Table.Briefing: Security

Der wahre Wert Grönlands + Die letzten Gefangenen von Guantánamo

Liebe Leserin, lieber Leser,

nur noch zehn Tage, bis Donald Trump der 47. Präsident der Vereinigten Staaten wird. Die EU versucht gelassen darauf zu reagieren, dass mit ihm nach Wladimir Putin und Xi Jinping ein weiterer Staatschef die regelbasierte Weltordnung infrage stellt. Mit Blick auf Trumps Übernahmepläne Grönlands haben wir mit Kollegen in Brüssel und aus unserer China-Redaktion analysiert, welche strategischen Interessen die USA, China und Russland in der Arktis verfolgen und wie ernst die EU Trumps Vorstoß nehmen muss.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, fordert im Gespräch mit Wilhelmine Preußen und Viktor Funk von der EU “eine kompromisslose Position” gegenüber dem von ihm als “bösen Wolf” bezeichneten Russland. Vermittler mit Moskau würden nicht mehr gebraucht, dafür selbstbewusste Verbündete Kiews – so wie die am Donnerstag zum letzten Mal in Ramstein unter Führung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zusammengekommene Ukraine-Kontaktgruppe.

Damir Fras erinnnert in seiner Analyse daran, dass im US-Gefangenenlager Guantánamo 24 Jahre nach den Anschlägen des 11. September 2001 noch immer 15 Gefangene inhaftiert sind.

Eine gute Lektüre,

Ihr
Gabriel Bub
Bild von Gabriel  Bub

Analyse

Seewege, Bodenschätze, militärische Vorherrschaft: Warum Grönland so wichtig ist

US-Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Thule, dem nördlichsten Stützpunkt der US-Luftwaffe, an der Nordwestküste Grönlands, 8. Oktober 2019.

Nicht zum ersten Mal irritiert der designierte US-Präsident Donald Trump die Welt mit seiner Begierde nach Grönland. Dabei könnte er dort eigentlich schon jetzt tun und lassen, was er wollte, sagt Sicherheitsexperte Michael Paul von der Stiftung Wissenschaft und Politik. “In der grönländischen Arktisstrategie aus dem vergangenen Jahr wünschen sich Grönland – und damit auch Dänemark – ein verstärktes Engagement und mehr Investitionen der Amerikaner“, sagt Paul. Damit solle auch der eigene Staatshaushalt entlastet werden.

Das Kaufangebot haben sowohl Grönland als auch Dänemark zurückgewiesen. Nuuk zeigte sich am Donnerstag jedoch bereit, mit den USA bei der Erschließung von Rohstoffen zusammenzuarbeiten. Die USA unterhalten außerdem den großen Luftwaffenstützpunkt Thule auf der Insel. Eine Aufweichung der Verträge zur Zusammenarbeit sei gar nicht nötig, erläutert Paul, und militärische Drohungen seien “völlig deplatziert, bei einem guten Verbündeten wie Dänemark sowieso”. Es sei aber schon immer Trumps Taktik gewesen, Vorhaben groß anzukündigen, um am Ende schließlich Minimalziele zu erreichen. Dass Trump mehr Einfluss in Grönland will, sei klar.

Dänemark möchte keine verbale Eskalation

Es gebe viele Drohungen, die sich nicht materialisiert hätten, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Donnerstag mit Blick auf Trumps Aussagen, auch vor Gewalt nicht zurückzuschrecken. Man wolle nicht auf jede hypothetische Frage antworten. Brüssel reagiert also ausweichend. Man freue sich darauf, mit der künftigen US-Regierung an einer starken transatlantischen Agenda zu arbeiten. Priorität sei, mit Blick auf gemeinsame strategische Ziele möglichst viele Wege der Zusammenarbeit vorzubereiten.

Zusammenarbeit ist womöglich nicht die Priorität von Trump, der gerne eigene Interessen durchsetzt. Wenn der designierte US-Präsident Dänemark mit Zöllen droht, demonstriert er vor allem seine Unkenntnis: Die USA könnten Strafzölle nur gegen die EU insgesamt verhängen, nicht gegen einen einzelnen Mitgliedstaat. Trump wollte auf Nachfrage nicht ausschließen, die Interessen in Grönland mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Damit auch gegen Dänemark, denn Grönland hat zwar 1982 nach einem Referendum die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft verlassen, gilt aber nach wie vor als Teil des dänischen Königreichs. 

Die Souveränität von Staaten müsse geachtet werden, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Und ja, sollte Dänemark in einem hypothetischen Konflikt um Grönland die europäischen Partner zu Hilfe rufen, würde die Beistandpflicht nach Artikel 42 Absatz 7 gelten. Aber weshalb reagiert Brüssel so vorsichtig auf die Drohungen?

Dänemark habe kein Interesse an einer verbalen Eskalation und deshalb um Zurückhaltung gebeten, sagen Diplomaten in Brüssel. Jetzt mit zusätzlichen Äußerungen Öl ins Feuer zu gießen, werde nur die Verhandlungsposition später erschweren. Entsprechend waren Trumps Drohungen zu Grönland am Donnerstag auch nicht auf der Agenda der EU-Botschafter in Brüssel. 

Moskaus Interessen in der Arktis

Dafür reagierte Moskau schnell auf Trumps kühne Pläne: “Die arktische Zone ist eine Zone unserer nationalen, unserer strategischen Interessen”, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. “Wir befinden uns in der arktischen Zone und wir werden dort weiterhin bleiben.” Peskow betonte, Russland habe ein Interesse an einer friedlichen und stabilen Atmosphäre in der Arktis und sei zur Zusammenarbeit mit allen Staaten der Welt bereit.

Im Sommer 2007 hatte Russland in einer Aufsehen erregenden U-Boot-Aktion in mehr als 4.200 Metern Tiefe eine Fahne auf den Meeresboden des Nordpols gesetzt und damit den Anspruch auf das Gebiet unterstrichen. Vor fast 20 Jahren schon reaktivierte Russland alte, sowjetische Militärbasen in der Arktis und baut neue Kräfte auf. Auch die Modernisierung der strategischen U-Boote der Nordmeer-Flotte läuft. Im Dezember 2023 besuchte Präsident Wladimir Putin die große russische Werft Sewmasch am Weißen Meer, die in den kommenden Jahren drei strategische U-Boote der Klasse Borej-A bauen soll. Es ist die vierte und modernste Generation der russischen Atom-U-Boote.  

Die im Sommer 2022 aktualisierte maritime Strategie schreibt der Arktis eine große Bedeutung zu. In 21 Punkten werden die Pläne Russlands definiert: von der Ausbeutung von Bodenschätzen über den Ausbau von Häfen und Seewegen bis hin zur Forschung. Im Kern steht für Moskau die Sicherung des Anspruchs auf das arktische Gebiet. Wie Table.Briefings bereits berichtete, sehen sowohl die Nato als auch die Bundesregierung sicherheitspolitischen Handlungsbedarf in der Arktis und passen ihre Überlegungen an. Der kooperative Ansatz der Nachbarstaaten in der Arktis-Region scheint derzeit nicht mehr Realität zu sein.

Peking will auch die Rohstoffe ausbeuten

Als gebe es nicht genug Streit in der Region – auch China will vor allem wirtschaftlich von Grönland profitieren. Im Rahmen seiner “polaren Seidenstraße”, der arktischen Ergänzung zur “Belt and Road”-Initiative, will Peking seinen Einfluss in Grönland ausweiten. Bereits heute ist China nach Dänemark der zweitgrößte Handelspartner der Insel, etwa bei Fischereiprodukten. Im Fokus Pekings stehen jedoch vor allem strategische Ressourcen wie Seltene Erden und Uran. Großprojekte wie das Kuannersuit-Uranabbauprojekt oder der Bau zweier Flughäfen durch die staatliche China Communications Construction Company (CCCC) scheiterten jedoch am Veto Washingtons.  

Aktuell ist China aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Schwäche zurückhaltend bei Auslandsinvestitionen. Dennoch bleibt Grönland eines der wichtigsten strategischen Ziele in der Region, was auch regelmäßige Treffen zwischen chinesischen und grönländischen Politikern verdeutlichen. Grönlands Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und das Gefühl, von Kopenhagen und Washington bevormundet zu werden, könnte dazu führen, dass sich Nuuk mehr für chinesische Investitionen öffnet. Vor allem, wenn sich die geopolitische Lage in der Arktis verändert, sollten Russland und China ihre Partnerschaft dort auch militärisch weiter ausbauen. 

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Ukrainischer Botschafter Makeiev: “Keine Entscheidungen über Europa ohne Europa”

Oleksii Makeiev fordert von der deutschen Politik, das Thema Ukraine im Wahlkampf nicht auszusparen.

Herr Botschafter, viele Veränderungen stehen an. Berichten zufolge endet Ihre Zeit als Botschafter nach mehr als zwei Jahren, in Deutschland stehen Neuwahlen an und in den USA ein Präsidentschaftswechsel. Wenn Sie zurückblicken, was haben Sie als Botschafter in Deutschland erreicht?

Ich bleibe Botschafter, bis ich die Grenze mit Polen überquere. Wir haben noch sehr viel zu tun, jeden Tag. Jeder Tag ist wichtig für uns, für die Ukrainer, für mich persönlich als Diplomat, für mein Team. Ich bin eigentlich sehr stolz darauf, was wir erreicht haben. Von 5.000 Helmen zu Leoparden und Patriot-Flugabwehrsystemen, von Business mit Russland zum Business ohne Russland. Die Ukraine bleibt ein wichtiges Thema in Deutschland und die Unterstützung der Bevölkerung bleibt stabil. Und dafür danke ich auch jedem deutschen Steuerzahler, weil gerade die Hilfen, die aus Deutschland kommen, gehen auf Steuerzahler zurück.

Die Unterstützung der Deutschen vor allem für die Militärhilfe sinkt. Laut aktuellen Umfragen sind es neun Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Immerhin liegt sie noch bei 60 Prozent. Im Wahlkampf scheint das Thema fast schon ein Tabu zu sein. Wie wollen Sie den Deutschen signalisieren, dass die Hilfe weiter nötig ist?

Es wäre angebracht, wenn deutsche Politiker ehrlich gegenüber ihren Wählern sind. Es wäre gut für den Wahlkampf, über die Ukraine zu sprechen. Denn die Ukraine betrifft alle Themen, die die demokratischen Parteien für sich als Wahlkampfthemen bestimmt haben – Migration, Sozialleistungen, Wirtschaft. Noch mal zu der Umfrage: 2022 wurde ich gewarnt, jetzt sei die Unterstützung mit 70 Prozent noch groß, aber im nächsten Jahr wird sie runter auf 50 oder unter 30 Prozent fallen. Das ist nicht passiert.

Die Bundesregierung von Olaf Scholz steht von Anfang an in der Kritik, vor allem wegen der langen Diskussionen vor jedem militärischen Hilfspaket. Kürzlich schrieben die Forschenden Claudia Major und Christian Mölling in einem Gastbeitrag bei Table.Briefings von “deutscher Selbstzufriedenheit” und “Belehrung anderer”. Fühlt sich Kyjiw vom Westen, von Deutschland belehrt?

Ja, sehr oft. Das ändert sich sofort, wenn die Politiker in die Ukraine reisen. Einige kommen nicht nur eben im Nachtzug und reisen sofort wieder ab, sondern bleiben ein paar Tage, übernachten im Hotel und müssen plötzlich runter in den Schutzbunker. Dann wird man nicht mehr belehrt, dass schon genug geliefert wurde.

Ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zuletzt im Gespräch mit dem US-Podcaster Lex Fridman angedeutet, dass die Ukraine im Gegenzug für eine Nato-Mitgliedschaft akzeptieren würde, dass einige Gebiete nicht unter ihrer Kontrolle sein werden, zumindest temporär. Sehen Sie nicht, dass irgendeine Art von Kompromiss unausweichlich ist?

Das Leben der Menschen ist etwas, was nicht als Kompromiss behandelt werden kann. Es hängt am Ende davon ab, wie stark wir in die Verhandlungen eintreten. Ich war an vielen Verhandlungen im Normandie-Format dabei. Gut ist es, wenn wir als Verbündete in die Verhandlungen mit Russland eintreten. Wenn Russland spürt, dass da nicht nur ein Vermittler sitzt, sondern ein Verbündeter der Ukraine. Wir brauchen keine Vermittler, wir brauchen Verbündete. Wir hatten Hunderte von Verhandlungsrunden mit Russland. Wir hatten Dutzende von Feuerpausen, aber die wurden immer von Russland gebrochen. Deswegen sprechen wir über eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, weil es heute für Ukrainer, aber auch für die Deutschen keine bessere Sicherheitsgarantie gibt als die Nato.

Im Interview mit Fridman wird deutlich, dass Ihr Präsident hofft, der künftige US-Präsident Trump könnte Gespräche mit Moskau initiieren. Ist es am Ende nicht das, was Putin eigentlich von Anfang an will, dass er mit den USA über die neuen Interessensphären in Europa verhandelt?

Wir müssen uns wenig Sorgen darüber machen, was Putin will. Seine Pläne sind klar, er will den Westen schwächen. Und ja, in Russland will man mit den Großen sprechen, mit den USA. Aber sorry, Europa ist auch groß genug.

Aber Europa spricht nicht, Europa will diese Führungsrolle offensichtlich nicht.

Es ist eine Zeitenwende 2.0. Man muss begreifen, dass Europa eine wichtige Rolle spielt. Es kann keine Entscheidungen über Europa ohne Europa geben. Wir alle zusammen, die westlichen Demokratien, sind sehr stark. Wir sind weit überlegen gegenüber Russland. Und schauen Sie, was die Streitkräfte der Ukraine in diesen drei Jahren geschafft haben …

Ohne die USA wäre das alles nicht möglich gewesen, so ehrlich muss man sich schon auch machen. Wenn Trump sagt, “ich will die Ukraine nicht mehr in dem Maße unterstützen”, dann sieht die Welt für die Ukraine ganz anders aus.

Natürlich spielen die Vereinigten Staaten eine enorm wichtige Rolle. Sie sind ausschlaggebend, auch für die künftigen Verhandlungen. Aber wir brauchen auch die Europäische Union in einer kompromisslosen Position gegenüber dem bösen Wolf.

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Terrorismusbekämpfung: Noch 15 Gefangene in Guantánamo

Im Jahr 2015 hatte die US-Marine die Zukunft schon vorweggenommen. In einer Broschüre, die für auswärtige Besucher in den Gästezimmern des US-Flottenstützpunkts Guantánamo Bay auf Kuba auslag, stand geschrieben: “Im Januar 2009 hat Präsident Obama den Befehl gegeben, das Gefangenenlager zu schließen.” Doch daraus wurde bis heute nichts. An diesem Samstag ist es genau 23 Jahre her, dass die ersten Gefangenen des Krieges gegen den Terror nach 9/11 in Freiluftzellen an der Südostspitze der karibischen Insel untergebracht wurden. Und auch wenn US-Präsident Joe Biden das berüchtigte Gefangenenlager offenbar gerne noch aufgelöst hätte, bevor Donald Trump am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht, wird auch daraus aller Wahrscheinlichkeit nach nichts werden.

Vor wenigen Tagen hat die Biden-Regierung die Zahl der Gefangenen noch einmal verkleinert. Elf Männer aus dem Jemen, die seit 20 Jahren hier einsitzen, ohne jemals angeklagt worden zu sein, wurden in das Sultanat Oman überstellt. Nun gibt es noch 15 Gefangene in den zwei Gefängnisblöcken mit Platz für 250 Menschen. Sie werden von 800 US-Soldaten und Zivilisten bewacht. Das entspricht einem Verhältnis von 53 Wachleuten auf einen Gefangenen.

Guantánamo dürfte nach wie vor das teuerste Gefängnis der USA sein. Zu Obamas Zeiten verschlang es fast 450 Millionen US-Dollar im Jahr. Drei der Gefangenen könnten demnächst noch in Freiheit kommen, bei drei weiteren soll es regelmäßig Überprüfungen geben, ob sie ins Ausland überstellt werden können. Die übrigen, unter ihnen der mutmaßliche Chefplaner der Anschläge vom 11. September 2001, Chalid Scheich Mohammed, sind wegen Kriegsverbrechen angeklagt oder bereits verurteilt. Eine Überstellung von ihnen in Gefängnisse auf dem US-Festland ist aber kaum zu erwarten. Sie gelten in den USA als sogenannte “ewige Gefangene” und werden als so gefährlich eingestuft, dass sie nie mehr in Freiheit kommen sollen.

Zunächst Käfige, dann erst Gefängnisgebäude

Die Geschichte des US-Gefangenenlagers Guantánamo beginnt kurz nach 9/11 und dem US-Einmarsch in Afghanistan. Die Regierung von Präsident George W. Bush war auf der Suche nach einem Ort, an dem Terrorverdächtige festgehalten und verhört werden sollten – ohne ihnen den vergleichsweise privilegierten Status von Kriegsgefangenen zugestehen zu müssen.

Dafür schufen Juristen der US-Regierung die bis dahin unbekannte juristische Kategorie der sogenannte “enemy combatants” (etwa: feindliche Kämpfer), die nicht als Straftäter, aber auch nicht als Kriegsgefangene angesehen werden. Am Rande des US-Marinestützpunkts Guantánamo wurden erst Käfige errichtet, später feste Gefängnisgebäude. Zwischenzeitlich wurden dort etwa 660 Menschen festgehalten, bewacht von mehr als 2.000 Soldaten und Zivilisten. Seit der Einrichtung des Lagers fordern Menschenrechtsorganisationen seine Schließung und beklagen Verstöße gegen Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit.

Der Landstreifen an der Südostküste Kubas wird seit 1903 von der US-Marine genutzt. Die USA hatten Kuba geholfen, die spanische Kolonialherrschaft abzuschütteln – und verlangten dafür eine Marine-Basis. Eine jährliche Pachtzahlung von 2.000 US-Dollar wurde vereinbart, die später auf 4.000 Dollar erhöht wurde. Nach der Revolution von 1959 weigerte sich die kubanische Regierung jedoch, die Schecks aus Washington einzulösen, um die Anwesenheit der US-Amerikaner auf der Insel nicht zu legitimieren.

Die ersten Versuche, das Gefangenenlager zu schließen, begannen schon bald nach Amtsantritt von Barack Obama Anfang 2009. Damals hatten die Demokraten eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat: Das Ziel, Guantánamo zu schließen, hätte erreicht werden können. Aber alles verzögerte sich – und die Republikaner eroberten die Mehrheit im Kongress. Dann verabschiedeten sie ein Gesetz, laut dem kein Gefangener aus Guantánamo jemals US-Boden betreten darf. Das Argument der Republikaner: Die USA holten sich damit potenzielle Terroristen nach Hause. An dieser Haltung änderte auch Obamas Argumentation nichts, dass Guantánamo gegen Amerikas Grundwerte verstoße und von Terroristen als Mittel zur Rekrutierung von Nachwuchs genutzt werde.

Trump wollte “schwere Jungs” für Guantánamo

Mit dem ersten Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2016 endeten vorerst alle Bemühungen, Guantánamo zu schließen. Das Lager, so damals die Argumentation der US-Konservativen, bewahre das Land vor erneuten Terrorattacken. Trump erklärte sogar, er werde Guantánamo wieder “mit ein paar schweren Jungs auffüllen”. Das geschah allerdings nicht.

Erst mit Trumps Nachfolger Joe Biden kam wieder Bewegung in die Debatte. Diese nahm vor allem nach dem Sommer 2021 an Fahrt auf. Der Grund war der komplette Abzug der US-Truppen aus Afghanistan. Damit entfiel in gewisser Weise auch die Begründung für die Existenz des Lagers.

Dagegen häuften sich die Probleme bei der Überstellung von Gefangenen ins Ausland. Knapp drei Jahre etwa dauerten die Vorbereitungen für die Entlassung der elf Jemeniten. Es war bereits ein Flugzeug für die Männer organisiert worden, als im Oktober 2023 die Hamas Israel mit Terror überzog. Der Flug und die Überstellung nach Oman wurden aus Sorge vor der Instabilität im Nahen Osten abgesagt.

Erst vor wenigen Tagen wurden die Männer schließlich in das Sultanat gebracht. Ob auch die restlichen Gefangenen in Freiheit kommen, ist mehr als ungewiss. Schon die Biden-Regierung hatte in den vergangenen Monaten nach Ansicht von Beobachtern Guantánamo wegen der zahlreichen Krisen nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste. Unter Trump dürfte sich das nicht verändern.

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Ramstein: Was der US-Präsidentenwechsel für das Format bedeutet

Beim letzten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe unter der Leitung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf der US Air Base Ramstein kündigten die Teilnehmer auch mit Blick auf den Präsidentenwechsel noch einmal neue Hilfspakete an und sendeten indirekte Signale an die neue US-Administration. Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte vor Beginn des Treffens, dass es nicht nur darum gehe, der Ukraine alles zu geben, was sie brauche, um aus einer Position der Stärke in Verhandlungen zu treten. Es gehe auch um Lastenteilung, so Rutte. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat wiederholt betont, dass die europäischen Verbündeten ihre Beiträge zur Unterstützung der Ukraine erhöhen müssen.

Dabei lobte Rutte explizit die Beiträge Berlins. “Deutschland hat bisher fast 30 Milliarden Euro an Unterstützung in Form von Ausbildung und Ausrüstung für die Ukraine bereitgestellt”, sagte er. Am Donnerstag kündigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) außerdem an, dass Deutschland die Ukraine kurzfristig mit weiteren Lenkflugkörpern für Luftverteidigungssysteme des Typs Iris-T unterstützt, die ursprünglich für die Bundeswehr gedacht waren. Eine genaue Zahl nannte der SPD-Politiker nicht.

NSATU in Wiesbaden könnte wichtiger werden

Als wahrscheinlich letztes Paket der Biden-Administration kündigten die USA Militärhilfen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar (486 Millionen Euro) an. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der zum letzten Treffen unter Austins Führung nach Deutschland gereist war, die Partnerländer zur Unterstützung der Kampfdrohnenproduktion in seinem Land aufgerufen und um mehr Flugabwehrwaffen gebeten.

Es wird befürchtet, dass Trump als US-Präsident die Unterstützung reduzieren wird und versuchen könnte, die Ukraine zu Verhandlungen zu drängen. Ob es unter ihm weitere Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein geben wird, ist fraglich. Dann könnte dem Nato-Ukraine-Kommando NSATU (Nato Security Assistance and Training for Ukraine) in Wiesbaden eine größere Rolle zukommen. wp

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Sanktionen gegen Syrien: Welche Lockerungen die EU auf ihrem Gipfel Ende Januar plant

Die EU-Außenminister wollen auf dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten in drei Wochen Erleichterungen bei den Sanktionen gegen Syrien beschließen. Wie Table.Briefings aus diplomatischen Kreisen erfuhr, sind bei dem Gipfel am 27. Januar Lockerungen bei einigen der seit 2011 verhängten Sanktionen gegen das damalige Regime von Exmachthaber Baschar al-Assad vorgesehen. Darunter könnten Erleichterungen beim zivilen Flugverkehr fallen. Der Botschafter Syriens bei den Vereinten Nationen, Koussay Aldahhak, hatte am Donnerstag eine vollständige Aufhebung der Sanktionen gegen sein Land gefordert. Frankreich Außenminister Jean-Noël Barrot sagte am Mittwoch, Sanktionen, die die Lieferung humanitärer Hilfe behindern und den Wiederaufbau des Landes erschweren, könnten rasch aufgehoben werden.

Die neue Hohe Repräsentantin der Europäischen Union für Außenbeziehungen, Kaja Kallas, hatte vergangene Woche Außenministerin Annalena Baerbock und Barrot im Auftrag der EU nach Damaskus geschickt – um deutlich zu machen, dass die beiden größten EU-Mitgliedsstaaten mit einer Stimme sprächen; auch der Leiter der EU-Delegation für Syrien, der deutsche Diplomat Michael Ohnmacht, war beim Treffen Baerbocks und Barrots mit Ahmed al-Scharaa, dem neuen syrischen Machthaber, vergangenen Freitag in Damaskus dabei.

Ein bislang reibungsloser Übergangskurs

Die Bilanz Scharaas seit der Flucht Assads nach Moskau vor einem Monat ist beachtlich: Der Wandel vom Chef der Islamistenmiliz Hajat Tahrir al-Sham (HTS) unter dem Nom de Guerre Mohammed al-Golani zum staatstragenden Politiker verläuft bislang erstaunlich reibungslos – mit viel Fingerspitzengefühl hat er die ersten vier Wochen des Übergangskurses politisch gemanagt. Die Posten an den Spitzen von Zentralbank und Bildungsministerium wurden mit Frauen neu besetzt, die neue Gouverneurin von Suweida im Süden des Landes, Muhsina al-Mahithawi, ist Angehörige der drusischen Minderheit.

Die ausgestreckte Hand Scharaas zu konfessionellen Minderheiten wie zur nach Aufklärung der Verbrechen des Assad-Regimes rufenden Zivilgesellschaft wird von westlichen Diplomaten begrüßt. Entscheidend werde sein, ob auf die Einberufung einer Nationalen Konferenz im März konkrete nächste Schritte folgen zur Erarbeitung einer neuen Verfassung und Vorbereitung landesweiter Wahlen. mrb

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Marine: Inspekteur will “maximale Einsatzbereitschaft spätestens 2029”

Mehr Bereitschaft, mehr Tempo, mehr Innovation: Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, hat seine Teilstreitkraft auf “maximale Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft bis spätestens 2029” eingeschworen. Diese Vorgabe machte Kaack am Donnerstag in seiner “Absichtserklärung 2025″ auf der Historisch-Taktischen Tagung der Marine in Linstow. “Noch vor Ende der Dekade” drohe angesichts der massiven Hochrüstung und des aggressiven Verhaltens Russlands die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit der Nato, heißt es in der Erklärung, die Table.Briefings vorliegt.

“Kernauftrag der Marine ist und bleibt die Sicherung der Nordflanke”, nannte der Inspekteur den Schwerpunkt für den maritimen Anteil der Landes- und Bündnisverteidigung. Für weitere Aufträge bedürfe es einer “klaren Priorisierung”. Diese Formulierung dürfte eine indirekte Forderung an die Politik sein, Anforderungen an die und Einsätze der Marine vor allem im Internationalen Krisenmanagement zu überdenken- so bei EU-Missionen wie Irini oder Aspides oder beim UN-Einsatz vor dem Libanon.

Marine führt Bereitschaftsboote wieder ein

Um schnell auf verdächtiges Verhalten von Schiffen vor allem in der Ostsee reagieren zu können, will die Marine wieder ein Schiff und zudem ein Flugzeug oder einen Hubschrauber rund um die Uhr in Bereitschaft halten. Ein “Bereitschaftsboot” jeweils für Ost- und Nordsee hatte es zuletzt im Kalten Krieg gegeben. Die Seestreitkräfte pochen zudem auf klare Regelungen für den Schutz der maritimen Infrastruktur – das Militär darf selbst seine Expertise auf See nur in Amtshilfe für Landes- oder Bundespolizei einbringen und hofft deshalb auf “Festlegung einer eindeutigen Verantwortlichkeit”.

Mehr Tempo will Kaack bei den Instandsetzungsvorhaben und neuen Beschaffungen, um die operative Verfügbarkeit der Marine zu erhöhen. Dabei geht es dem Inspekteur nicht allein um klassische Kriegsschiffe und U-Boote: Eine bewaffnete Überwasserdrohne, das Future Combat Surface System (FCSS), soll noch vor 2029 eingeführt werden – ebenso Künstliche Intelligenz zur Auswertung von Schiffsbewegungen und Sensordaten. klm/tw

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Nato verstärkt Präsenz in der Ostsee

Als Reaktion auf die mutmaßlichen Sabotagevorfälle an maritimen Unterwasserinfrastrukturen im November und Dezember verstärkt die Nato ihre Präsenz in der Ostsee. Im operativen Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses in Brunssum laufe derzeit ein sogenannter Truppenbildungsprozess, bei dem die Ostseeanrainerstaaten Einheiten benachrichtigten, die an dem Einsatz im Rahmen einer “Enhance Vigilance Acticity” teilnehmen können, berichtet der schwedische Fernsehsender SVT Nyheter. Ab Freitag bis vorläufig April werde die Nato eine Flotte von etwa zehn Schiffen in die Ostsee entsenden, berichtet die Nachrichtenredaktion des finnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks Yle.

Die Nato selbst hat die Pläne noch nicht bestätigt. Dies könnte am Dienstag bei einem Gipfeltreffen der Ostseeanrainerstaaten in Helsinki geschehen. Neben Nato-Generalsekretär Mark Rutte werden dort auch Bundeskanzler Olaf Scholz, und die Regierungschefs von Estland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden sowie Vertreter der EU-Kommission teilnehmen.

JEF unterstützt Nato-Operation

Rutte hatte nach den Vorfällen im Dezember am Stromkabel EstLink 2 zwischen Finnland und Estland und der Beschädigung mehrerer Telekommunikationskabel im Finnischen Meerbusen Finnland und Estland die Unterstützung des Bündnisses zugesagt. Die nun entsandten Schiffe sollen in der Nähe von Energiepipelines und Strom- und Datenkabeln patrouillieren, um das Risiko eines weiteren Angriffs zu senken.

Die Nato-Operation soll von der britisch geführten “Joint Expeditionary Force” (JEF) unterstützt werden, einer Initiative von zehn nordeuropäischen Ländern, die auch Mitglied der Allianz sind. Die JEF aktivierte dafür Anfang der Woche ihr KI-gestütztes System “Nordic Warden”, das verdächtige Schiffsbewegungen in der Ostsee, aber auch im englischen Kanal verfolgt. klm/tw

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Must-Reads

The Insider: Afgantsy Redux: How Russian military intelligence used the Taliban to bleed U.S. forces at the end of America’s longest war. Die Rechrche zeigt, wie der russische Militärgeheimdienst GRU über Jahre Terrorgruppen in Afghanistan finanzierte, um US- und Koalitionstruppen anzugreifen. Durch eine vom Geheimdienst genutzte Tarnfirma, die mit Edelsteinen handelte, lieferten afghanische Kuriere Geld an Taliban-Kämpfer und andere Milizen weiter und erhielten im Gegenzug Asyl in Russland.

Foreign Affairs: Can America’s Allies Save America’s Alliances? Donald Trumps Kurs könnte zu einer Neuorientierung ausländischer Verbündeter und einer stärkeren Zusammenarbeit von europäischen Partnern untereinander führen, schreibt der Autor Robin Niblett. Die Gefahr besteht, dass Trump sich gegen eine militärische Unterstützung im Falle eines russischen Angriffs auf einen Nato-Verbündeten gemäß Artikel 5 des Bündnisses entscheidet.

The Barents Observer: Kadyrov’s militant network is expanding into the Russian north. Seit 2022 hat die sogenannte Russische Spetsnaz Universität im tschetschenischen Gudermes über 47.000 Soldaten ausgebildet. Durch die Eröffnung mehrerer russischer Büros von der militanten Organisation VOIN sollen auch Jugendliche erreicht werden.

Kyiv Independent: Garry Kasparov: ‘You never hear Russian opposition actually say Ukraine must win’.
Der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow kritisiert, dass die russische Opposition sich zwar gegen Wladimir Putin stelle, jedoch trotzdem für die Aufhebung von westlichen Sanktionen stehe. Für einen demokratischen Wandel müsse Russland nicht nur eine vollständige Niederlage erleiden, sondern auch mit seinem imperialistischen Erbe brechen.

Standpunkt

DRK-Präsidentin zum Bevölkerungsschutz: Politik muss endlich Verantwortung übernehmen

Von Gerda Hasselfeldt
Gerda Hasselfeldt ist seit 2017 Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes.

Was müsste in den nächsten 1.000 Tagen geschehen, um eine Zeitenwende beim Bevölkerungsschutz einzuleiten und umzusetzen, die zeigt, dass sich die Politik der Thematik endlich verantwortungsbewusst annimmt? Aus meiner Sicht ist der wichtigste Punkt, dass man von schönen Sonntagsreden wegkommt und sich dem wirklichen Gestalten zuwendet. Die Probleme sind hinlänglich bekannt.

Das DRK fordert 0,5 Prozent des Bundeshaushalts, die in den Bevölkerungsschutz fließen müssten, also rund 2,4 Milliarden Euro als angemessene Beteiligung des Bundes an diesem Thema. In den vergangenen Jahren lag diese Summe im Haushalt aber bei nicht einmal 600 Millionen Euro. Dies hat zur Folge, dass für Kernprojekte eines zeitgemäßen Bevölkerungsschutzes Jahr für Jahr die Mittel fehlen, was uns im Fall einer Krise (auch finanziell) teuer zu stehen kommen wird. Hier gilt die alte Binsenweisheit: Vorsorge ist besser als Nachsorge.

So brauchen wir zum Beispiel mehr “Mobile Betreuungsmodule 5.000”. Mit diesen Modulen können in Krisensituationen jeweils bis zu 5.000 Personen autark untergebracht, betreut und versorgt werden. Bisher sind eineinhalb dieser Module anfinanziert, mindestens zehn Stück sollen bis 2027 zur Verfügung stehen. Wie das gelingen soll, wenn dafür 2025 keine Haushaltsmittel eingestellt sind, ist für mich ein Rätsel.

Bisher kaum Informationen über vulnerable Gruppen

Die Ausbildung von Pflegeunterstützungskräften, welche in einer Ausnahmesituation beispielsweise in Notunterkünften helfen könnten, müsste ebenfalls dringend vorangebracht werden. Man könnte an dieser Stelle mit einem geringen zweistelligen Millionenbetrag Deutschland deutlich krisenfester machen.

Auch bei Erste-Hilfe-Kursen mit Selbstschutzinhalten könnte noch mehr passieren. Die beabsichtigte Förderung der Ausbildung von 450.000 Personen im Zeitraum 2025 bis 2029 ist noch zu klein gedacht. Um die Fähigkeiten zur Selbsthilfe in der Bevölkerung in dem Maße aufzubauen, wie diese im Krisenfall benötigt würden, müssten rund zehnmal so viele Menschen ausgebildet werden wie vorgesehen. Zudem sollte es vielerorts einen stärker vorausschauenden Ansatz geben. Dadurch hätte man in einer Notlage zum Beispiel mehr Risikoinformationen über vulnerable Gruppen wie zum Beispiel die Aufenthaltsorte pflegebedürftiger Menschen.

Helfergleichstellung dringend benötigt

Ein weiterer Punkt wird häufig vergessen: die große Rolle des Ehrenamts. Der Bevölkerungsschutz in Deutschland wird zu 90 Prozent von Ehrenamtlichen getragen. Damit das selbst bei steigenden Herausforderungen so bleibt, wird mehr Anerkennung dessen benötigt, was hier Menschen Tag für Tag leisten. Es braucht eine Förderung der hauptamtlichen Unterstützungsstrukturen. Weiter braucht es endlich eine bundesweit einheitliche rechtliche Gleichstellung von Helfenden aller anerkannten Hilfsorganisationen mit THW und Feuerwehren bezüglich Arbeitsfreistellung und Lohnfortzahlung bei Einsätzen, Weiterbildung und Übungen.

Doch nicht nur auf Bundesebene müsste vieles passieren, um die Zeitenwende im Bevölkerungsschutz zu vollziehen. Wie der Bund müssten auch viele Bundesländer und Kommunen verantwortungsvoller handeln und ihre Bürgerinnen und Bürger besser vor der nächsten Katastrophe schützen. Denn eines ist klar: Die Zeit drängt. Der Schutz der Bevölkerung muss der verantwortlichen Politik mehr wert sein – heute, morgen, in den nächsten 1.000 Tagen und darüber hinaus.

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Jorge Tamarit Degenhardt wird neuer Eurofighter-CEO

Die Gesellschafter des Eurofighter-Konsortiums haben Jorge Tamarit Degenhardt zum neuen Geschäftsführer der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH bestimmt. Seine Ernennung erfolgt im Rahmen der alle drei Jahre stattfindenden Rotation auf dem Posten, teilte das Konsortium mit. Der Deutsch-Spanier folgt auf Giancarlo Mezzanatto, der zu Leonardo zurückkehrt.

Tamarit Degenhardt kommt von Airbus Defence and Space, wo er zwei Jahrzehnte lang verschiedene Management-Positionen innehatte, wie Eurofighter mitteilte. Zuletzt war er Programmleiter für Spanien, wo er die Airbus-Beiträge zum Eurofighter-Konsortium verantwortete. Das Konsortium setzt sich aus Airbus Defence and Space in Deutschland und Spanien sowie BAE Systems in Großbritannien und dem italienischen Leonardo zusammen. bub

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, fordert im Gespräch mit Wilhelmine Preußen und Viktor Funk von der EU “eine kompromisslose Position” gegenüber dem von ihm als “bösen Wolf” bezeichneten Russland. Vermittler mit Moskau würden nicht mehr gebraucht, dafür selbstbewusste Verbündete Kiews – so wie die am Donnerstag zum letzten Mal in Ramstein unter Führung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zusammengekommene Ukraine-Kontaktgruppe.

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    Gabriel Bub
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    Analyse

    Seewege, Bodenschätze, militärische Vorherrschaft: Warum Grönland so wichtig ist

    US-Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Thule, dem nördlichsten Stützpunkt der US-Luftwaffe, an der Nordwestküste Grönlands, 8. Oktober 2019.

    Nicht zum ersten Mal irritiert der designierte US-Präsident Donald Trump die Welt mit seiner Begierde nach Grönland. Dabei könnte er dort eigentlich schon jetzt tun und lassen, was er wollte, sagt Sicherheitsexperte Michael Paul von der Stiftung Wissenschaft und Politik. “In der grönländischen Arktisstrategie aus dem vergangenen Jahr wünschen sich Grönland – und damit auch Dänemark – ein verstärktes Engagement und mehr Investitionen der Amerikaner“, sagt Paul. Damit solle auch der eigene Staatshaushalt entlastet werden.

    Das Kaufangebot haben sowohl Grönland als auch Dänemark zurückgewiesen. Nuuk zeigte sich am Donnerstag jedoch bereit, mit den USA bei der Erschließung von Rohstoffen zusammenzuarbeiten. Die USA unterhalten außerdem den großen Luftwaffenstützpunkt Thule auf der Insel. Eine Aufweichung der Verträge zur Zusammenarbeit sei gar nicht nötig, erläutert Paul, und militärische Drohungen seien “völlig deplatziert, bei einem guten Verbündeten wie Dänemark sowieso”. Es sei aber schon immer Trumps Taktik gewesen, Vorhaben groß anzukündigen, um am Ende schließlich Minimalziele zu erreichen. Dass Trump mehr Einfluss in Grönland will, sei klar.

    Dänemark möchte keine verbale Eskalation

    Es gebe viele Drohungen, die sich nicht materialisiert hätten, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Donnerstag mit Blick auf Trumps Aussagen, auch vor Gewalt nicht zurückzuschrecken. Man wolle nicht auf jede hypothetische Frage antworten. Brüssel reagiert also ausweichend. Man freue sich darauf, mit der künftigen US-Regierung an einer starken transatlantischen Agenda zu arbeiten. Priorität sei, mit Blick auf gemeinsame strategische Ziele möglichst viele Wege der Zusammenarbeit vorzubereiten.

    Zusammenarbeit ist womöglich nicht die Priorität von Trump, der gerne eigene Interessen durchsetzt. Wenn der designierte US-Präsident Dänemark mit Zöllen droht, demonstriert er vor allem seine Unkenntnis: Die USA könnten Strafzölle nur gegen die EU insgesamt verhängen, nicht gegen einen einzelnen Mitgliedstaat. Trump wollte auf Nachfrage nicht ausschließen, die Interessen in Grönland mit militärischer Gewalt durchzusetzen. Damit auch gegen Dänemark, denn Grönland hat zwar 1982 nach einem Referendum die damalige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft verlassen, gilt aber nach wie vor als Teil des dänischen Königreichs. 

    Die Souveränität von Staaten müsse geachtet werden, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Und ja, sollte Dänemark in einem hypothetischen Konflikt um Grönland die europäischen Partner zu Hilfe rufen, würde die Beistandpflicht nach Artikel 42 Absatz 7 gelten. Aber weshalb reagiert Brüssel so vorsichtig auf die Drohungen?

    Dänemark habe kein Interesse an einer verbalen Eskalation und deshalb um Zurückhaltung gebeten, sagen Diplomaten in Brüssel. Jetzt mit zusätzlichen Äußerungen Öl ins Feuer zu gießen, werde nur die Verhandlungsposition später erschweren. Entsprechend waren Trumps Drohungen zu Grönland am Donnerstag auch nicht auf der Agenda der EU-Botschafter in Brüssel. 

    Moskaus Interessen in der Arktis

    Dafür reagierte Moskau schnell auf Trumps kühne Pläne: “Die arktische Zone ist eine Zone unserer nationalen, unserer strategischen Interessen”, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. “Wir befinden uns in der arktischen Zone und wir werden dort weiterhin bleiben.” Peskow betonte, Russland habe ein Interesse an einer friedlichen und stabilen Atmosphäre in der Arktis und sei zur Zusammenarbeit mit allen Staaten der Welt bereit.

    Im Sommer 2007 hatte Russland in einer Aufsehen erregenden U-Boot-Aktion in mehr als 4.200 Metern Tiefe eine Fahne auf den Meeresboden des Nordpols gesetzt und damit den Anspruch auf das Gebiet unterstrichen. Vor fast 20 Jahren schon reaktivierte Russland alte, sowjetische Militärbasen in der Arktis und baut neue Kräfte auf. Auch die Modernisierung der strategischen U-Boote der Nordmeer-Flotte läuft. Im Dezember 2023 besuchte Präsident Wladimir Putin die große russische Werft Sewmasch am Weißen Meer, die in den kommenden Jahren drei strategische U-Boote der Klasse Borej-A bauen soll. Es ist die vierte und modernste Generation der russischen Atom-U-Boote.  

    Die im Sommer 2022 aktualisierte maritime Strategie schreibt der Arktis eine große Bedeutung zu. In 21 Punkten werden die Pläne Russlands definiert: von der Ausbeutung von Bodenschätzen über den Ausbau von Häfen und Seewegen bis hin zur Forschung. Im Kern steht für Moskau die Sicherung des Anspruchs auf das arktische Gebiet. Wie Table.Briefings bereits berichtete, sehen sowohl die Nato als auch die Bundesregierung sicherheitspolitischen Handlungsbedarf in der Arktis und passen ihre Überlegungen an. Der kooperative Ansatz der Nachbarstaaten in der Arktis-Region scheint derzeit nicht mehr Realität zu sein.

    Peking will auch die Rohstoffe ausbeuten

    Als gebe es nicht genug Streit in der Region – auch China will vor allem wirtschaftlich von Grönland profitieren. Im Rahmen seiner “polaren Seidenstraße”, der arktischen Ergänzung zur “Belt and Road”-Initiative, will Peking seinen Einfluss in Grönland ausweiten. Bereits heute ist China nach Dänemark der zweitgrößte Handelspartner der Insel, etwa bei Fischereiprodukten. Im Fokus Pekings stehen jedoch vor allem strategische Ressourcen wie Seltene Erden und Uran. Großprojekte wie das Kuannersuit-Uranabbauprojekt oder der Bau zweier Flughäfen durch die staatliche China Communications Construction Company (CCCC) scheiterten jedoch am Veto Washingtons.  

    Aktuell ist China aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Schwäche zurückhaltend bei Auslandsinvestitionen. Dennoch bleibt Grönland eines der wichtigsten strategischen Ziele in der Region, was auch regelmäßige Treffen zwischen chinesischen und grönländischen Politikern verdeutlichen. Grönlands Wunsch nach mehr Selbstbestimmung und das Gefühl, von Kopenhagen und Washington bevormundet zu werden, könnte dazu führen, dass sich Nuuk mehr für chinesische Investitionen öffnet. Vor allem, wenn sich die geopolitische Lage in der Arktis verändert, sollten Russland und China ihre Partnerschaft dort auch militärisch weiter ausbauen. 

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    Ukrainischer Botschafter Makeiev: “Keine Entscheidungen über Europa ohne Europa”

    Oleksii Makeiev fordert von der deutschen Politik, das Thema Ukraine im Wahlkampf nicht auszusparen.

    Herr Botschafter, viele Veränderungen stehen an. Berichten zufolge endet Ihre Zeit als Botschafter nach mehr als zwei Jahren, in Deutschland stehen Neuwahlen an und in den USA ein Präsidentschaftswechsel. Wenn Sie zurückblicken, was haben Sie als Botschafter in Deutschland erreicht?

    Ich bleibe Botschafter, bis ich die Grenze mit Polen überquere. Wir haben noch sehr viel zu tun, jeden Tag. Jeder Tag ist wichtig für uns, für die Ukrainer, für mich persönlich als Diplomat, für mein Team. Ich bin eigentlich sehr stolz darauf, was wir erreicht haben. Von 5.000 Helmen zu Leoparden und Patriot-Flugabwehrsystemen, von Business mit Russland zum Business ohne Russland. Die Ukraine bleibt ein wichtiges Thema in Deutschland und die Unterstützung der Bevölkerung bleibt stabil. Und dafür danke ich auch jedem deutschen Steuerzahler, weil gerade die Hilfen, die aus Deutschland kommen, gehen auf Steuerzahler zurück.

    Die Unterstützung der Deutschen vor allem für die Militärhilfe sinkt. Laut aktuellen Umfragen sind es neun Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Immerhin liegt sie noch bei 60 Prozent. Im Wahlkampf scheint das Thema fast schon ein Tabu zu sein. Wie wollen Sie den Deutschen signalisieren, dass die Hilfe weiter nötig ist?

    Es wäre angebracht, wenn deutsche Politiker ehrlich gegenüber ihren Wählern sind. Es wäre gut für den Wahlkampf, über die Ukraine zu sprechen. Denn die Ukraine betrifft alle Themen, die die demokratischen Parteien für sich als Wahlkampfthemen bestimmt haben – Migration, Sozialleistungen, Wirtschaft. Noch mal zu der Umfrage: 2022 wurde ich gewarnt, jetzt sei die Unterstützung mit 70 Prozent noch groß, aber im nächsten Jahr wird sie runter auf 50 oder unter 30 Prozent fallen. Das ist nicht passiert.

    Die Bundesregierung von Olaf Scholz steht von Anfang an in der Kritik, vor allem wegen der langen Diskussionen vor jedem militärischen Hilfspaket. Kürzlich schrieben die Forschenden Claudia Major und Christian Mölling in einem Gastbeitrag bei Table.Briefings von “deutscher Selbstzufriedenheit” und “Belehrung anderer”. Fühlt sich Kyjiw vom Westen, von Deutschland belehrt?

    Ja, sehr oft. Das ändert sich sofort, wenn die Politiker in die Ukraine reisen. Einige kommen nicht nur eben im Nachtzug und reisen sofort wieder ab, sondern bleiben ein paar Tage, übernachten im Hotel und müssen plötzlich runter in den Schutzbunker. Dann wird man nicht mehr belehrt, dass schon genug geliefert wurde.

    Ihr Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zuletzt im Gespräch mit dem US-Podcaster Lex Fridman angedeutet, dass die Ukraine im Gegenzug für eine Nato-Mitgliedschaft akzeptieren würde, dass einige Gebiete nicht unter ihrer Kontrolle sein werden, zumindest temporär. Sehen Sie nicht, dass irgendeine Art von Kompromiss unausweichlich ist?

    Das Leben der Menschen ist etwas, was nicht als Kompromiss behandelt werden kann. Es hängt am Ende davon ab, wie stark wir in die Verhandlungen eintreten. Ich war an vielen Verhandlungen im Normandie-Format dabei. Gut ist es, wenn wir als Verbündete in die Verhandlungen mit Russland eintreten. Wenn Russland spürt, dass da nicht nur ein Vermittler sitzt, sondern ein Verbündeter der Ukraine. Wir brauchen keine Vermittler, wir brauchen Verbündete. Wir hatten Hunderte von Verhandlungsrunden mit Russland. Wir hatten Dutzende von Feuerpausen, aber die wurden immer von Russland gebrochen. Deswegen sprechen wir über eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, weil es heute für Ukrainer, aber auch für die Deutschen keine bessere Sicherheitsgarantie gibt als die Nato.

    Im Interview mit Fridman wird deutlich, dass Ihr Präsident hofft, der künftige US-Präsident Trump könnte Gespräche mit Moskau initiieren. Ist es am Ende nicht das, was Putin eigentlich von Anfang an will, dass er mit den USA über die neuen Interessensphären in Europa verhandelt?

    Wir müssen uns wenig Sorgen darüber machen, was Putin will. Seine Pläne sind klar, er will den Westen schwächen. Und ja, in Russland will man mit den Großen sprechen, mit den USA. Aber sorry, Europa ist auch groß genug.

    Aber Europa spricht nicht, Europa will diese Führungsrolle offensichtlich nicht.

    Es ist eine Zeitenwende 2.0. Man muss begreifen, dass Europa eine wichtige Rolle spielt. Es kann keine Entscheidungen über Europa ohne Europa geben. Wir alle zusammen, die westlichen Demokratien, sind sehr stark. Wir sind weit überlegen gegenüber Russland. Und schauen Sie, was die Streitkräfte der Ukraine in diesen drei Jahren geschafft haben …

    Ohne die USA wäre das alles nicht möglich gewesen, so ehrlich muss man sich schon auch machen. Wenn Trump sagt, “ich will die Ukraine nicht mehr in dem Maße unterstützen”, dann sieht die Welt für die Ukraine ganz anders aus.

    Natürlich spielen die Vereinigten Staaten eine enorm wichtige Rolle. Sie sind ausschlaggebend, auch für die künftigen Verhandlungen. Aber wir brauchen auch die Europäische Union in einer kompromisslosen Position gegenüber dem bösen Wolf.

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    Terrorismusbekämpfung: Noch 15 Gefangene in Guantánamo

    Im Jahr 2015 hatte die US-Marine die Zukunft schon vorweggenommen. In einer Broschüre, die für auswärtige Besucher in den Gästezimmern des US-Flottenstützpunkts Guantánamo Bay auf Kuba auslag, stand geschrieben: “Im Januar 2009 hat Präsident Obama den Befehl gegeben, das Gefangenenlager zu schließen.” Doch daraus wurde bis heute nichts. An diesem Samstag ist es genau 23 Jahre her, dass die ersten Gefangenen des Krieges gegen den Terror nach 9/11 in Freiluftzellen an der Südostspitze der karibischen Insel untergebracht wurden. Und auch wenn US-Präsident Joe Biden das berüchtigte Gefangenenlager offenbar gerne noch aufgelöst hätte, bevor Donald Trump am 20. Januar ins Weiße Haus einzieht, wird auch daraus aller Wahrscheinlichkeit nach nichts werden.

    Vor wenigen Tagen hat die Biden-Regierung die Zahl der Gefangenen noch einmal verkleinert. Elf Männer aus dem Jemen, die seit 20 Jahren hier einsitzen, ohne jemals angeklagt worden zu sein, wurden in das Sultanat Oman überstellt. Nun gibt es noch 15 Gefangene in den zwei Gefängnisblöcken mit Platz für 250 Menschen. Sie werden von 800 US-Soldaten und Zivilisten bewacht. Das entspricht einem Verhältnis von 53 Wachleuten auf einen Gefangenen.

    Guantánamo dürfte nach wie vor das teuerste Gefängnis der USA sein. Zu Obamas Zeiten verschlang es fast 450 Millionen US-Dollar im Jahr. Drei der Gefangenen könnten demnächst noch in Freiheit kommen, bei drei weiteren soll es regelmäßig Überprüfungen geben, ob sie ins Ausland überstellt werden können. Die übrigen, unter ihnen der mutmaßliche Chefplaner der Anschläge vom 11. September 2001, Chalid Scheich Mohammed, sind wegen Kriegsverbrechen angeklagt oder bereits verurteilt. Eine Überstellung von ihnen in Gefängnisse auf dem US-Festland ist aber kaum zu erwarten. Sie gelten in den USA als sogenannte “ewige Gefangene” und werden als so gefährlich eingestuft, dass sie nie mehr in Freiheit kommen sollen.

    Zunächst Käfige, dann erst Gefängnisgebäude

    Die Geschichte des US-Gefangenenlagers Guantánamo beginnt kurz nach 9/11 und dem US-Einmarsch in Afghanistan. Die Regierung von Präsident George W. Bush war auf der Suche nach einem Ort, an dem Terrorverdächtige festgehalten und verhört werden sollten – ohne ihnen den vergleichsweise privilegierten Status von Kriegsgefangenen zugestehen zu müssen.

    Dafür schufen Juristen der US-Regierung die bis dahin unbekannte juristische Kategorie der sogenannte “enemy combatants” (etwa: feindliche Kämpfer), die nicht als Straftäter, aber auch nicht als Kriegsgefangene angesehen werden. Am Rande des US-Marinestützpunkts Guantánamo wurden erst Käfige errichtet, später feste Gefängnisgebäude. Zwischenzeitlich wurden dort etwa 660 Menschen festgehalten, bewacht von mehr als 2.000 Soldaten und Zivilisten. Seit der Einrichtung des Lagers fordern Menschenrechtsorganisationen seine Schließung und beklagen Verstöße gegen Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit.

    Der Landstreifen an der Südostküste Kubas wird seit 1903 von der US-Marine genutzt. Die USA hatten Kuba geholfen, die spanische Kolonialherrschaft abzuschütteln – und verlangten dafür eine Marine-Basis. Eine jährliche Pachtzahlung von 2.000 US-Dollar wurde vereinbart, die später auf 4.000 Dollar erhöht wurde. Nach der Revolution von 1959 weigerte sich die kubanische Regierung jedoch, die Schecks aus Washington einzulösen, um die Anwesenheit der US-Amerikaner auf der Insel nicht zu legitimieren.

    Die ersten Versuche, das Gefangenenlager zu schließen, begannen schon bald nach Amtsantritt von Barack Obama Anfang 2009. Damals hatten die Demokraten eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat: Das Ziel, Guantánamo zu schließen, hätte erreicht werden können. Aber alles verzögerte sich – und die Republikaner eroberten die Mehrheit im Kongress. Dann verabschiedeten sie ein Gesetz, laut dem kein Gefangener aus Guantánamo jemals US-Boden betreten darf. Das Argument der Republikaner: Die USA holten sich damit potenzielle Terroristen nach Hause. An dieser Haltung änderte auch Obamas Argumentation nichts, dass Guantánamo gegen Amerikas Grundwerte verstoße und von Terroristen als Mittel zur Rekrutierung von Nachwuchs genutzt werde.

    Trump wollte “schwere Jungs” für Guantánamo

    Mit dem ersten Wahlsieg von Donald Trump im Jahr 2016 endeten vorerst alle Bemühungen, Guantánamo zu schließen. Das Lager, so damals die Argumentation der US-Konservativen, bewahre das Land vor erneuten Terrorattacken. Trump erklärte sogar, er werde Guantánamo wieder “mit ein paar schweren Jungs auffüllen”. Das geschah allerdings nicht.

    Erst mit Trumps Nachfolger Joe Biden kam wieder Bewegung in die Debatte. Diese nahm vor allem nach dem Sommer 2021 an Fahrt auf. Der Grund war der komplette Abzug der US-Truppen aus Afghanistan. Damit entfiel in gewisser Weise auch die Begründung für die Existenz des Lagers.

    Dagegen häuften sich die Probleme bei der Überstellung von Gefangenen ins Ausland. Knapp drei Jahre etwa dauerten die Vorbereitungen für die Entlassung der elf Jemeniten. Es war bereits ein Flugzeug für die Männer organisiert worden, als im Oktober 2023 die Hamas Israel mit Terror überzog. Der Flug und die Überstellung nach Oman wurden aus Sorge vor der Instabilität im Nahen Osten abgesagt.

    Erst vor wenigen Tagen wurden die Männer schließlich in das Sultanat gebracht. Ob auch die restlichen Gefangenen in Freiheit kommen, ist mehr als ungewiss. Schon die Biden-Regierung hatte in den vergangenen Monaten nach Ansicht von Beobachtern Guantánamo wegen der zahlreichen Krisen nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste. Unter Trump dürfte sich das nicht verändern.

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    Ramstein: Was der US-Präsidentenwechsel für das Format bedeutet

    Beim letzten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe unter der Leitung von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf der US Air Base Ramstein kündigten die Teilnehmer auch mit Blick auf den Präsidentenwechsel noch einmal neue Hilfspakete an und sendeten indirekte Signale an die neue US-Administration. Nato-Generalsekretär Mark Rutte betonte vor Beginn des Treffens, dass es nicht nur darum gehe, der Ukraine alles zu geben, was sie brauche, um aus einer Position der Stärke in Verhandlungen zu treten. Es gehe auch um Lastenteilung, so Rutte. Der designierte US-Präsident Donald Trump hat wiederholt betont, dass die europäischen Verbündeten ihre Beiträge zur Unterstützung der Ukraine erhöhen müssen.

    Dabei lobte Rutte explizit die Beiträge Berlins. “Deutschland hat bisher fast 30 Milliarden Euro an Unterstützung in Form von Ausbildung und Ausrüstung für die Ukraine bereitgestellt”, sagte er. Am Donnerstag kündigte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) außerdem an, dass Deutschland die Ukraine kurzfristig mit weiteren Lenkflugkörpern für Luftverteidigungssysteme des Typs Iris-T unterstützt, die ursprünglich für die Bundeswehr gedacht waren. Eine genaue Zahl nannte der SPD-Politiker nicht.

    NSATU in Wiesbaden könnte wichtiger werden

    Als wahrscheinlich letztes Paket der Biden-Administration kündigten die USA Militärhilfen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar (486 Millionen Euro) an. Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der zum letzten Treffen unter Austins Führung nach Deutschland gereist war, die Partnerländer zur Unterstützung der Kampfdrohnenproduktion in seinem Land aufgerufen und um mehr Flugabwehrwaffen gebeten.

    Es wird befürchtet, dass Trump als US-Präsident die Unterstützung reduzieren wird und versuchen könnte, die Ukraine zu Verhandlungen zu drängen. Ob es unter ihm weitere Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein geben wird, ist fraglich. Dann könnte dem Nato-Ukraine-Kommando NSATU (Nato Security Assistance and Training for Ukraine) in Wiesbaden eine größere Rolle zukommen. wp

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    Sanktionen gegen Syrien: Welche Lockerungen die EU auf ihrem Gipfel Ende Januar plant

    Die EU-Außenminister wollen auf dem Rat für Auswärtige Angelegenheiten in drei Wochen Erleichterungen bei den Sanktionen gegen Syrien beschließen. Wie Table.Briefings aus diplomatischen Kreisen erfuhr, sind bei dem Gipfel am 27. Januar Lockerungen bei einigen der seit 2011 verhängten Sanktionen gegen das damalige Regime von Exmachthaber Baschar al-Assad vorgesehen. Darunter könnten Erleichterungen beim zivilen Flugverkehr fallen. Der Botschafter Syriens bei den Vereinten Nationen, Koussay Aldahhak, hatte am Donnerstag eine vollständige Aufhebung der Sanktionen gegen sein Land gefordert. Frankreich Außenminister Jean-Noël Barrot sagte am Mittwoch, Sanktionen, die die Lieferung humanitärer Hilfe behindern und den Wiederaufbau des Landes erschweren, könnten rasch aufgehoben werden.

    Die neue Hohe Repräsentantin der Europäischen Union für Außenbeziehungen, Kaja Kallas, hatte vergangene Woche Außenministerin Annalena Baerbock und Barrot im Auftrag der EU nach Damaskus geschickt – um deutlich zu machen, dass die beiden größten EU-Mitgliedsstaaten mit einer Stimme sprächen; auch der Leiter der EU-Delegation für Syrien, der deutsche Diplomat Michael Ohnmacht, war beim Treffen Baerbocks und Barrots mit Ahmed al-Scharaa, dem neuen syrischen Machthaber, vergangenen Freitag in Damaskus dabei.

    Ein bislang reibungsloser Übergangskurs

    Die Bilanz Scharaas seit der Flucht Assads nach Moskau vor einem Monat ist beachtlich: Der Wandel vom Chef der Islamistenmiliz Hajat Tahrir al-Sham (HTS) unter dem Nom de Guerre Mohammed al-Golani zum staatstragenden Politiker verläuft bislang erstaunlich reibungslos – mit viel Fingerspitzengefühl hat er die ersten vier Wochen des Übergangskurses politisch gemanagt. Die Posten an den Spitzen von Zentralbank und Bildungsministerium wurden mit Frauen neu besetzt, die neue Gouverneurin von Suweida im Süden des Landes, Muhsina al-Mahithawi, ist Angehörige der drusischen Minderheit.

    Die ausgestreckte Hand Scharaas zu konfessionellen Minderheiten wie zur nach Aufklärung der Verbrechen des Assad-Regimes rufenden Zivilgesellschaft wird von westlichen Diplomaten begrüßt. Entscheidend werde sein, ob auf die Einberufung einer Nationalen Konferenz im März konkrete nächste Schritte folgen zur Erarbeitung einer neuen Verfassung und Vorbereitung landesweiter Wahlen. mrb

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    Marine: Inspekteur will “maximale Einsatzbereitschaft spätestens 2029”

    Mehr Bereitschaft, mehr Tempo, mehr Innovation: Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, hat seine Teilstreitkraft auf “maximale Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft bis spätestens 2029” eingeschworen. Diese Vorgabe machte Kaack am Donnerstag in seiner “Absichtserklärung 2025″ auf der Historisch-Taktischen Tagung der Marine in Linstow. “Noch vor Ende der Dekade” drohe angesichts der massiven Hochrüstung und des aggressiven Verhaltens Russlands die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit der Nato, heißt es in der Erklärung, die Table.Briefings vorliegt.

    “Kernauftrag der Marine ist und bleibt die Sicherung der Nordflanke”, nannte der Inspekteur den Schwerpunkt für den maritimen Anteil der Landes- und Bündnisverteidigung. Für weitere Aufträge bedürfe es einer “klaren Priorisierung”. Diese Formulierung dürfte eine indirekte Forderung an die Politik sein, Anforderungen an die und Einsätze der Marine vor allem im Internationalen Krisenmanagement zu überdenken- so bei EU-Missionen wie Irini oder Aspides oder beim UN-Einsatz vor dem Libanon.

    Marine führt Bereitschaftsboote wieder ein

    Um schnell auf verdächtiges Verhalten von Schiffen vor allem in der Ostsee reagieren zu können, will die Marine wieder ein Schiff und zudem ein Flugzeug oder einen Hubschrauber rund um die Uhr in Bereitschaft halten. Ein “Bereitschaftsboot” jeweils für Ost- und Nordsee hatte es zuletzt im Kalten Krieg gegeben. Die Seestreitkräfte pochen zudem auf klare Regelungen für den Schutz der maritimen Infrastruktur – das Militär darf selbst seine Expertise auf See nur in Amtshilfe für Landes- oder Bundespolizei einbringen und hofft deshalb auf “Festlegung einer eindeutigen Verantwortlichkeit”.

    Mehr Tempo will Kaack bei den Instandsetzungsvorhaben und neuen Beschaffungen, um die operative Verfügbarkeit der Marine zu erhöhen. Dabei geht es dem Inspekteur nicht allein um klassische Kriegsschiffe und U-Boote: Eine bewaffnete Überwasserdrohne, das Future Combat Surface System (FCSS), soll noch vor 2029 eingeführt werden – ebenso Künstliche Intelligenz zur Auswertung von Schiffsbewegungen und Sensordaten. klm/tw

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    Nato verstärkt Präsenz in der Ostsee

    Als Reaktion auf die mutmaßlichen Sabotagevorfälle an maritimen Unterwasserinfrastrukturen im November und Dezember verstärkt die Nato ihre Präsenz in der Ostsee. Im operativen Hauptquartier des Verteidigungsbündnisses in Brunssum laufe derzeit ein sogenannter Truppenbildungsprozess, bei dem die Ostseeanrainerstaaten Einheiten benachrichtigten, die an dem Einsatz im Rahmen einer “Enhance Vigilance Acticity” teilnehmen können, berichtet der schwedische Fernsehsender SVT Nyheter. Ab Freitag bis vorläufig April werde die Nato eine Flotte von etwa zehn Schiffen in die Ostsee entsenden, berichtet die Nachrichtenredaktion des finnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks Yle.

    Die Nato selbst hat die Pläne noch nicht bestätigt. Dies könnte am Dienstag bei einem Gipfeltreffen der Ostseeanrainerstaaten in Helsinki geschehen. Neben Nato-Generalsekretär Mark Rutte werden dort auch Bundeskanzler Olaf Scholz, und die Regierungschefs von Estland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden sowie Vertreter der EU-Kommission teilnehmen.

    JEF unterstützt Nato-Operation

    Rutte hatte nach den Vorfällen im Dezember am Stromkabel EstLink 2 zwischen Finnland und Estland und der Beschädigung mehrerer Telekommunikationskabel im Finnischen Meerbusen Finnland und Estland die Unterstützung des Bündnisses zugesagt. Die nun entsandten Schiffe sollen in der Nähe von Energiepipelines und Strom- und Datenkabeln patrouillieren, um das Risiko eines weiteren Angriffs zu senken.

    Die Nato-Operation soll von der britisch geführten “Joint Expeditionary Force” (JEF) unterstützt werden, einer Initiative von zehn nordeuropäischen Ländern, die auch Mitglied der Allianz sind. Die JEF aktivierte dafür Anfang der Woche ihr KI-gestütztes System “Nordic Warden”, das verdächtige Schiffsbewegungen in der Ostsee, aber auch im englischen Kanal verfolgt. klm/tw

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    Must-Reads

    The Insider: Afgantsy Redux: How Russian military intelligence used the Taliban to bleed U.S. forces at the end of America’s longest war. Die Rechrche zeigt, wie der russische Militärgeheimdienst GRU über Jahre Terrorgruppen in Afghanistan finanzierte, um US- und Koalitionstruppen anzugreifen. Durch eine vom Geheimdienst genutzte Tarnfirma, die mit Edelsteinen handelte, lieferten afghanische Kuriere Geld an Taliban-Kämpfer und andere Milizen weiter und erhielten im Gegenzug Asyl in Russland.

    Foreign Affairs: Can America’s Allies Save America’s Alliances? Donald Trumps Kurs könnte zu einer Neuorientierung ausländischer Verbündeter und einer stärkeren Zusammenarbeit von europäischen Partnern untereinander führen, schreibt der Autor Robin Niblett. Die Gefahr besteht, dass Trump sich gegen eine militärische Unterstützung im Falle eines russischen Angriffs auf einen Nato-Verbündeten gemäß Artikel 5 des Bündnisses entscheidet.

    The Barents Observer: Kadyrov’s militant network is expanding into the Russian north. Seit 2022 hat die sogenannte Russische Spetsnaz Universität im tschetschenischen Gudermes über 47.000 Soldaten ausgebildet. Durch die Eröffnung mehrerer russischer Büros von der militanten Organisation VOIN sollen auch Jugendliche erreicht werden.

    Kyiv Independent: Garry Kasparov: ‘You never hear Russian opposition actually say Ukraine must win’.
    Der ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow kritisiert, dass die russische Opposition sich zwar gegen Wladimir Putin stelle, jedoch trotzdem für die Aufhebung von westlichen Sanktionen stehe. Für einen demokratischen Wandel müsse Russland nicht nur eine vollständige Niederlage erleiden, sondern auch mit seinem imperialistischen Erbe brechen.

    Standpunkt

    DRK-Präsidentin zum Bevölkerungsschutz: Politik muss endlich Verantwortung übernehmen

    Von Gerda Hasselfeldt
    Gerda Hasselfeldt ist seit 2017 Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes.

    Was müsste in den nächsten 1.000 Tagen geschehen, um eine Zeitenwende beim Bevölkerungsschutz einzuleiten und umzusetzen, die zeigt, dass sich die Politik der Thematik endlich verantwortungsbewusst annimmt? Aus meiner Sicht ist der wichtigste Punkt, dass man von schönen Sonntagsreden wegkommt und sich dem wirklichen Gestalten zuwendet. Die Probleme sind hinlänglich bekannt.

    Das DRK fordert 0,5 Prozent des Bundeshaushalts, die in den Bevölkerungsschutz fließen müssten, also rund 2,4 Milliarden Euro als angemessene Beteiligung des Bundes an diesem Thema. In den vergangenen Jahren lag diese Summe im Haushalt aber bei nicht einmal 600 Millionen Euro. Dies hat zur Folge, dass für Kernprojekte eines zeitgemäßen Bevölkerungsschutzes Jahr für Jahr die Mittel fehlen, was uns im Fall einer Krise (auch finanziell) teuer zu stehen kommen wird. Hier gilt die alte Binsenweisheit: Vorsorge ist besser als Nachsorge.

    So brauchen wir zum Beispiel mehr “Mobile Betreuungsmodule 5.000”. Mit diesen Modulen können in Krisensituationen jeweils bis zu 5.000 Personen autark untergebracht, betreut und versorgt werden. Bisher sind eineinhalb dieser Module anfinanziert, mindestens zehn Stück sollen bis 2027 zur Verfügung stehen. Wie das gelingen soll, wenn dafür 2025 keine Haushaltsmittel eingestellt sind, ist für mich ein Rätsel.

    Bisher kaum Informationen über vulnerable Gruppen

    Die Ausbildung von Pflegeunterstützungskräften, welche in einer Ausnahmesituation beispielsweise in Notunterkünften helfen könnten, müsste ebenfalls dringend vorangebracht werden. Man könnte an dieser Stelle mit einem geringen zweistelligen Millionenbetrag Deutschland deutlich krisenfester machen.

    Auch bei Erste-Hilfe-Kursen mit Selbstschutzinhalten könnte noch mehr passieren. Die beabsichtigte Förderung der Ausbildung von 450.000 Personen im Zeitraum 2025 bis 2029 ist noch zu klein gedacht. Um die Fähigkeiten zur Selbsthilfe in der Bevölkerung in dem Maße aufzubauen, wie diese im Krisenfall benötigt würden, müssten rund zehnmal so viele Menschen ausgebildet werden wie vorgesehen. Zudem sollte es vielerorts einen stärker vorausschauenden Ansatz geben. Dadurch hätte man in einer Notlage zum Beispiel mehr Risikoinformationen über vulnerable Gruppen wie zum Beispiel die Aufenthaltsorte pflegebedürftiger Menschen.

    Helfergleichstellung dringend benötigt

    Ein weiterer Punkt wird häufig vergessen: die große Rolle des Ehrenamts. Der Bevölkerungsschutz in Deutschland wird zu 90 Prozent von Ehrenamtlichen getragen. Damit das selbst bei steigenden Herausforderungen so bleibt, wird mehr Anerkennung dessen benötigt, was hier Menschen Tag für Tag leisten. Es braucht eine Förderung der hauptamtlichen Unterstützungsstrukturen. Weiter braucht es endlich eine bundesweit einheitliche rechtliche Gleichstellung von Helfenden aller anerkannten Hilfsorganisationen mit THW und Feuerwehren bezüglich Arbeitsfreistellung und Lohnfortzahlung bei Einsätzen, Weiterbildung und Übungen.

    Doch nicht nur auf Bundesebene müsste vieles passieren, um die Zeitenwende im Bevölkerungsschutz zu vollziehen. Wie der Bund müssten auch viele Bundesländer und Kommunen verantwortungsvoller handeln und ihre Bürgerinnen und Bürger besser vor der nächsten Katastrophe schützen. Denn eines ist klar: Die Zeit drängt. Der Schutz der Bevölkerung muss der verantwortlichen Politik mehr wert sein – heute, morgen, in den nächsten 1.000 Tagen und darüber hinaus.

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    Jorge Tamarit Degenhardt wird neuer Eurofighter-CEO

    Die Gesellschafter des Eurofighter-Konsortiums haben Jorge Tamarit Degenhardt zum neuen Geschäftsführer der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH bestimmt. Seine Ernennung erfolgt im Rahmen der alle drei Jahre stattfindenden Rotation auf dem Posten, teilte das Konsortium mit. Der Deutsch-Spanier folgt auf Giancarlo Mezzanatto, der zu Leonardo zurückkehrt.

    Tamarit Degenhardt kommt von Airbus Defence and Space, wo er zwei Jahrzehnte lang verschiedene Management-Positionen innehatte, wie Eurofighter mitteilte. Zuletzt war er Programmleiter für Spanien, wo er die Airbus-Beiträge zum Eurofighter-Konsortium verantwortete. Das Konsortium setzt sich aus Airbus Defence and Space in Deutschland und Spanien sowie BAE Systems in Großbritannien und dem italienischen Leonardo zusammen. bub

    • Heads

    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

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