Table.Briefing: Security

Deutsche Rüstungsindustrie macht Geschäfte in Indien und nimmt Einfluss auf die Ampel

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die komplexeste Verlegeübung der Luftwaffe, die “Pacific Skies 24”, ist vorüber. Nach 1,3 Millionen geflogenen Kilometern endete am Dienstag die letzte der fünf multinationalen Teilübungen, die “Tarang Shakti”, auf dem Stützpunkt Sulur im Süden Indiens. Meine Kollegin Lisa-Martina Klein war vor Ort und hat nicht nur beobachtet, welche Symbolik hinter der Übung steht, sondern auch welche Bedeutung sie sowohl für die deutsche, als auch die indische Rüstungsindustrie hat.

Wir werfen einen weiteren Blick auf die deutsche Rüstungsindustrie, die sich derzeit um mehr Einfluss auf das Update der Nationalen Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bemüht. Ein Entwurf der Strategie kursiert seit Kurzem auch in der Öffentlichkeit. Wilhelmine Preußen und Gabriel Bub fangen in ihrer Analyse die Reaktionen ein und schreiben, wie es jetzt weitergeht.

Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht

Ihre
Anouk Schlung
Bild von Anouk  Schlung

Analyse

Wie sich Indiens Rüstungsindustrie mithilfe deutscher Unternehmen unabhängig machen will

Die Luftwaffenchefs (von links nach rechts) Francisco Braco Carbo (Spanien), Ingo Gerhartz (Deutschland), Vivek Ram Chaudhari (Indien) und Stéphane Mille (Frankreich) sowie Ravindra Narayana Ravi (Mitte), Governeur des Bundesstaates Tamil Nadu, wo die Übung stattgefunden hatte.

Die komplexeste Verlegeübung der Luftwaffe, die “Pacific Skies 24”, ist Geschichte. Nach 1,3 Millionen geflogenen Kilometern endete am Dienstag die letzte der fünf Teilübungen, die “Tarang Shakti”, auf dem Stützpunkt Sulur im Süden Indiens. Neben dem deutschen Kontingent waren auch französische, spanische und britische Kampfjets dabei.

Es war die erste gemeinsame Übung der deutschen Luftwaffe in Indien überhaupt und hatte, militärisch, eher einen symbolischen Wert. Zwar konnte Indien in Richtung China und Pakistan demonstrieren, dass es auch in Europa militärische Partner hat – obwohl das Land weiterhin billiges russisches Öl bezieht, russische Militärgüter einkauft und die Menschenrechtslage prekär ist. Aber dass die Bundeswehr Indien in einem Konflikt mit dem benachbarten China oder Pakistan zur Seite steht, ist unrealistisch. Die Priorität liege auf der Sicherung der Nato-Ostflanke, sagte Luftwaffenchef Generalleutnant Ingo Gerhartz bei einem Pressetermin in Indien.

Stattdessen betonte er immer wieder den neutralen Geist der Übung: Man wolle zeigen, dass sich Deutschland für einen freien, offenen Indopazifik einsetze. Die Übungsszenarien seien “nicht gegen jemanden gerichtet” gewesen, sondern für eine bessere Zusammenarbeit mit dem Nicht-Nato-Mitglied, man wolle voneinander lernen. Auch für die indischen Streitkräfte seien die Grenzstreitigkeiten mit China und Rivalitäten mit Pakistan kein Thema gewesen, so Gerhartz.

Indien profitiert von Interessensgemeinschaften

Für Indien stand etwas anderes im Vordergrund: Das bevölkerungsreichste Land der Welt, das sich bis vor wenigen Jahren so gut wie nicht in Allianzen engagierte, stellt sich zunehmend multinational auf. Wirtschaftlich orientiert sich das Land an den anderen BRICS-Staaten Brasilien, Russland und China. Die Mitgliedschaft im eher informellen Sicherheitsbündnis “Quadrilateraler Sicherheitsdialog” mit Japan, den USA und Australien ist der Versuch, ein militärisches Gegengewicht zur Volksrepublik China, von der sich Indien zunehmend bedroht fühlt, zu bilden. 

Der Besuch der Europäer war für Neu-Delhi ein weiterer Baustein in seiner pragmatischen Interessensarchitektur. Die indische Regierung hat zahlreiche Initiativen angestoßen, um die Abhängigkeit von ausländischen Partnern, allen voran Russland, zu verringern und will eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Die Taktik folgt dem chinesischen Vorbild aus der Auto-Industrie: Ausländische Hersteller ins Land holen, von ihnen lernen, die Produktion übernehmen, eigene Modelle entwickeln. “Atmanirbhar Bharat”, also Eigenständigkeit oder Autarkie, ist in Indien ein geflügeltes Wort geworden, das Regierungsprogramm dazu heißt “Make in India”.

Für den Technologie- und Wissenstransfer im Rüstungsbereich ist Indien auf den Westen, die USA genauso wie Europa, angewiesen. Und der Westen reagiert aus mehreren Gründen positiv: Die indischen Streitkräfte zählen zu den größten der Welt, der Absatzmarkt ist riesig. Außerdem führen die Rüstungskooperationen dazu, dass Indien sich lossagen kann von russischen Waffen.

TKMS, Airbus, Hensoldt: Indiens Strategie in die Unabhängigkeit 

Aktuell fokussiert sich Indien darauf, Plattformen wie Kampfjets, Panzer und U-Boote im eigenen Land bauen zu können. Die Regierung strebt einen Deal über sechs konventionell betriebene U-Boote mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) aus Deutschland an. Gebaut werden sollen sie in Indien. Zwar ist die Entscheidung zwischen TKMS und dem spanischen Mitbewerber Navantia noch nicht gefallen, aber laut Medienberichten hat Deutschland die Nase vorn. 

Der deutsche Flugzeugbauer Airbus produziert vor allem Helikopter und zivile Flugzeuge in Indien und will seinen “lokalen Fußabdruck” weiter ausbauen. Nachdem der Auftrag für Kampfjets an Frankreich ging und der Eurofighter nicht zum Zug kam, hofft Airbus nun, beim Transportflugzeug A400M in Verhandlungen mit Indien zu kommen. Mit dem leichten, überschallfähigen Mehrzweckkampfflugzeug “Tejas” hat Indien seit wenigen Jahren seinen ersten Kampfjet aus indischer Produktion, gebaut von Hindustan Aeronautics Limited (HAL) – und mithilfe von Airbus. Mit den USA hat Indien vergangenes Jahr die Co-Produktion von Stryker-Radpanzern beschlossen.

Know-how in elektronischer Kampfführung fehlt noch

Aber um zur angestrebten Exportnation für Rüstungsgüter zu werden, fehlt dem Land noch das Know-how im Bereich der elektronischen Kampfführung. Fähigkeiten wie elektronische Aufklärung und Selbstschutzsysteme für Kampfflugzeuge werden immer wichtiger, und Indien will auch diese ins Land holen. Dafür blickt Indien nach Deutschland – und findet Hensoldt. Für das Münchner Unternehmen bedeutet Indien einen riesigen Absatzmarkt und es bietet daher seine Unterstützung bei der Entwicklung von Sensoren für die verschiedenen indischen Plattformen an.

So laufen derzeit Verhandlungen über den vollständigen Wissenstransfer für ein Hindernis-Warnsystem aus Sensoren für Helikopter. Die Sensoren erkennen Hindernisse wie überirdische, schwer sichtbare Stromkabel und warnen den Piloten. Die indische Industrie hätte die vollen Nutzungsrechte für diese Technologie und kann diese weiterentwickeln. Ein Schritt weiter in Richtung Unabhängigkeit – auch von westlichen Unternehmen.

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Industriestrategie: Wie Rüstungsvertreter Einfluss nehmen wollen

Ein Entwurf der neuen Nationalen Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist bereits an die Öffentlichkeit geraten, final ist er aber nicht. Die Rüstungsindustrie darf in der kommenden Woche nochmal ihre Wünsche äußern. Nach Informationen von Table.Briefings soll dann ein Treffen auf Arbeitsebene der Ministerien mit Beteiligung der Industrie stattfinden, das schon vor Veröffentlichung des Entwurfs geplant war. Ende des Monats wollen sich die Staatssekretäre dann auf den konkreten “Maßnahmenkatalog” zur Umsetzung der Strategie einigen, bevor sich das Kabinett voraussichtlich im September damit beschäftigt.

Nach dem Bekanntwerden des Strategiepapiers gab es aus der Ampel Lob, doch auch kritische Stimmen meldeten sich. Der sicherheitspolitische Sprecher der FDP, Alexander Müller, sprach sich gegen die vorgesehenen staatlichen Beteiligungen an Unternehmen aus.

Rüstungsindustrie will mitreden

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien, sagte Table.Briefings, dass die Strategie “überfällig” sei. Dass es auf europäischer Ebene bereits die “European Defense Industry Strategy” gebe, habe Deutschland noch stärker zu einer eigenen Strategie gedrängt.

Vor allem, dass das Konzept der nationalen Schlüsseltechnologien, in dem Bereiche definiert wurden, die unabhängig von ausländischen Zulieferungen werden sollen, wieder aufgenommen wurde, lobte Atzpodien. Dazu gehören wie auch schon im 2020 vorgestellten Papier, sicherheitsrelevante IT- und Kommunikationstechnologien, Künstliche Intelligenz, Marineschiffbau (Über- und Unterwasser), geschützte/ gepanzerte Fahrzeuge, Sensorik, Elektromagnetischer Kampf sowie Schutz. In diesen Bereichen darf dann de facto nicht international ausgeschrieben werden, um eine Abhängigkeit von ausländischen Anbietern vermeiden.

Atzpodien will bei der Strategie mitreden. “Wir wünschen uns jetzt einen intensiven Dialog, um diese Themen näher zu definieren und zu operationalisieren. Das muss im Schulterschluss mit der Industrie passieren.”

BDSV-Wünsche finden sich im Papier wieder

Gelegenheiten, ihre Vorstellungen zu erläutern, hatten Industrievertreter allerdings schon. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ließ sich im März im eigenen Haus die Wunschliste des BDSV vortragen. Im Juni traf sich die Industrie im Verteidigungsministerium, um ihre Anforderungen an die neue Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vorzustellen.

Einige Wünsche des BDSV vom Treffen im März finden sich dementsprechend auch im Strategieentwurf wieder. Da hatte der Verband noch gefordert, dass die Klassifizierung von Rüstungsaktivitäten für Investitionen für private Banken und Fonds verändert werden sollen, um Investitionen zu erleichtern und dass die EU-Ziele von Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit einerseits und Nachhaltigkeit andererseits miteinander “versöhnt” werden müssten. Sehr ähnlich heißt es in der Strategie:

“Die Anforderungen der Zeitenwende einerseits und die Signalwirkung von Environmental, Social and Corporate Governance (ESG)-Kriterien auf den Zugang der SVI zum Finanzmarkt andererseits müssen in Einklang gebracht werden.”

Außerdem trat der Verband für eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Produktionsinfrastruktur ein – auch das findet sich in dem Strategieentwurf wieder. Es fehle “teilweise an angemessenen gesetzlichen Ausnahme- und Erleichterungstatbeständen“, was dazu führe, dass es “insbesondere beim Auf- und Ausbau von Produktionskapazitäten zu Verzögerungen kommt”. So hatte Rheinmetall etwa nach Gegenwind aus der Stadtführung der Gemeinde Großenhain in Sachsen, eine Pulverfabrik zu bauen, einen anderen bereits bestehenden Standort ausgebaut. Aber auch hier dürfte die Industrie noch versuchen, konkrete Zugeständnisse zu erhalten.

Dass der Staat gegebenenfalls Leerlaufkosten übernehmen wolle, und langfristige Aufträge eingehen wolle, um der Industrie bessere Planbarkeit zu gewährleisten, dürfte auf Zustimmung stoßen. Von Industrieseite war die fehlende Planbarkeit ein zentraler Punkt bei der Kritik an der deutschen Beschaffungspolitik.

Anders als Frankreich, das strenge Maßnahmen wie die Möglichkeit der Konfiszierung von Rohstoffen in der Industrie vorsieht, setzt die Bundesregierung mit ihrer Strategie lieber auf positive Anreize. “Die Möglichkeit von Kapazitätsvorhalteprämien, um die Voraussetzung für eine kurzfristige Skalierbarkeit der Produktion wirtschaftlich zu ermöglichen”, wolle man prüfen.

Abschied von restriktiver Exportpolitik?

Der Ton des Papiers gefällt nicht jedem. “Das Papier atmet den Geist der Rüstungsindustrie”, sagt Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies (bicc). Einerseits erkenne es an, dass die Nachfrage nach Rüstungsgütern aus Deutschland und von Nato-Staaten sprunghaft angestiegen sei. “Und gleichzeitig heißt es aber auch, die Rüstungsindustrie müsse weltweit wettbewerbsfähig sein.” Für Mutschler ein Widerspruch. Bevor die Verteidigungsetats der Nato-Länder gestiegen seien, hätten Rüstungsindustrie und Verteidigungsministerium argumentiert, dass Exporte jenseits von EU und Nato notwendig seien, um für die Bundeswehr bezahlbare Produktionen zu gewährleisten. “Dieser Exportdruck scheint mir mit der sprunghaft gestiegenen Nachfrage deutlich nachgelassen zu haben”, so Mutschler. “Das reflektiert dieses Papier aber nicht.”

Zwar ist in dem Papier an mehreren Stellen die Rede von Exportunterstützung für die Rüstungsindustrie. Das Wort “Rüstungsexportkontrollgesetz” taucht aber nirgends auf. Stattdessen, dass Deutschland sich für eine EU-Rüstungsexportverordnung einsetzen wolle. “Das kann man bequem in so ein Papier hineinschreiben, im Wissen, dass eine europäische Einigung hier auf absehbare Zeit ziemlich unrealistisch ist”, sagt Mutschler. Was die Bundesregierung selbst in der Hand habe, nämlich das Rüstungsexportkontrollgesetz auszuarbeiten und zu verabschieden, stehe “genau nicht drin”. Für ihn ein weiteres Indiz von vielen, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werde.

  • BICC
  • Corporate Governance
  • Rheinmetall
  • Rüstung
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Die entscheidenden Köpfe der sicherheitspolitischen Community – Thinktanks

Von

Constanze Stelzenmüller – Direktorin des Center on the United States and Europe bei der Brookings Institution

Den US-Amerikanern erklärt Stelzenmüller Europa und den Europäern die US-Verteidigungspolitik. Als frühere Zeit-Redakteurin weiß sie, wie man mit der Öffentlichkeit kommuniziert, und hilft bei der transatlantischen Verständigung. Seit September 2022 ist Stelzenmüller die Direktorin des Zentrums für die Vereinigten Staaten und Europa (CUSE) und Inhaberin des Fritz-Stern-Stuhls bei Brookings.

Claudia Major – Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

Die Nato-Expertin und ausgewiesene Frankreich-Kennerin ist das wissenschaftliche Gesicht der Zeitenwende. Mit dem Krieg in der Ukraine wurde sie immer stärker zur Aufklärerin und entkräftet Falschmeldungen faktenbasiert. Als Mitglied in verschiedenen Gremien, wie dem Beirat Innere Führung des Verteidigungsministeriums, ist die Sicherheitsexpertin eine gefragte Beraterin in der deutschen Politik.

Ulrike Franke – Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations

Ulrike Frankes Fachgebiet ist in den vergangenen zwei Jahren vom Nischenthema zum Kerngebiet von Militäranalysten geworden: Wer etwas über Kampfdrohnen wissen will, wendet sich an sie. Seit 2024 ist sie Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations (ECFR) im Pariser Büro. Die Schwierigkeiten im deutsch-französischen Verhältnis kann sie auch erklären.

Pia Fuhrhop – Stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

Die stellvertretende Leiterin der renommiertesten sicherheitspolitischen Arbeitsgruppe in Deutschland ist in Berlin eine der gefragtesten Expertinnen für Rüstungspolitik. Sie wirkte als Expertin an der Vorbereitung des Rüstungsexportkontrollgesetzes mit, dessen Fehlen sie deutlich kritisiert. Baute das Berliner Büro des Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik auf und kennt als frühere Beraterin des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour den politischen Alltag bestens.

Gustav Gressel – Senior Policy Fellow European Council on Foreign Relations

Auch im englischsprachigen Raum hat sich Gustav Gressel mit seinen Analysen zu Russlands Streitkräften und Osteuropa einen Namen gemacht. Dank seiner Erfahrungen aus dem österreichischen Verteidigungsministerium und fünf Jahren beim österreichischen Bundesheer ist er einer der gefragtesten Experten, um Russlands Militär zu erklären.

Jana Puglierin – Senior Policy Fellow European Council on Foreign Relations

Die Leiterin des Berliner Büros des European Council on Foreign Relations zählt zu den führenden Expertinnen für Deutschlands Rolle in Europa und seine transatlantischen Beziehungen. Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ist sie als Mittlerin gefragt: Im Ausland erklärt sie die deutsche Zeitenwende, und in Deutschland, wie wichtig das Handeln Berlins ist.

Minna Ålander – Research Fellow am Finnish Institute of International Affairs

Bei Fragen zur Nato-Norderweiterung führt kein Weg an Minna Ålander vorbei. Ihr Blick aus einer finnischen Perspektive auf die deutsche Sicherheitspolitik und ihre Expertise zum neuen Nato-Mitglied Finnland und zu Nordeuropa machen sie zu einer der besten Erklärerinnen für nordeuropäische Sicherheitspolitik im deutschsprachigen Raum.

Sabine Fischer – Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

Historisch gewachsene russische Narrative und die Auswirkungen innenpolitischer Entwicklungen in Moskau macht sie für ein breites Publikum durch ihre Analysen greifbar und erklärt ihren Einfluss auf die europäische Sicherheitspolitik. Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sie sich mit russischer Politik und hat mehrfach dort gelebt.

Christoph Heusgen – Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz

Der frühere sicherheitspolitische Berater von Angela Merkel hat lange Teile seiner politischen Karriere damit verbracht, Konflikte hinter den Kulissen zu klären oder es zu versuchen. Als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz hilft sein breites Netzwerk, Regierungsvertreter zusammenzubringen, die andernorts nicht miteinander sprechen.

Michael Werz – Berater für Nordamerika bei der Münchner Sicherheitskonferenz und Senior Fellow beim Center for American Progress

Gerade – aber nicht nur – im US-Wahljahr ist Werz’ Expertise wertvoll, um US-amerikanische Außenpolitik verständlich zu machen. Seine guten Kontakte zu den US-Demokraten und sein Verständnis von geopolitischen Zusammenhängen machen ihn zu einem der gefragtesten deutschsprachigen US-Experten. 

  • Brookings
  • ECFR
  • Heads
  • Münchner Sicherheitskonferenz
  • SWP
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News

Traditionserlass: Wehrmachtsoffiziere sind nicht “traditionsstiftend”

Die Rücknahme der “ergänzenden Hinweise” zum Traditionserlasses macht vor allem eines deutlich: Der Bezug zur “Kriegstüchtigkeit” und die Rolle militärischer Vorbilder ist auf zum Teil heftige Kritik innerhalb und außerhalb der Bundeswehr gestoßen. So nahm der Ex-Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe (SPD) Anstoß an einer Liste von Offizieren, die sowohl in der Wehrmacht aktiv als auch beim Aufbau der Bundeswehr tätig gewesen seien. Die Ergänzungen würden “Geist und Inhalt der Inneren Führung konterkarieren, weil sie eine lange Liste von zum Teil belasteten Wehrmachtsoffizieren plötzlich als Vorbilder für ‘Einsatzbereitschaft’ und ‘Willen zum Kampf’ deklarieren”.

Die “Ergänzenden Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege der Bundeswehr” waren vor einem Monat intern veröffentlicht worden. Wie Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), damals erklärte, sei eine “Klarstellung zur Auslegung des Traditionserlasses erforderlich”. So gäbe es auch “außerhalb der bundeswehreigenen Geschichte Spielraum für traditionsstiftende Beispiele militärischer Exzellenz”. Allerdings, so begründete Generalinspekteur Carsten Breuer die Kassierung der Ergänzungen Mitte dieser Woche, hätten sie “Zweifel an der Wertebindung des Traditionsverständnisses” aufkommen lassen. Aus Sicht des ehemaligen Wehrbeauftragten Robbe würde damit auch der Begriff der “Kriegstüchtigkeit” missbraucht. Es sei “vernünftig und folgerichtig”, dass die Ergänzungen nun außer Kraft gesetzt worden sind.

Ergänzungen sorgten für Unruhe in der Truppe

Der 2018 verabschiedete Erlass regelt den Umgang der Bundeswehr mit ihren Traditionslinien. Weder die Wehrmacht des nationalsozialistischen Regimes noch die Nationale Volksarmee der DDR sind als Institutionen demnach “traditionswürdig”. Einzelne Personen jedoch schon. Allerdings sei die in den “ergänzenden Hinweisen” angeführte Liste nicht abgestimmt worden, kritisiert Sebastian Habicht, Vorsitzender des Gesamtvertrauenspersonenausschusses beim BMVg. Die Ergänzungen seien “überraschend” gekommen und “haben ohne Not und zu einem unverständlichen Zeitpunkt in der Truppe für Unruhe gesorgt”.

Als “unverständlich” bezeichnete auch Sven Bäring, Bundesvorsitzender von QueerBw, die Veröffentlichung der Ergänzungen zum Traditionserlass. “Wehrmachtsoffiziere, die zumindest indirekt an Kriegsverbrechen und Massenmorden beteiligt waren, können niemals traditionsstiftend sein. Dieses Recht haben sie für immer verwirkt – egal wie viele Flugzeuge sie abgeschossen oder ob sie später die Luftwaffe aufgebaut haben.” nana

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  • Wehrbeauftragte

Verdacht auf Trinkwasser-Sabotage bei der Bundeswehr: Weiterer Standort betroffen

Nach einer vermuteten Sabotage der Wasserversorgung des Luftwaffenstützpunkts Köln-Wahn besteht an einem weiteren Standort der Bundeswehr der Verdacht eines Angriffs auf das Trinkwassernetz. In Mechernich südwestlich von Köln wurde der Zaun vor einem Trinkwasser-Hochbehälter zerschnitten, aus dem neben der Stadt auch ein Bundeswehrstandort versorgt wird. Die Stadtverwaltung warnte vor einer möglichen gesundheitsgefährdenden Verunreinigung des Trinkwassers und rief dazu auf, das Leitungswasser noch nicht einmal zum Waschen zu nutzen.

Bei ihrer Warnung berief sich die Stadt Mechnernich ausdrücklich auf den möglichen Sabotageakt an der Luftwaffenkaserne in Köln. Dort bleibt das Wassernetz des Stützpunkts bis mindestens Freitagmittag gesperrt. Bis dahin würden die ersten Laborergebnisse erwartet, sagte ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr in Berlin. Zunächst gab es keine weiteren Erkenntnisse über den möglichen Anschlag, vor allem blieb unklar, ob das Wassernetz der Basis tatsächlich mit Schadstoffen kontaminiert ist.

Am Mittwochmorgen hatte die automatisierte Überwachung der Anlage Alarm geschlagen, die die Kaserne direkt am Flughafen Köln-Bonn mit Trinkwasser für rund 4.000 Soldaten und zivile Beschäftigte versorgt. In der Nähe des Wasserwerks wurde kurz danach ein Loch im Zaun entdeckt. Die gesamte Anlage wurde deshalb vorübergehend abgeriegelt, um mögliche Eindringlinge zu entdecken, allerdings ohne Ergebnis. Ebenso blieb vorerst unklar, ob ein vermutetes Eindringen in die Nato-Basis Geilenkirchen an der deutsch-niederländischen Grenze im Zusammenhang mit dem Vorfall in Köln stand.

Risiko hybrider Angriffe auf militärische Einrichtungen wächst

In der Kaserne in Köln-Wahn sind mehrere militärische und zivile Dienststellen der Luftwaffe stationiert. Zusätzliche Bedeutung hat der Bundeswehr-Standort als Drehkreuz für den Lufttransport von ukrainischen Soldaten zur Ausbildung in Deutschland und für den Transport von Ausrüstung. Zudem ist dort die Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums beheimatet, die für die Bundesregierung die Reisen mit Flugzeugen der Luftwaffe sicherstellt.

Der vermutete Sabotageakt kommt zu einer Zeit zunehmender Vorfälle im Zusammenhang mit der Ausbildung von Ukrainern in Deutschland. So wurden Truppenübungsplätze mit Drohnen ausgespäht, zudem gab es Hinweise auf mögliche Cyberattacken auf die Mobiltelefone von ukrainischen Soldaten. Generell wächst die Befürchtung, dass Deutschland wegen seiner Unterstützung für das von Russland angegriffene Land im Fokus von hybriden Angriffen auf militärische Einrichtungen stehen könnte.

Das in Köln-Wahn entdeckte Eindringen wirft darüber hinaus die Frage auf, ob die Absicherung von Kasernen und Stützpunkten der Bundeswehr noch ausreichend ist. Viele Liegenschaften werden nicht mehr von Soldaten bewacht, sondern von privaten Sicherheitsdiensten, um angesichts geringerer Personalstärke der Streitkräfte und der Begrenzung der Arbeitszeit von Soldaten möglichst günstigen Schutz zu gewährleisten. tw

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  • Luftwaffe

Eskalation in Nahost: Wie wichtig die Verhandlungen in Doha sind

Am Freitag werden Spitzenvertreter der USA, Katars, Ägyptens sowie Israels in Katar erneut zusammentreffen, um über Schritte zu einer Waffenruhe und der Freilassung der verbliebenen israelischen Geiseln im Gazastreifen zu verhandeln. Nicht nur US-Präsident Joe Biden betrachtet die Verhandlungen als entscheidend für die gesamte regionale Stabilität im Nahen Osten.

Die US-Delegation, bestehend aus CIA-Direktor William Burns und dem obersten Nahost-Berater von Präsident Biden, Brett McGurk, traf am Donnerstag in Doha mit dem Premierminister von Katar, Mohammed Bin Abdul Rahman al-Thani, dem Direktor des Mossad, David Barnea, und dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes, Abbas Kamel zusammen. Strittig bleibt weiterhin auch die Frage, wer Gaza etwa nach einem Abzug von Israels Militär kontrollieren wird.

Sind die Verhandlungen erfolgreich, so könnte der Iran von den erwarteten Vergeltungsmaßnahmen für die jüngsten Morde an Hamas-Führer Ismail Hanija und dem obersten Hisbollah-Militärkommandeur Fuad Schukr, absehen. Diesen Zusammenhang hatte Joe Biden Anfang der Woche formuliert.

Am Donnerstag blieben vorsichtige Hoffnungen auf einen Erfolg bestehen. Laut dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, John Kirby, ist es den Vermittlern gelungen, im Vorfeld des Treffens in Doha “einige Lücken zu schließen”. Er bekräftigte, dass der Schwerpunkt der Verhandlungen auf der Umsetzung des Abkommens liegt, da sich beide Seiten bereits auf den Rahmen geeinigt haben und sprach von einem vielversprechenden Anfang. Gleichzeitig erinnerte er zum Ende des Tages an die Tragweite der Gespräche. Ein iranischer Angriff könnte nach wie vor in den kommenden Tagen erfolgen. “Wir müssen darauf vorbereitet sein”, sagte er. wp

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Wie die Ukraine die Offensive nutzen will, um eigene Soldaten freizubekommen

Glaubt man dem ukrainischen Armee-Befehlshaber Oleksandr Syrskyj, haben seine Streitkräfte mehr als eine Woche nach Beginn der überraschenden Offensive in der russischen Region Kursk beachtliche Erfolge erzielt. So sollen die Ukrainer bis zu 35 Kilometer tief auf russisches Territorium vorgedrungen sein sowie mehr als 80 Ortschaften und insgesamt rund 1150 Quadratkilometer Fläche kontrollieren. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Sicher ist jedoch: Die russischen Truppen haben weiterhin große Probleme, die Lage zu stabilisieren. Davon zeugen auch Aufnahmen ukrainischer TV-Teams auf dem russischen Gebiet – etwa in der Kleinstadt Sudscha. Auch Berichte russischer Kriegsblogger zeigen: Trotz der Verlegung des Nachschubs bleibt die Lage für Russland ernst. Die ukrainische Regierung machte jedoch deutlich, dass sie keine langfristige Besatzung russischer Gebiete wolle.

Für die überraschende und bisher erfolgreich verlaufende Operation hat Kiew mehrere Motive:

  • Die ökonomischen Kosten für den Krieg sollen für Moskau in die Höhe getrieben werden;
  • die ukrainisch besetzten Gebiete sind ein wichtiger Trumpf für künftige Verhandlungen;
  • kurzfristig aber kann die Ukraine eine Pufferzone aufbauen und damit eigenes Territorium schützen. Es geht dabei besonders um die Grenzregion Sumy, die laut Innenminister Ihor Klymenko allein in diesem Sommer rund 2.000 Mal von der Region Kursk aus beschossen wurde.

Ein weiterer wichtiger Grund: In der Operation ist es der Ukraine gelungen, sehr viele russische Kriegsgefangene zu nehmen. Sie sollen wohl dazu dienen, ukrainische Gefangene freizubekommen. Trotz einiger Gefangenenaustausche befinden sich allein aus Mariupol noch knapp 2000 ukrainische Kämpfer in Russland. Insgesamt könnte die Zahl der von der Ukraine gefangenen genommener russischer Soldaten in Kursk bereits bei über 1.000 liegen. Und so überrascht es nicht, dass Russland nach Angaben des ukrainischen Menschenrechtsbeauftragten Dmytro Lubinez vom Donnerstag erstmals seit Kriegsbeginn Gespräche über Gefangenenaustausch initiiert hat.

“Aktuell haben wir unverändert um ein Vielfaches mehr erfolgreiche militärische Sturmoperationen als missglückte, obwohl die Besatzer weiterhin überall Reserven sammeln”, berichtet der gut informierte ukrainische Militärjournalist Bohdan Myroschnykow zur Lage in Kursk. “Trotzdem schafft es der Feind nicht, unsere Kräfte zurückzuschlagen. Unsere Soldaten verstärkten weiterhin die Flanken der Hauptrichtungen des Durchbruches.” Es sei zwar alles andere als leicht, doch der Vorstoß laufe weiter. dt

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Sudan: USA drängen SAF zur Teilnahme an Friedensgesprächen

Nachdem die sudanesische Armee (SAF) ihre Teilnahme an den seit Mittwoch laufenden Friedensgesprächen in Genf abgesagt haben, drängen die USA auf eine Rückkehr der SAF an den Verhandlungstisch. Wie ein Sprecher des US-Außenministeriums mitteilte, telefonierte Außenminister Antony Blinken am Mittwoch mit dem sudanesischen De-Facto-Präsidenten Abdel Fattah al-Burhan. “Der Außenminister bekräftigte die Notwendigkeit der Teilnahme an den laufenden Friedensgesprächen in der Schweiz, um die vollständige Umsetzung der Verpflichtungserklärung von Dschidda zum Schutz der sudanesischen Zivilbevölkerung zu erreichen”, sagte der Sprecher. Die rivalisierenden RSF hatten ihre Teilnahme an den Gesprächen zugesagt und waren mit einer Delegation in die Schweiz gereist. Medienberichten zufolge hatten diese aber ebenfalls kurzfristig nicht an den Gesprächen teilgenommen.

Die SAF hatte ihre Teilnahme lange offen gelassen und gefordert, die RSF müsse sich zunächst zurückziehen. Die RSF kontrollieren unter anderem weite Teile der Hauptstadt Khartum und belagern zudem die Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, Al-Faschir.

Mehrere Vermittlungsversuche gescheitert

International gab es bereits eine Reihe verschiedener Versuche, einen Waffenstillstand und Verhandlungen herbeizuführen – mit unterschiedlichen sudanesischen Repräsentanten. In Addis Abeba verhandelten Anfang des Jahres die RSF mit der Bürgerbewegung Taqaddum, die unter Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten Abdalla Hamdok Neutralität im Konflikt für sich beansprucht. Im Januar trafen sich zudem in Bahrain Vertreter der SAF und RSF zu Verhandlungen. Auch die Afrikanische Union versuchte mit dem High Level Panel on Sudan zu vermitteln.

Belastend für alle Verhandlungen seither ist jedoch, dass die bereits einen Monat nach Ausbruch der Kämpfe 2023 verhandelte Dschidda-Vereinbarung zum Schutz der sudanesischen Bevölkerung gebrochen wurde, bevor sie überhaupt richtig in Kraft treten konnte. Diese war von den USA und Saudi-Arabien vermittelt worden. Die SAF wirft der RSF vor, sich nicht an die Vereinbarung gehalten zu haben.

Indes spitzt sich die Lage im Sudan zu. Bereits vor Beginn der Beratungen in Genf forderte die Welthungerhilfe ein Ende der Übergriffe auf Zivilisten und die Einrichtung humanitärer Korridore. “Mehr als 25 Millionen Menschen, die Hälfte der gesamten Bevölkerung des Sudans, befinden sich in einer kritischen Ernährungslage und 755.000 sind akut vom Hungertod bedroht”, sagte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. Zudem seien mehr als 10 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben. Damit herrscht im Sudan die weltweit größte humanitäre Krise. dre

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Auswärtiges Amt stellt sich hinter umstrittene UN-Konvention gegen Cyberkriminalität

Vor einer Woche hat die Ad-Hoc-Kommission der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Cyberkriminalität das erste Abkommen gegen Cyberkriminalität beschlossen. Das Abkommen wurde 2017 von Russland initiiert und nun einstimmig verabschiedet. Menschenrechtsaktivisten bezeichnen den jetzt beschlossenen Text als einen Erfolg für autoritär geführte Staaten, Deutschland verteidigt das als bestmöglichen Kompromiss.

Strittig war unter anderem, welche Straftaten von der Konvention erfasst werden. Staaten wie Russland, China oder Iran drängten darauf, eine möglichst breit gefasste Definition von Cyberkriminalität zu verwenden, um in möglichst vielen Fällen weitreichende Überwachungsbefugnisse zu erhalten. Diese breitgefasste Definition hat sich nun durchgesetzt. Es wird befürchtet, dass sie ein solches Abkommen missbrauchen, um leichter an Beweise aus dem Ausland zu kommen, mit denen sie gegen Oppositionelle vorgehen können.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dagegen, dass wesentliche Bestimmungen bei den Menschenrechtsstandards in der Konvention erhalten sind. Versuche, entsprechende Paragrafen zu streichen oder zu verwässern seien von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt worden seien. “Dies sei Ausschlag gebend gewesen, dass Deutschland zugestimmt habe”, heißt es aus Kreisen des Auswärtigen Amtes.

Entscheidende Player werden nun in Kooperation gegen Cyberkriminalität eingebunden

Ein Beispiel ist Artikel 6, wo es heißt: “Keine Bestimmung dieser Konvention darf so ausgelegt werden, dass sie die Unterdrückung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten erlaubt.” Hierzu zählen beispielsweise die “Freiheit der Meinungsäußerung, des Gewissens, der Meinung, der Religion oder des Glaubens.” Staaten wie Iran, Indien, Libyen, Nordkorea, Russland, Sudan, Syrien und Venezuela wollten diesen Absatz streichen, das wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ferdinand Gehringer, Experte für Cybersicherheit bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung stellt sich ebenfalls hinter die Konvention und fügt hinzu, dass nun zumindest ein Rahmen geschaffen wurde, auf den aufgebaut werden kann und der eben nicht nur für europäische Staaten gilt. “Vorher gab es nur die Budapestkonvention, die von den Mitgliedern des Europarats beschlossen wurde. Entscheidende Player wie China waren dadurch ausgeschlossen.”

Das Abkommen muss im Herbst noch der Generalversammlung vorgelegt werden, die Verabschiedung gilt aber als Formalie. Dann müssen noch die 193 UN-Mitgliedsstaaten die Konvention ratifizieren. Die Konvention tritt in Kraft, wenn 40 Mitgliedsstaaten sie ratifiziert haben. wp

  • Cybersicherheit
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Must-Reads

Foreign Affairs: The Undoing of Israel – The Dark Futures That Await After the War in Gaza. “Israel ist auf dem besten Weg, nicht nur gegenüber den Palästinensern, sondern auch gegenüber seinen eigenen Bürgern zunehmend autoritär zu werden”, schreiben die Autoren dieses Artikels. Sie zeigen auf, welche Zukunft dem Land bevorstehen könnte – potenziell isoliert von der Welt, könnte es von den Unruhen im eigenen Land verschlungen werden – und was es dagegen tun kann.

The Wall Street Journal – A Drunken Evening, a Rented Yacht: The Real Story of the Nord Stream Pipeline Sabotage. Der ehemalige britische Geheimagent und Schriftsteller John le Carré würde neidisch werden auf diese Geschichte, lebte er noch. Im Text erzählt der Journalist Bojan Pancevski minutiös über den Anschlag auf die Gaspipeline Nord Stream. Ein politischer Thriller.

Stiftung Wissenschaft und Politik: Zivile Konfliktbearbeitung: Investieren statt kürzen. Deutschland finanziert weltweit Projekte ziviler Konfliktbearbeitung. Doch die Bundesregierung plant hier massive Einsparungen. “Diese Kürzungen sind jedoch nicht mit den außen- und sicherheitspolitischen Erfordernissen einer gewaltsamen Welt im Umbruch zu vereinbaren”, meint Friedens- und Konfliktforscher Gerrit Kurtz und erklärt, warum eine globale Friedensarbeit auch zur Sicherheit Deutschlands beiträgt.

taz: Der Afghanistan-Ausverkauf. Kein deutscher Botschafter mehr, kein dezidierter Sonderbeauftragter und eine zum Jahresende beendete Präsenz der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – die Ampel zieht wichtige Institutionen der Afghanistan-Politik ab. Und kapituliere damit vor den Rechten, kritisiert Afghanistan-Experte Thomas Ruttig. “Das einzige Feld, auf dem Afghanistan in der deutschen Politik noch für Getöse sorgt, ist die Asylpolitik.”

Peace Research Institute Frankfurt: Early Warning for New Trouble? Increasing Social Polarization in Guinea-Bissau. Abseits der internationalen Aufmerksamkeit fanden in Guinea-Bissau in der letzten Zeit Proteste gegen Präsident Umaro Sissoco Embaló statt. Dieser Artikel beschreibt die politischen Positionen von Regierung und Opposition und die Hauptfaktoren für die politische Instabilität – besonders im Hinblick auf die Parlamentswahlen im November.

Heads

Rachel Tausendfreund: USA-Erklärerin aus Michigan

Rachel Tausendfreund ist ab September Senior Policy Fellow bei der DGAP.

Rachel Tausendfreund erklärt sehr oft die Politik der USA. Die gebürtige US-Amerikanerin hostete als Senior Fellow im Team Geostrategie den Podcast “Out of Order”, in dem sie mit Kollegen vom German Marshall Fund (GMF) Außenpolitik verständlich macht. Die 45-Jährige wechselt den Arbeitgeber und ist ab 1. September Senior Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) für die USA und transatlantische Beziehungen.

Für sie schließt sich damit ein Kreis. Bei der DGAP hatte Tausendfreund ihre Karriere begonnen – damals noch als Redakteurin. Den Podcast moderiert sie dann nicht mehr: “Jetzt kann ich meine Zeit für die eigene Forschung nutzen.” 

Auftritte in den Medien sind ihr aber weiterhin ein Anliegen. Ihr ist es wichtig, auch Laien Politik verständlich zu machen, schließlich war sie selbst lange nicht vom Fach. Im ländlichen Michigan aufgewachsen, fand Tausendfreund erst spät zu ihrem Thema “Internationale Beziehungen”. Als Austauschschülerin in Deutschland besuchte sie für einen Tagesausflug Paris und entschied, dort englische Literatur zu studieren. Später ging sie nach Cambridge.

Forschung richtig kommunizieren

Das Gefühl, US-Politik erklären zu müssen, hatte sie bereits vor ihrer Karriere in der Politikwissenschaft. Eigentlich interessierte sie sich damals nicht dafür: “Als Amerikanerin wird man oft auf amerikanische Außen- und Innenpolitik angesprochen”, sagt sie. “Ich musste mich ständig erklären.” Sie wechselte ihr Fach, studierte Politikwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt und begann gleichzeitig als Redakteurin und Dolmetscherin zu arbeiten. 

Zuerst arbeitete Tausendfreund als freie Redakteurin unter anderem bei der DGAP, der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und der Mercator Stiftung. 2010 wurde sie Chefredakteurin der Zeitung “Internationale Politik” und 2014 Editorial Director beim European Council on Foreign Relations. Nach einem Jahr wechselte sie zum GMF, wo sie sieben Jahre als Redaktionsleiterin die Publikationsplanung verantwortete. “Damals konnte ich viele Erfahrungen und Ideen sammeln, wie man Forschung kommunizieren muss”, sagt sie. “Es geht vor allem darum, zum richtigen Zeitpunkt zu veröffentlichen und Themen und Thesen zugänglicher zu machen.” 

Als Chefredakteurin las und bearbeitete sie früher Texte anderer, kümmerte sich um die Auswahl der Themen und beschäftigte sich viel damit, Forschung nach außen zu tragen. Das änderte sich, als sie 2022 Fellow am GMF wurde. Eine Bestätigung, dass sie als Späteinsteigerin ganz in der Wissenschaft angekommen ist. Lukas Homrich

  • Außenpolitik
  • ECFR
  • Geopolitik
  • SWP
  • USA

Dessert

Wer zwei Jahre nach dem russischen Überfall der Ukraine nach harten militärischen Kriterien sucht, weshalb der Krieg nicht so läuft, wie Wladimir Putin sich das im Februar 2022 vorstellte, ist mit Mike Martins “How to Fight a War” gut bedient. In neun knappen Kapiteln erklärt der frühere britische Armeeoffizier “die harte elegante Logik des Kriegs”.

Zunächst beschreibt der Forscher am King’s College in London, wie die vier Bereiche Strategie und Aufklärung, Logistik, Moral sowie Training entscheidend sind, um militärische Gewalt erfolgreich als politisches Mittel einzusetzen. Im zweiten Teil des Buches führt er aus, wie deren erfolgreiche Orchestrierung in den Domänen Land, Luft, Wasser sowie Informations- und Cyberraum den Unterschied macht zwischen Sieg und Niederlage.

Die Lektüre lohnt sich auch deshalb, weil sie der aufgeregten sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland seit der Zeitenwende den ausgeruhten britischen Blick entgegensetzt. “Wenn Krieg Politik mit anderen Mitteln ist, wenn wir uns nichts mehr zu sagen haben, dann ist Gewalt im Krieg eine Methode der Kommunikation”, so Martins. mrb

Mike Martin: How to fight a War – Wie man einen Krieg führt, Mittler, 320 Seiten, 24,95 €.

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Die komplexeste Verlegeübung der Luftwaffe, die “Pacific Skies 24”, ist vorüber. Nach 1,3 Millionen geflogenen Kilometern endete am Dienstag die letzte der fünf multinationalen Teilübungen, die “Tarang Shakti”, auf dem Stützpunkt Sulur im Süden Indiens. Meine Kollegin Lisa-Martina Klein war vor Ort und hat nicht nur beobachtet, welche Symbolik hinter der Übung steht, sondern auch welche Bedeutung sie sowohl für die deutsche, als auch die indische Rüstungsindustrie hat.

    Wir werfen einen weiteren Blick auf die deutsche Rüstungsindustrie, die sich derzeit um mehr Einfluss auf das Update der Nationalen Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie bemüht. Ein Entwurf der Strategie kursiert seit Kurzem auch in der Öffentlichkeit. Wilhelmine Preußen und Gabriel Bub fangen in ihrer Analyse die Reaktionen ein und schreiben, wie es jetzt weitergeht.

    Eine erkenntnisreiche Lektüre wünscht

    Ihre
    Anouk Schlung
    Bild von Anouk  Schlung

    Analyse

    Wie sich Indiens Rüstungsindustrie mithilfe deutscher Unternehmen unabhängig machen will

    Die Luftwaffenchefs (von links nach rechts) Francisco Braco Carbo (Spanien), Ingo Gerhartz (Deutschland), Vivek Ram Chaudhari (Indien) und Stéphane Mille (Frankreich) sowie Ravindra Narayana Ravi (Mitte), Governeur des Bundesstaates Tamil Nadu, wo die Übung stattgefunden hatte.

    Die komplexeste Verlegeübung der Luftwaffe, die “Pacific Skies 24”, ist Geschichte. Nach 1,3 Millionen geflogenen Kilometern endete am Dienstag die letzte der fünf Teilübungen, die “Tarang Shakti”, auf dem Stützpunkt Sulur im Süden Indiens. Neben dem deutschen Kontingent waren auch französische, spanische und britische Kampfjets dabei.

    Es war die erste gemeinsame Übung der deutschen Luftwaffe in Indien überhaupt und hatte, militärisch, eher einen symbolischen Wert. Zwar konnte Indien in Richtung China und Pakistan demonstrieren, dass es auch in Europa militärische Partner hat – obwohl das Land weiterhin billiges russisches Öl bezieht, russische Militärgüter einkauft und die Menschenrechtslage prekär ist. Aber dass die Bundeswehr Indien in einem Konflikt mit dem benachbarten China oder Pakistan zur Seite steht, ist unrealistisch. Die Priorität liege auf der Sicherung der Nato-Ostflanke, sagte Luftwaffenchef Generalleutnant Ingo Gerhartz bei einem Pressetermin in Indien.

    Stattdessen betonte er immer wieder den neutralen Geist der Übung: Man wolle zeigen, dass sich Deutschland für einen freien, offenen Indopazifik einsetze. Die Übungsszenarien seien “nicht gegen jemanden gerichtet” gewesen, sondern für eine bessere Zusammenarbeit mit dem Nicht-Nato-Mitglied, man wolle voneinander lernen. Auch für die indischen Streitkräfte seien die Grenzstreitigkeiten mit China und Rivalitäten mit Pakistan kein Thema gewesen, so Gerhartz.

    Indien profitiert von Interessensgemeinschaften

    Für Indien stand etwas anderes im Vordergrund: Das bevölkerungsreichste Land der Welt, das sich bis vor wenigen Jahren so gut wie nicht in Allianzen engagierte, stellt sich zunehmend multinational auf. Wirtschaftlich orientiert sich das Land an den anderen BRICS-Staaten Brasilien, Russland und China. Die Mitgliedschaft im eher informellen Sicherheitsbündnis “Quadrilateraler Sicherheitsdialog” mit Japan, den USA und Australien ist der Versuch, ein militärisches Gegengewicht zur Volksrepublik China, von der sich Indien zunehmend bedroht fühlt, zu bilden. 

    Der Besuch der Europäer war für Neu-Delhi ein weiterer Baustein in seiner pragmatischen Interessensarchitektur. Die indische Regierung hat zahlreiche Initiativen angestoßen, um die Abhängigkeit von ausländischen Partnern, allen voran Russland, zu verringern und will eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Die Taktik folgt dem chinesischen Vorbild aus der Auto-Industrie: Ausländische Hersteller ins Land holen, von ihnen lernen, die Produktion übernehmen, eigene Modelle entwickeln. “Atmanirbhar Bharat”, also Eigenständigkeit oder Autarkie, ist in Indien ein geflügeltes Wort geworden, das Regierungsprogramm dazu heißt “Make in India”.

    Für den Technologie- und Wissenstransfer im Rüstungsbereich ist Indien auf den Westen, die USA genauso wie Europa, angewiesen. Und der Westen reagiert aus mehreren Gründen positiv: Die indischen Streitkräfte zählen zu den größten der Welt, der Absatzmarkt ist riesig. Außerdem führen die Rüstungskooperationen dazu, dass Indien sich lossagen kann von russischen Waffen.

    TKMS, Airbus, Hensoldt: Indiens Strategie in die Unabhängigkeit 

    Aktuell fokussiert sich Indien darauf, Plattformen wie Kampfjets, Panzer und U-Boote im eigenen Land bauen zu können. Die Regierung strebt einen Deal über sechs konventionell betriebene U-Boote mit ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) aus Deutschland an. Gebaut werden sollen sie in Indien. Zwar ist die Entscheidung zwischen TKMS und dem spanischen Mitbewerber Navantia noch nicht gefallen, aber laut Medienberichten hat Deutschland die Nase vorn. 

    Der deutsche Flugzeugbauer Airbus produziert vor allem Helikopter und zivile Flugzeuge in Indien und will seinen “lokalen Fußabdruck” weiter ausbauen. Nachdem der Auftrag für Kampfjets an Frankreich ging und der Eurofighter nicht zum Zug kam, hofft Airbus nun, beim Transportflugzeug A400M in Verhandlungen mit Indien zu kommen. Mit dem leichten, überschallfähigen Mehrzweckkampfflugzeug “Tejas” hat Indien seit wenigen Jahren seinen ersten Kampfjet aus indischer Produktion, gebaut von Hindustan Aeronautics Limited (HAL) – und mithilfe von Airbus. Mit den USA hat Indien vergangenes Jahr die Co-Produktion von Stryker-Radpanzern beschlossen.

    Know-how in elektronischer Kampfführung fehlt noch

    Aber um zur angestrebten Exportnation für Rüstungsgüter zu werden, fehlt dem Land noch das Know-how im Bereich der elektronischen Kampfführung. Fähigkeiten wie elektronische Aufklärung und Selbstschutzsysteme für Kampfflugzeuge werden immer wichtiger, und Indien will auch diese ins Land holen. Dafür blickt Indien nach Deutschland – und findet Hensoldt. Für das Münchner Unternehmen bedeutet Indien einen riesigen Absatzmarkt und es bietet daher seine Unterstützung bei der Entwicklung von Sensoren für die verschiedenen indischen Plattformen an.

    So laufen derzeit Verhandlungen über den vollständigen Wissenstransfer für ein Hindernis-Warnsystem aus Sensoren für Helikopter. Die Sensoren erkennen Hindernisse wie überirdische, schwer sichtbare Stromkabel und warnen den Piloten. Die indische Industrie hätte die vollen Nutzungsrechte für diese Technologie und kann diese weiterentwickeln. Ein Schritt weiter in Richtung Unabhängigkeit – auch von westlichen Unternehmen.

    • Brics
    • Bundeswehr
    • Indien
    • Rüstung

    Industriestrategie: Wie Rüstungsvertreter Einfluss nehmen wollen

    Ein Entwurf der neuen Nationalen Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist bereits an die Öffentlichkeit geraten, final ist er aber nicht. Die Rüstungsindustrie darf in der kommenden Woche nochmal ihre Wünsche äußern. Nach Informationen von Table.Briefings soll dann ein Treffen auf Arbeitsebene der Ministerien mit Beteiligung der Industrie stattfinden, das schon vor Veröffentlichung des Entwurfs geplant war. Ende des Monats wollen sich die Staatssekretäre dann auf den konkreten “Maßnahmenkatalog” zur Umsetzung der Strategie einigen, bevor sich das Kabinett voraussichtlich im September damit beschäftigt.

    Nach dem Bekanntwerden des Strategiepapiers gab es aus der Ampel Lob, doch auch kritische Stimmen meldeten sich. Der sicherheitspolitische Sprecher der FDP, Alexander Müller, sprach sich gegen die vorgesehenen staatlichen Beteiligungen an Unternehmen aus.

    Rüstungsindustrie will mitreden

    Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, Hans Christoph Atzpodien, sagte Table.Briefings, dass die Strategie “überfällig” sei. Dass es auf europäischer Ebene bereits die “European Defense Industry Strategy” gebe, habe Deutschland noch stärker zu einer eigenen Strategie gedrängt.

    Vor allem, dass das Konzept der nationalen Schlüsseltechnologien, in dem Bereiche definiert wurden, die unabhängig von ausländischen Zulieferungen werden sollen, wieder aufgenommen wurde, lobte Atzpodien. Dazu gehören wie auch schon im 2020 vorgestellten Papier, sicherheitsrelevante IT- und Kommunikationstechnologien, Künstliche Intelligenz, Marineschiffbau (Über- und Unterwasser), geschützte/ gepanzerte Fahrzeuge, Sensorik, Elektromagnetischer Kampf sowie Schutz. In diesen Bereichen darf dann de facto nicht international ausgeschrieben werden, um eine Abhängigkeit von ausländischen Anbietern vermeiden.

    Atzpodien will bei der Strategie mitreden. “Wir wünschen uns jetzt einen intensiven Dialog, um diese Themen näher zu definieren und zu operationalisieren. Das muss im Schulterschluss mit der Industrie passieren.”

    BDSV-Wünsche finden sich im Papier wieder

    Gelegenheiten, ihre Vorstellungen zu erläutern, hatten Industrievertreter allerdings schon. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ließ sich im März im eigenen Haus die Wunschliste des BDSV vortragen. Im Juni traf sich die Industrie im Verteidigungsministerium, um ihre Anforderungen an die neue Strategie für die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie vorzustellen.

    Einige Wünsche des BDSV vom Treffen im März finden sich dementsprechend auch im Strategieentwurf wieder. Da hatte der Verband noch gefordert, dass die Klassifizierung von Rüstungsaktivitäten für Investitionen für private Banken und Fonds verändert werden sollen, um Investitionen zu erleichtern und dass die EU-Ziele von Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit einerseits und Nachhaltigkeit andererseits miteinander “versöhnt” werden müssten. Sehr ähnlich heißt es in der Strategie:

    “Die Anforderungen der Zeitenwende einerseits und die Signalwirkung von Environmental, Social and Corporate Governance (ESG)-Kriterien auf den Zugang der SVI zum Finanzmarkt andererseits müssen in Einklang gebracht werden.”

    Außerdem trat der Verband für eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Produktionsinfrastruktur ein – auch das findet sich in dem Strategieentwurf wieder. Es fehle “teilweise an angemessenen gesetzlichen Ausnahme- und Erleichterungstatbeständen“, was dazu führe, dass es “insbesondere beim Auf- und Ausbau von Produktionskapazitäten zu Verzögerungen kommt”. So hatte Rheinmetall etwa nach Gegenwind aus der Stadtführung der Gemeinde Großenhain in Sachsen, eine Pulverfabrik zu bauen, einen anderen bereits bestehenden Standort ausgebaut. Aber auch hier dürfte die Industrie noch versuchen, konkrete Zugeständnisse zu erhalten.

    Dass der Staat gegebenenfalls Leerlaufkosten übernehmen wolle, und langfristige Aufträge eingehen wolle, um der Industrie bessere Planbarkeit zu gewährleisten, dürfte auf Zustimmung stoßen. Von Industrieseite war die fehlende Planbarkeit ein zentraler Punkt bei der Kritik an der deutschen Beschaffungspolitik.

    Anders als Frankreich, das strenge Maßnahmen wie die Möglichkeit der Konfiszierung von Rohstoffen in der Industrie vorsieht, setzt die Bundesregierung mit ihrer Strategie lieber auf positive Anreize. “Die Möglichkeit von Kapazitätsvorhalteprämien, um die Voraussetzung für eine kurzfristige Skalierbarkeit der Produktion wirtschaftlich zu ermöglichen”, wolle man prüfen.

    Abschied von restriktiver Exportpolitik?

    Der Ton des Papiers gefällt nicht jedem. “Das Papier atmet den Geist der Rüstungsindustrie”, sagt Max Mutschler vom Bonn International Centre for Conflict Studies (bicc). Einerseits erkenne es an, dass die Nachfrage nach Rüstungsgütern aus Deutschland und von Nato-Staaten sprunghaft angestiegen sei. “Und gleichzeitig heißt es aber auch, die Rüstungsindustrie müsse weltweit wettbewerbsfähig sein.” Für Mutschler ein Widerspruch. Bevor die Verteidigungsetats der Nato-Länder gestiegen seien, hätten Rüstungsindustrie und Verteidigungsministerium argumentiert, dass Exporte jenseits von EU und Nato notwendig seien, um für die Bundeswehr bezahlbare Produktionen zu gewährleisten. “Dieser Exportdruck scheint mir mit der sprunghaft gestiegenen Nachfrage deutlich nachgelassen zu haben”, so Mutschler. “Das reflektiert dieses Papier aber nicht.”

    Zwar ist in dem Papier an mehreren Stellen die Rede von Exportunterstützung für die Rüstungsindustrie. Das Wort “Rüstungsexportkontrollgesetz” taucht aber nirgends auf. Stattdessen, dass Deutschland sich für eine EU-Rüstungsexportverordnung einsetzen wolle. “Das kann man bequem in so ein Papier hineinschreiben, im Wissen, dass eine europäische Einigung hier auf absehbare Zeit ziemlich unrealistisch ist”, sagt Mutschler. Was die Bundesregierung selbst in der Hand habe, nämlich das Rüstungsexportkontrollgesetz auszuarbeiten und zu verabschieden, stehe “genau nicht drin”. Für ihn ein weiteres Indiz von vielen, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werde.

    • BICC
    • Corporate Governance
    • Rheinmetall
    • Rüstung
    Translation missing.

    Die entscheidenden Köpfe der sicherheitspolitischen Community – Thinktanks

    Von

    Constanze Stelzenmüller – Direktorin des Center on the United States and Europe bei der Brookings Institution

    Den US-Amerikanern erklärt Stelzenmüller Europa und den Europäern die US-Verteidigungspolitik. Als frühere Zeit-Redakteurin weiß sie, wie man mit der Öffentlichkeit kommuniziert, und hilft bei der transatlantischen Verständigung. Seit September 2022 ist Stelzenmüller die Direktorin des Zentrums für die Vereinigten Staaten und Europa (CUSE) und Inhaberin des Fritz-Stern-Stuhls bei Brookings.

    Claudia Major – Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

    Die Nato-Expertin und ausgewiesene Frankreich-Kennerin ist das wissenschaftliche Gesicht der Zeitenwende. Mit dem Krieg in der Ukraine wurde sie immer stärker zur Aufklärerin und entkräftet Falschmeldungen faktenbasiert. Als Mitglied in verschiedenen Gremien, wie dem Beirat Innere Führung des Verteidigungsministeriums, ist die Sicherheitsexpertin eine gefragte Beraterin in der deutschen Politik.

    Ulrike Franke – Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations

    Ulrike Frankes Fachgebiet ist in den vergangenen zwei Jahren vom Nischenthema zum Kerngebiet von Militäranalysten geworden: Wer etwas über Kampfdrohnen wissen will, wendet sich an sie. Seit 2024 ist sie Senior Policy Fellow am European Council on Foreign Relations (ECFR) im Pariser Büro. Die Schwierigkeiten im deutsch-französischen Verhältnis kann sie auch erklären.

    Pia Fuhrhop – Stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

    Die stellvertretende Leiterin der renommiertesten sicherheitspolitischen Arbeitsgruppe in Deutschland ist in Berlin eine der gefragtesten Expertinnen für Rüstungspolitik. Sie wirkte als Expertin an der Vorbereitung des Rüstungsexportkontrollgesetzes mit, dessen Fehlen sie deutlich kritisiert. Baute das Berliner Büro des Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik auf und kennt als frühere Beraterin des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour den politischen Alltag bestens.

    Gustav Gressel – Senior Policy Fellow European Council on Foreign Relations

    Auch im englischsprachigen Raum hat sich Gustav Gressel mit seinen Analysen zu Russlands Streitkräften und Osteuropa einen Namen gemacht. Dank seiner Erfahrungen aus dem österreichischen Verteidigungsministerium und fünf Jahren beim österreichischen Bundesheer ist er einer der gefragtesten Experten, um Russlands Militär zu erklären.

    Jana Puglierin – Senior Policy Fellow European Council on Foreign Relations

    Die Leiterin des Berliner Büros des European Council on Foreign Relations zählt zu den führenden Expertinnen für Deutschlands Rolle in Europa und seine transatlantischen Beziehungen. Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine ist sie als Mittlerin gefragt: Im Ausland erklärt sie die deutsche Zeitenwende, und in Deutschland, wie wichtig das Handeln Berlins ist.

    Minna Ålander – Research Fellow am Finnish Institute of International Affairs

    Bei Fragen zur Nato-Norderweiterung führt kein Weg an Minna Ålander vorbei. Ihr Blick aus einer finnischen Perspektive auf die deutsche Sicherheitspolitik und ihre Expertise zum neuen Nato-Mitglied Finnland und zu Nordeuropa machen sie zu einer der besten Erklärerinnen für nordeuropäische Sicherheitspolitik im deutschsprachigen Raum.

    Sabine Fischer – Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik

    Historisch gewachsene russische Narrative und die Auswirkungen innenpolitischer Entwicklungen in Moskau macht sie für ein breites Publikum durch ihre Analysen greifbar und erklärt ihren Einfluss auf die europäische Sicherheitspolitik. Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sie sich mit russischer Politik und hat mehrfach dort gelebt.

    Christoph Heusgen – Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz

    Der frühere sicherheitspolitische Berater von Angela Merkel hat lange Teile seiner politischen Karriere damit verbracht, Konflikte hinter den Kulissen zu klären oder es zu versuchen. Als Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz hilft sein breites Netzwerk, Regierungsvertreter zusammenzubringen, die andernorts nicht miteinander sprechen.

    Michael Werz – Berater für Nordamerika bei der Münchner Sicherheitskonferenz und Senior Fellow beim Center for American Progress

    Gerade – aber nicht nur – im US-Wahljahr ist Werz’ Expertise wertvoll, um US-amerikanische Außenpolitik verständlich zu machen. Seine guten Kontakte zu den US-Demokraten und sein Verständnis von geopolitischen Zusammenhängen machen ihn zu einem der gefragtesten deutschsprachigen US-Experten. 

    • Brookings
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    • Heads
    • Münchner Sicherheitskonferenz
    • SWP
    Translation missing.

    News

    Traditionserlass: Wehrmachtsoffiziere sind nicht “traditionsstiftend”

    Die Rücknahme der “ergänzenden Hinweise” zum Traditionserlasses macht vor allem eines deutlich: Der Bezug zur “Kriegstüchtigkeit” und die Rolle militärischer Vorbilder ist auf zum Teil heftige Kritik innerhalb und außerhalb der Bundeswehr gestoßen. So nahm der Ex-Wehrbeauftragte des Bundestages Reinhold Robbe (SPD) Anstoß an einer Liste von Offizieren, die sowohl in der Wehrmacht aktiv als auch beim Aufbau der Bundeswehr tätig gewesen seien. Die Ergänzungen würden “Geist und Inhalt der Inneren Führung konterkarieren, weil sie eine lange Liste von zum Teil belasteten Wehrmachtsoffizieren plötzlich als Vorbilder für ‘Einsatzbereitschaft’ und ‘Willen zum Kampf’ deklarieren”.

    Die “Ergänzenden Hinweise zu den Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege der Bundeswehr” waren vor einem Monat intern veröffentlicht worden. Wie Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), damals erklärte, sei eine “Klarstellung zur Auslegung des Traditionserlasses erforderlich”. So gäbe es auch “außerhalb der bundeswehreigenen Geschichte Spielraum für traditionsstiftende Beispiele militärischer Exzellenz”. Allerdings, so begründete Generalinspekteur Carsten Breuer die Kassierung der Ergänzungen Mitte dieser Woche, hätten sie “Zweifel an der Wertebindung des Traditionsverständnisses” aufkommen lassen. Aus Sicht des ehemaligen Wehrbeauftragten Robbe würde damit auch der Begriff der “Kriegstüchtigkeit” missbraucht. Es sei “vernünftig und folgerichtig”, dass die Ergänzungen nun außer Kraft gesetzt worden sind.

    Ergänzungen sorgten für Unruhe in der Truppe

    Der 2018 verabschiedete Erlass regelt den Umgang der Bundeswehr mit ihren Traditionslinien. Weder die Wehrmacht des nationalsozialistischen Regimes noch die Nationale Volksarmee der DDR sind als Institutionen demnach “traditionswürdig”. Einzelne Personen jedoch schon. Allerdings sei die in den “ergänzenden Hinweisen” angeführte Liste nicht abgestimmt worden, kritisiert Sebastian Habicht, Vorsitzender des Gesamtvertrauenspersonenausschusses beim BMVg. Die Ergänzungen seien “überraschend” gekommen und “haben ohne Not und zu einem unverständlichen Zeitpunkt in der Truppe für Unruhe gesorgt”.

    Als “unverständlich” bezeichnete auch Sven Bäring, Bundesvorsitzender von QueerBw, die Veröffentlichung der Ergänzungen zum Traditionserlass. “Wehrmachtsoffiziere, die zumindest indirekt an Kriegsverbrechen und Massenmorden beteiligt waren, können niemals traditionsstiftend sein. Dieses Recht haben sie für immer verwirkt – egal wie viele Flugzeuge sie abgeschossen oder ob sie später die Luftwaffe aufgebaut haben.” nana

    • Bundeswehr
    • Wehrbeauftragte

    Verdacht auf Trinkwasser-Sabotage bei der Bundeswehr: Weiterer Standort betroffen

    Nach einer vermuteten Sabotage der Wasserversorgung des Luftwaffenstützpunkts Köln-Wahn besteht an einem weiteren Standort der Bundeswehr der Verdacht eines Angriffs auf das Trinkwassernetz. In Mechernich südwestlich von Köln wurde der Zaun vor einem Trinkwasser-Hochbehälter zerschnitten, aus dem neben der Stadt auch ein Bundeswehrstandort versorgt wird. Die Stadtverwaltung warnte vor einer möglichen gesundheitsgefährdenden Verunreinigung des Trinkwassers und rief dazu auf, das Leitungswasser noch nicht einmal zum Waschen zu nutzen.

    Bei ihrer Warnung berief sich die Stadt Mechnernich ausdrücklich auf den möglichen Sabotageakt an der Luftwaffenkaserne in Köln. Dort bleibt das Wassernetz des Stützpunkts bis mindestens Freitagmittag gesperrt. Bis dahin würden die ersten Laborergebnisse erwartet, sagte ein Sprecher des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr in Berlin. Zunächst gab es keine weiteren Erkenntnisse über den möglichen Anschlag, vor allem blieb unklar, ob das Wassernetz der Basis tatsächlich mit Schadstoffen kontaminiert ist.

    Am Mittwochmorgen hatte die automatisierte Überwachung der Anlage Alarm geschlagen, die die Kaserne direkt am Flughafen Köln-Bonn mit Trinkwasser für rund 4.000 Soldaten und zivile Beschäftigte versorgt. In der Nähe des Wasserwerks wurde kurz danach ein Loch im Zaun entdeckt. Die gesamte Anlage wurde deshalb vorübergehend abgeriegelt, um mögliche Eindringlinge zu entdecken, allerdings ohne Ergebnis. Ebenso blieb vorerst unklar, ob ein vermutetes Eindringen in die Nato-Basis Geilenkirchen an der deutsch-niederländischen Grenze im Zusammenhang mit dem Vorfall in Köln stand.

    Risiko hybrider Angriffe auf militärische Einrichtungen wächst

    In der Kaserne in Köln-Wahn sind mehrere militärische und zivile Dienststellen der Luftwaffe stationiert. Zusätzliche Bedeutung hat der Bundeswehr-Standort als Drehkreuz für den Lufttransport von ukrainischen Soldaten zur Ausbildung in Deutschland und für den Transport von Ausrüstung. Zudem ist dort die Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums beheimatet, die für die Bundesregierung die Reisen mit Flugzeugen der Luftwaffe sicherstellt.

    Der vermutete Sabotageakt kommt zu einer Zeit zunehmender Vorfälle im Zusammenhang mit der Ausbildung von Ukrainern in Deutschland. So wurden Truppenübungsplätze mit Drohnen ausgespäht, zudem gab es Hinweise auf mögliche Cyberattacken auf die Mobiltelefone von ukrainischen Soldaten. Generell wächst die Befürchtung, dass Deutschland wegen seiner Unterstützung für das von Russland angegriffene Land im Fokus von hybriden Angriffen auf militärische Einrichtungen stehen könnte.

    Das in Köln-Wahn entdeckte Eindringen wirft darüber hinaus die Frage auf, ob die Absicherung von Kasernen und Stützpunkten der Bundeswehr noch ausreichend ist. Viele Liegenschaften werden nicht mehr von Soldaten bewacht, sondern von privaten Sicherheitsdiensten, um angesichts geringerer Personalstärke der Streitkräfte und der Begrenzung der Arbeitszeit von Soldaten möglichst günstigen Schutz zu gewährleisten. tw

    • Bundeswehr
    • Luftwaffe

    Eskalation in Nahost: Wie wichtig die Verhandlungen in Doha sind

    Am Freitag werden Spitzenvertreter der USA, Katars, Ägyptens sowie Israels in Katar erneut zusammentreffen, um über Schritte zu einer Waffenruhe und der Freilassung der verbliebenen israelischen Geiseln im Gazastreifen zu verhandeln. Nicht nur US-Präsident Joe Biden betrachtet die Verhandlungen als entscheidend für die gesamte regionale Stabilität im Nahen Osten.

    Die US-Delegation, bestehend aus CIA-Direktor William Burns und dem obersten Nahost-Berater von Präsident Biden, Brett McGurk, traf am Donnerstag in Doha mit dem Premierminister von Katar, Mohammed Bin Abdul Rahman al-Thani, dem Direktor des Mossad, David Barnea, und dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes, Abbas Kamel zusammen. Strittig bleibt weiterhin auch die Frage, wer Gaza etwa nach einem Abzug von Israels Militär kontrollieren wird.

    Sind die Verhandlungen erfolgreich, so könnte der Iran von den erwarteten Vergeltungsmaßnahmen für die jüngsten Morde an Hamas-Führer Ismail Hanija und dem obersten Hisbollah-Militärkommandeur Fuad Schukr, absehen. Diesen Zusammenhang hatte Joe Biden Anfang der Woche formuliert.

    Am Donnerstag blieben vorsichtige Hoffnungen auf einen Erfolg bestehen. Laut dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, John Kirby, ist es den Vermittlern gelungen, im Vorfeld des Treffens in Doha “einige Lücken zu schließen”. Er bekräftigte, dass der Schwerpunkt der Verhandlungen auf der Umsetzung des Abkommens liegt, da sich beide Seiten bereits auf den Rahmen geeinigt haben und sprach von einem vielversprechenden Anfang. Gleichzeitig erinnerte er zum Ende des Tages an die Tragweite der Gespräche. Ein iranischer Angriff könnte nach wie vor in den kommenden Tagen erfolgen. “Wir müssen darauf vorbereitet sein”, sagte er. wp

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    Wie die Ukraine die Offensive nutzen will, um eigene Soldaten freizubekommen

    Glaubt man dem ukrainischen Armee-Befehlshaber Oleksandr Syrskyj, haben seine Streitkräfte mehr als eine Woche nach Beginn der überraschenden Offensive in der russischen Region Kursk beachtliche Erfolge erzielt. So sollen die Ukrainer bis zu 35 Kilometer tief auf russisches Territorium vorgedrungen sein sowie mehr als 80 Ortschaften und insgesamt rund 1150 Quadratkilometer Fläche kontrollieren. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

    Sicher ist jedoch: Die russischen Truppen haben weiterhin große Probleme, die Lage zu stabilisieren. Davon zeugen auch Aufnahmen ukrainischer TV-Teams auf dem russischen Gebiet – etwa in der Kleinstadt Sudscha. Auch Berichte russischer Kriegsblogger zeigen: Trotz der Verlegung des Nachschubs bleibt die Lage für Russland ernst. Die ukrainische Regierung machte jedoch deutlich, dass sie keine langfristige Besatzung russischer Gebiete wolle.

    Für die überraschende und bisher erfolgreich verlaufende Operation hat Kiew mehrere Motive:

    • Die ökonomischen Kosten für den Krieg sollen für Moskau in die Höhe getrieben werden;
    • die ukrainisch besetzten Gebiete sind ein wichtiger Trumpf für künftige Verhandlungen;
    • kurzfristig aber kann die Ukraine eine Pufferzone aufbauen und damit eigenes Territorium schützen. Es geht dabei besonders um die Grenzregion Sumy, die laut Innenminister Ihor Klymenko allein in diesem Sommer rund 2.000 Mal von der Region Kursk aus beschossen wurde.

    Ein weiterer wichtiger Grund: In der Operation ist es der Ukraine gelungen, sehr viele russische Kriegsgefangene zu nehmen. Sie sollen wohl dazu dienen, ukrainische Gefangene freizubekommen. Trotz einiger Gefangenenaustausche befinden sich allein aus Mariupol noch knapp 2000 ukrainische Kämpfer in Russland. Insgesamt könnte die Zahl der von der Ukraine gefangenen genommener russischer Soldaten in Kursk bereits bei über 1.000 liegen. Und so überrascht es nicht, dass Russland nach Angaben des ukrainischen Menschenrechtsbeauftragten Dmytro Lubinez vom Donnerstag erstmals seit Kriegsbeginn Gespräche über Gefangenenaustausch initiiert hat.

    “Aktuell haben wir unverändert um ein Vielfaches mehr erfolgreiche militärische Sturmoperationen als missglückte, obwohl die Besatzer weiterhin überall Reserven sammeln”, berichtet der gut informierte ukrainische Militärjournalist Bohdan Myroschnykow zur Lage in Kursk. “Trotzdem schafft es der Feind nicht, unsere Kräfte zurückzuschlagen. Unsere Soldaten verstärkten weiterhin die Flanken der Hauptrichtungen des Durchbruches.” Es sei zwar alles andere als leicht, doch der Vorstoß laufe weiter. dt

    • Russland
    • Ukraine-Krieg

    Sudan: USA drängen SAF zur Teilnahme an Friedensgesprächen

    Nachdem die sudanesische Armee (SAF) ihre Teilnahme an den seit Mittwoch laufenden Friedensgesprächen in Genf abgesagt haben, drängen die USA auf eine Rückkehr der SAF an den Verhandlungstisch. Wie ein Sprecher des US-Außenministeriums mitteilte, telefonierte Außenminister Antony Blinken am Mittwoch mit dem sudanesischen De-Facto-Präsidenten Abdel Fattah al-Burhan. “Der Außenminister bekräftigte die Notwendigkeit der Teilnahme an den laufenden Friedensgesprächen in der Schweiz, um die vollständige Umsetzung der Verpflichtungserklärung von Dschidda zum Schutz der sudanesischen Zivilbevölkerung zu erreichen”, sagte der Sprecher. Die rivalisierenden RSF hatten ihre Teilnahme an den Gesprächen zugesagt und waren mit einer Delegation in die Schweiz gereist. Medienberichten zufolge hatten diese aber ebenfalls kurzfristig nicht an den Gesprächen teilgenommen.

    Die SAF hatte ihre Teilnahme lange offen gelassen und gefordert, die RSF müsse sich zunächst zurückziehen. Die RSF kontrollieren unter anderem weite Teile der Hauptstadt Khartum und belagern zudem die Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, Al-Faschir.

    Mehrere Vermittlungsversuche gescheitert

    International gab es bereits eine Reihe verschiedener Versuche, einen Waffenstillstand und Verhandlungen herbeizuführen – mit unterschiedlichen sudanesischen Repräsentanten. In Addis Abeba verhandelten Anfang des Jahres die RSF mit der Bürgerbewegung Taqaddum, die unter Führung des ehemaligen Ministerpräsidenten Abdalla Hamdok Neutralität im Konflikt für sich beansprucht. Im Januar trafen sich zudem in Bahrain Vertreter der SAF und RSF zu Verhandlungen. Auch die Afrikanische Union versuchte mit dem High Level Panel on Sudan zu vermitteln.

    Belastend für alle Verhandlungen seither ist jedoch, dass die bereits einen Monat nach Ausbruch der Kämpfe 2023 verhandelte Dschidda-Vereinbarung zum Schutz der sudanesischen Bevölkerung gebrochen wurde, bevor sie überhaupt richtig in Kraft treten konnte. Diese war von den USA und Saudi-Arabien vermittelt worden. Die SAF wirft der RSF vor, sich nicht an die Vereinbarung gehalten zu haben.

    Indes spitzt sich die Lage im Sudan zu. Bereits vor Beginn der Beratungen in Genf forderte die Welthungerhilfe ein Ende der Übergriffe auf Zivilisten und die Einrichtung humanitärer Korridore. “Mehr als 25 Millionen Menschen, die Hälfte der gesamten Bevölkerung des Sudans, befinden sich in einer kritischen Ernährungslage und 755.000 sind akut vom Hungertod bedroht”, sagte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. Zudem seien mehr als 10 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben. Damit herrscht im Sudan die weltweit größte humanitäre Krise. dre

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    Auswärtiges Amt stellt sich hinter umstrittene UN-Konvention gegen Cyberkriminalität

    Vor einer Woche hat die Ad-Hoc-Kommission der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Cyberkriminalität das erste Abkommen gegen Cyberkriminalität beschlossen. Das Abkommen wurde 2017 von Russland initiiert und nun einstimmig verabschiedet. Menschenrechtsaktivisten bezeichnen den jetzt beschlossenen Text als einen Erfolg für autoritär geführte Staaten, Deutschland verteidigt das als bestmöglichen Kompromiss.

    Strittig war unter anderem, welche Straftaten von der Konvention erfasst werden. Staaten wie Russland, China oder Iran drängten darauf, eine möglichst breit gefasste Definition von Cyberkriminalität zu verwenden, um in möglichst vielen Fällen weitreichende Überwachungsbefugnisse zu erhalten. Diese breitgefasste Definition hat sich nun durchgesetzt. Es wird befürchtet, dass sie ein solches Abkommen missbrauchen, um leichter an Beweise aus dem Ausland zu kommen, mit denen sie gegen Oppositionelle vorgehen können.

    Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dagegen, dass wesentliche Bestimmungen bei den Menschenrechtsstandards in der Konvention erhalten sind. Versuche, entsprechende Paragrafen zu streichen oder zu verwässern seien von einer deutlichen Mehrheit abgelehnt worden seien. “Dies sei Ausschlag gebend gewesen, dass Deutschland zugestimmt habe”, heißt es aus Kreisen des Auswärtigen Amtes.

    Entscheidende Player werden nun in Kooperation gegen Cyberkriminalität eingebunden

    Ein Beispiel ist Artikel 6, wo es heißt: “Keine Bestimmung dieser Konvention darf so ausgelegt werden, dass sie die Unterdrückung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten erlaubt.” Hierzu zählen beispielsweise die “Freiheit der Meinungsäußerung, des Gewissens, der Meinung, der Religion oder des Glaubens.” Staaten wie Iran, Indien, Libyen, Nordkorea, Russland, Sudan, Syrien und Venezuela wollten diesen Absatz streichen, das wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.

    Ferdinand Gehringer, Experte für Cybersicherheit bei der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung stellt sich ebenfalls hinter die Konvention und fügt hinzu, dass nun zumindest ein Rahmen geschaffen wurde, auf den aufgebaut werden kann und der eben nicht nur für europäische Staaten gilt. “Vorher gab es nur die Budapestkonvention, die von den Mitgliedern des Europarats beschlossen wurde. Entscheidende Player wie China waren dadurch ausgeschlossen.”

    Das Abkommen muss im Herbst noch der Generalversammlung vorgelegt werden, die Verabschiedung gilt aber als Formalie. Dann müssen noch die 193 UN-Mitgliedsstaaten die Konvention ratifizieren. Die Konvention tritt in Kraft, wenn 40 Mitgliedsstaaten sie ratifiziert haben. wp

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    Must-Reads

    Foreign Affairs: The Undoing of Israel – The Dark Futures That Await After the War in Gaza. “Israel ist auf dem besten Weg, nicht nur gegenüber den Palästinensern, sondern auch gegenüber seinen eigenen Bürgern zunehmend autoritär zu werden”, schreiben die Autoren dieses Artikels. Sie zeigen auf, welche Zukunft dem Land bevorstehen könnte – potenziell isoliert von der Welt, könnte es von den Unruhen im eigenen Land verschlungen werden – und was es dagegen tun kann.

    The Wall Street Journal – A Drunken Evening, a Rented Yacht: The Real Story of the Nord Stream Pipeline Sabotage. Der ehemalige britische Geheimagent und Schriftsteller John le Carré würde neidisch werden auf diese Geschichte, lebte er noch. Im Text erzählt der Journalist Bojan Pancevski minutiös über den Anschlag auf die Gaspipeline Nord Stream. Ein politischer Thriller.

    Stiftung Wissenschaft und Politik: Zivile Konfliktbearbeitung: Investieren statt kürzen. Deutschland finanziert weltweit Projekte ziviler Konfliktbearbeitung. Doch die Bundesregierung plant hier massive Einsparungen. “Diese Kürzungen sind jedoch nicht mit den außen- und sicherheitspolitischen Erfordernissen einer gewaltsamen Welt im Umbruch zu vereinbaren”, meint Friedens- und Konfliktforscher Gerrit Kurtz und erklärt, warum eine globale Friedensarbeit auch zur Sicherheit Deutschlands beiträgt.

    taz: Der Afghanistan-Ausverkauf. Kein deutscher Botschafter mehr, kein dezidierter Sonderbeauftragter und eine zum Jahresende beendete Präsenz der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit – die Ampel zieht wichtige Institutionen der Afghanistan-Politik ab. Und kapituliere damit vor den Rechten, kritisiert Afghanistan-Experte Thomas Ruttig. “Das einzige Feld, auf dem Afghanistan in der deutschen Politik noch für Getöse sorgt, ist die Asylpolitik.”

    Peace Research Institute Frankfurt: Early Warning for New Trouble? Increasing Social Polarization in Guinea-Bissau. Abseits der internationalen Aufmerksamkeit fanden in Guinea-Bissau in der letzten Zeit Proteste gegen Präsident Umaro Sissoco Embaló statt. Dieser Artikel beschreibt die politischen Positionen von Regierung und Opposition und die Hauptfaktoren für die politische Instabilität – besonders im Hinblick auf die Parlamentswahlen im November.

    Heads

    Rachel Tausendfreund: USA-Erklärerin aus Michigan

    Rachel Tausendfreund ist ab September Senior Policy Fellow bei der DGAP.

    Rachel Tausendfreund erklärt sehr oft die Politik der USA. Die gebürtige US-Amerikanerin hostete als Senior Fellow im Team Geostrategie den Podcast “Out of Order”, in dem sie mit Kollegen vom German Marshall Fund (GMF) Außenpolitik verständlich macht. Die 45-Jährige wechselt den Arbeitgeber und ist ab 1. September Senior Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) für die USA und transatlantische Beziehungen.

    Für sie schließt sich damit ein Kreis. Bei der DGAP hatte Tausendfreund ihre Karriere begonnen – damals noch als Redakteurin. Den Podcast moderiert sie dann nicht mehr: “Jetzt kann ich meine Zeit für die eigene Forschung nutzen.” 

    Auftritte in den Medien sind ihr aber weiterhin ein Anliegen. Ihr ist es wichtig, auch Laien Politik verständlich zu machen, schließlich war sie selbst lange nicht vom Fach. Im ländlichen Michigan aufgewachsen, fand Tausendfreund erst spät zu ihrem Thema “Internationale Beziehungen”. Als Austauschschülerin in Deutschland besuchte sie für einen Tagesausflug Paris und entschied, dort englische Literatur zu studieren. Später ging sie nach Cambridge.

    Forschung richtig kommunizieren

    Das Gefühl, US-Politik erklären zu müssen, hatte sie bereits vor ihrer Karriere in der Politikwissenschaft. Eigentlich interessierte sie sich damals nicht dafür: “Als Amerikanerin wird man oft auf amerikanische Außen- und Innenpolitik angesprochen”, sagt sie. “Ich musste mich ständig erklären.” Sie wechselte ihr Fach, studierte Politikwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt und begann gleichzeitig als Redakteurin und Dolmetscherin zu arbeiten. 

    Zuerst arbeitete Tausendfreund als freie Redakteurin unter anderem bei der DGAP, der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und der Mercator Stiftung. 2010 wurde sie Chefredakteurin der Zeitung “Internationale Politik” und 2014 Editorial Director beim European Council on Foreign Relations. Nach einem Jahr wechselte sie zum GMF, wo sie sieben Jahre als Redaktionsleiterin die Publikationsplanung verantwortete. “Damals konnte ich viele Erfahrungen und Ideen sammeln, wie man Forschung kommunizieren muss”, sagt sie. “Es geht vor allem darum, zum richtigen Zeitpunkt zu veröffentlichen und Themen und Thesen zugänglicher zu machen.” 

    Als Chefredakteurin las und bearbeitete sie früher Texte anderer, kümmerte sich um die Auswahl der Themen und beschäftigte sich viel damit, Forschung nach außen zu tragen. Das änderte sich, als sie 2022 Fellow am GMF wurde. Eine Bestätigung, dass sie als Späteinsteigerin ganz in der Wissenschaft angekommen ist. Lukas Homrich

    • Außenpolitik
    • ECFR
    • Geopolitik
    • SWP
    • USA

    Dessert

    Wer zwei Jahre nach dem russischen Überfall der Ukraine nach harten militärischen Kriterien sucht, weshalb der Krieg nicht so läuft, wie Wladimir Putin sich das im Februar 2022 vorstellte, ist mit Mike Martins “How to Fight a War” gut bedient. In neun knappen Kapiteln erklärt der frühere britische Armeeoffizier “die harte elegante Logik des Kriegs”.

    Zunächst beschreibt der Forscher am King’s College in London, wie die vier Bereiche Strategie und Aufklärung, Logistik, Moral sowie Training entscheidend sind, um militärische Gewalt erfolgreich als politisches Mittel einzusetzen. Im zweiten Teil des Buches führt er aus, wie deren erfolgreiche Orchestrierung in den Domänen Land, Luft, Wasser sowie Informations- und Cyberraum den Unterschied macht zwischen Sieg und Niederlage.

    Die Lektüre lohnt sich auch deshalb, weil sie der aufgeregten sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland seit der Zeitenwende den ausgeruhten britischen Blick entgegensetzt. “Wenn Krieg Politik mit anderen Mitteln ist, wenn wir uns nichts mehr zu sagen haben, dann ist Gewalt im Krieg eine Methode der Kommunikation”, so Martins. mrb

    Mike Martin: How to fight a War – Wie man einen Krieg führt, Mittler, 320 Seiten, 24,95 €.

    Security.Table Redaktion

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