Table.Briefing: Security

Leopard 2 nur im Verbund effektiv + Ausbildung ukrainischer Soldaten + Druck auf Schweiz wächst

  • Ben Hodges: “Der Leopard ist keine Wunderwaffe!”
  • Andreas Marlow: “Für jedes Bataillon der Ukraine wird ein Bataillon an Ausbildern benötigt”
  • Der Druck auf die Schweiz wegen Blockade bei Rüstungsexporten wächst
  • Schweigen zu MAWS beim Ministerrat deutet auf Ende hin
  • EU plant neue Sanktionen gegen Russland und Belarus
  • Interner Bericht: Puma fiel wegen vieler kleiner Probleme aus
  • Geld für Waffen und Ausbildung: EU gibt Ukraine weitere Tranche frei
  • Personalie: Michael Stempfle neuer Sprecher des Verteidigungsministeriums
  • Heads: Alexey Yusupov – Helfer der russischen Exilanten
Liebe Leserin, lieber Leser,

was würde es eigentlich bedeuten, wenn die ukrainische Armee den deutschen Kampfpanzer Leopard 2 tatsächlich bekäme? Mit der Frage ist nicht seine Wirkung auf dem Schlachtfeld gemeint. Das Überlassen des Leopard 2-Panzers bedeutet, dass große Koordinationsaufgaben mit anderen Waffengattungen und logistische Herausforderungen gemeistert werden müssen. Was das konkret heißt, zeigen Thomas Wiegold und Nana Brink. Mit ihrer Analyse versachlichen sie die aufgeregte Debatte. Denn der Streit über die Leoparden hatte in den vergangenen Tagen noch einmal an Schärfe zugenommen, in Deutschland wie international.

Auch die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte in der EU ist aufwendig. Erfahrungen dazu gebe es bisher nicht, die Mission sei “Neuland”, sagt der deutsche Generalleutnant Andreas Marlow im Gespräch mit Security.Table. Allein die Bundeswehr ist mit 350 Soldatinnen und Soldaten an der Ausbildung beteiligt. Doch das dürfte nicht reichen.

Um die Ukraine geht es auch in der Analyse von Stephan Israel, der die Diskussion über die Neutralität in der Schweiz verfolgt. Sie wird heftig geführt, auch weil in der Schweiz in diesem Jahr Wahlen anstehen.

Wir stellen Ihnen außerdem Alexey Yusupov vor. Der gebürtige Moskauer sollte eigentlich das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Russland leiten. Stattdessen kümmert er sich jetzt unter anderem um russische Exilanten. Sein Job ist auch eine neue Erfahrung für die FES, immerhin die älteste politische Stiftung aus der Bundesrepublik in Russland.

Und noch ein Veranstaltungshinweis: Am kommenden Mittwoch, von 10.30 bis 11.30 Uhr, diskutieren unsere Autoren Nana Brink und Finn Mayer-Kuckuk mit Rachel Tausendfreund vom German Marshall Fund über den Interessenskonflikt im Indopazifik. Hier können Sie sich noch anmelden.

Wenn Ihnen der Security.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Security-Briefing und weitere Themen anmelden.

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

Analyse

“Der Leopard ist keine Wunderwaffe!”

In der ohnehin abgeschotteten Welt der Waffenhersteller und der in der Regel staatlichen Nutzer ihrer Produkte gibt es einen kleinen, noch exklusiveren Zirkel: LeoBen, die Gruppe der Staaten, die als Leopard-Benutzer die gepanzerten schweren Gefechtsfahrzeuge von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) in München in ihren Streitkräften einsetzen. Neben Deutschland gehören 13 weitere europäische Staaten dazu, außerdem Kanada und einige Länder außerhalb von EU und Nato: Chile, Indonesien und Katar.

Damit ist der Leopard in seinen verschiedenen Varianten der am weitesten verbreitete westliche Kampfpanzer der Welt. Bei der immer wieder kolportierten Zahl von 2.000 Exemplaren allein in Europa sind offensichtlich sehr viele Panzer des älteren Typs Leopard 1 eingerechnet. Doch die breite Nutzerbasis bedeutet nicht nur, dass es vergleichsweise viele dieser Panzer gibt – sondern auch, dass zahlreiche Staaten über Erfahrung und vor allem Ersatzteile und Logistik für diese Kampfmaschinen verfügen.

Im Vergleich zum US-Panzer Abrams M1, zum britischen Challenger 2 oder zum französischen Leclerc ist das ein entscheidender Vorteil aus Sicht der Ukraine, die für die Logistik westlicher Waffensysteme völlig von der Unterstützung vor allem aus den Nato-Staaten abhängig ist.

Ohne deutsches Engagement, so warnten Experten aus sicherheitspolitischen Think-Tanks bei einer Runde im Bundestag, sei allerdings eine Unterstützung der Ukraine wenig sinnvoll. Und ohne eine Abstimmung mit der deutschen Landsystemindustrie, die diese Kampfpanzer herstellt, nachrüstet oder wartet, könne es kaum die nötige langfristige Unterstützung für die Ukraine beim Einsatz der Leopard geben: KMW und der Rüstungskonzern Rheinmetall müssten schon eingebunden werden.

Die Voraussetzungen dafür hat der Leopard-Hersteller KMW bereits geschaffen. Bereits im vergangenen November richtete das Unternehmen in der Slowakei einen sogenannten Service-Hub ein – eine Reparaturwerkstatt für schwere Waffen, die bereits an die Ukraine geliefert wurden: Geschütze des Typs Panzerhaubitze 2000, Raketenwerfer MARS II, Flugabwehrkanonenpanzer Gepard und die französischen Caesar-Haubitzen.

Kampfpanzer nur im Verbund wirksam

Aber selbst wenn die Entscheidung zur Lieferung fällt, sind auch die deutschen – oder andere – Kampfpanzer nicht das Allheilmittel, das alleine den Kampf zugunsten der Ukraine entscheiden würde. “Es gibt keine Wunderwaffe da draußen, die den Konflikt entscheidend beeinflusst”, sagt Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierender der US-Armee in Europa.

Allerdings könnten die Gefechtsfahrzeuge mit ihrer 120-mm-Kanone ein “Gamechanger” sein, also den Wendepunkt bringen, wenn sie auf die Weise eingesetzt werden, die Militärs als das Gefecht der verbundenen Waffen bezeichnen: Zusammen mit Artillerie und Flugabwehr, vor allem aber im Zusammenwirken mit den bereits zugesagten Schützenpanzern wie dem Marder aus Deutschland oder dem Bradley aus den USA erhöhen sie die Effektivität der Truppe.

300 Kampfpanzer “eine Illusion”

Wie viele Militärexperten plädiert auch Hodges dafür, eine Brigade mit westlichen Kampfpanzern inklusive Munition für die Ukraine bereitzustellen. Zwar scheint wenig realistisch, was der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj bereits Mitte Dezember gefordert hatte: 300 westliche Kampfpanzer für sein Land. Doch diese Zahl hält zum Beispiel die Wissenschaftlerin Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations für “eine Illusion”. Denkbar scheine dagegen eine “ukrainische Panzer-Brigade von rund 90 Leopard 2 A4 Panzern”.

Auch wenn die Zahl gering scheinen mag: Schon eine vergleichsweise kleine Einheit mit diesen westlichen Kampfmaschinen, so der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche im ARD-Interview, würde die Moral und Kampfbereitschaft seiner Truppe stärken. In Gesprächen mit westlichen Medien bestätigen ukrainische Soldaten an der Front immer wieder diese Einschätzung: Das Gefühl, den russischen Kampfpanzern etwas Überlegenes entgegenstellen zu können, könne sich selbst bei vergleichsweise wenig Leopard deutlich auswirken.

Keine Schulpanzer abziehen

Für die Bundeswehr mit ihren ohnehin nur rund 300 Panzern, bei denen längst nicht alle bei der Truppe stehen, würde jede Abgabe allerdings einen weiteren Einschnitt in ihre Einsatzbereitschaft bedeuten. Mit gewissem Schrecken schauen Soldaten deshalb auf die am Wochenende bekannt gewordene Liste, die unter anderem als älteste Variante im Bundeswehrbestand 19 Panzer des Typs Leopard 2A5 im Gefechtsübungszentrum in der Altmark benennt.

Der kursierenden Ansicht, diese Schulpanzer würden nicht gebraucht und könnten problemlos abgegeben werden, widerspricht ein Panzeroffizier energisch: “Wenn es keine Ausbildung an Leopard-Panzern mehr gibt, dann passiert so etwas wie mit dem Puma” – von dem Schützenpanzer waren, wie inzwischen bekannt wurde, auch wegen falscher Bedienung, im Dezember auf dem Übungsplatz 18 von 18 ausgefallen (siehe dazu Meldung unten).

  • Bundeswehr
  • Leopard 2 Panzer
  • Ukraine-Krieg

“Für jedes Bataillon der Ukraine wird ein Bataillon an Ausbildern benötigt”

Die Chefin der norwegischen Home Guard bei der Ausbildung in Großbritannien, wo die norwegische Home Guard und die Armee ukrainische Soldaten für den Krieg in der Ukraine ausbilden.

Bereits vor Monaten hat Großbritannien zusammen mit anderen europäischen Staaten mit der militärischen Grundausbildung für ukrainische Rekruten begonnen, und an gelieferten Waffensystemen werden Ukrainer ebenfalls seit dem vergangenen Jahr von den USA, Deutschland und anderen Nationen ausgebildet. Jetzt beginnt die EU mit ihrer eigenen Ausbildungsmission.

Unter dem sperrigen Begriff “European Military Assistance Mission in Support of Ukraine” (EUMAM) richtete die EU bereits im November vergangenen Jahres ihre erste militärische Mission ein, die auf EU-Gebiet stattfindet. (Siehe dazu Meldung unten.) Frühere Missionen, zum Beispiel die Ausbildungsmission in Mali (EUTM Mali) waren immer ein Engagement in Drittländern.

“Noch keine etablierten Verfahren”

Und erstmals wird diese Mission, unter dem Oberkommando eines französischen Generals, auch gleich von zwei nachgeordneten Führungs-Hauptquartieren umgesetzt: ein “Combined Arms Training Center” (CAT-C) in Polen, geführt vom polnischen Zwei-Sterne-General Generalmajor Piotr Trytek, und ein “Special Training Command” (ST-C) unter Führung des deutschen Generalleutnants Andreas Marlow.

“Die EUMAM UA-Mission ist Neuland, es ist ja die erste Mission der EU auf dem Boden der Union. Dafür haben wir noch keine etablierten Verfahren – das bedeutet aber auch mehr Gestaltungsspielraum”, sagte Marlow im Gespräch mit Security.Table. Dabei wird es auch darum gehen, die verschiedenen Ansätze miteinander zu verzahnen: Neben der gerätespezifischen Ausbildung am von der Bundeswehr gelieferten Gerät, bislang an den deutschen Panzerhaubitzen und Raketenwerfern und demnächst am Marder-Schützenpanzer, soll möglichst schnell die Ausbildung von ukrainischen Brigadestäben treten.

Ausbildung bindet viele Bundeswehr-Kapazitäten

Dabei soll die Bundeswehr vor allem den Rahmen stellen – und den Ukrainern auch Spielraum bei ihren Ausbildungsinhalten lassen. “Die Ukrainer werden eigene Ausbilder von ihrer Kriegsakademie mitbringen”, erläutert der deutsche Kommandeur. “Den eigenen Führungsprozess trainieren die Ukrainer schon selber. Der beruht ja auch auf der Ausbildung der vergangenen Jahre, die auch mit Unterstützung der USA und Großbritanniens stattgefunden hat.”

Über die Orte, an denen die ukrainischen Soldaten ihre Ausbildung in Deutschland absolvieren, will Marlow öffentlich nicht sprechen – aus Sicherheitsgründen. Die Ausbildung, die in Blöcken geplant ist, wird Kapazitäten der Bundeswehr binden. Die Truppe werde prüfen müssen, “welche Konsequenzen das möglicherweise für andere Aufträge hat”, warnte der Generalleutnant. Denn mit den rund 350 Soldatinnen und Soldaten, die die Bundeswehr bislang dafür abstellte, wird es künftig nicht mehr getan sein: “Was die Zahl der Ausbilder anbelangt, lässt sich das relativ grob so sagen: Für jedes Bataillon der Ukraine wird ein Bataillon an Ausbildern benötigt.”

  • Bundeswehr
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  • Ukraine-Krieg

Der Druck auf die Schweiz wegen Blockade bei Rüstungsexporten wächst

“Bleibt die Schweiz passiv, klebt auch Blut an ihren Händen”, sagte Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko vergangene Woche am Weltwirtschaftsforum in Davos. Diplomatischer, aber mit ähnlicher Stoßrichtung, äußerte sich in Davos Wirtschaftsminister Robert Habeck: “Es wäre gerecht und hilfreich, wenn die Schweiz ihre Position überdenken und Waffenlieferungen ermöglichen würde”.

Die Schweizer Regierung ist angesichts des internationalen Drucks im Dilemma. Das äußerst rigide Kriegsmaterialgesetz dürfte mittelfristig die Existenz einer heimischen Rüstungsindustrie gefährden. Die Rechtslage lässt den Behörden nach dem Verständnis der Regierung aber keine Wahl.

Tatsächlich hat das Parlament erst kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine das Gesetz verschärft und der Regierung den letzten Spielraum genommen. Dort heißt es, dass die Schweiz kein Kriegsmaterial in Länder exportieren darf, die sich in einem internen oder internationalen bewaffneten Konflikt befinden.

Anfragen von Deutschland, Spanien und Dänemark abgewiesen

Abnehmer von Schweizer Rüstungsgütern müssen eine sogenannte Nichtwiederausfuhrerklärung unterzeichnen. Zuletzt hatte neben Deutschland auch Spanien und Dänemark informell vergeblich um eine Bewilligung angefragt, in der Schweiz hergestellte Rüstungsgüter der Ukraine zur Verfügung stellen zu können.

Im Fall von Spanien soll es laut Medienberichten um Bestandteile für Aspide-Raketen mittlerer Reichweite gehen, die zu einem Flugabwehrraketensystem gehören. Die Waffenbestandteile werden von der Rheinmetall Air Defence produziert, die ihren Sitz in Zürich hat und eine Tochtergesellschaft der gleichnamigen deutschen Waffenschmiede ist.

Die deutsche Anfrage betraf dem Vernehmen nach die 35-Millimeter-Munition für den Gepard und 12,7-Millimeter-Munition für Maschinengewehre. Dänemark wollte Radschützenpanzer vom Typ Piranha III der Ukraine überlassen, die das Land 1997 im schweizerischen Kreuzlingen bei der Mowag AG gekauft hatte. Die Anfragen wurden in Bern mit Verweis auf die Neutralität bei informellen Kontakten abgelehnt.

Der Bundesrat, also die Schweizer Regierung in Bern, sieht das Parlament am Zug. Dort hat der Ständerat und FDP-Präsident Thierry Burkart einen Vorstoß eingereicht, die Nichtwiederausfuhrerklärung für Länder mit ähnlichen Werten oder vergleichbaren Exportkontrollen abzuschaffen. Es könne nicht sein, dass Länder, die Waffen vor mehr als 20 Jahren in der Schweiz eingekauft hätten, diese nicht weitergeben könnten.

Vorstoß für eine Art Lex Ukraine

Es ist fraglich, ob es für Korrektur des eben erst verschärften Gesetzes die nötigen Mehrheiten gibt. Ohnehin würde eine Gesetzesänderung keine rasche Lösung des Dilemmas bringen beziehungsweise selbst im Idealfall einige Monate dauern, bis hin zu einer möglichen Volksabstimmung. Der Druck auf die Schweiz zeigt jedoch Wirkung: Die Sozialdemokraten sind zwar gegen eine generelle Aufweichung der Exportkontrollen, wollen jetzt aber Hand für eine Art Lex Ukraine bieten.

Demnach könnte die Schweiz anderen Ländern die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern an eine Kriegspartei erlauben, wenn diese Opfer ist in einem Konflikt, der zuvor vom UN-Sicherheitsrat oder von zwei Dritteln der UN-Vollversammlung für völkerrechtswidrig erklärt wurde. Im Fall der Ukraine hat die Vollversammlung dies getan.

Ein Vorstoß für eine Lex Ukraine wurde diese Woche dank der Stimmen der Sozialdemokraten in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates verabschiedet, der größeren Kammer des Parlaments in Bern. Experten sehen den Kompromissvorschlag jedoch klar im Widerspruch zum Neutralitätsrecht.

Ein Thema für den Wahlkampf

Die Schweiz befindet sich allerdings in einem Wahljahr. Im Herbst werden die beiden Kammern neu gewählt und die rechtsnationalistische Schweizerische Volkspartei (SVP) als stärkste Kraft im Parlament will das Thema Neutralität nutzen, um ihr Publikum zu mobilisieren. Aus Kreisen der Partei wurde im November die Volksinitiative “Wahrung der schweizerischen Neutralität” lanciert. Der Milliardär und SVP-Übervater Christoph Blocher will die “immerwährende und bewaffnete Neutralität” in der Verfassung verankert sehen.

Den Initiatoren ist auch ein Dorn im Auge, dass die Schweizer Regierung sich zuletzt den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat. Die rechtsnationalistischen Kreise sehen dies als Verstoß gegen die Neutralität und wollen der Regierung mit der Initiative überhaupt verbieten, künftig “nichtmilitärischen Zwangsmaßnahmen” gegen kriegführende Staaten zu übernehmen oder welche zu ergreifen.

Deutschland größter Kunde der Schweizer Rüstungsindustrie

In diesem Spannungsfeld tut sich die auf Kompromisse fokussierte Schweizer Regierung schwer, sich klar zu positionieren. Vorerst haben sich die Schlagzeilen um die Rüstungsgüter “Made in Switzerland” zwar noch nicht in Zahlen ausgewirkt. Im ersten Halbjahr 2022 ist für rund 517 Millionen Schweizer Franken so viel Kriegsmaterial ausgeführt worden wie schon lange nicht mehr. Die wichtigsten Abnehmerländer waren neben Deutschland Katar, Dänemark, Saudi-Arabien und Botswana. In der Schweiz werden Berichte aber besorgt registriert, wonach Berlin und die deutsche Rüstungsindustrie daran arbeiten, sich umzuorientieren und die Lieferketten neu zu ordnen.

Auch Munition für den Puma oder den Eurofighter wird zum Teil in der Schweiz hergestellt. Deutschland müsse jetzt nach Alternativen suchen, unabhängig davon, was man von der Schweizer Neutralität halte, sagte Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher von CDU und CSU im Bundestag. In Zukunft werde Munition, die Deutschland dringend benötige, im Land selber produziert, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses gegenüber einer Nachrichtenagentur. Sie zeigte sich erleichtert, dass die Industrie so rasch reagiert habe.

In den vergangenen zehn Jahren war Deutschland mit insgesamt 1,4 Milliarden Franken der größte Abnehmer von Militärmaterial aus Schweizer Produktion. Für die Schweiz steht möglicherweise die Zukunft als Standort für Rüstungshersteller auf dem Spiel.

*Am 26.01.2023 haben wir diesen Text aktualisiert und den Vorstoß der Sozialdemokraten für eine Ausnahmeregelung eingearbeitet.

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News

Schweigen zu MAWS beim Ministerrat deutet auf Ende hin

In der Erklärung, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit seinem Amtskollegen Sébastien Lecornu (Renaissance) am Sonntagabend nach dem Treffen des deutsch-französischen Ministerrats verschicken ließ, fehlte ein wichtiges Akronym: MAWS. Das Projekt für Seefernaufklärer Maritime Airborne Warfare System war zuletzt ins Stocken geraten.

Stattdessen hieß es, man wolle das deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) und das zum Fliegerprojekt FCAS gehörende NGWS vorantreiben. Jacob Ross, Experte für französische Sicherheitspolitik von der DGAP sagte Security.Table: “Ich habe in den letzten Tagen und Wochen gehört, dass MAWS durch sei, dass man beim Ministertreffen aber kein negatives Signal senden wollte. Aber es ist ein Zombie-Projekt.”

Dafür spricht, dass die französische Beschaffungsbehörde DGA im Dezember Studien für einen neuen U-Boot-Jäger in Auftrag gab. Deutschland hatte davor in den USA für den Kauf von Boeing P-8A Poseidon Seefernaufklärern unterschrieben. Außerdem sei der politische Wille bei FCAS und MGCS aufgrund der Projektdimensionen größer, sagt Gesine Weber, Expertin für Verteidigungskooperationen beim German Marshall Fund.

Beobachter hofften auf klares Signal

Zum gemeinsamen Kommuniqué sagt Ross: “Ich glaube, dass viele Beobachter enttäuscht sind und gedacht hätten, dass ein klares Signal kommt.” Beim Ministerrat ist also wohl über die erfolgreicheren Projekte gesprochen worden. Ursprünglich hätte das Treffen der deutschen und französischen Minister im Oktober stattfinden sollen, wegen Uneinigkeiten wurde es verschoben.Diese Erklärung hätten wir genauso gut beim Ministerrat im Oktober haben können”, sagt Weber.

Dass die Deutsch-Französische Brigade gemeinsam in Litauen und Rumänien Übungen halten soll, sei aber “eine sehr gute Nachricht”. “Ich glaube, es ist ein gutes Signal, dass Deutschland und Frankreich der Institution wieder eine gemeinsame Anwendung geben”, sagt auch Ross. Zuletzt wurden die Soldatinnen und Soldaten der Brigade getrennt in den nationalen Armeen eingesetzt. Neben den Übungen in Osteuropa soll die deutsche Marine mit der französischen Ende 2024 im Indopazifik aktiv werden. bub

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EU plant neue Sanktionen gegen Russland und Belarus

Zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar soll das zehnte Sanktionspaket der EU gegen Russland verabschiedet werden. Dabei werden derzeit auch harte Sanktionen gegen Russlands Helfer Belarus diskutiert, berichtet der polnische Radiosender RMF 24.

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko versucht seit Kriegsbeginn, seine eigene Armee aus dem Krieg rauszuhalten. Zugleich bietet sein Land der russischen Armee logistische Hilfe und bleibt für die Ukraine wegen der Stationierung russischer Truppen gefährlich. Auch wurde die Ukraine in der Vergangenheit von Belarus aus mit Raketen beschossen.

EU-Mitglieder diskutieren nun über die Strafen gegen Belarus und auch den Iran. Teheran unterstützt Russland unter anderem mit Drohnen-Lieferungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte vor wenigen Tagen: “Wir werden diese Sanktionen auf alle ausweiten, die den Krieg Russlands militärisch unterstützen, wie Belarus oder der Iran.” Laut RMF24 soll unter anderem Deutschland dabei für Zurückhaltung werben, da Belarus kein direkter Teilnehmer der Aggression gegen die Ukraine ist.

Russland setzt auf Atom-Partnerschaft mit Marokko

Mit Bezug auf Diplomaten berichtet Reuters über die neuen Überlegungen für Sanktionen: Demnach solle der Handel mit Belarus reduziert werden. Ebenso soll es weitere Handelseinschränkungen mit Russland geben, unter anderem geht es um den Bezug von Diamanten und Kernbrennstoffen.

Russland hat derweil sein Atomexport-Programm ausgeweitet und sich vergangenes Jahr mit Angeboten an Schwellenländer gewandt, eine Kooperationsverarbeitung zur Erforschung und Nutzung der Atomtechnologie zu “Friedenszwecken” mit Marokko ist derzeit in Vorbereitung. vf 

  • Belarus
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Interner Bericht: Puma fiel wegen vieler kleiner Probleme aus

Das Verteidigungsministerium will den Schützenpanzer Puma nach der Fehleranalyse der Nato-Speerspitze (VJTF) wieder zur Verfügung stellen. “Es ist davon auszugehen, dass die erste mit SPz PUMA VJTF ausgestattete Kompanie zeitnah technisch wieder einsatzbereit sein wird”, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums.

Laut einem internen Bericht war nicht die Schwere der Störung bei den 18 ausgefallenen Pumas das Kernproblem, sondern die Anzahl. Dies habe das vor Ort verfügbare logistische System überlastet, heißt es in dem Bericht des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss, aus dem die Deutschen Presse-Agentur zitiert. Angeführt werden auch mehrere gebrochene Elektrokabel und zahlreiche Verschmutzungen, die zum Ausfall geführt hätten.

“Das Übungsgeschehen hat gezeigt, dass auch technisch vermeintlich kleine und einfach zu behebende Schäden die operative Einsetzbarkeit des Systems negativ beeinflussen können”, heißt es in dem als Verschlusssache eingestuften Bericht. Der Begriff des “Bagatellschadens” – die Industrie hatte diesen verwendet – werde vom Ministerium “daher nicht in verallgemeinernder Form geteilt, gerade wenn eine Behebung, insbesondere in einer Gefechtssituation, nicht unmittelbar durch die Besatzung erfolgen kann”.

Truppe muss Instandsetzung verbessern

Das Ministerium betont aber, der Schützenpanzer sei ein “hochkomplexes, hochmodernes Waffensystem”. Er stelle “einen Quantensprung in der taktischen Überlegenheit hinsichtlich Feuerkraft, Mobilität und Vernetzung dar”. Alle Beteiligten seien sich einig, dass der Puma “die Zukunft für das Heer ist”.

Nachdem die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht vorschnell die Industrie in die Verantwortung für die Ausfälle genommen hatte, betont das Verteidigungsministerium nun, dass alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen müssten.

Wörtlich heißt es: “Die Ausbildung für Instandsetzungspersonal aller Ebenen wird im Zusammenwirken mit der Industrie intensiviert. Das technisch-logistische Unterstützungskonzept wird überarbeitet, der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Instandsetzungsebenen vertieft. Die Stundenansätze für den technischen Dienst werden erhöht und die Verfügbarkeit von Ersatz- und Austauschteilen verbessert, gleiches gilt für die entsprechenden industriellen Kapazitäten.” dpa/vf

  • Bundeswehr
  • Puma
  • VJTF

Geld für Waffen und Ausbildung: EU gibt Ukraine weitere Tranche frei

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat Montagabend eine politische Einigung über eine siebte Tranche von 500 Millionen Euro aus der Friedensfazilität (European Peace Facility, EPF) für die Ukraine bekannt gegeben. Ungarn hatte die Einigung verzögert, unter dem Hinweis auf ungelöste Probleme rund um die ungarische Minderheit in der Ukraine.

Die Außenminister gaben zusätzlich grünes Licht für 45 Millionen Euro zugunsten der Ausbildungsmission EUMAM. Die European Union Military Assistance Mission Ukraine sieht vor, dass in rund 24 Monaten etwa 15.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten auf dem Gebiet der EU ausgebildet werden.

Die Ukraine hat damit alleine aus der EU-Friedensfazilität bisher insgesamt 3,6 Milliarden Euro zugesprochen bekommen. Das Budget der EPF für den Zeitraum 2021 bis 2027 ist mit rund 5,7 Milliarden Euro geplant. sti

  • EU
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  • Ukraine-Krieg

Presseschau

Presseschau

The Moscow Times – How Russia’s War Is Impacting the Global Environmental Agenda: Die wirtschaftlichen Probleme Russlands wegen seines Krieges könnten dazu führen, dass der Ausstoß seiner Treibhausgase sinkt. Aber das ist natürlich keine Folge eines aktiven Klimaschutzprogramms, schreibt die renommierte russische Umwelt-Journalistin Angelina Davydova. In ihrer Analyse zeigt sie differenziert auf, wie der Krieg zwischen Russland und der Ukraine die Klimapolitik weltweit verändert. 

The Economist – Turkey eyes reconciliation with a Syrian regime it tried to topple (Paywall): Wie Isolierung auf ein Land wirken kann, sieht man in Syrien, wo Lebensmittelpreise steigen und die Währung an Wert verliert. Assad braucht jetzt Verbündete und ist willens, sich Ankara anzunähern, wo er als Terrorist, Schlächter oder Baby-Killer bezeichnet wurde. Der Economist hat die Gründe, warum auch Erdogan sich für eine Annäherung interessieren könnte und auf wen Syrien noch zählen könnte.

Bundeswehr – Leopard 2 – Technik – Bundeswehr: Aus gegebenem Anlass erklärt die Bundeswehr auf Youtube in sechseinhalb Minuten, was der Leopard 2 kann, was ihn vom Leopard 1 unterscheidet und wie seine Treffer wirken können. Interessant für alle, die nicht oft mit Panzern zu tun haben und einen Überblick oder eine Leo-Auffrischung wollen.

Deep Dish on Global Affairs – Defending Democracy Post-Insurrection in Brazil (Podcast): Host Brian Hanson ordnet in diesem Podcast sicherheitsrelevante Ereignisse aus amerikanischer Perspektive ein, auch wenn diese bereits aus der medialen Berichterstattung wieder verschwunden sind. In der aktuellen Folge geht es um die Proteste in Brasilien.

Personalien

Michael Stempfle wird neuer Sprecher des Verteidigungsministeriums

Der ARD-Journalist Michael Stempfle wird neuer Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das gab das BMVg gestern in einer Pressemitteilung bekannt. Stempfle war bisher Korrespondent für den SWR im Hauptstadtstudio der ARD. Es ist der erste öffentlich bekannte Personalwechsel durch den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Stempfle hatte vergangene Woche als ARD-Korrespondent noch einen sehr lobenden Text über Pistorius geschrieben, Überschrift: “Ein Vollblutpolitiker, der anpackt.” Stempfle übernimmt für Christian Thiels, der 2019 ebenfalls von der ARD ins Ministerium gewechselt war. bub

  • Sicherheit
  • Verteidigungsministerium

Heads

Alexey Yusupov – Helfer der russischen Exilanten

Alexey Yusupov leitet für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Berlin aus das Russlandprogramm.

Im vergangenen Sommer hätte Alexey Yusupov in seine Geburtsstadt zurückkehren sollen: nach Moskau. Dort hätte er die Leitung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland übernommen, der ältesten deutschen politischen Stiftung in dem Land. Immerhin war die FES schon 1989 vor Ort, als die Sowjetunion sich wandelte und zumindest in Metropolen ein liberaler Geist zu spüren war.

Das Gespräch mit dem 35-jährigen Yusupov findet nun nicht in Moskau statt, sondern in einem Berliner Café. Der junge Vater bestellt an dem frühen Wintermorgen mehrere Kaffees. Offiziell ist Yusupov jetzt Leiter des Russlandprogramms der FES. Derzeit kümmert er sich in Deutschland um politisch kritisch denkende und handelnde Menschen, die Russland verlassen mussten.

“Helfen der Exilgemeinschaft, durchzuhalten”

Erst kürzlich hatte die FES gemeinsam mit dem Verein Austausch und mit Unterstützung des deutschen Außenministeriums in Berlin einen großen Anti-Kriegs-Kongress für die Exilgemeinschaften aus Russland und Belarus organisiert. Viel mehr Aktivistinnen und Aktivisten wollten daran teilnehmen als es Plätze gab. Fast 300 überwiegend junge Menschen aus Russland und Belarus waren da, eine Gastrednerin aus der Ukraine sprach zu ihnen.

Im geschützten Raum trafen sich all jene, die in ihren Heimaten oder im Exil in Georgien, der Türkei, Kasachstan, den baltischen Staaten oder in Deutschland häufig zu Einzelkämpfern geworden sind. “Wir helfen ihnen, sich zu vernetzen, durchzuhalten und nicht aufzugeben”, erklärt Yusupov seine Arbeit.

In vielen Kulturen zu Hause

Für diesen Job ist er der Richtige: Der Sohn eines Leningrader Juden und einer Kirgisin, die sich in Moskau getroffen haben, bringt ein tiefes Verständnis für die ehemalige postsowjetische Region. Er sei den Menschen und den Kulturen da einerseits fremd und zugleich nah genug, das sorge für die richtige Balance, sagt der Politikwissenschaftler. Gerade was die Sprache betrifft: “Im Russischen ist sehr vieles kontextuell, es reicht nicht, einfach nur die Sprache gut zu können”, sagt Yusupov.

2002 wanderte er mit seinen Eltern nach Deutschland aus, wo er lernte und studierte. Später leitete er für die FES die Büros in Umbruchsgesellschaften: in Kasachstan, in Afghanistan und in Myanmar. Yusupov sagt, er habe in den Ländern die Demokratisierungswelle miterleben wollen, die sich damals abzeichnete. Am Ende musste er das Wiedererstarken von diktatorischen oder extremistischen Regimen erfahren.

Immer wieder von Neuen angefangen

Und Russland? Schon vor dem 24. Februar 2022 waren die letzten demokratischen Wurzeln ausgerissen worden. Die FES existiert in Russland inzwischen nicht mehr als Organisation, genauso wenig wie die anderen deutschen politischen Stiftungen (Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung). Ihnen allen hat Moskau im April 2022 die Registrierung entzogen und die Grünen-nahe Böll-Stiftung sogar zur “unerwünschten Organisation” abgestempelt, also quasi verboten.

Yusupov fährt dennoch regelmäßig nach Moskau, immerhin hat die FES da noch Büros. Und es gebe weiterhin Kontakte zu demokratisch Gesinnten, sagt er. Nur sei es für sie jetzt gefährlicher, mit der FES aktiv zu kooperieren.

Einen baldigen liberalen Wandel in Russland erwartet Yusupov nicht. Statt Seminare zur Aufarbeitung der Stalin-Ära, zur Demokratie oder gar umweltfreundlicher Infrastruktur wird “FES-Moskau” nun außerhalb Russlands Aktivistinnen und Aktivisten im Exil helfen. “Es gibt die Gefahr einer großen Durststrecke. Es gibt die Gefahr, dass sie sich zerstreiten. Und sie müssen sich jetzt in einer neuen Umgebung zurechtfinden”, erläutert Yusupov. Als jemand, der im Leben immer wieder von Neuen anfangen musste, kann er bei diesen Problemen vielleicht am besten helfen. Viktor Funk

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    • Schweigen zu MAWS beim Ministerrat deutet auf Ende hin
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    • Geld für Waffen und Ausbildung: EU gibt Ukraine weitere Tranche frei
    • Personalie: Michael Stempfle neuer Sprecher des Verteidigungsministeriums
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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    was würde es eigentlich bedeuten, wenn die ukrainische Armee den deutschen Kampfpanzer Leopard 2 tatsächlich bekäme? Mit der Frage ist nicht seine Wirkung auf dem Schlachtfeld gemeint. Das Überlassen des Leopard 2-Panzers bedeutet, dass große Koordinationsaufgaben mit anderen Waffengattungen und logistische Herausforderungen gemeistert werden müssen. Was das konkret heißt, zeigen Thomas Wiegold und Nana Brink. Mit ihrer Analyse versachlichen sie die aufgeregte Debatte. Denn der Streit über die Leoparden hatte in den vergangenen Tagen noch einmal an Schärfe zugenommen, in Deutschland wie international.

    Auch die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte in der EU ist aufwendig. Erfahrungen dazu gebe es bisher nicht, die Mission sei “Neuland”, sagt der deutsche Generalleutnant Andreas Marlow im Gespräch mit Security.Table. Allein die Bundeswehr ist mit 350 Soldatinnen und Soldaten an der Ausbildung beteiligt. Doch das dürfte nicht reichen.

    Um die Ukraine geht es auch in der Analyse von Stephan Israel, der die Diskussion über die Neutralität in der Schweiz verfolgt. Sie wird heftig geführt, auch weil in der Schweiz in diesem Jahr Wahlen anstehen.

    Wir stellen Ihnen außerdem Alexey Yusupov vor. Der gebürtige Moskauer sollte eigentlich das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Russland leiten. Stattdessen kümmert er sich jetzt unter anderem um russische Exilanten. Sein Job ist auch eine neue Erfahrung für die FES, immerhin die älteste politische Stiftung aus der Bundesrepublik in Russland.

    Und noch ein Veranstaltungshinweis: Am kommenden Mittwoch, von 10.30 bis 11.30 Uhr, diskutieren unsere Autoren Nana Brink und Finn Mayer-Kuckuk mit Rachel Tausendfreund vom German Marshall Fund über den Interessenskonflikt im Indopazifik. Hier können Sie sich noch anmelden.

    Wenn Ihnen der Security.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Security-Briefing und weitere Themen anmelden.

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    Viktor Funk
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    Analyse

    “Der Leopard ist keine Wunderwaffe!”

    In der ohnehin abgeschotteten Welt der Waffenhersteller und der in der Regel staatlichen Nutzer ihrer Produkte gibt es einen kleinen, noch exklusiveren Zirkel: LeoBen, die Gruppe der Staaten, die als Leopard-Benutzer die gepanzerten schweren Gefechtsfahrzeuge von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) in München in ihren Streitkräften einsetzen. Neben Deutschland gehören 13 weitere europäische Staaten dazu, außerdem Kanada und einige Länder außerhalb von EU und Nato: Chile, Indonesien und Katar.

    Damit ist der Leopard in seinen verschiedenen Varianten der am weitesten verbreitete westliche Kampfpanzer der Welt. Bei der immer wieder kolportierten Zahl von 2.000 Exemplaren allein in Europa sind offensichtlich sehr viele Panzer des älteren Typs Leopard 1 eingerechnet. Doch die breite Nutzerbasis bedeutet nicht nur, dass es vergleichsweise viele dieser Panzer gibt – sondern auch, dass zahlreiche Staaten über Erfahrung und vor allem Ersatzteile und Logistik für diese Kampfmaschinen verfügen.

    Im Vergleich zum US-Panzer Abrams M1, zum britischen Challenger 2 oder zum französischen Leclerc ist das ein entscheidender Vorteil aus Sicht der Ukraine, die für die Logistik westlicher Waffensysteme völlig von der Unterstützung vor allem aus den Nato-Staaten abhängig ist.

    Ohne deutsches Engagement, so warnten Experten aus sicherheitspolitischen Think-Tanks bei einer Runde im Bundestag, sei allerdings eine Unterstützung der Ukraine wenig sinnvoll. Und ohne eine Abstimmung mit der deutschen Landsystemindustrie, die diese Kampfpanzer herstellt, nachrüstet oder wartet, könne es kaum die nötige langfristige Unterstützung für die Ukraine beim Einsatz der Leopard geben: KMW und der Rüstungskonzern Rheinmetall müssten schon eingebunden werden.

    Die Voraussetzungen dafür hat der Leopard-Hersteller KMW bereits geschaffen. Bereits im vergangenen November richtete das Unternehmen in der Slowakei einen sogenannten Service-Hub ein – eine Reparaturwerkstatt für schwere Waffen, die bereits an die Ukraine geliefert wurden: Geschütze des Typs Panzerhaubitze 2000, Raketenwerfer MARS II, Flugabwehrkanonenpanzer Gepard und die französischen Caesar-Haubitzen.

    Kampfpanzer nur im Verbund wirksam

    Aber selbst wenn die Entscheidung zur Lieferung fällt, sind auch die deutschen – oder andere – Kampfpanzer nicht das Allheilmittel, das alleine den Kampf zugunsten der Ukraine entscheiden würde. “Es gibt keine Wunderwaffe da draußen, die den Konflikt entscheidend beeinflusst”, sagt Ben Hodges, ehemaliger Oberkommandierender der US-Armee in Europa.

    Allerdings könnten die Gefechtsfahrzeuge mit ihrer 120-mm-Kanone ein “Gamechanger” sein, also den Wendepunkt bringen, wenn sie auf die Weise eingesetzt werden, die Militärs als das Gefecht der verbundenen Waffen bezeichnen: Zusammen mit Artillerie und Flugabwehr, vor allem aber im Zusammenwirken mit den bereits zugesagten Schützenpanzern wie dem Marder aus Deutschland oder dem Bradley aus den USA erhöhen sie die Effektivität der Truppe.

    300 Kampfpanzer “eine Illusion”

    Wie viele Militärexperten plädiert auch Hodges dafür, eine Brigade mit westlichen Kampfpanzern inklusive Munition für die Ukraine bereitzustellen. Zwar scheint wenig realistisch, was der ukrainische Armeechef Walerij Saluschnyj bereits Mitte Dezember gefordert hatte: 300 westliche Kampfpanzer für sein Land. Doch diese Zahl hält zum Beispiel die Wissenschaftlerin Jana Puglierin vom European Council on Foreign Relations für “eine Illusion”. Denkbar scheine dagegen eine “ukrainische Panzer-Brigade von rund 90 Leopard 2 A4 Panzern”.

    Auch wenn die Zahl gering scheinen mag: Schon eine vergleichsweise kleine Einheit mit diesen westlichen Kampfmaschinen, so der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vergangene Woche im ARD-Interview, würde die Moral und Kampfbereitschaft seiner Truppe stärken. In Gesprächen mit westlichen Medien bestätigen ukrainische Soldaten an der Front immer wieder diese Einschätzung: Das Gefühl, den russischen Kampfpanzern etwas Überlegenes entgegenstellen zu können, könne sich selbst bei vergleichsweise wenig Leopard deutlich auswirken.

    Keine Schulpanzer abziehen

    Für die Bundeswehr mit ihren ohnehin nur rund 300 Panzern, bei denen längst nicht alle bei der Truppe stehen, würde jede Abgabe allerdings einen weiteren Einschnitt in ihre Einsatzbereitschaft bedeuten. Mit gewissem Schrecken schauen Soldaten deshalb auf die am Wochenende bekannt gewordene Liste, die unter anderem als älteste Variante im Bundeswehrbestand 19 Panzer des Typs Leopard 2A5 im Gefechtsübungszentrum in der Altmark benennt.

    Der kursierenden Ansicht, diese Schulpanzer würden nicht gebraucht und könnten problemlos abgegeben werden, widerspricht ein Panzeroffizier energisch: “Wenn es keine Ausbildung an Leopard-Panzern mehr gibt, dann passiert so etwas wie mit dem Puma” – von dem Schützenpanzer waren, wie inzwischen bekannt wurde, auch wegen falscher Bedienung, im Dezember auf dem Übungsplatz 18 von 18 ausgefallen (siehe dazu Meldung unten).

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    “Für jedes Bataillon der Ukraine wird ein Bataillon an Ausbildern benötigt”

    Die Chefin der norwegischen Home Guard bei der Ausbildung in Großbritannien, wo die norwegische Home Guard und die Armee ukrainische Soldaten für den Krieg in der Ukraine ausbilden.

    Bereits vor Monaten hat Großbritannien zusammen mit anderen europäischen Staaten mit der militärischen Grundausbildung für ukrainische Rekruten begonnen, und an gelieferten Waffensystemen werden Ukrainer ebenfalls seit dem vergangenen Jahr von den USA, Deutschland und anderen Nationen ausgebildet. Jetzt beginnt die EU mit ihrer eigenen Ausbildungsmission.

    Unter dem sperrigen Begriff “European Military Assistance Mission in Support of Ukraine” (EUMAM) richtete die EU bereits im November vergangenen Jahres ihre erste militärische Mission ein, die auf EU-Gebiet stattfindet. (Siehe dazu Meldung unten.) Frühere Missionen, zum Beispiel die Ausbildungsmission in Mali (EUTM Mali) waren immer ein Engagement in Drittländern.

    “Noch keine etablierten Verfahren”

    Und erstmals wird diese Mission, unter dem Oberkommando eines französischen Generals, auch gleich von zwei nachgeordneten Führungs-Hauptquartieren umgesetzt: ein “Combined Arms Training Center” (CAT-C) in Polen, geführt vom polnischen Zwei-Sterne-General Generalmajor Piotr Trytek, und ein “Special Training Command” (ST-C) unter Führung des deutschen Generalleutnants Andreas Marlow.

    “Die EUMAM UA-Mission ist Neuland, es ist ja die erste Mission der EU auf dem Boden der Union. Dafür haben wir noch keine etablierten Verfahren – das bedeutet aber auch mehr Gestaltungsspielraum”, sagte Marlow im Gespräch mit Security.Table. Dabei wird es auch darum gehen, die verschiedenen Ansätze miteinander zu verzahnen: Neben der gerätespezifischen Ausbildung am von der Bundeswehr gelieferten Gerät, bislang an den deutschen Panzerhaubitzen und Raketenwerfern und demnächst am Marder-Schützenpanzer, soll möglichst schnell die Ausbildung von ukrainischen Brigadestäben treten.

    Ausbildung bindet viele Bundeswehr-Kapazitäten

    Dabei soll die Bundeswehr vor allem den Rahmen stellen – und den Ukrainern auch Spielraum bei ihren Ausbildungsinhalten lassen. “Die Ukrainer werden eigene Ausbilder von ihrer Kriegsakademie mitbringen”, erläutert der deutsche Kommandeur. “Den eigenen Führungsprozess trainieren die Ukrainer schon selber. Der beruht ja auch auf der Ausbildung der vergangenen Jahre, die auch mit Unterstützung der USA und Großbritanniens stattgefunden hat.”

    Über die Orte, an denen die ukrainischen Soldaten ihre Ausbildung in Deutschland absolvieren, will Marlow öffentlich nicht sprechen – aus Sicherheitsgründen. Die Ausbildung, die in Blöcken geplant ist, wird Kapazitäten der Bundeswehr binden. Die Truppe werde prüfen müssen, “welche Konsequenzen das möglicherweise für andere Aufträge hat”, warnte der Generalleutnant. Denn mit den rund 350 Soldatinnen und Soldaten, die die Bundeswehr bislang dafür abstellte, wird es künftig nicht mehr getan sein: “Was die Zahl der Ausbilder anbelangt, lässt sich das relativ grob so sagen: Für jedes Bataillon der Ukraine wird ein Bataillon an Ausbildern benötigt.”

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    Der Druck auf die Schweiz wegen Blockade bei Rüstungsexporten wächst

    “Bleibt die Schweiz passiv, klebt auch Blut an ihren Händen”, sagte Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko vergangene Woche am Weltwirtschaftsforum in Davos. Diplomatischer, aber mit ähnlicher Stoßrichtung, äußerte sich in Davos Wirtschaftsminister Robert Habeck: “Es wäre gerecht und hilfreich, wenn die Schweiz ihre Position überdenken und Waffenlieferungen ermöglichen würde”.

    Die Schweizer Regierung ist angesichts des internationalen Drucks im Dilemma. Das äußerst rigide Kriegsmaterialgesetz dürfte mittelfristig die Existenz einer heimischen Rüstungsindustrie gefährden. Die Rechtslage lässt den Behörden nach dem Verständnis der Regierung aber keine Wahl.

    Tatsächlich hat das Parlament erst kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine das Gesetz verschärft und der Regierung den letzten Spielraum genommen. Dort heißt es, dass die Schweiz kein Kriegsmaterial in Länder exportieren darf, die sich in einem internen oder internationalen bewaffneten Konflikt befinden.

    Anfragen von Deutschland, Spanien und Dänemark abgewiesen

    Abnehmer von Schweizer Rüstungsgütern müssen eine sogenannte Nichtwiederausfuhrerklärung unterzeichnen. Zuletzt hatte neben Deutschland auch Spanien und Dänemark informell vergeblich um eine Bewilligung angefragt, in der Schweiz hergestellte Rüstungsgüter der Ukraine zur Verfügung stellen zu können.

    Im Fall von Spanien soll es laut Medienberichten um Bestandteile für Aspide-Raketen mittlerer Reichweite gehen, die zu einem Flugabwehrraketensystem gehören. Die Waffenbestandteile werden von der Rheinmetall Air Defence produziert, die ihren Sitz in Zürich hat und eine Tochtergesellschaft der gleichnamigen deutschen Waffenschmiede ist.

    Die deutsche Anfrage betraf dem Vernehmen nach die 35-Millimeter-Munition für den Gepard und 12,7-Millimeter-Munition für Maschinengewehre. Dänemark wollte Radschützenpanzer vom Typ Piranha III der Ukraine überlassen, die das Land 1997 im schweizerischen Kreuzlingen bei der Mowag AG gekauft hatte. Die Anfragen wurden in Bern mit Verweis auf die Neutralität bei informellen Kontakten abgelehnt.

    Der Bundesrat, also die Schweizer Regierung in Bern, sieht das Parlament am Zug. Dort hat der Ständerat und FDP-Präsident Thierry Burkart einen Vorstoß eingereicht, die Nichtwiederausfuhrerklärung für Länder mit ähnlichen Werten oder vergleichbaren Exportkontrollen abzuschaffen. Es könne nicht sein, dass Länder, die Waffen vor mehr als 20 Jahren in der Schweiz eingekauft hätten, diese nicht weitergeben könnten.

    Vorstoß für eine Art Lex Ukraine

    Es ist fraglich, ob es für Korrektur des eben erst verschärften Gesetzes die nötigen Mehrheiten gibt. Ohnehin würde eine Gesetzesänderung keine rasche Lösung des Dilemmas bringen beziehungsweise selbst im Idealfall einige Monate dauern, bis hin zu einer möglichen Volksabstimmung. Der Druck auf die Schweiz zeigt jedoch Wirkung: Die Sozialdemokraten sind zwar gegen eine generelle Aufweichung der Exportkontrollen, wollen jetzt aber Hand für eine Art Lex Ukraine bieten.

    Demnach könnte die Schweiz anderen Ländern die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern an eine Kriegspartei erlauben, wenn diese Opfer ist in einem Konflikt, der zuvor vom UN-Sicherheitsrat oder von zwei Dritteln der UN-Vollversammlung für völkerrechtswidrig erklärt wurde. Im Fall der Ukraine hat die Vollversammlung dies getan.

    Ein Vorstoß für eine Lex Ukraine wurde diese Woche dank der Stimmen der Sozialdemokraten in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates verabschiedet, der größeren Kammer des Parlaments in Bern. Experten sehen den Kompromissvorschlag jedoch klar im Widerspruch zum Neutralitätsrecht.

    Ein Thema für den Wahlkampf

    Die Schweiz befindet sich allerdings in einem Wahljahr. Im Herbst werden die beiden Kammern neu gewählt und die rechtsnationalistische Schweizerische Volkspartei (SVP) als stärkste Kraft im Parlament will das Thema Neutralität nutzen, um ihr Publikum zu mobilisieren. Aus Kreisen der Partei wurde im November die Volksinitiative “Wahrung der schweizerischen Neutralität” lanciert. Der Milliardär und SVP-Übervater Christoph Blocher will die “immerwährende und bewaffnete Neutralität” in der Verfassung verankert sehen.

    Den Initiatoren ist auch ein Dorn im Auge, dass die Schweizer Regierung sich zuletzt den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen hat. Die rechtsnationalistischen Kreise sehen dies als Verstoß gegen die Neutralität und wollen der Regierung mit der Initiative überhaupt verbieten, künftig “nichtmilitärischen Zwangsmaßnahmen” gegen kriegführende Staaten zu übernehmen oder welche zu ergreifen.

    Deutschland größter Kunde der Schweizer Rüstungsindustrie

    In diesem Spannungsfeld tut sich die auf Kompromisse fokussierte Schweizer Regierung schwer, sich klar zu positionieren. Vorerst haben sich die Schlagzeilen um die Rüstungsgüter “Made in Switzerland” zwar noch nicht in Zahlen ausgewirkt. Im ersten Halbjahr 2022 ist für rund 517 Millionen Schweizer Franken so viel Kriegsmaterial ausgeführt worden wie schon lange nicht mehr. Die wichtigsten Abnehmerländer waren neben Deutschland Katar, Dänemark, Saudi-Arabien und Botswana. In der Schweiz werden Berichte aber besorgt registriert, wonach Berlin und die deutsche Rüstungsindustrie daran arbeiten, sich umzuorientieren und die Lieferketten neu zu ordnen.

    Auch Munition für den Puma oder den Eurofighter wird zum Teil in der Schweiz hergestellt. Deutschland müsse jetzt nach Alternativen suchen, unabhängig davon, was man von der Schweizer Neutralität halte, sagte Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher von CDU und CSU im Bundestag. In Zukunft werde Munition, die Deutschland dringend benötige, im Land selber produziert, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses gegenüber einer Nachrichtenagentur. Sie zeigte sich erleichtert, dass die Industrie so rasch reagiert habe.

    In den vergangenen zehn Jahren war Deutschland mit insgesamt 1,4 Milliarden Franken der größte Abnehmer von Militärmaterial aus Schweizer Produktion. Für die Schweiz steht möglicherweise die Zukunft als Standort für Rüstungshersteller auf dem Spiel.

    *Am 26.01.2023 haben wir diesen Text aktualisiert und den Vorstoß der Sozialdemokraten für eine Ausnahmeregelung eingearbeitet.

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    Schweigen zu MAWS beim Ministerrat deutet auf Ende hin

    In der Erklärung, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit seinem Amtskollegen Sébastien Lecornu (Renaissance) am Sonntagabend nach dem Treffen des deutsch-französischen Ministerrats verschicken ließ, fehlte ein wichtiges Akronym: MAWS. Das Projekt für Seefernaufklärer Maritime Airborne Warfare System war zuletzt ins Stocken geraten.

    Stattdessen hieß es, man wolle das deutsch-französische Panzerprojekt Main Ground Combat System (MGCS) und das zum Fliegerprojekt FCAS gehörende NGWS vorantreiben. Jacob Ross, Experte für französische Sicherheitspolitik von der DGAP sagte Security.Table: “Ich habe in den letzten Tagen und Wochen gehört, dass MAWS durch sei, dass man beim Ministertreffen aber kein negatives Signal senden wollte. Aber es ist ein Zombie-Projekt.”

    Dafür spricht, dass die französische Beschaffungsbehörde DGA im Dezember Studien für einen neuen U-Boot-Jäger in Auftrag gab. Deutschland hatte davor in den USA für den Kauf von Boeing P-8A Poseidon Seefernaufklärern unterschrieben. Außerdem sei der politische Wille bei FCAS und MGCS aufgrund der Projektdimensionen größer, sagt Gesine Weber, Expertin für Verteidigungskooperationen beim German Marshall Fund.

    Beobachter hofften auf klares Signal

    Zum gemeinsamen Kommuniqué sagt Ross: “Ich glaube, dass viele Beobachter enttäuscht sind und gedacht hätten, dass ein klares Signal kommt.” Beim Ministerrat ist also wohl über die erfolgreicheren Projekte gesprochen worden. Ursprünglich hätte das Treffen der deutschen und französischen Minister im Oktober stattfinden sollen, wegen Uneinigkeiten wurde es verschoben.Diese Erklärung hätten wir genauso gut beim Ministerrat im Oktober haben können”, sagt Weber.

    Dass die Deutsch-Französische Brigade gemeinsam in Litauen und Rumänien Übungen halten soll, sei aber “eine sehr gute Nachricht”. “Ich glaube, es ist ein gutes Signal, dass Deutschland und Frankreich der Institution wieder eine gemeinsame Anwendung geben”, sagt auch Ross. Zuletzt wurden die Soldatinnen und Soldaten der Brigade getrennt in den nationalen Armeen eingesetzt. Neben den Übungen in Osteuropa soll die deutsche Marine mit der französischen Ende 2024 im Indopazifik aktiv werden. bub

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    EU plant neue Sanktionen gegen Russland und Belarus

    Zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar soll das zehnte Sanktionspaket der EU gegen Russland verabschiedet werden. Dabei werden derzeit auch harte Sanktionen gegen Russlands Helfer Belarus diskutiert, berichtet der polnische Radiosender RMF 24.

    Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko versucht seit Kriegsbeginn, seine eigene Armee aus dem Krieg rauszuhalten. Zugleich bietet sein Land der russischen Armee logistische Hilfe und bleibt für die Ukraine wegen der Stationierung russischer Truppen gefährlich. Auch wurde die Ukraine in der Vergangenheit von Belarus aus mit Raketen beschossen.

    EU-Mitglieder diskutieren nun über die Strafen gegen Belarus und auch den Iran. Teheran unterstützt Russland unter anderem mit Drohnen-Lieferungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte vor wenigen Tagen: “Wir werden diese Sanktionen auf alle ausweiten, die den Krieg Russlands militärisch unterstützen, wie Belarus oder der Iran.” Laut RMF24 soll unter anderem Deutschland dabei für Zurückhaltung werben, da Belarus kein direkter Teilnehmer der Aggression gegen die Ukraine ist.

    Russland setzt auf Atom-Partnerschaft mit Marokko

    Mit Bezug auf Diplomaten berichtet Reuters über die neuen Überlegungen für Sanktionen: Demnach solle der Handel mit Belarus reduziert werden. Ebenso soll es weitere Handelseinschränkungen mit Russland geben, unter anderem geht es um den Bezug von Diamanten und Kernbrennstoffen.

    Russland hat derweil sein Atomexport-Programm ausgeweitet und sich vergangenes Jahr mit Angeboten an Schwellenländer gewandt, eine Kooperationsverarbeitung zur Erforschung und Nutzung der Atomtechnologie zu “Friedenszwecken” mit Marokko ist derzeit in Vorbereitung. vf 

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    Interner Bericht: Puma fiel wegen vieler kleiner Probleme aus

    Das Verteidigungsministerium will den Schützenpanzer Puma nach der Fehleranalyse der Nato-Speerspitze (VJTF) wieder zur Verfügung stellen. “Es ist davon auszugehen, dass die erste mit SPz PUMA VJTF ausgestattete Kompanie zeitnah technisch wieder einsatzbereit sein wird”, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums.

    Laut einem internen Bericht war nicht die Schwere der Störung bei den 18 ausgefallenen Pumas das Kernproblem, sondern die Anzahl. Dies habe das vor Ort verfügbare logistische System überlastet, heißt es in dem Bericht des Ministeriums an den Verteidigungsausschuss, aus dem die Deutschen Presse-Agentur zitiert. Angeführt werden auch mehrere gebrochene Elektrokabel und zahlreiche Verschmutzungen, die zum Ausfall geführt hätten.

    “Das Übungsgeschehen hat gezeigt, dass auch technisch vermeintlich kleine und einfach zu behebende Schäden die operative Einsetzbarkeit des Systems negativ beeinflussen können”, heißt es in dem als Verschlusssache eingestuften Bericht. Der Begriff des “Bagatellschadens” – die Industrie hatte diesen verwendet – werde vom Ministerium “daher nicht in verallgemeinernder Form geteilt, gerade wenn eine Behebung, insbesondere in einer Gefechtssituation, nicht unmittelbar durch die Besatzung erfolgen kann”.

    Truppe muss Instandsetzung verbessern

    Das Ministerium betont aber, der Schützenpanzer sei ein “hochkomplexes, hochmodernes Waffensystem”. Er stelle “einen Quantensprung in der taktischen Überlegenheit hinsichtlich Feuerkraft, Mobilität und Vernetzung dar”. Alle Beteiligten seien sich einig, dass der Puma “die Zukunft für das Heer ist”.

    Nachdem die ehemalige Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht vorschnell die Industrie in die Verantwortung für die Ausfälle genommen hatte, betont das Verteidigungsministerium nun, dass alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen müssten.

    Wörtlich heißt es: “Die Ausbildung für Instandsetzungspersonal aller Ebenen wird im Zusammenwirken mit der Industrie intensiviert. Das technisch-logistische Unterstützungskonzept wird überarbeitet, der Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Instandsetzungsebenen vertieft. Die Stundenansätze für den technischen Dienst werden erhöht und die Verfügbarkeit von Ersatz- und Austauschteilen verbessert, gleiches gilt für die entsprechenden industriellen Kapazitäten.” dpa/vf

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    Geld für Waffen und Ausbildung: EU gibt Ukraine weitere Tranche frei

    Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat Montagabend eine politische Einigung über eine siebte Tranche von 500 Millionen Euro aus der Friedensfazilität (European Peace Facility, EPF) für die Ukraine bekannt gegeben. Ungarn hatte die Einigung verzögert, unter dem Hinweis auf ungelöste Probleme rund um die ungarische Minderheit in der Ukraine.

    Die Außenminister gaben zusätzlich grünes Licht für 45 Millionen Euro zugunsten der Ausbildungsmission EUMAM. Die European Union Military Assistance Mission Ukraine sieht vor, dass in rund 24 Monaten etwa 15.000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten auf dem Gebiet der EU ausgebildet werden.

    Die Ukraine hat damit alleine aus der EU-Friedensfazilität bisher insgesamt 3,6 Milliarden Euro zugesprochen bekommen. Das Budget der EPF für den Zeitraum 2021 bis 2027 ist mit rund 5,7 Milliarden Euro geplant. sti

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    Presseschau

    Presseschau

    The Moscow Times – How Russia’s War Is Impacting the Global Environmental Agenda: Die wirtschaftlichen Probleme Russlands wegen seines Krieges könnten dazu führen, dass der Ausstoß seiner Treibhausgase sinkt. Aber das ist natürlich keine Folge eines aktiven Klimaschutzprogramms, schreibt die renommierte russische Umwelt-Journalistin Angelina Davydova. In ihrer Analyse zeigt sie differenziert auf, wie der Krieg zwischen Russland und der Ukraine die Klimapolitik weltweit verändert. 

    The Economist – Turkey eyes reconciliation with a Syrian regime it tried to topple (Paywall): Wie Isolierung auf ein Land wirken kann, sieht man in Syrien, wo Lebensmittelpreise steigen und die Währung an Wert verliert. Assad braucht jetzt Verbündete und ist willens, sich Ankara anzunähern, wo er als Terrorist, Schlächter oder Baby-Killer bezeichnet wurde. Der Economist hat die Gründe, warum auch Erdogan sich für eine Annäherung interessieren könnte und auf wen Syrien noch zählen könnte.

    Bundeswehr – Leopard 2 – Technik – Bundeswehr: Aus gegebenem Anlass erklärt die Bundeswehr auf Youtube in sechseinhalb Minuten, was der Leopard 2 kann, was ihn vom Leopard 1 unterscheidet und wie seine Treffer wirken können. Interessant für alle, die nicht oft mit Panzern zu tun haben und einen Überblick oder eine Leo-Auffrischung wollen.

    Deep Dish on Global Affairs – Defending Democracy Post-Insurrection in Brazil (Podcast): Host Brian Hanson ordnet in diesem Podcast sicherheitsrelevante Ereignisse aus amerikanischer Perspektive ein, auch wenn diese bereits aus der medialen Berichterstattung wieder verschwunden sind. In der aktuellen Folge geht es um die Proteste in Brasilien.

    Personalien

    Michael Stempfle wird neuer Sprecher des Verteidigungsministeriums

    Der ARD-Journalist Michael Stempfle wird neuer Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das gab das BMVg gestern in einer Pressemitteilung bekannt. Stempfle war bisher Korrespondent für den SWR im Hauptstadtstudio der ARD. Es ist der erste öffentlich bekannte Personalwechsel durch den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius.

    Stempfle hatte vergangene Woche als ARD-Korrespondent noch einen sehr lobenden Text über Pistorius geschrieben, Überschrift: “Ein Vollblutpolitiker, der anpackt.” Stempfle übernimmt für Christian Thiels, der 2019 ebenfalls von der ARD ins Ministerium gewechselt war. bub

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    Heads

    Alexey Yusupov – Helfer der russischen Exilanten

    Alexey Yusupov leitet für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Berlin aus das Russlandprogramm.

    Im vergangenen Sommer hätte Alexey Yusupov in seine Geburtsstadt zurückkehren sollen: nach Moskau. Dort hätte er die Leitung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Russland übernommen, der ältesten deutschen politischen Stiftung in dem Land. Immerhin war die FES schon 1989 vor Ort, als die Sowjetunion sich wandelte und zumindest in Metropolen ein liberaler Geist zu spüren war.

    Das Gespräch mit dem 35-jährigen Yusupov findet nun nicht in Moskau statt, sondern in einem Berliner Café. Der junge Vater bestellt an dem frühen Wintermorgen mehrere Kaffees. Offiziell ist Yusupov jetzt Leiter des Russlandprogramms der FES. Derzeit kümmert er sich in Deutschland um politisch kritisch denkende und handelnde Menschen, die Russland verlassen mussten.

    “Helfen der Exilgemeinschaft, durchzuhalten”

    Erst kürzlich hatte die FES gemeinsam mit dem Verein Austausch und mit Unterstützung des deutschen Außenministeriums in Berlin einen großen Anti-Kriegs-Kongress für die Exilgemeinschaften aus Russland und Belarus organisiert. Viel mehr Aktivistinnen und Aktivisten wollten daran teilnehmen als es Plätze gab. Fast 300 überwiegend junge Menschen aus Russland und Belarus waren da, eine Gastrednerin aus der Ukraine sprach zu ihnen.

    Im geschützten Raum trafen sich all jene, die in ihren Heimaten oder im Exil in Georgien, der Türkei, Kasachstan, den baltischen Staaten oder in Deutschland häufig zu Einzelkämpfern geworden sind. “Wir helfen ihnen, sich zu vernetzen, durchzuhalten und nicht aufzugeben”, erklärt Yusupov seine Arbeit.

    In vielen Kulturen zu Hause

    Für diesen Job ist er der Richtige: Der Sohn eines Leningrader Juden und einer Kirgisin, die sich in Moskau getroffen haben, bringt ein tiefes Verständnis für die ehemalige postsowjetische Region. Er sei den Menschen und den Kulturen da einerseits fremd und zugleich nah genug, das sorge für die richtige Balance, sagt der Politikwissenschaftler. Gerade was die Sprache betrifft: “Im Russischen ist sehr vieles kontextuell, es reicht nicht, einfach nur die Sprache gut zu können”, sagt Yusupov.

    2002 wanderte er mit seinen Eltern nach Deutschland aus, wo er lernte und studierte. Später leitete er für die FES die Büros in Umbruchsgesellschaften: in Kasachstan, in Afghanistan und in Myanmar. Yusupov sagt, er habe in den Ländern die Demokratisierungswelle miterleben wollen, die sich damals abzeichnete. Am Ende musste er das Wiedererstarken von diktatorischen oder extremistischen Regimen erfahren.

    Immer wieder von Neuen angefangen

    Und Russland? Schon vor dem 24. Februar 2022 waren die letzten demokratischen Wurzeln ausgerissen worden. Die FES existiert in Russland inzwischen nicht mehr als Organisation, genauso wenig wie die anderen deutschen politischen Stiftungen (Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung). Ihnen allen hat Moskau im April 2022 die Registrierung entzogen und die Grünen-nahe Böll-Stiftung sogar zur “unerwünschten Organisation” abgestempelt, also quasi verboten.

    Yusupov fährt dennoch regelmäßig nach Moskau, immerhin hat die FES da noch Büros. Und es gebe weiterhin Kontakte zu demokratisch Gesinnten, sagt er. Nur sei es für sie jetzt gefährlicher, mit der FES aktiv zu kooperieren.

    Einen baldigen liberalen Wandel in Russland erwartet Yusupov nicht. Statt Seminare zur Aufarbeitung der Stalin-Ära, zur Demokratie oder gar umweltfreundlicher Infrastruktur wird “FES-Moskau” nun außerhalb Russlands Aktivistinnen und Aktivisten im Exil helfen. “Es gibt die Gefahr einer großen Durststrecke. Es gibt die Gefahr, dass sie sich zerstreiten. Und sie müssen sich jetzt in einer neuen Umgebung zurechtfinden”, erläutert Yusupov. Als jemand, der im Leben immer wieder von Neuen anfangen musste, kann er bei diesen Problemen vielleicht am besten helfen. Viktor Funk

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    Security.Table Redaktion

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