russland und China arbeiten an Hyperschallflugkörpern, Moskau soll in der Ukraine schon Kinschal-Hyperschallraketen eingesetzt haben, die mit bis zu zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegen. Das russische Verteidigungsministerium sprach am Wochenende davon, eine Einheit in der Region um das russische Orenburg aufbauen zu wollen, die Raketen bedienen könne, die in 27-facher Schallgeschwindigkeit fliegen und jedes Ziel auf der Welt in 30 Minuten erreichen könne.
Auch Indien arbeitet an Hyperschallraketen und China beunruhigte die USA zuvor schon mit Tests von Hyperschallraketen, die von Flugzeugen abgeschossen wurden.
Als Hyperschallraketen werden Raketen bezeichnet, die mindestens mit fünffacher Schallgeschwindigkeit fliegen. Sie gelten als schwer zu verteidigen, weil sie trotz ihrer hohen Geschwindigkeit manövrierfähig sind. bub
Die französische Beschaffungsbehörde DGA hat am vergangenen Donnerstag den Vertrag für die Phase 1B des Rüstungsprojekts FCAS an die deutschen, französischen und spanischen Industrievertreter vergeben, wie das französische Streitkräfteministerium am Donnerstag mitteilte. Zuvor hatten sich die beteiligten Unternehmen über verbliebene Unklarheiten geeinigt. Die DGA vergab den Auftrag im Namen der drei beteiligten Nationen.
Die Phase 1B beinhaltet den Bau eines Flugdemonstrators und seiner Komponenten. Die erste Tranche des Vertrags, der über 36 Monate geht, hat ein Volumen von rund 3,2 Milliarden Euro, wie die Unternehmen Airbus, Dassault, Indra und Eumet gemeinsam am Freitag mitteilten. Mit einer optionalen Phase 2 geht der Vertrag über knapp acht Milliarden Euro. Der erste Flug des Demonstrators soll bis 2028 oder 2029 stattfinden.
Zuletzt hatte es Kommunikationsschwierigkeiten zwischen deutschen und französischen Vertretern gegeben, weil das deutsche Verteidigungsministerium zunächst eine Einigung verkündete, die der CEO des französischen Flugzeugbauers Dassault Aviation dementierte. bub
The Economist – An interview with General Valery Zaluzhny, head of Ukraine’s armed forces (Paywall): Emotionales und trotzdem analytisches Gespräch mit dem Chef der ukrainischen Streitkräfte, der Unterschiede zwischen ukrainischer und russischer Armee erklärt und sagt, welche strategischen Ziele die Ukrainer angehen müssen. Zaluzhnys Ausblicke sind düster.
Dekoder – FAQ #8: Warum regt sich in Russland so wenig Protest? Das russisch-belarussische Portal beantwortet auf Deutsch, “was man zu Putins Angriffskrieg in der Ukraine wissen muss”. Das FAQ klärt mit Wissenschaftlern drängende Fragen und wird regelmäßig aktualisiert.
Reuters – The supply chain that keeps tech flowing to Russia: In einer gemeinsamen Recherche mit dem Royal United Services Institute zeichnet Reuters nach, wie Halbleiter und technische Geräte trotz Sanktionen nach Russland geliefert werden. Besonders Firmen in Hongkong und der Türkei profitieren.
Forbes – An Atmospheric Trick May Have Helped A Ukrainian Missile Battery Find And Sink The Russian Cruiser ‘Moskva’: Als am 13. April das russische Kriegsschiff Moskwa sank, fragten sich viele, wie die Ukrainer das Schiff versenken konnten. Jetzt zeichnet sich ab: Günstige Luftströmungen halfen dem ukrainischen Radar weiter entfernte Ziele als sonst zu identifizieren.
Podcast: Ostausschuss der Salonkolumnisten – Holodomor: Nachdem der Bundestag den Holodomor in der Ukraine als Völkermord eingestuft hat, erklären die vier Expertinnen und Experten des Ostausschusses der Salonkolumnisten, warum lange nicht über den Holodomor gesprochen wurde, was die Bolschewiki gegen ukrainische Bauern hatten und was der Selbstmord von Stalins Frau damit zu tun hatte.
2023 will die EU eine neue Mission in Niger starten, an der sich Deutschland beteiligen will. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Freitag bei einem Besuch in Niger, es gehe darum, die Krisenregion Sahel nach dem Abzug aus Mali nicht im Stich zu lassen. Die EU will Training an weiteren Standorten anbieten und im Rahmen der European Peace Facility Waffen und Munition für nigrische Kräfte liefern. Die Bundeswehr wird sich an der neuen Mission laut Lambrecht in “mindestens zweistelliger Anzahl” beteiligen.
Der Ansatz, den die Bundeswehr und andere EU-Staaten für das Training nigrischer Spezialkräfte gewählt haben, ist realistisch gefechtsnah. Anders als in Mali trainieren die Soldaten in Tillia nahe der malischen Grenze mit scharfer Munition und im Gelände. Deutsche Soldaten haben persönliche Bindungen zu den nigrischen Soldaten aufgebaut, mit ihnen bei Übungen gezeltet, Unterkünfte für Soldaten und ihre Familien in Tillia wurden von Deutschland finanziert. Die nigrische Armee war bisher kaum in der Fläche präsent, die Akademie mit den Unterkünften und ähnliche Projekte anderer EU-Partner sollen das ändern.
Im Rahmen der “Operation Gazelle”, die 2018 begann, hat die Bundeswehr in Tillia eine Akademie für nigrische Spezialkräfte aufgebaut, die im Dezember übergeben werden soll. Etwa 30 Ausbilder aus Deutschland, Italien, Belgien und den Vereinigten Staaten bleiben vor Ort.
Das deutsche Engagement in Niger ist damit deutlich kleiner als in Mali, wo die Bundeswehr mit rund 1200 Soldatinnen und Soldaten vor Ort ist und bis Mai 2024 als Teil einer Blauhelm-Mission bleiben will. Allerdings nur dann, wenn Malis Militärregierung im Februar 2024 wie geplant Wahlen abhalten will, wie Lambrecht bei einem Besuch in Bamako sagte.
Die in Tillia ausgebildeten Kräfte werden vor allem im Grenzgebiet zu Mali und Burkina Faso eingesetzt, wo sich Islamischer Staat und andere Gruppen stark ausgebreitet haben. Dort ist es auf nigrischer Seite in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Sorge bereitet den Nigrern und westlichen Partnern allerdings, dass Terroristen den Norden von Burkina Faso als Ruhe- und Rückzugsraum nutzen. Es gab bisher eine militärische Kooperation zwischen Niger und Burkina Faso, diese wurde aber seit dem Putsch in Ouagadougou Ende September eingestellt.
Die einst mit deutscher und französischer Hilfe unterstützte, grenzüberschreitende Eingreiftruppe (Force Conjointe) der G5 Sahel-Staaten hat die Arbeit ebenfalls eingestellt. Mali ist ganz aus dem Bündnis ausgetreten. Frankreich hat Teile seiner aus Mali abgezogenen Soldaten und schwere Waffen in Niger stationiert, wo sie in Dossi und Ouallam nahe dem Dreiländereck mit Mali, Burkina Faso und den nigrischen Kräften Dschihadisten bekämpfen.
Die Aufgabenteilung ist damit wieder so geregelt wie in Mali – die Franzosen kämpfen mit schwerem Gerät wie Hubschraubern und Jets, andere europäische Akteure legen den Schwerpunkt auf Training und Ausrüstung. Neben Deutschland trainieren Italien und die Vereinigten Staaten Einheiten der Spezialkräfte an verschiedenen Standorten. Die Amerikaner unterhalten eine Drohnenbasis in der nördlichen Stadt Agadez, um von dort dschihadistische Gruppen in Südlibyen zu überwachen.
Die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum begrüßt die Kooperation mit westlichen Armeen, um die mehr als 800 Kilometer lange Grenze zu Mali in der Wüste besser kontrollieren zu können. Niger will bis 2025 die Stärke seiner Armee verdoppeln und benötigt dabei jede Hilfe, nicht nur bei der Ausbildung und Ausrüstung der künftigen Soldaten, sondern auch beim Bau von Kasernen und Militärkrankenhäusern.
Die schnell wachsende westliche Militärpräsenz birgt aber auch Risiken. Niger hat zwar im Gegensatz zu anderen Sahelstaaten wie Mali und Burkina Faso eine demokratisch legitimierte Regierung, aber die staatlichen Institutionen sind fragil. Das Land kämpft mit einer rasant wachsenden Bevölkerung und Armut. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat es immer wieder Putsche gegeben. Die Opposition im Parlament lehnt die Stationierung insbesondere aus der früheren Kolonialmacht Frankreich vehement ab. Ein Oppositionsbündnis hat bereits mehrfach zu Protesten aufgerufen, die meistens verboten wurden.
Die antifranzösischen Sentiments werden von pro-russischen Trolls und vom häufig undiplomatischen Auftreten französischer Vertreter befeuert. Die waren nach der Aufkündigung des Mali-Einsatzes vorgeprescht, um deren Verlegung nach Niger anzukündigen, offenbar bevor die Regierung in Niamey zugestimmt hatte. Ein gefundenes Fressen für pro-russische Influencer.
Frankreich steht in Niger ohnehin in der Kritik, weil ein französischer Staatskonzern seit Jahrzehnten fast den gesamten Uranbedarf Frankreichs aus dem Norden des Landes deckt. Lange Zeit bezahlte das Unternehmen nach Einschätzung von Experten sehr wenig dafür.
Nigers Regierungschef Bazoum versuchte zuletzt, sich von Frankreich zu distanzieren. Seine Regierung kaufte türkische Drohnen für die Streitkräfte, obwohl auch Paris stark für eigene Modelle geworben hatte. Im November besuchte eine russische Delegation Niamey, um eine Militärkooperation anzubieten. Niger hat nach Angaben von Diplomaten kein Interesse an der Entsendung von Wagner-Söldnern wie in Mali, könnte aber russische Waffen kaufen. Bazoum kann so der Opposition zeigen, dass das Land mit allen Seiten redet – und den Franzosen signalisieren, dass sie nicht zu forsch auftreten sollten.
wir alle blicken auf ein Jahr zurück, das unsere Gewissheiten erschüttert hat und dessen Folgen uns noch lange beschäftigen werden. Der Angriffskrieg Russlands mit seinen unmittelbaren Auswirkungen für die Ukraine, die Sicherheitslage Europas und die Verfasstheit des westlichen Bündnisses: Es sind Zeiten der sicherheitspolitischen Neubestimmung.
Eines scheint mir bei allen Unwägbarkeiten sicher: Wer Entscheidungen fällen muss, braucht Wissen über die relevanten Ereignisse und sachkundige Einordnung. Wir, die Redakteurinnen und Redakteure von Table.Media, wollen Ihnen diesen Wissensvorsprung verschaffen. Wenn Sie sich jetzt genauso wie wir einige Tage der Weihnachtsruhe gönnen, wollen wir Ihnen dieses Versprechen für das Jahr 2023 mitgeben. Über wirklich Wichtiges werden wir Sie auf dem Laufenden halten. Die nächste reguläre Ausgabe des Security.Table erreicht Sie am 3. Januar – dann ohne Marco Seliger, der dieses Professional Briefing aufgebaut hat und sich nun anderen publizistischen Aufgaben zuwendet.
Was erwartet Sie in dem aktuellen Briefing? Zunächst der Puma, der Schützenpanzer im Streik. Ist dieses moderne Gefechtsfahrzeug zu komplex für den Einsatz im Krieg? Das fragt Thomas Wiegold. Wer für diesen für Deutschland peinlichen Totalausfall verantwortlich ist – der Streit darüber hat begonnen.
In Polen entsteht derweil “Little Ramstein”, ein bedeutender Stützpunkt des US-Militärs und nur einer von mehreren geplanten im östlichen Nachbarland Deutschlands. Am Flughafen Rzeszów nur 70 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt, bauen die Amerikaner ihre Präsenz massiv aus, berichtet Nana Brink. Unklar ist nur, ob Warschau und Washington bei dieser Kooperation dieselben Interessen teilen.
Mehr als zehn Monate dauert der Krieg Russlands gegen die Ukraine schon an, trotz offensichtlicher Schwäche Putins ist ein Ende nicht in Sicht. Der Militäranalyst Yigal Levin spricht im Interview mit Viktor Funk über Moskaus Probleme und über Putins künftige Strategie.
Kommendes Jahr will die EU eine neue Mission im Niger starten, Deutschland, Frankreich und andere EU-Staaten beteiligen sich. Doch die militärische Präsenz aus dem Westen birgt Risiken. Niger hält die frühere Kolonialmacht Frankreich aus Ressentiments auf Distanz und orientiert sich beim Waffenkauf in Richtung Russland und Türkei, wie Ulf Laessing von der Konrad-Adenauer-Stiftung in seinem Gastbeitrag erklärt.
Ich wünsche Ihnen besinnliche Weihnachtstage,
Das Debakel hätte zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Keine zwei Wochen, bevor die Bundeswehr die Führung der NATO-Speerspitze, der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) übernimmt und Truppen innerhalb weniger Tage abmarschbereit halten muss, meldete ein General den Totalausfall: Bei einer Übung fielen gleich alle 18 Puma-Schützenpanzer einer Panzergrenadierkompanie aus.
Der Einsatz der Gefechtsfahrzeuge gleiche einem Lotteriespiel, warnte der Kommandeur der 10. Panzerdivision, Generalmajor Ruprecht von Butler, an das Heereskommando – in einem Brandbrief, der via Spiegel sehr schnell den Weg an die Öffentlichkeit fand.
Das Hauptproblem: die 18 ausgefallenen Schützenpanzer gehören zu denen, die gerade für die VJTF-Bereitschaft ab 1. Januar noch einmal nachgerüstet und auf den technisch neuesten Stand gebracht wurden. Vorsorglich stoppte deshalb das Verteidigungsministerium den Einsatz aller gut 40 nachgerüsteten Pumas und will den Jahrzehnte alten Vorgänger Marder für die Eingreiftruppe bereitstellen.
Sowohl die Truppe als auch die Industrie versuchen nun fieberhaft, den Grund für den Massenausfall festzustellen. Bei der Fehlersuche, so heißt es in einem internen Protokoll der Industrie, deute einiges auf Probleme bei der Truppe hin: Die Einheit habe weder die nötigen Ersatzteile mit in diese Übung genommen noch ausreichend Sonderwerkzeug. Die bereitstehende Hilfe der Herstellerfirmen sei nicht angefordert worden.
Ob das tatsächlich der ausschlaggebende Grund war, ist bislang nicht sicher. Und er führt zu einer Frage, die die Bundeswehr ebenso wie die beteiligten Unternehmen beantworten müssen: Ist ein Schützenpanzer, der so komplex ist und ohne Industrieunterstützung nicht einmal einige Tage auf dem Übungsplatz durchsteht, die richtige Wahl für einen Einsatz unter Kriegsbedingungen? Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellt sich jedenfalls vor ihre Soldatinnen und Soldaten. Sie sieht “die Industrie in der Verantwortung”, wie sie bei ihrem Besuch in der Slowakei am Montagnachmittag betonte.
Dass der Puma ein technisch hoch komplexes System ist, das zudem über die Jahre immer wieder verändert und damit noch komplizierter wurde, hat sich die Bundeswehr allerdings auch selbst zuzuschreiben: Von der ursprünglichen Forderung, der Schützenpanzer müsse auch im damals neuen Transportflugzeug A400M ins Einsatzgebiet geflogen werden können, bis zur Art der verbauten Kameras gingen viele Ansprüche und Nachforderungen auf Wünsche des Militärs zurück.
Nach dem aktuellen Debakel scheint sich allerdings die Frage zu stellen, ob die Bundeswehr das Dauerproblem Puma beenden will. Denn Verteidigungsministerin Lambrecht erklärte nicht nur, dass die für kommendes Frühjahr geplante Bestellung weiterer Schützenpanzer dieses Typs vorerst zurückgestellt werde.
Auch die vom Haushaltsausschuss des Bundestages erst in der vergangenen Woche freigegebenen Gelder für eine Nachrüstung der bereits beschafften Pumas sollen vorerst nicht genutzt werden: Der entsprechende Vertrag, hieß es aus dem Ministerium, werde zunächst nicht gezeichnet.
Die letzte Bestätigung aus dem Verteidigungsministerium fehlt noch, aber dies ist nur eine Frage von Tagen: Die USA wollen Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot in die Ukraine senden. Wie viele es sein werden, ist nicht bekannt. Wie sie aber unter anderem ihren Weg in die Ukraine finden werden, darüber kann man sich sicher sein. Über den Flughafen Rzeszów in Südpolen.
Ende März, genau einen Monat nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine, landete dort eine Maschine, die man hier früher nicht erwartet hätte: die Air Force One mit US-Präsident Joe Biden an Bord. Die weiß-hellblaue Maschine stand gut sichtbar auf dem Rollfeld. Ebenso sichtbar waren die beiden gefechtsbereiten MIM-104 Patriot Flugabwehrraketen hinter dem Stacheldrahtzaun. Zu verstehen nicht nur zum Schutz für den US-Präsidenten, sondern auch als Signal in Richtung Russland. Hier, zirka 70 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, entsteht momentan ein “Little Ramstein”.
Spätestens seit dem Besuch Bidens gilt der Flughafen als einer der wichtigsten Stützpunkte der Amerikaner in Polen. Der internationale Airport Rzeszów-Jasionka (IATA code: RZE), nur 10 Kilometer von der 200.000 Einwohner-Stadt entfernt, ist das zentrale Drehkreuz für amerikanische Waffenlieferungen in die Ukraine. Amerikanische Uniformen bestimmen das Bild auf dem militärischen Teil des Flughafens. “Die USA haben hier das Sagen”, erklärt Bartosz Wieliński, stellvertretender Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, einer der wichtigsten polnischen Zeitungen.
Über die A4, die den Flughafen mit der polnisch-ukrainischen Grenze bei Korczowa verbindet, reisten nicht nur die Regierungschefs von Frankreich, Deutschland und Italien im April auf ihrem Weg in die Ukraine. Über die zweispurige Autobahn rollen sämtliche Transporte an die ukrainische Front. Das militärische wie zivile Gerät wird in großen US-Militär-Transportmaschinen wie die C-17 nach Rzeszów gebracht. Dafür wurde die Landebahn auf 3.200 Meter verlängert. Vor den neuen Depots rund um das Flugfeld stehen unzählige Lkw.
Bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten, unter anderem der 82. US-Luftlandedivision, sollen in provisorischen Unterkünften und Kasernen der polnischen Armee in der Nähe untergebracht sein. US-Präsident Biden traf sich dort schon im März mit der Führung des amerikanischen Luftlandeverbandes in der G2A Arena. Das futuristische Kongresszentrum, gebaut von einer der größten digitalen Plattformen für Computerspiele, gilt als Treffpunkt für amerikanische Truppen.
Der Flughafen in Rzeszów ist nur einer von mehreren Stützpunkten des US-amerikanischen Militärs in Polen, die gerade ausgebaut werden. Der außenpolitische Experte Wieliński schätzt die Zahl der in Polen anwesenden US-Militärangehörigen mittlerweile auf bis zu 10.000. Genaue Angaben verweigert das United States European Command (EUCOM) aus Sicherheitsgründen. Neben Truppenteilen des US Marine Corps, die in Gdansk stationiert sind, wird vor allem der Flughafen in Powidz als Base für die US Combat Aviation Brigade ausgebaut.
Auf dem Flugfeld, auf dem früher russische Atomflugzeuge landeten, sind heute US Apache Kampfhubschrauber stationiert. Seit 2019 befindet sich bereits ein großes Militärdepot in der Nähe des Flughafens. Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak erklärte im November: “Wir werden hier einen Stützpunkt mit Hangars, Warenlager und Treibstofftanks errichten”. Start- und Landebahn seien schon ausgebaut.
Die Äußerungen des Verteidigungsministers sind bislang nur in polnischen Medien erschienen. EUCOM scheint die Offenheit des polnischen Partners allerdings zu weit zu gehen. Man äußere sich nicht zu konkreten Vorhaben, so die Antwort. Der Ausbau von Powidz ist jedoch Teil des “2020 Enhanced Defense Cooperation Agreement” zwischen Washington und Warschau, das seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine erheblich ausgeweitet wird.
Geplant sind 114 Infrastrukturprojekte an elf Standorten in Polen. Ein Hinweis auf die verstärkte Präsenz der Amerikaner ist auch das sogenannte “permanent forward Headquarters” für das US Army V Corps, das es so zuvor nicht gegeben hat.
Normalerweise rotieren die Militärangehörigen des 5. US-Korps aus dem zentralen Headquarter in Fort Knox, Kentucky. Jetzt sind sie permanent in Powidz stationiert. Wie EUCOM gegenüber Security.Table bestätigte, ist das neue Kommando am 22. November in Poznan eingerichtet worden. Es umfasst 230 Soldaten und wird laut EUCOM vor allem “aktuelle Operationen” unterstützen. “Sie sind gekommen, um zu bleiben”, ist sich Wieliński sicher.
Seit der russischen Invasion der Ukraine setzt die polnische Regierung verstärkt auf bilaterale Kooperationen mit den Amerikanern. Traditionell misstraut Polens Führung der Nato und vor allem den Deutschen, wie das Hickhack um die Stationierung von Patriot-Raketen zeigt. So treibt der “polnische Musterknabe” schon seit Jahren die “Amerikanisierung der Beschaffungspolitik” voran, wie der Osteuropa-Spezialist der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Kai-Olaf Lang, analysiert.
Dazu gehört nicht nur der Kauf von Apache Kampfhubschraubern und Abrams Panzer, sondern auch der Ausbau des Flughafen Rzeszów. Allerdings warnt der SWP-Experte vor einer falschen Einschätzung der amerikanischen Interessen, die momentan rein strategischer Natur seien. “Für Polen gilt: America first, für die USA gilt: security first”.
Herr Levin, der Kreml will nun die Probleme seiner Armee beheben. Manager aus dem zivilen Bereich sollen die Kommunikation und die Logistik verbessern, in die neuen Ausbildungspläne sollen die Erfahrungen aus den zehn Monaten Krieg in der Ukraine einfließen. Kann Moskau die alten Probleme schnell überwinden?
Nein, das sind strukturelle Probleme. Es wird Jahre dauern, sie zu lösen, in manchen Bereichen sogar Jahrzehnte. Russland hat eine große Armee, entsprechend müssten die Reformen sehr umfassend sein, würden äußerst teuer werden. Es geht in erster Linie nicht um Waffen. Es geht eher um organisatorische Aspekte. Innerhalb eines Jahres die offensichtlichen Probleme zu lösen, funktioniert nicht.
Wird Russland den Terror gegen die Ukraine fortsetzen und parallel die Armee reformieren?
Ich denke nicht, dass es Reformen geben wird. Aber der Terror wird fortgesetzt. Sie greifen die Energieinfrastruktur der Ukraine an, weil sie keine anderen Mittel mehr haben. Sie können keine militärisch wichtigen Operationen mehr durchführen, sie können keine neuen Waffentechnologien einsetzen, oder ihre Kampffähigkeit verbessern. Das Einzige, was ihnen bleibt, ist der Terror gegen das zivile Leben.
Warum zweifeln Sie an der Reformierbarkeit der russischen Armee?
Neben der langen Dauer sind vor allem kompetente, ehrliche und mutige Fachleute nötig, die die Probleme benennen könnten. Dann ist ein politischer Wille nötig, eine Führung, die die Probleme anerkennt und dann Geld und andere Ressourcen zur Verfügung stellt, um sie zu lösen. Hier kommt die Korruption ins Spiel, das Geld wird gestohlen. Deswegen geht es nicht nur um die Rolle der politischen Spitze Russlands, sondern innerhalb des Militärs muss es sehr viele Menschen in den unterschiedlichsten Hierarchien geben, die Veränderungen wirklich wollen. Ich sehe sie in Russland nicht. Das bisschen militärische Qualität, die Russland besitzt, auch in der Technik, das ist sowjetisches Erbe. Danach hat Russland praktisch nichts Eigenes mehr entwickelt, was auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig wäre.
Was ist mit dem Panzer Armata und dem Kampfflieger Su-57?
Bisher gibt es nur Vorzeigemodelle, Russland ist nicht in der Lage, sie in Serie herzustellen. Su-57 wurde Anfang 2010 vorgeführt, heute haben wir aber schon das Jahr 2023, bis heute gibt es nur einige wenige Exemplare des Jets. Außerdem ist der Antrieb keine neue Entwicklung.
Trotz allem ist die Aggressivität Russlands hoch, es beschießt jetzt die kritische Infrastruktur der Ukraine. Wird das Kiew so weit unter Druck setzen können, dass es nachgeben muss?
Hinter der Regierung in Kiew steht die ukrainische Gesellschaft. Es gibt hier einen Konsens, dass alle Gebiete der Ukraine bis zur Grenze von 1991 befreit werden sollen. Das hat die Regierung gesagt und das sagen auch Menschen auf der Straße. Niemand sagt, man muss sich mit Putin einigen.
Auch die absehbaren Probleme im Winter schrecken nicht ab?
Nein, man will den Winter durchstehen. Die Gesellschaft will, dass der Krieg zu Ende geführt wird, das ist Konsens.
Was könnte Moskau mit dem Raketen-Terror erreichen?
Die Angriffe haben keinen militärischen Nutzen, sie sind ganz klar ein Zeichen von Schwäche. Das haben wir nach den ukrainischen Drohnen-Angriffen auf russische Flugplätze gesehen. Die Raketenangriffe waren Rache. Das Gleiche passierte nach der Zerstörung der Krim-Brücke.
Russland hat Probleme, Waffen in größerer Stückzahl herzustellen, Russland hat logistische Probleme und eine unmotivierte Armee. Warum denken Sie und auch andere Analytiker, dass der Krieg noch lange dauern könnte?
Der Krieg dauert schon seit acht Jahren. Er könnte schnell enden – und zwar, wenn Russland seine Truppen abzieht. Doch dieser Konflikt, wie er jetzt ist, kann sich auch Jahre lang hinziehen. Russland kann lange und primitiv diesen Krieg führen, dafür alte Technik wie die Panzer T-62 oder sogar den T-55 einsetzen. Und was die jüngste Mobilmachung betrifft – es werden noch weitere folgen. Jetzt läuft die Ausbildung der Wehrpflichtigen, die nach der Ausbildung in den Krieg geschickt werden können. Und nächstes Jahr soll wieder eine halbe Million eingezogen werden. Und die russische Gesellschaft wehrt sich dagegen nicht. Genügend sind bereit, sich in den Fleischwolf zu begeben.
Welches Ziel verfolgt der Kreml damit?
Für Moskau ist ein ewiger Krieg besser als eine beschämende Niederlage. Der Kreml wägt ab, welche inneren Risiken es gibt, etwa den Zerfall des Landes, dann ist der Krieg vielleicht die bessere Alternative dazu; es gibt hybride Kriege, es gibt die Möglichkeit, Konflikte lange bestehen zu lassen. Wir wissen nicht, welche Richtung im Kreml eingeschlagen wird.
Welche Vorteile hat dann die Verlängerung des Krieges?
Putin hofft, dass sich neue Chancen eröffnen, wenn zum Beispiel der Westen sich über die Ukraine enttäuscht zeigt. Oder wenn es im Westen zu Protesten kommt, oder wenn westliche Waffen gegen zivile Ziele mit vielen Opfer eingesetzt werden, also irgendwelche Verunsicherungen im Westen entstehen. Die Verlängerung des Krieges ist das Warten auf vorteilhaftere Bedingungen. Die Mobilmachung verlängert den Krieg. Dass Putin das macht, zeigt, dass er die Aussichtslosigkeit nicht begreift. Den Status quo kann er nicht halten, er kann den Krieg nicht einfrieren, weil die Gegenseite sich darauf nicht einlässt. Also bleibt nur Sieg oder Niederlage.
Yigal Levin (36) ist Oberleutnant der israelischen Armee in Reserve. Der gebürtige Ukrainer (Odessa) hält sich in der Ukraine auf, auf seinem Telegram-Kanal analysiert er mit Unterstützern den Verlauf des Krieges zwischen Russland und der Ukraine. Nach eigenen Angaben bekommt er viele Informationen von Augenzeugen. Er ist regelmäßiger Gesprächspartner ukrainischer Medien.
Russlands Präsident Wladimir Putin ist am Montag erstmals seit Kriegsbeginn gegen die Ukraine nach Belarus gereist, wo Tausende russische Soldaten stationiert sind. Die genaue Zahl ist unbekannt, Belarus selbst spricht von 9.000 russischen Soldaten. Westliche Analysten gehen von einer höheren Zahl aus.
Putins Besuch fällt mit dem Beginn von Übungen russischer Truppen in Belarus zusammen und dem Ende der Bereitschaftsprüfung belarussischer Truppen. Die Übung der belarussischen Armee begann am 13. Dezember. Offiziell ging es dabei um die Verteidigungsfähigkeit der belarussischen Armee. Doch in Kiew besteht die Sorge, dass Belarus und Russland einen möglichen Angriff vom Norden her vorbereiten. Am späten Montagabend kündigte Putin regelmäßige, gemeinsame militärischen Übungen von russischen und belarussischen Truppen an.
Die Ukraine hat in den vergangenen Monaten den Grenzschutz zu Belarus massiv verstärkt. Im Gegensatz zum Kriegsbeginn im Februar wäre es für die Angreifer heute deutlich gefährlicher, die Grenze zu überqueren. Das ukrainische Verteidigungsministerium teile am Wochenende mit, dass es akut keinen Angriff erwarte. Dennoch binden die russischen und die belarussischen Truppen ukrainische Kräfte in der Region, die deshalb nicht im Osten und Südosten des Landes eingesetzt werden können.
Neben Putin waren auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu sowie Außenminister Sergej Lawrow in Minsk. Schoigu war erst Anfang Dezember in Belarus. Damals vereinbarte er mit seinem Kollegen, Waleri Rewenko, eine gegenseitige Unterstützung in Fragen der “regionalen Sicherheit”.
Belarus’ Armee besteht aus ca. 50.000 Mann. Seit Kriegsbeginn gibt es Spekulationen, dass Staatschef Lukaschenko versucht, trotz Druck aus Moskau, seine Armee aus der aktiven Kriegsbeteiligung im Nachbarland herauszuhalten. Zugleich hat sein Land eine wichtige logistische Rolle für die russischen Truppen. Darüber hinaus registrierte die Ukraine Raketenbeschuss vom belarussischen Territorium aus. Nach offiziellen Angaben aus Minsk und Moskau war das jüngste Treffen vor allem wirtschaftlichen Fragen gewidmet. vf
Eine iranische Delegation soll Russland wegen des Erwerbs von Kriegsschiffen und einer engeren Marine-Kooperation besucht haben. Darüber berichtet das amerikanische Onlinemagazin Breaking Defense unter Berufung auf israelische Quellen aus dem Verteidigungsbereich. Außerdem sollen die Iraner russische Experten um die Fertigung von Schiffsgerät nach eigenen Wünschen gebeten haben.
Russland könnte ein dankbarer Helfer für iranische Ambitionen sein, die Flotte zu verstärken. “Iran ist umgeben von Meeren und braucht deshalb eine bedeutende Marine“, sagt die ehemalige Kommandeurin der israelischen Marine, Eliezer Marom, dem Onlinemagazin. Das hänge auch mit dem iranischen Bestreben zusammen, eine wichtige Macht am Golf und im Nahen Osten zu werden.
Russland und Iran könnten auch wegen des Krieges in der Ukraine auf dem Weg sein, wichtige Militärpartner zu werden. Russland profitiert in der Ukraine von iranischen Drohnen. Erst am gestrigen Morgen flogen nach Angaben aus Kiew mehr als 20 Shahed-Drohnen auf die ukrainische Hauptstadt, die meisten konnten abgefangen werden.
Außerdem soll es iranische Pläne geben, russische Su-35 Kampfflugzeuge zu kaufen. Im Oktober hatte der israelische Premierminister Yair Lapid bei einem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba “große Sorgen über die militärischen Verbindungen zwischen Iran und Russland” geäußert. bub
Die US Air Force hat vergangene Woche den ersten Live-Feuertest ihrer Hyperschallwaffe vor der Küste Kaliforniens durchgeführt. Nach Angaben der Streitkräfte sollen die Raketen des Systems AGM-183A von Lockheed Martin fünffache Schallgeschwindigkeit erreichen. Das System, das besser unter dem Namen ARRW (Air-launched Rapid Response Weapon) bekannt ist, haben die Air Force und Lockheed Martin seit 2018 entwickelt. Innerhalb eines Jahres soll es einsatzbereit sein.
Auch Russland und China arbeiten an Hyperschallflugkörpern, Moskau soll in der Ukraine schon Kinschal-Hyperschallraketen eingesetzt haben, die mit bis zu zehnfacher Schallgeschwindigkeit fliegen. Das russische Verteidigungsministerium sprach am Wochenende davon, eine Einheit in der Region um das russische Orenburg aufbauen zu wollen, die Raketen bedienen könne, die in 27-facher Schallgeschwindigkeit fliegen und jedes Ziel auf der Welt in 30 Minuten erreichen könne.
Auch Indien arbeitet an Hyperschallraketen und China beunruhigte die USA zuvor schon mit Tests von Hyperschallraketen, die von Flugzeugen abgeschossen wurden.
Als Hyperschallraketen werden Raketen bezeichnet, die mindestens mit fünffacher Schallgeschwindigkeit fliegen. Sie gelten als schwer zu verteidigen, weil sie trotz ihrer hohen Geschwindigkeit manövrierfähig sind. bub
Die französische Beschaffungsbehörde DGA hat am vergangenen Donnerstag den Vertrag für die Phase 1B des Rüstungsprojekts FCAS an die deutschen, französischen und spanischen Industrievertreter vergeben, wie das französische Streitkräfteministerium am Donnerstag mitteilte. Zuvor hatten sich die beteiligten Unternehmen über verbliebene Unklarheiten geeinigt. Die DGA vergab den Auftrag im Namen der drei beteiligten Nationen.
Die Phase 1B beinhaltet den Bau eines Flugdemonstrators und seiner Komponenten. Die erste Tranche des Vertrags, der über 36 Monate geht, hat ein Volumen von rund 3,2 Milliarden Euro, wie die Unternehmen Airbus, Dassault, Indra und Eumet gemeinsam am Freitag mitteilten. Mit einer optionalen Phase 2 geht der Vertrag über knapp acht Milliarden Euro. Der erste Flug des Demonstrators soll bis 2028 oder 2029 stattfinden.
Zuletzt hatte es Kommunikationsschwierigkeiten zwischen deutschen und französischen Vertretern gegeben, weil das deutsche Verteidigungsministerium zunächst eine Einigung verkündete, die der CEO des französischen Flugzeugbauers Dassault Aviation dementierte. bub
The Economist – An interview with General Valery Zaluzhny, head of Ukraine’s armed forces (Paywall): Emotionales und trotzdem analytisches Gespräch mit dem Chef der ukrainischen Streitkräfte, der Unterschiede zwischen ukrainischer und russischer Armee erklärt und sagt, welche strategischen Ziele die Ukrainer angehen müssen. Zaluzhnys Ausblicke sind düster.
Dekoder – FAQ #8: Warum regt sich in Russland so wenig Protest? Das russisch-belarussische Portal beantwortet auf Deutsch, “was man zu Putins Angriffskrieg in der Ukraine wissen muss”. Das FAQ klärt mit Wissenschaftlern drängende Fragen und wird regelmäßig aktualisiert.
Reuters – The supply chain that keeps tech flowing to Russia: In einer gemeinsamen Recherche mit dem Royal United Services Institute zeichnet Reuters nach, wie Halbleiter und technische Geräte trotz Sanktionen nach Russland geliefert werden. Besonders Firmen in Hongkong und der Türkei profitieren.
Forbes – An Atmospheric Trick May Have Helped A Ukrainian Missile Battery Find And Sink The Russian Cruiser ‘Moskva’: Als am 13. April das russische Kriegsschiff Moskwa sank, fragten sich viele, wie die Ukrainer das Schiff versenken konnten. Jetzt zeichnet sich ab: Günstige Luftströmungen halfen dem ukrainischen Radar weiter entfernte Ziele als sonst zu identifizieren.
Podcast: Ostausschuss der Salonkolumnisten – Holodomor: Nachdem der Bundestag den Holodomor in der Ukraine als Völkermord eingestuft hat, erklären die vier Expertinnen und Experten des Ostausschusses der Salonkolumnisten, warum lange nicht über den Holodomor gesprochen wurde, was die Bolschewiki gegen ukrainische Bauern hatten und was der Selbstmord von Stalins Frau damit zu tun hatte.
2023 will die EU eine neue Mission in Niger starten, an der sich Deutschland beteiligen will. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Freitag bei einem Besuch in Niger, es gehe darum, die Krisenregion Sahel nach dem Abzug aus Mali nicht im Stich zu lassen. Die EU will Training an weiteren Standorten anbieten und im Rahmen der European Peace Facility Waffen und Munition für nigrische Kräfte liefern. Die Bundeswehr wird sich an der neuen Mission laut Lambrecht in “mindestens zweistelliger Anzahl” beteiligen.
Der Ansatz, den die Bundeswehr und andere EU-Staaten für das Training nigrischer Spezialkräfte gewählt haben, ist realistisch gefechtsnah. Anders als in Mali trainieren die Soldaten in Tillia nahe der malischen Grenze mit scharfer Munition und im Gelände. Deutsche Soldaten haben persönliche Bindungen zu den nigrischen Soldaten aufgebaut, mit ihnen bei Übungen gezeltet, Unterkünfte für Soldaten und ihre Familien in Tillia wurden von Deutschland finanziert. Die nigrische Armee war bisher kaum in der Fläche präsent, die Akademie mit den Unterkünften und ähnliche Projekte anderer EU-Partner sollen das ändern.
Im Rahmen der “Operation Gazelle”, die 2018 begann, hat die Bundeswehr in Tillia eine Akademie für nigrische Spezialkräfte aufgebaut, die im Dezember übergeben werden soll. Etwa 30 Ausbilder aus Deutschland, Italien, Belgien und den Vereinigten Staaten bleiben vor Ort.
Das deutsche Engagement in Niger ist damit deutlich kleiner als in Mali, wo die Bundeswehr mit rund 1200 Soldatinnen und Soldaten vor Ort ist und bis Mai 2024 als Teil einer Blauhelm-Mission bleiben will. Allerdings nur dann, wenn Malis Militärregierung im Februar 2024 wie geplant Wahlen abhalten will, wie Lambrecht bei einem Besuch in Bamako sagte.
Die in Tillia ausgebildeten Kräfte werden vor allem im Grenzgebiet zu Mali und Burkina Faso eingesetzt, wo sich Islamischer Staat und andere Gruppen stark ausgebreitet haben. Dort ist es auf nigrischer Seite in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Sorge bereitet den Nigrern und westlichen Partnern allerdings, dass Terroristen den Norden von Burkina Faso als Ruhe- und Rückzugsraum nutzen. Es gab bisher eine militärische Kooperation zwischen Niger und Burkina Faso, diese wurde aber seit dem Putsch in Ouagadougou Ende September eingestellt.
Die einst mit deutscher und französischer Hilfe unterstützte, grenzüberschreitende Eingreiftruppe (Force Conjointe) der G5 Sahel-Staaten hat die Arbeit ebenfalls eingestellt. Mali ist ganz aus dem Bündnis ausgetreten. Frankreich hat Teile seiner aus Mali abgezogenen Soldaten und schwere Waffen in Niger stationiert, wo sie in Dossi und Ouallam nahe dem Dreiländereck mit Mali, Burkina Faso und den nigrischen Kräften Dschihadisten bekämpfen.
Die Aufgabenteilung ist damit wieder so geregelt wie in Mali – die Franzosen kämpfen mit schwerem Gerät wie Hubschraubern und Jets, andere europäische Akteure legen den Schwerpunkt auf Training und Ausrüstung. Neben Deutschland trainieren Italien und die Vereinigten Staaten Einheiten der Spezialkräfte an verschiedenen Standorten. Die Amerikaner unterhalten eine Drohnenbasis in der nördlichen Stadt Agadez, um von dort dschihadistische Gruppen in Südlibyen zu überwachen.
Die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum begrüßt die Kooperation mit westlichen Armeen, um die mehr als 800 Kilometer lange Grenze zu Mali in der Wüste besser kontrollieren zu können. Niger will bis 2025 die Stärke seiner Armee verdoppeln und benötigt dabei jede Hilfe, nicht nur bei der Ausbildung und Ausrüstung der künftigen Soldaten, sondern auch beim Bau von Kasernen und Militärkrankenhäusern.
Die schnell wachsende westliche Militärpräsenz birgt aber auch Risiken. Niger hat zwar im Gegensatz zu anderen Sahelstaaten wie Mali und Burkina Faso eine demokratisch legitimierte Regierung, aber die staatlichen Institutionen sind fragil. Das Land kämpft mit einer rasant wachsenden Bevölkerung und Armut. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat es immer wieder Putsche gegeben. Die Opposition im Parlament lehnt die Stationierung insbesondere aus der früheren Kolonialmacht Frankreich vehement ab. Ein Oppositionsbündnis hat bereits mehrfach zu Protesten aufgerufen, die meistens verboten wurden.
Die antifranzösischen Sentiments werden von pro-russischen Trolls und vom häufig undiplomatischen Auftreten französischer Vertreter befeuert. Die waren nach der Aufkündigung des Mali-Einsatzes vorgeprescht, um deren Verlegung nach Niger anzukündigen, offenbar bevor die Regierung in Niamey zugestimmt hatte. Ein gefundenes Fressen für pro-russische Influencer.
Frankreich steht in Niger ohnehin in der Kritik, weil ein französischer Staatskonzern seit Jahrzehnten fast den gesamten Uranbedarf Frankreichs aus dem Norden des Landes deckt. Lange Zeit bezahlte das Unternehmen nach Einschätzung von Experten sehr wenig dafür.
Nigers Regierungschef Bazoum versuchte zuletzt, sich von Frankreich zu distanzieren. Seine Regierung kaufte türkische Drohnen für die Streitkräfte, obwohl auch Paris stark für eigene Modelle geworben hatte. Im November besuchte eine russische Delegation Niamey, um eine Militärkooperation anzubieten. Niger hat nach Angaben von Diplomaten kein Interesse an der Entsendung von Wagner-Söldnern wie in Mali, könnte aber russische Waffen kaufen. Bazoum kann so der Opposition zeigen, dass das Land mit allen Seiten redet – und den Franzosen signalisieren, dass sie nicht zu forsch auftreten sollten.