die jüngsten russischen Angriffe setzen der Ukraine schwer zu. Dass ein Jahr nach der Befreiung Chersons diesen November kein durchschlagender Erfolg an Süd- oder Ostfront winkt, schlägt auf die Stimmung. Denis Trubetskoy analysiert die politische Debatte im Land nach der gescheiterten Offensive.
Die Unterstützung für die Ukraine schwindet im Ausland – und Russland gewinnt an Support. In einer neuen Serie stellen wir “Russlands Freunde” vor, von Nordkorea über Iran, Belarus bis Südafrika. Was versprechen sich die Partner Wladimir Putins von dem Bündnis mit dem Autokraten? Den Auftakt macht Gabriel Bub. Er nimmt Moskaus wichtigsten nationalistischen Verbündeten auf dem Balkan ins Visier – Serbien.
Autokratische Mächte in den Blick nimmt auch unsere Gastautorin Renata Alt. In ihrem Standpunkt warnt die menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion davor, internationale Sportwettbewerbe weiter an Diktaturen zu vergeben. Menschenrechte müssten bei Entscheidungen von Fifa und IOC künftig zwingend berücksichtigt werden, schreibt Alt. Die Forderung ist aktueller denn je – gerade erst erhielt Saudi-Arabien de facto den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2034.
Einen Monat nach dem Terrorüberfall der Hamas auf den Süden Israels hat die US-Marine ihre Präsenz im Nahen Osten weiter ausgedehnt: Seit Sonntag sendet ein atomwaffenfähiges U-Boot der Ohio-Klasse, das mit Dutzenden konventionellen Tomahawk-Marschflugkörpern bewaffnet ist, Signale der Abschreckung an Iran und dessen Stellvertretermilizen in der Region, um eine direkte Konfrontation zu verhindern.
Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
Fünf Monate nach Beginn der ukrainischen Offensive hat in der Ukraine eine Debatte über den Erfolg der Operation begonnen. Während die militärische Führung um den Oberkommandierenden, General Walerij Saluschnyj, öffentlich von einer Pattsituation spricht, weist ein hochrangiger Vertreter der Präsidialadministration solche Aussagen zurück. Ihor Schowkwa, Vize-Chef der Präsidentenverwaltung und zuständig für Auslandsbeziehungen, kritisierte militärische Offizielle für öffentliche Äußerungen über die Situation an der Front.
Für Saluschnyj jedenfalls sieht es derzeit danach aus, dass die Ukraine nur mit technischer Überlegenheit einen substanziellen Durchbruch erreichen könnte – einer Überlegenheit, die sie aktuell nicht hat. Die Aufrüstung mit Überwachungsdrohnen auf beiden Seiten habe dazu geführt, dass beide Seiten stets wüssten, was die jeweils andere tut.
Insgesamt ist es der ukrainischen Armee an einigen Stellen gelungen, die russische Hauptverteidigungslinien im Süden zu durchbrechen. Auch sind auf dem wichtigsten Frontabschnitt Richtung Melitopol und östlich in Richtung der Städte Berdjansk und Mariupol größere Einbrüche in die russischen Linien erfolgt. Aber das ist nicht das erhoffte Ergebnis.
Russland hatte vor der Offensive Zeit gehabt, die Verteidigung zu festigen. Mögliche strategische Ziele wie Melitopol nahe des Asowschen Meeres blieben für die ukrainische Armee deshalb unerreichbar. Doch auch offen kommunizierte Zwischenziele wie der logistische Knotenpunkt Tokmak sind weiterhin in russischer Hand.
Die Offensive geht ihrem Ende entgegen und Russland verstärkt die Angriffe auf Awdijiwka im ostukrainischen Bezirk Donezk. Die Initiative hat Moskau aktuell dennoch noch nicht übernommen. Zudem: Möglicherweise werden bisher andere Erfolge der ukrainischen Armee unterschätzt: Dank der Vorstöße mit amphibischen Teams weitet die Armee ihre Präsenz auf dem russisch-besetzten östlichen Ufer des Dnipro-Flusses im Bezirk Cherson aus.
Dass die Offensive dieses Jahr nicht wie gewünscht gelaufen ist, machte Saluschnyj in seinem Essay sowie im dazugehörigen Gespräch mit “The Economist” deutlich. “Einen tiefen und schönen Durchbruch wird es wohl nicht geben”, betont der Oberkommandierende. Er warnte vor einer Sackgasse wie im Ersten Weltkrieg und vor einem Stellungskrieg, der für die Ukraine gefährlich wäre. Außerdem nannte Saluschnyj Prioritäten, um in diesem Krieg weiterhin zu bestehen: Stärkung der Luftwaffe; bessere elektronischen Kampfführung; mehr Hilfe bei der Entminung und auch bessere Mobilmachung.
Ende 2022 hat er, ebenfalls gegenüber dem Economist, aufgelistet, was seine Armee bräuchte, um die seit der russischen Vollinvasion besetzten Gebiete zu befreien – ohne die Krim und den schon damals okkupierten Donbass-Teil anzusprechen. Saluschnyj zählte 300 Kampfpanzer, 600-700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen auf. Die Zusagen für die Waffen kamen, doch nicht die Waffen in der benötigten Zahl.
Welche Rolle spielt das beim ausbleibenden Erfolg der Offensive? “Jede Kampagne wird von drei Parametern bestimmt: Von politischen Zielen, dem verfügbaren Militärpotenzial und der Fähigkeit, dieses zu nutzen”, schreibt Analyst Mykola Beleskow vom Nationalen Institut für strategische Studien. Laut Beleskow war die Synchronisation zwischen diesen drei Faktoren 2022 perfekt: Es ging um Zerstörung des russischen Blitzkriegplans, Ausschöpfung des Angriffspotenzials der Russen und die maximale Nutzung der Situation.
2023 war die politische Aufgabe eine andere: Aus der Defensive sollte eine Offensive werden. “Allerdings bekamen die ukrainischen Verteidigungskräfte nicht das entsprechende Potenzial geliefert, um die politische Aufgabe zu erfüllen”, konstatiert Beleskow.
Er hält es deshalb für einen Fehler, mit vorhandenen Waffen die große Operation begonnen zu haben – und hätte die Fortsetzung der Linie der strategischen Verteidigung für sinnvoller erachtet. Eine Meinung, die nicht alle ukrainischen Militärexperten teilen.
Oleksij Melnyk, Co-Direktor der Programme der internationalen Sicherheit an der Denkfabrik Zentr Rasumkowa, glaubt, dass die Vertagung der Offensive der russische Armee mehr Zeit gegeben hätte, noch mehr ukrainische Flächen zu verminen. Oleksandr Mussijenko, Chef des Zentrums für militärrechtliche Studien in Kiew, äußert sich ähnlich: “Ich bin kategorisch gegen diesen Gedanken. Es ist eine andere Situation als 2022, als es möglich war, die plötzliche Schwäche der Russen im Bezirk Charkiw blitzschnell auszunutzen.” Hätte sich die Ukraine nicht für eine größere Offensive entschieden und die Russen nicht derart unter Druck gesetzt, hätte sie im schlimmsten Fall weiteren Territorien eingebüßt und sonst nichts erreicht. “Jetzt haben die Ukrainer aber wichtige Aufmarschgebiete geschaffen, die bei zukünftigen Operationen benutzt werden können”, so Mussijenko.
Während die Analysen der Offensive noch laufen, drängt bereits die Frage, was in den kommenden Monaten folgt. Klar ist, dass Russland die Ausgaben für das Militär im kommenden Jahr um 70 Prozent gegenüber 2023 erhöht – auf 115 Milliarden US-Dollar. “In meinen Augen ist es unsere strategische Aufgabe, noch rund ein Jahr ohne bedeutende Rückschläge durchzuhalten”, glaubt der Lwiwer Militäranalyst Stanislaw Besuschko, der selbst bei der Armee dient. “Es dauert, bis die westliche Munitionsproduktion für die Artillerie richtig hochgefahren wird. 2023 war das noch nicht der Fall. 2024 und 2025 wird es aber so weit sein.”
Damit die der Ukraine gelieferte westliche Artillerie, die weiter und genauer als russische schießt, wirkt, muss noch etwas passieren. “In Sachen elektronische Kampfführung gehören die Russen zu den besten der Welt”, betont Besuschko. “Sie schaffen es oft, die Lenksysteme unserer Artillerie zu stören. Wie von Saluschnyj betont müssen wir hier große Fortschritte machen. Die effektive Störung der russischen Lancet-Drohnen, die bis zu 130 Kilometer in die Ukraine eindringen können, ist auch essenziell.” Auf den Westen hofft er darüber hinaus vor allem im Bereich der Entminung: “Unter den Bedingungen der enormen Verminung im Süden ist die Lebenszeit der gelieferten Geräte sehr gering – und es wurde ohnehin viel zu wenig geliefert. Hier sollten die westlichen Partner mehr tun.”
Es wird noch ein sehr langer Kampf, glaubt Oleksandr Mussijenko vom Zentrum für militärrechtliche Studien. “Aber es ist positiv, dass am Rande der Spekulationen über die sinkende Hilfe für die Ukraine im Westen endlich über eine Strategie diskutiert wird”, sagt er. “Denn ,As long as it takes’ ist keine Strategie. Aber wir brauchen eine – und Saluschnyjs Beitrag ist eine Art Einladung zu einem konstruktiven Gespräch.”
So isoliert, wie es sich manch einer im Westen wünscht, ist Russland nach seinem Angriff auf die Ukraine nicht. Bei der Abstimmung der Vereinten Nationen im Februar 2023 verurteilten zwar 141 Länder Russlands Krieg. Vertreter von 32 Staaten, die etwa die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren, enthielten sich aber.
Wir blicken in unserer neuen Serie auf “Russlands Freunde” – und analysieren, welche Motive entscheidend sind für eine enge Bindung an Moskau. Bei Nordkorea, das Russlands Angriffskrieg mit Munition und Waffen unterstützt, ist die Lage klar, auch bei Belarus, Moskaus verlässlichem Partner in Europa, und dem Regime im Iran, das Russland mit Drohnen und anderen Waffen beliefert.
Doch je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto mehr Länder nähern sich wieder dem Kreml an. Das geht aus einer Studie der Economist Intelligence Unit (EIU) hervor, die das Verhältnis von 191 Staaten zu Russland nach wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Kriterien untersuchte. Demnach waren kurz nach Kriegsbeginn 2022 noch 29 Staaten Russland zugeneigt, ein Jahr später waren es bereits 35.
Klar auf der Seite des Westens stehen nur 52 Länder, die 15 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, zwölf Länder (knapp sechs Prozent) auf der Russlands. Die meisten Staaten ordnen sich keinem Lager zu, 127 Länder mit fast 80 Prozent der Weltbevölkerung bewegen sich zwischen den Blöcken. Auch deshalb ist die 2024 geplante Erweiterung der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) um Saudi-Arabien, Iran, Äthiopien, Ägypten, Argentinien und die Vereinigten Arabischen Emirate ein historischer Einschnitt.
Als Katalysator für stärkere Unterstützung Russlands durch die Staaten des Globalen Südens innerhalb der Vereinten Nationen wirkt zudem der Gaza-Krieg, so ein westlicher Diplomat gegenüber der Financial Times: “Es besteht die Gefahr, dass wir bei der nächsten Generalversammlung zur Unterstützung der Ukraine einen explosionsartigen Anstieg der Enthaltungen sehen werden.”
Unser Blick ist aber nicht nur auf jene Staaten gerichtet, die sich eindeutig positioniert haben, sondern auch auf Länder mit flexiblen Kooperationsmustern: Die Türkei zum Beispiel liefert Drohnen an die Ukraine, ist Nato-Mitglied und pflegt trotzdem noch rege wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Während die Exportzahlen aus der EU nach Russland mit den verhängten Sanktionen sanken, stiegen die Exportumsätze in der Türkei rasant an.
Südafrika verbindet mit Russland eine alte Freundschaft und ist wegen seines internationalen Gewichts ein wichtiger Partner für Putin. Serbien hat historische Verflechtungen mit Russland. Das erkennt man auch am Material der serbischen Armee, das zu großen Teilen aus Russland stammt. Mit der Beschreibung der Schlüsselrolle, die Serbien für Russlands Hegemoniestreben auf dem westlichen Balkan einnimmt, machen wir heute den Auftakt unsere Serie.
Die Zeiten, in denen Serbiens Präsident Aleksandar Vučić alle drei Monate mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte, sind vorbei. Als die Financial Times Vučić im Juni 2023 fragte, ob er von serbischen Munitionslieferungen über Mittelsmänner an die Ukraine wisse, gab er sich gleichgültig. “Ich bin kein Idiot. Mir ist bewusst, dass einige der Waffen in der Ukraine landen könnten.” Auch der serbische Verteidigungsminister, Miloš Vučević, ruft jetzt öfter in Paris als in Moskau an.
Das gilt auch für die Außenminister der beiden slawischen Bruderstaaten. Am Rande der UN-Generalversammlung im September 2022 unterzeichneten der serbische Außenminister Nikola Selaković und Sergej Lawrow einen Konsultationsplan für 2023 bis 2024. Noch im Mai 2023 nahm der Leiter des serbischen Geheimdienstes, Aleksandar Vulin, an einer Sicherheitskonferenz in Moskau teil, und im Juli belegten die USA den Vučić-Vertrauten mit Sanktion – nicht zuletzt wegen seiner engen Kontakte nach Russland.
Den EU-Sanktionen gegen Moskau will sich die Regierung in Belgrad auch deshalb nicht anschließen, um alte Abhängigkeiten nicht abreißen zu lassen. Im Januar 2022 pries Vučić noch die kurz zuvor beschafften russischen Panzerabwehrwaffen Kornet, die Serbien gemeinsam mit je 30 modernisierten T-72-Kampfpanzern und BRDM-2-Spähpanzern aus Russland beschafft hatte. Zum Schutz des Luftraums kaufte Serbien zudem das Flugabwehrsystem Panzir aus Moskau – aber auch Mistral-Raketen aus Frankreich.
Serbiens Luftwaffe ist stark russisch geprägt und stützt sich vor allem auf MiG 29-Kampfflugzeuge und Mi-35 Kampfhubschrauber. Russland habe diese Waffenexporte auch genutzt, um seine Präsenz im Westbalkan zu verstärken, sagt Daniel Šunter vom Balkan Security Network, einem auf Verteidigungspolitik spezialisierten Portal in Belgrad. Sich von der russischen Technologie unabhängig zu machen, wird “eine große Langzeitherausforderung für Serbien”, sagt Šunter. Deshalb ist die serbische Regierung in Gesprächen mit Frankreich, um die MiG-29-Flotte mit Rafale-Kampfjets zu ersetzen.
Zwar probten serbische Soldaten bis 2021 noch jährlich gemeinsam mit russischen und belarussischen Truppen bei der Übung Slavic Brotherhood. Das serbische Militär richtet sich aber zunehmend an westlichen Kräften aus und kooperiert deutlich häufiger mit Nato-Mitgliedsstaaten – zum Beispiel im Rahmen des Unifil-Einsatzes im Libanon, der von spanischen Einheiten geführt wird.
Die größte Abhängigkeit von Russland hat Serbien im Bereich der Energieversorgung. “Serbien erhält fast all sein Gas aus Russland”, sagt die Westbalkan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Marina Vulović. Hinzu komme, dass der russische Energiekonzern Gazprom mehr als die Hälfte der Anteile am serbischen Ölunternehmen Naftna industrija Srbije (Nis) hält. Aktuell profitiere Serbien von günstigen Gaslieferungen aus Russland, meint Vulović.
Ökonomisch und militärisch löst sich Serbien zwar von Russland – der wichtigste Wirtschaftspartner ist die EU -, innenpolitisch lohne sich die verbale Annäherung an Russland aber oft für Vučić, sagt Vulović: “Diese Kooperation mit Russland ist sehr für das innere Publikum in Serbien gedacht.” So erkenne Russland die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an und kommentiere und unterstütze die serbische Kosovo-Politik auch über seine Botschaft in Belgrad, was dazu führe, dass im Norden des Kosovo, wo viele Serben leben, mit prorussischen Narrativen gespielt werde.
Russland betreibt in Belgrad die Fernsehsender Sputnik Srbija und Russia Today Balkan, die systematisch Desinformation verbreiten. “Alle Medienunternehmen, auch die aus Russland und China, können uneingeschränkt arbeiten. Und das nutzen sie, so gut sie können, und streuen prorussische Narrative”, sagt Šunter vom Balkan Security Network. Um Russland die Kosovo-Frage als Einflussmöglichkeit zu nehmen, sollten die EU und die USA Serbien und das Kosovo helfen, eine langfristige Lösung für die offenen Gebietsansprüche im Kosovo zu finden, sagt Šunter. “Das hätte Auswirkungen auf Russlands Handlungsmöglichkeiten in der Region.” Denn die Frage, die Serbien am stärksten beschäftigt, ist die nach der Zukunft des Kosovo.
Die von Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigte Bundeswehrbrigade in Litauen hat nun einen Namen und eine Hinterlegung mit Verbänden und Kampfsystemen: Panzerbrigade 42 soll sie heißen und im Kern aus dem Panzerbataillon 203 Augustdorf (Nordrhein-Westfalen) und dem Panzergrenadierbataillon 122 Oberviechtach (Bayern) bestehen. Als dritter Teil der Brigade soll zunächst der bereits bestehende, rotierende multinationale Nato-Gefechtsverband (eFP-Battle Group) eingegliedert werden. Darüber hinaus sollen Kampf- und Einsatzunterstützungstruppen nach Litauen verlegt werden. Das teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit.
“Es braucht eine hohe Abwehrfähigkeit, gerade an der Nato-Ostflanke. Wir sind der erste Nato-Partner, der sich zu einer feststehenden Brigade an der Ostflanke bekennt und diese Verantwortung übernimmt”, sagte Pistorius am Montagabend. Die Bundeswehr sei bereits vor Ort mit der eFP-Battle Group und der enhanced Vigilance Activity im Rahmen der Nato-Planung, “aber wir gehen einen Schritt weiter, abgestimmt mit der Nato.” Noch vor Weihnachten will Pistorius nach Litauen fliegen, um die entsprechende Roadmap zu unterschreiben.
Nach aktueller Planung soll im zweiten Quartal 2024 ein Vorkommando und im letzten Quartal dann der Aufstellungsstab der Panzerbrigade 42 in Litauen sein. Ab 2025 und gekoppelt an die Fortschritte des Infrastrukturaufbaus können dann erste Soldaten nach Litauen verlegt werden.
Die beiden Kampfbataillone aus Nordrhein-Westfalen und Bayern gehören zu den Schweren Kräften des Heeres. Das Hauptwaffensystem des Panzerbataillon ist der Leopard 2, das des Panzergrenadierbataillons der Schützenpanzer Puma, die mit den Einheiten an die Nato-Ostflanke verlegt werden. Pistorius stellte am Montag jedoch klar, dass die Standorte nicht geschmälert, sondern kompensiert werden sollen.
So wird in Augustdorf das Panzerartilleriebataillon 215 neu aufgestellt. Nach Oberviechtach soll das Artilleriebataillon 131 aus Weiden verlegt werden. Außerdem wird die Neuaufstellung einer leichten Versorgungskompanie geprüft. In Weiden wiederum soll der Aufwuchs des gerade neu aufgestellten Panzerartilleriebataillons 375 fortgesetzt werden.
Insgesamt sollen 4800 Soldaten und 200 zivile Mitarbeiter dauerhaft in Litauen stationiert werden. Darin eingeschlossen sind die etwa 480 Bundeswehrsoldaten der eFP-Battle Group. In der Vergangenheit bestanden Zweifel, ob sich genügend Soldaten für eine dauerhafte Stationierung, gegebenenfalls sogar mit Familien, finden würden. Das Ministerium kündigte an, “so weit wie möglich” an Freiwilligkeit bei der Versetzung festzuhalten.
Zuvor hatte der Spiegel berichtet, dass das Verteidigungsministerium Anreize schaffen will, um einen Einsatz in Litauen attraktiver zu gestalten. So könnte es Zuschläge, Unterstützung für die Familien und ein früheres Renteneintrittsalter geben. Eine Entscheidung darüber ist aber noch nicht getroffen. klm
Australiens Premierminister Anthony Albanese hat bei Chinas Präsident Xi Jinping für eine engere militärische Kooperation zwischen der Volksrepublik und der USA geworben. Während seines Besuchs am Montag in Peking sprach Albanese mit Xi über die Sicherheitslage in der Welt und betonte dabei die Wichtigkeit einer engeren Zusammenarbeit beider Nationen. Albanese nahm dabei insbesondere Bezug auf den Krieg in der Ukraine und im Gaza-Streifen.
Australien ist Mitglied der Quad-Gruppe, einem sicherheits- und militärpolitischen Bündnis mit den USA, Indien und Japan. Durch Chinas wachsende militärische Präsenz im Südchinesischen Meer und seine Annäherung an Inselstaaten der Südsee rückt Peking militärisch zunehmend an australische Küsten heran.
Bei Albanese Besuch – dem ersten eines australischen Premiers seit 2016 – waren beide Seiten jedoch um freundliche Atmosphäre bemüht. China brachte seine “14 Beschwerden”, die es im Jahr 2020 gegenüber Canberra formuliert hatte, nicht zur Sprache. Die 14 Punkte waren die Folge eines diplomatischen Streits, der in Handelsstreitigkeiten gipfelte, nachdem Australien Huawei vom 5G-Netz ausgeschlossen und eine internationale Untersuchung zum Ursprung des Corona-Virus gefordert hatte.
Die Beziehungen beider Staaten haben sich seit Albaneses Amtsantritt 2022 aber verbessert. China lässt unter anderem wieder mehr Einfuhren australischer Produkte zu. grz
The New York Times: A Secret War, Strange New Wounds, and Silence From the Pentagon. Nach ihrer Rückkehr von einer Offensive gegen den IS entwickelten US-Soldaten psychische und physische Probleme – obwohl sie ihren Feind gar nicht gesehen hatten. Grund dafür waren die von ihnen abgefeuerten Artilleriegeschosse: Mit jedem Schuss schädigten die Schockwellen die Gehirne der Soldaten. Bis der Zusammenhang zwischen Einsatz und Krankheit verstanden wurde, war es ein langer Weg – für einige Soldaten kam die Erkenntnis zu spät.
The New York Times: After Years of Vowing to Destroy Israel, Iran Faces a Dilemma. Iran wägt nach dem Terrorüberfall der Hamas genau ab, wie seine Stellvertreter-Milizen, die “Achse des Widerstands”, künftig militärisch in Nahost agieren sollen. Das Risiko eines breiteren, regionalen Krieges ist groß.
Der Spiegel: Waffenboom in Israel – “Ich habe begriffen, dass ich mich schützen muss.” 100.000 Bürger beantragten in den vergangenen Wochen einen Waffenschein – mit dem Segen der Regierung. Bereits in der Vergangenheit hatten Terroranschläge für Lockerungen des ursprünglich restriktiven Waffengesetzes gesorgt.
Sportliche Großveranstaltungen werden immer öfter von autokratischen Regimen ausgerichtet. Dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 in Saudi-Arabien stattfinden soll, ist nun das jüngste Beispiel. In den 1990er Jahren und zu Beginn der 2000er waren noch alle ausrichtenden Länder von Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen Demokratien. Seither nimmt ihr Anteil kontinuierlich ab. Ein Grund dafür könnte sein, dass autokratische Machthaber keine Abwahl befürchten müssen, wenn sie den Staatshaushalt mit hohen Kosten für die Austragung belasten.
Weil es in ihren Ländern keine Kontrolle durch eine freie Presse gibt, fällt es ihnen zudem leichter, unbemerkt Korruptionszahlungen an die Verbände zu leisten. Wer Führungspositionen in der Fifa oder im IOC anstrebt, muss bereits jetzt mit autokratischen Strippenziehern kuscheln.
Dieser Trend muss uns beunruhigen, denn Autokratien vergrößern nicht nur ihren Einfluss auf internationale Sportverbände, sie versuchen auch ihre Macht in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen auszuweiten. Um dies zu erreichen, dienen Wahlen und Abstimmungen in internationalen Sportverbänden mittlerweile als Testlabor für die Mehrheitsverhältnisse in internationalen Organisationen.
Dahinter verbirgt sich eine Doppelstrategie: das Einschränken und Zurückdrängen von Menschenrechten, die die Macht der Autokraten gefährden, und die Präsentation als moderne fortschrittliche Staaten, in denen es sich gut leben lässt. Wem es gelingt, sich im In- und Ausland erfolgreich als fürsorglicher Herrscher darzustellen, der muss keine Opposition fürchten, sondern kann sie weiterhin unterdrücken.
Gefährlich wird das dann, wenn die schöne Außendarstellung eines Regimes seine Verbrechen so sehr überstrahlt, dass letztere kaum noch wahrgenommen oder gänzlich ignoriert werden. Jüngstes Beispiel ist Saudi-Arabien. Die Rekordtransfers von prominenten Fußballspielern in den Golfstaat sind in aller Munde, aber dass an der Grenze des Landes hunderte Migranten erschossen wurden, hat kaum jemand mitbekommen.
Der Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul scheint vergessen zu sein; die vielfache Verhängung der Todesstrafe und die mangelnde Pressefreiheit in der absoluten Monarchie scheinen niemanden zu interessieren. Sportswashing – die Verbesserung des Ansehens in der Welt mithilfe des Sports – funktioniert offenbar.
Saudi-Arabien lässt sich seinen Imagegewinn sehr viel kosten. Im Dezember dieses Jahres trägt das Land die Fifa-Klub-Weltmeisterschaft aus. 2029 wird es Schauplatz der Asien-Winterspiele. Im Umland der im Bau befindlichen Planstadt Neom am Roten Meer soll dafür ein Wintersportgebiet mit Kunstschnee entstehen – mitten in der Wüste. Tausende Beduinen werden dafür zwangsumgesiedelt.
Man denkt unweigerlich an die Wüsten-WM in Katar im letzten Winter. Anstatt die Angehörigen der ausländischen Arbeiter zu entschädigen, die beim Bau der Stadien ums Leben kamen, bestach Katar die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili. Durch diesen Korruptionsfall erlitt aber vor allem die Demokratie in Europa einen riesigen Ansehensverlust. Das kann sich rächen, wenn bei der Europawahl im nächsten Jahr die Wahlbeteiligung sinkt und die Anzahl der Stimmen für populistische Parteien steigt.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns in der Freien Welt an Recht und Gesetz halten, und dies auch von Autokratien einfordern, statt uns von ihnen korrumpieren zu lassen. Nur so können wir einen weiteren negativen Trend stoppen: Die Anzahl der freiheitlichen Staaten nimmt ab und die der unvollständigen Demokratien und autoritären Regime nimmt zu. Der systemische Wettbewerb spitzt sich zu. Die jüngste Erweiterung der BRICS als Gegengewicht zum Westen ist das beste Beispiel.
Um diese negativen Entwicklungen umzukehren, muss die Achtung der universellen Menschenrechte zukünftig ein entscheidendes Kriterium für die Vergabe und Ausrichtung internationaler sportlicher Wettkämpfe und Turniere sein.
Im Übrigen gäbe es eine bessere Möglichkeit, sein Image in der Welt zu verbessern: durch mehr humanitäre Hilfe. Gerade jetzt, wo Marokko, Libyen und viele andere Länder weltweit dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, stünde es den reichen Golfstaaten gut zu Gesicht, diesen Ländern in ihrer Not mit Geld, Hilfslieferungen und technischer Unterstützung beizustehen.
Renata Alt ist seit 2009 in der FPD und seit 2017 im Bundestag. Alt ist Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe.
Zum ersten Mal in ihrer fast 250-jährigen Geschichte wird die U.S. Navy von einer Frau geführt. Der US-Senat bestätigte vergangene Woche die Vier-Sterne-Admiralin Lisa Franchetti in ihrem Amt, das sie seit August kommissarisch geleitet hatte. Sie war die Wunschkandidatin von US-Präsident Joe Biden, der damit ein Zeichen setzen wollte: “Sie wird Geschichte schreiben.”
Franchetti – die zweite Vier-Sterne-Admiralin überhaupt – ist in ihrer neuen Funktion auch als erste Frau Mitglied des US-Generalstabs. Sie selbst äußerte sich nach ihrer Bestätigung so: “Ich freue mich, die mächtigste Marine der Welt zu führen.” Franchetti stammt aus einer Familie ohne militärischen Hintergrund. Aufgewachsen in der Industriestaat Rochester im Nordwesten von New York, wollte sie eigentlich Journalistin werden. Noch während ihres Journalismus-Studiums in Illinois wurde sie Mitglied des Reserve Officer Training Corps (ROTC), eines Ausbildungsprogramms der US-Streitkräfte an Colleges und Universitäten. 1985 trat sie in die Navy ein und absolvierte die Offizierslaufbahn. Sie war Kommandantin eines Zerstörers und einer Flugzeugträger-Gruppe, oftmals die erste Frau auf diesen Posten.
Die pensionierte Vize-Admiralin Nora Tyson, die als erste Frau eine Flotte der US-Marine führte, sagte dem amerikanischen Magazin Defense News: “Lisa Franchetti hat sowohl Führungsqualitäten wie Erfahrung im Umgang mit unseren Partnern rund um die Welt.” Sie habe gezeigt, dass es für Frauen keine Grenzen mehr gebe. nana
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
die jüngsten russischen Angriffe setzen der Ukraine schwer zu. Dass ein Jahr nach der Befreiung Chersons diesen November kein durchschlagender Erfolg an Süd- oder Ostfront winkt, schlägt auf die Stimmung. Denis Trubetskoy analysiert die politische Debatte im Land nach der gescheiterten Offensive.
Die Unterstützung für die Ukraine schwindet im Ausland – und Russland gewinnt an Support. In einer neuen Serie stellen wir “Russlands Freunde” vor, von Nordkorea über Iran, Belarus bis Südafrika. Was versprechen sich die Partner Wladimir Putins von dem Bündnis mit dem Autokraten? Den Auftakt macht Gabriel Bub. Er nimmt Moskaus wichtigsten nationalistischen Verbündeten auf dem Balkan ins Visier – Serbien.
Autokratische Mächte in den Blick nimmt auch unsere Gastautorin Renata Alt. In ihrem Standpunkt warnt die menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion davor, internationale Sportwettbewerbe weiter an Diktaturen zu vergeben. Menschenrechte müssten bei Entscheidungen von Fifa und IOC künftig zwingend berücksichtigt werden, schreibt Alt. Die Forderung ist aktueller denn je – gerade erst erhielt Saudi-Arabien de facto den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2034.
Einen Monat nach dem Terrorüberfall der Hamas auf den Süden Israels hat die US-Marine ihre Präsenz im Nahen Osten weiter ausgedehnt: Seit Sonntag sendet ein atomwaffenfähiges U-Boot der Ohio-Klasse, das mit Dutzenden konventionellen Tomahawk-Marschflugkörpern bewaffnet ist, Signale der Abschreckung an Iran und dessen Stellvertretermilizen in der Region, um eine direkte Konfrontation zu verhindern.
Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre
Fünf Monate nach Beginn der ukrainischen Offensive hat in der Ukraine eine Debatte über den Erfolg der Operation begonnen. Während die militärische Führung um den Oberkommandierenden, General Walerij Saluschnyj, öffentlich von einer Pattsituation spricht, weist ein hochrangiger Vertreter der Präsidialadministration solche Aussagen zurück. Ihor Schowkwa, Vize-Chef der Präsidentenverwaltung und zuständig für Auslandsbeziehungen, kritisierte militärische Offizielle für öffentliche Äußerungen über die Situation an der Front.
Für Saluschnyj jedenfalls sieht es derzeit danach aus, dass die Ukraine nur mit technischer Überlegenheit einen substanziellen Durchbruch erreichen könnte – einer Überlegenheit, die sie aktuell nicht hat. Die Aufrüstung mit Überwachungsdrohnen auf beiden Seiten habe dazu geführt, dass beide Seiten stets wüssten, was die jeweils andere tut.
Insgesamt ist es der ukrainischen Armee an einigen Stellen gelungen, die russische Hauptverteidigungslinien im Süden zu durchbrechen. Auch sind auf dem wichtigsten Frontabschnitt Richtung Melitopol und östlich in Richtung der Städte Berdjansk und Mariupol größere Einbrüche in die russischen Linien erfolgt. Aber das ist nicht das erhoffte Ergebnis.
Russland hatte vor der Offensive Zeit gehabt, die Verteidigung zu festigen. Mögliche strategische Ziele wie Melitopol nahe des Asowschen Meeres blieben für die ukrainische Armee deshalb unerreichbar. Doch auch offen kommunizierte Zwischenziele wie der logistische Knotenpunkt Tokmak sind weiterhin in russischer Hand.
Die Offensive geht ihrem Ende entgegen und Russland verstärkt die Angriffe auf Awdijiwka im ostukrainischen Bezirk Donezk. Die Initiative hat Moskau aktuell dennoch noch nicht übernommen. Zudem: Möglicherweise werden bisher andere Erfolge der ukrainischen Armee unterschätzt: Dank der Vorstöße mit amphibischen Teams weitet die Armee ihre Präsenz auf dem russisch-besetzten östlichen Ufer des Dnipro-Flusses im Bezirk Cherson aus.
Dass die Offensive dieses Jahr nicht wie gewünscht gelaufen ist, machte Saluschnyj in seinem Essay sowie im dazugehörigen Gespräch mit “The Economist” deutlich. “Einen tiefen und schönen Durchbruch wird es wohl nicht geben”, betont der Oberkommandierende. Er warnte vor einer Sackgasse wie im Ersten Weltkrieg und vor einem Stellungskrieg, der für die Ukraine gefährlich wäre. Außerdem nannte Saluschnyj Prioritäten, um in diesem Krieg weiterhin zu bestehen: Stärkung der Luftwaffe; bessere elektronischen Kampfführung; mehr Hilfe bei der Entminung und auch bessere Mobilmachung.
Ende 2022 hat er, ebenfalls gegenüber dem Economist, aufgelistet, was seine Armee bräuchte, um die seit der russischen Vollinvasion besetzten Gebiete zu befreien – ohne die Krim und den schon damals okkupierten Donbass-Teil anzusprechen. Saluschnyj zählte 300 Kampfpanzer, 600-700 Schützenpanzer und 500 Haubitzen auf. Die Zusagen für die Waffen kamen, doch nicht die Waffen in der benötigten Zahl.
Welche Rolle spielt das beim ausbleibenden Erfolg der Offensive? “Jede Kampagne wird von drei Parametern bestimmt: Von politischen Zielen, dem verfügbaren Militärpotenzial und der Fähigkeit, dieses zu nutzen”, schreibt Analyst Mykola Beleskow vom Nationalen Institut für strategische Studien. Laut Beleskow war die Synchronisation zwischen diesen drei Faktoren 2022 perfekt: Es ging um Zerstörung des russischen Blitzkriegplans, Ausschöpfung des Angriffspotenzials der Russen und die maximale Nutzung der Situation.
2023 war die politische Aufgabe eine andere: Aus der Defensive sollte eine Offensive werden. “Allerdings bekamen die ukrainischen Verteidigungskräfte nicht das entsprechende Potenzial geliefert, um die politische Aufgabe zu erfüllen”, konstatiert Beleskow.
Er hält es deshalb für einen Fehler, mit vorhandenen Waffen die große Operation begonnen zu haben – und hätte die Fortsetzung der Linie der strategischen Verteidigung für sinnvoller erachtet. Eine Meinung, die nicht alle ukrainischen Militärexperten teilen.
Oleksij Melnyk, Co-Direktor der Programme der internationalen Sicherheit an der Denkfabrik Zentr Rasumkowa, glaubt, dass die Vertagung der Offensive der russische Armee mehr Zeit gegeben hätte, noch mehr ukrainische Flächen zu verminen. Oleksandr Mussijenko, Chef des Zentrums für militärrechtliche Studien in Kiew, äußert sich ähnlich: “Ich bin kategorisch gegen diesen Gedanken. Es ist eine andere Situation als 2022, als es möglich war, die plötzliche Schwäche der Russen im Bezirk Charkiw blitzschnell auszunutzen.” Hätte sich die Ukraine nicht für eine größere Offensive entschieden und die Russen nicht derart unter Druck gesetzt, hätte sie im schlimmsten Fall weiteren Territorien eingebüßt und sonst nichts erreicht. “Jetzt haben die Ukrainer aber wichtige Aufmarschgebiete geschaffen, die bei zukünftigen Operationen benutzt werden können”, so Mussijenko.
Während die Analysen der Offensive noch laufen, drängt bereits die Frage, was in den kommenden Monaten folgt. Klar ist, dass Russland die Ausgaben für das Militär im kommenden Jahr um 70 Prozent gegenüber 2023 erhöht – auf 115 Milliarden US-Dollar. “In meinen Augen ist es unsere strategische Aufgabe, noch rund ein Jahr ohne bedeutende Rückschläge durchzuhalten”, glaubt der Lwiwer Militäranalyst Stanislaw Besuschko, der selbst bei der Armee dient. “Es dauert, bis die westliche Munitionsproduktion für die Artillerie richtig hochgefahren wird. 2023 war das noch nicht der Fall. 2024 und 2025 wird es aber so weit sein.”
Damit die der Ukraine gelieferte westliche Artillerie, die weiter und genauer als russische schießt, wirkt, muss noch etwas passieren. “In Sachen elektronische Kampfführung gehören die Russen zu den besten der Welt”, betont Besuschko. “Sie schaffen es oft, die Lenksysteme unserer Artillerie zu stören. Wie von Saluschnyj betont müssen wir hier große Fortschritte machen. Die effektive Störung der russischen Lancet-Drohnen, die bis zu 130 Kilometer in die Ukraine eindringen können, ist auch essenziell.” Auf den Westen hofft er darüber hinaus vor allem im Bereich der Entminung: “Unter den Bedingungen der enormen Verminung im Süden ist die Lebenszeit der gelieferten Geräte sehr gering – und es wurde ohnehin viel zu wenig geliefert. Hier sollten die westlichen Partner mehr tun.”
Es wird noch ein sehr langer Kampf, glaubt Oleksandr Mussijenko vom Zentrum für militärrechtliche Studien. “Aber es ist positiv, dass am Rande der Spekulationen über die sinkende Hilfe für die Ukraine im Westen endlich über eine Strategie diskutiert wird”, sagt er. “Denn ,As long as it takes’ ist keine Strategie. Aber wir brauchen eine – und Saluschnyjs Beitrag ist eine Art Einladung zu einem konstruktiven Gespräch.”
So isoliert, wie es sich manch einer im Westen wünscht, ist Russland nach seinem Angriff auf die Ukraine nicht. Bei der Abstimmung der Vereinten Nationen im Februar 2023 verurteilten zwar 141 Länder Russlands Krieg. Vertreter von 32 Staaten, die etwa die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren, enthielten sich aber.
Wir blicken in unserer neuen Serie auf “Russlands Freunde” – und analysieren, welche Motive entscheidend sind für eine enge Bindung an Moskau. Bei Nordkorea, das Russlands Angriffskrieg mit Munition und Waffen unterstützt, ist die Lage klar, auch bei Belarus, Moskaus verlässlichem Partner in Europa, und dem Regime im Iran, das Russland mit Drohnen und anderen Waffen beliefert.
Doch je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto mehr Länder nähern sich wieder dem Kreml an. Das geht aus einer Studie der Economist Intelligence Unit (EIU) hervor, die das Verhältnis von 191 Staaten zu Russland nach wirtschaftlichen, militärischen und diplomatischen Kriterien untersuchte. Demnach waren kurz nach Kriegsbeginn 2022 noch 29 Staaten Russland zugeneigt, ein Jahr später waren es bereits 35.
Klar auf der Seite des Westens stehen nur 52 Länder, die 15 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, zwölf Länder (knapp sechs Prozent) auf der Russlands. Die meisten Staaten ordnen sich keinem Lager zu, 127 Länder mit fast 80 Prozent der Weltbevölkerung bewegen sich zwischen den Blöcken. Auch deshalb ist die 2024 geplante Erweiterung der Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) um Saudi-Arabien, Iran, Äthiopien, Ägypten, Argentinien und die Vereinigten Arabischen Emirate ein historischer Einschnitt.
Als Katalysator für stärkere Unterstützung Russlands durch die Staaten des Globalen Südens innerhalb der Vereinten Nationen wirkt zudem der Gaza-Krieg, so ein westlicher Diplomat gegenüber der Financial Times: “Es besteht die Gefahr, dass wir bei der nächsten Generalversammlung zur Unterstützung der Ukraine einen explosionsartigen Anstieg der Enthaltungen sehen werden.”
Unser Blick ist aber nicht nur auf jene Staaten gerichtet, die sich eindeutig positioniert haben, sondern auch auf Länder mit flexiblen Kooperationsmustern: Die Türkei zum Beispiel liefert Drohnen an die Ukraine, ist Nato-Mitglied und pflegt trotzdem noch rege wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Während die Exportzahlen aus der EU nach Russland mit den verhängten Sanktionen sanken, stiegen die Exportumsätze in der Türkei rasant an.
Südafrika verbindet mit Russland eine alte Freundschaft und ist wegen seines internationalen Gewichts ein wichtiger Partner für Putin. Serbien hat historische Verflechtungen mit Russland. Das erkennt man auch am Material der serbischen Armee, das zu großen Teilen aus Russland stammt. Mit der Beschreibung der Schlüsselrolle, die Serbien für Russlands Hegemoniestreben auf dem westlichen Balkan einnimmt, machen wir heute den Auftakt unsere Serie.
Die Zeiten, in denen Serbiens Präsident Aleksandar Vučić alle drei Monate mit Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte, sind vorbei. Als die Financial Times Vučić im Juni 2023 fragte, ob er von serbischen Munitionslieferungen über Mittelsmänner an die Ukraine wisse, gab er sich gleichgültig. “Ich bin kein Idiot. Mir ist bewusst, dass einige der Waffen in der Ukraine landen könnten.” Auch der serbische Verteidigungsminister, Miloš Vučević, ruft jetzt öfter in Paris als in Moskau an.
Das gilt auch für die Außenminister der beiden slawischen Bruderstaaten. Am Rande der UN-Generalversammlung im September 2022 unterzeichneten der serbische Außenminister Nikola Selaković und Sergej Lawrow einen Konsultationsplan für 2023 bis 2024. Noch im Mai 2023 nahm der Leiter des serbischen Geheimdienstes, Aleksandar Vulin, an einer Sicherheitskonferenz in Moskau teil, und im Juli belegten die USA den Vučić-Vertrauten mit Sanktion – nicht zuletzt wegen seiner engen Kontakte nach Russland.
Den EU-Sanktionen gegen Moskau will sich die Regierung in Belgrad auch deshalb nicht anschließen, um alte Abhängigkeiten nicht abreißen zu lassen. Im Januar 2022 pries Vučić noch die kurz zuvor beschafften russischen Panzerabwehrwaffen Kornet, die Serbien gemeinsam mit je 30 modernisierten T-72-Kampfpanzern und BRDM-2-Spähpanzern aus Russland beschafft hatte. Zum Schutz des Luftraums kaufte Serbien zudem das Flugabwehrsystem Panzir aus Moskau – aber auch Mistral-Raketen aus Frankreich.
Serbiens Luftwaffe ist stark russisch geprägt und stützt sich vor allem auf MiG 29-Kampfflugzeuge und Mi-35 Kampfhubschrauber. Russland habe diese Waffenexporte auch genutzt, um seine Präsenz im Westbalkan zu verstärken, sagt Daniel Šunter vom Balkan Security Network, einem auf Verteidigungspolitik spezialisierten Portal in Belgrad. Sich von der russischen Technologie unabhängig zu machen, wird “eine große Langzeitherausforderung für Serbien”, sagt Šunter. Deshalb ist die serbische Regierung in Gesprächen mit Frankreich, um die MiG-29-Flotte mit Rafale-Kampfjets zu ersetzen.
Zwar probten serbische Soldaten bis 2021 noch jährlich gemeinsam mit russischen und belarussischen Truppen bei der Übung Slavic Brotherhood. Das serbische Militär richtet sich aber zunehmend an westlichen Kräften aus und kooperiert deutlich häufiger mit Nato-Mitgliedsstaaten – zum Beispiel im Rahmen des Unifil-Einsatzes im Libanon, der von spanischen Einheiten geführt wird.
Die größte Abhängigkeit von Russland hat Serbien im Bereich der Energieversorgung. “Serbien erhält fast all sein Gas aus Russland”, sagt die Westbalkan-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Marina Vulović. Hinzu komme, dass der russische Energiekonzern Gazprom mehr als die Hälfte der Anteile am serbischen Ölunternehmen Naftna industrija Srbije (Nis) hält. Aktuell profitiere Serbien von günstigen Gaslieferungen aus Russland, meint Vulović.
Ökonomisch und militärisch löst sich Serbien zwar von Russland – der wichtigste Wirtschaftspartner ist die EU -, innenpolitisch lohne sich die verbale Annäherung an Russland aber oft für Vučić, sagt Vulović: “Diese Kooperation mit Russland ist sehr für das innere Publikum in Serbien gedacht.” So erkenne Russland die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an und kommentiere und unterstütze die serbische Kosovo-Politik auch über seine Botschaft in Belgrad, was dazu führe, dass im Norden des Kosovo, wo viele Serben leben, mit prorussischen Narrativen gespielt werde.
Russland betreibt in Belgrad die Fernsehsender Sputnik Srbija und Russia Today Balkan, die systematisch Desinformation verbreiten. “Alle Medienunternehmen, auch die aus Russland und China, können uneingeschränkt arbeiten. Und das nutzen sie, so gut sie können, und streuen prorussische Narrative”, sagt Šunter vom Balkan Security Network. Um Russland die Kosovo-Frage als Einflussmöglichkeit zu nehmen, sollten die EU und die USA Serbien und das Kosovo helfen, eine langfristige Lösung für die offenen Gebietsansprüche im Kosovo zu finden, sagt Šunter. “Das hätte Auswirkungen auf Russlands Handlungsmöglichkeiten in der Region.” Denn die Frage, die Serbien am stärksten beschäftigt, ist die nach der Zukunft des Kosovo.
Die von Verteidigungsminister Boris Pistorius angekündigte Bundeswehrbrigade in Litauen hat nun einen Namen und eine Hinterlegung mit Verbänden und Kampfsystemen: Panzerbrigade 42 soll sie heißen und im Kern aus dem Panzerbataillon 203 Augustdorf (Nordrhein-Westfalen) und dem Panzergrenadierbataillon 122 Oberviechtach (Bayern) bestehen. Als dritter Teil der Brigade soll zunächst der bereits bestehende, rotierende multinationale Nato-Gefechtsverband (eFP-Battle Group) eingegliedert werden. Darüber hinaus sollen Kampf- und Einsatzunterstützungstruppen nach Litauen verlegt werden. Das teilte das Verteidigungsministerium am Montag mit.
“Es braucht eine hohe Abwehrfähigkeit, gerade an der Nato-Ostflanke. Wir sind der erste Nato-Partner, der sich zu einer feststehenden Brigade an der Ostflanke bekennt und diese Verantwortung übernimmt”, sagte Pistorius am Montagabend. Die Bundeswehr sei bereits vor Ort mit der eFP-Battle Group und der enhanced Vigilance Activity im Rahmen der Nato-Planung, “aber wir gehen einen Schritt weiter, abgestimmt mit der Nato.” Noch vor Weihnachten will Pistorius nach Litauen fliegen, um die entsprechende Roadmap zu unterschreiben.
Nach aktueller Planung soll im zweiten Quartal 2024 ein Vorkommando und im letzten Quartal dann der Aufstellungsstab der Panzerbrigade 42 in Litauen sein. Ab 2025 und gekoppelt an die Fortschritte des Infrastrukturaufbaus können dann erste Soldaten nach Litauen verlegt werden.
Die beiden Kampfbataillone aus Nordrhein-Westfalen und Bayern gehören zu den Schweren Kräften des Heeres. Das Hauptwaffensystem des Panzerbataillon ist der Leopard 2, das des Panzergrenadierbataillons der Schützenpanzer Puma, die mit den Einheiten an die Nato-Ostflanke verlegt werden. Pistorius stellte am Montag jedoch klar, dass die Standorte nicht geschmälert, sondern kompensiert werden sollen.
So wird in Augustdorf das Panzerartilleriebataillon 215 neu aufgestellt. Nach Oberviechtach soll das Artilleriebataillon 131 aus Weiden verlegt werden. Außerdem wird die Neuaufstellung einer leichten Versorgungskompanie geprüft. In Weiden wiederum soll der Aufwuchs des gerade neu aufgestellten Panzerartilleriebataillons 375 fortgesetzt werden.
Insgesamt sollen 4800 Soldaten und 200 zivile Mitarbeiter dauerhaft in Litauen stationiert werden. Darin eingeschlossen sind die etwa 480 Bundeswehrsoldaten der eFP-Battle Group. In der Vergangenheit bestanden Zweifel, ob sich genügend Soldaten für eine dauerhafte Stationierung, gegebenenfalls sogar mit Familien, finden würden. Das Ministerium kündigte an, “so weit wie möglich” an Freiwilligkeit bei der Versetzung festzuhalten.
Zuvor hatte der Spiegel berichtet, dass das Verteidigungsministerium Anreize schaffen will, um einen Einsatz in Litauen attraktiver zu gestalten. So könnte es Zuschläge, Unterstützung für die Familien und ein früheres Renteneintrittsalter geben. Eine Entscheidung darüber ist aber noch nicht getroffen. klm
Australiens Premierminister Anthony Albanese hat bei Chinas Präsident Xi Jinping für eine engere militärische Kooperation zwischen der Volksrepublik und der USA geworben. Während seines Besuchs am Montag in Peking sprach Albanese mit Xi über die Sicherheitslage in der Welt und betonte dabei die Wichtigkeit einer engeren Zusammenarbeit beider Nationen. Albanese nahm dabei insbesondere Bezug auf den Krieg in der Ukraine und im Gaza-Streifen.
Australien ist Mitglied der Quad-Gruppe, einem sicherheits- und militärpolitischen Bündnis mit den USA, Indien und Japan. Durch Chinas wachsende militärische Präsenz im Südchinesischen Meer und seine Annäherung an Inselstaaten der Südsee rückt Peking militärisch zunehmend an australische Küsten heran.
Bei Albanese Besuch – dem ersten eines australischen Premiers seit 2016 – waren beide Seiten jedoch um freundliche Atmosphäre bemüht. China brachte seine “14 Beschwerden”, die es im Jahr 2020 gegenüber Canberra formuliert hatte, nicht zur Sprache. Die 14 Punkte waren die Folge eines diplomatischen Streits, der in Handelsstreitigkeiten gipfelte, nachdem Australien Huawei vom 5G-Netz ausgeschlossen und eine internationale Untersuchung zum Ursprung des Corona-Virus gefordert hatte.
Die Beziehungen beider Staaten haben sich seit Albaneses Amtsantritt 2022 aber verbessert. China lässt unter anderem wieder mehr Einfuhren australischer Produkte zu. grz
The New York Times: A Secret War, Strange New Wounds, and Silence From the Pentagon. Nach ihrer Rückkehr von einer Offensive gegen den IS entwickelten US-Soldaten psychische und physische Probleme – obwohl sie ihren Feind gar nicht gesehen hatten. Grund dafür waren die von ihnen abgefeuerten Artilleriegeschosse: Mit jedem Schuss schädigten die Schockwellen die Gehirne der Soldaten. Bis der Zusammenhang zwischen Einsatz und Krankheit verstanden wurde, war es ein langer Weg – für einige Soldaten kam die Erkenntnis zu spät.
The New York Times: After Years of Vowing to Destroy Israel, Iran Faces a Dilemma. Iran wägt nach dem Terrorüberfall der Hamas genau ab, wie seine Stellvertreter-Milizen, die “Achse des Widerstands”, künftig militärisch in Nahost agieren sollen. Das Risiko eines breiteren, regionalen Krieges ist groß.
Der Spiegel: Waffenboom in Israel – “Ich habe begriffen, dass ich mich schützen muss.” 100.000 Bürger beantragten in den vergangenen Wochen einen Waffenschein – mit dem Segen der Regierung. Bereits in der Vergangenheit hatten Terroranschläge für Lockerungen des ursprünglich restriktiven Waffengesetzes gesorgt.
Sportliche Großveranstaltungen werden immer öfter von autokratischen Regimen ausgerichtet. Dass die Fußball-Weltmeisterschaft 2034 in Saudi-Arabien stattfinden soll, ist nun das jüngste Beispiel. In den 1990er Jahren und zu Beginn der 2000er waren noch alle ausrichtenden Länder von Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen Demokratien. Seither nimmt ihr Anteil kontinuierlich ab. Ein Grund dafür könnte sein, dass autokratische Machthaber keine Abwahl befürchten müssen, wenn sie den Staatshaushalt mit hohen Kosten für die Austragung belasten.
Weil es in ihren Ländern keine Kontrolle durch eine freie Presse gibt, fällt es ihnen zudem leichter, unbemerkt Korruptionszahlungen an die Verbände zu leisten. Wer Führungspositionen in der Fifa oder im IOC anstrebt, muss bereits jetzt mit autokratischen Strippenziehern kuscheln.
Dieser Trend muss uns beunruhigen, denn Autokratien vergrößern nicht nur ihren Einfluss auf internationale Sportverbände, sie versuchen auch ihre Macht in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen auszuweiten. Um dies zu erreichen, dienen Wahlen und Abstimmungen in internationalen Sportverbänden mittlerweile als Testlabor für die Mehrheitsverhältnisse in internationalen Organisationen.
Dahinter verbirgt sich eine Doppelstrategie: das Einschränken und Zurückdrängen von Menschenrechten, die die Macht der Autokraten gefährden, und die Präsentation als moderne fortschrittliche Staaten, in denen es sich gut leben lässt. Wem es gelingt, sich im In- und Ausland erfolgreich als fürsorglicher Herrscher darzustellen, der muss keine Opposition fürchten, sondern kann sie weiterhin unterdrücken.
Gefährlich wird das dann, wenn die schöne Außendarstellung eines Regimes seine Verbrechen so sehr überstrahlt, dass letztere kaum noch wahrgenommen oder gänzlich ignoriert werden. Jüngstes Beispiel ist Saudi-Arabien. Die Rekordtransfers von prominenten Fußballspielern in den Golfstaat sind in aller Munde, aber dass an der Grenze des Landes hunderte Migranten erschossen wurden, hat kaum jemand mitbekommen.
Der Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul scheint vergessen zu sein; die vielfache Verhängung der Todesstrafe und die mangelnde Pressefreiheit in der absoluten Monarchie scheinen niemanden zu interessieren. Sportswashing – die Verbesserung des Ansehens in der Welt mithilfe des Sports – funktioniert offenbar.
Saudi-Arabien lässt sich seinen Imagegewinn sehr viel kosten. Im Dezember dieses Jahres trägt das Land die Fifa-Klub-Weltmeisterschaft aus. 2029 wird es Schauplatz der Asien-Winterspiele. Im Umland der im Bau befindlichen Planstadt Neom am Roten Meer soll dafür ein Wintersportgebiet mit Kunstschnee entstehen – mitten in der Wüste. Tausende Beduinen werden dafür zwangsumgesiedelt.
Man denkt unweigerlich an die Wüsten-WM in Katar im letzten Winter. Anstatt die Angehörigen der ausländischen Arbeiter zu entschädigen, die beim Bau der Stadien ums Leben kamen, bestach Katar die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Eva Kaili. Durch diesen Korruptionsfall erlitt aber vor allem die Demokratie in Europa einen riesigen Ansehensverlust. Das kann sich rächen, wenn bei der Europawahl im nächsten Jahr die Wahlbeteiligung sinkt und die Anzahl der Stimmen für populistische Parteien steigt.
Deswegen ist es so wichtig, dass wir uns in der Freien Welt an Recht und Gesetz halten, und dies auch von Autokratien einfordern, statt uns von ihnen korrumpieren zu lassen. Nur so können wir einen weiteren negativen Trend stoppen: Die Anzahl der freiheitlichen Staaten nimmt ab und die der unvollständigen Demokratien und autoritären Regime nimmt zu. Der systemische Wettbewerb spitzt sich zu. Die jüngste Erweiterung der BRICS als Gegengewicht zum Westen ist das beste Beispiel.
Um diese negativen Entwicklungen umzukehren, muss die Achtung der universellen Menschenrechte zukünftig ein entscheidendes Kriterium für die Vergabe und Ausrichtung internationaler sportlicher Wettkämpfe und Turniere sein.
Im Übrigen gäbe es eine bessere Möglichkeit, sein Image in der Welt zu verbessern: durch mehr humanitäre Hilfe. Gerade jetzt, wo Marokko, Libyen und viele andere Länder weltweit dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, stünde es den reichen Golfstaaten gut zu Gesicht, diesen Ländern in ihrer Not mit Geld, Hilfslieferungen und technischer Unterstützung beizustehen.
Renata Alt ist seit 2009 in der FPD und seit 2017 im Bundestag. Alt ist Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe.
Zum ersten Mal in ihrer fast 250-jährigen Geschichte wird die U.S. Navy von einer Frau geführt. Der US-Senat bestätigte vergangene Woche die Vier-Sterne-Admiralin Lisa Franchetti in ihrem Amt, das sie seit August kommissarisch geleitet hatte. Sie war die Wunschkandidatin von US-Präsident Joe Biden, der damit ein Zeichen setzen wollte: “Sie wird Geschichte schreiben.”
Franchetti – die zweite Vier-Sterne-Admiralin überhaupt – ist in ihrer neuen Funktion auch als erste Frau Mitglied des US-Generalstabs. Sie selbst äußerte sich nach ihrer Bestätigung so: “Ich freue mich, die mächtigste Marine der Welt zu führen.” Franchetti stammt aus einer Familie ohne militärischen Hintergrund. Aufgewachsen in der Industriestaat Rochester im Nordwesten von New York, wollte sie eigentlich Journalistin werden. Noch während ihres Journalismus-Studiums in Illinois wurde sie Mitglied des Reserve Officer Training Corps (ROTC), eines Ausbildungsprogramms der US-Streitkräfte an Colleges und Universitäten. 1985 trat sie in die Navy ein und absolvierte die Offizierslaufbahn. Sie war Kommandantin eines Zerstörers und einer Flugzeugträger-Gruppe, oftmals die erste Frau auf diesen Posten.
Die pensionierte Vize-Admiralin Nora Tyson, die als erste Frau eine Flotte der US-Marine führte, sagte dem amerikanischen Magazin Defense News: “Lisa Franchetti hat sowohl Führungsqualitäten wie Erfahrung im Umgang mit unseren Partnern rund um die Welt.” Sie habe gezeigt, dass es für Frauen keine Grenzen mehr gebe. nana
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!