Table.Briefing: Security

Arrow 3 für Deutschland + Finnlands Beitrag für die Nato + Frankreichs Pläne für die Armee

  • Israelisches Flugabwehrsystem Arrow 3 könnte nächstes Jahr an Deutschland geliefert werden
  • “Finnland ist wertvoll für die Nato”
  • Frankreich: Viel Geld fürs Heer, aber keine Zeitenwende
  • Marinemanöver vor Südafrika beunruhigt die Nato
  • Moskau und Minsk schweigen zum Angriff auf Militärflugzeug
  • Guterres: Menschenrechte unter Beschuss
  • Heads: Sven Weizenegger – Start-up-Experte bei der Bundeswehr
Liebe Leserin, lieber Leser,

seit einem Jahr heißt es, die Ukraine brauche bessere Fähigkeiten bei der Luftverteidigung, aber wie steht es um Deutschland? Auch hier soll sie verbessert werden. Ein wichtiger Schritt dafür könnte schon bald erfolgen, wenn die Bundeswehr ein von Israel und den USA entwickeltes Flugabwehrsystem erhält. Markus Bickel berichtet darüber von der Rüstungsmesse IDEX, wo er mit israelischen Unternehmen gesprochen hat.

Das finnische Parlament wird heute aller Voraussicht nach für die Nato-Mitgliedschaft stimmen. Nana Brink sprach mit der Wissenschaftlerin Minna Ålander in Helsinki über die Stärken der finnischen Armee. Dass die Finnen wahrscheinlich ohne Schweden beitreten werden, dürfte keine tiefen Verwerfungen nach sich ziehen, glaubt die Expertin für internationale Beziehungen.

Frankreich konkretisiert derweil seine Pläne für eine Modernisierung der Armee. Es geht um viel Technik und auch Personal. Gabriel Bub verschafft eine Übersicht darüber, was bisher bekannt geworden ist. Die französische Regierung will jedenfalls, dass die Rüstungsbranche in den Kriegsmodus umschaltet.

Lisa-Martina Klein stellt außerdem Sven Weizenegger vor. Der IT-Experte leitet das Cyber Innovation Hub der Bundeswehr. Sein Job ist es, praktische Lösungen für kleine und große Probleme der Truppe zu entwickeln. Gedient hat er nicht. Aber da, wo er jetzt ist, ist er genau richtig, sagt Weizenegger.

Ihr
Viktor Funk
Bild von Viktor  Funk

Analyse

Israelisches Flugabwehrsystem Arrow 3 könnte nächstes Jahr an Deutschland geliefert werden

Der Präsident und Vorstandsvorsitzende der Israel Aerospace Industries (IAI), Boaz Levy, rechnet mit einer ersten Auslieferung von Teilen des Flugabwehrsystems Arrow 3 nach Deutschland im kommenden Jahr. “Unser Ziel ist es, diesen Prozess bis 2024 abzuschließen”, sagte er Table.Media auf der Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi.

Das System, mit dem ballistische Raketen in großer Höhe abgefangen werden können, ist ein Teil der von Bundeskanzler Olaf Scholz gestarteten “European Sky Shield Initiative”. Mehrere europäische Nato-Staaten und Finnland hatten bereits im vergangenen Jahr vereinbart, gemeinsam die Luftverteidigung Europas vor allem gegen Raketenangriffe zu verbessern; Schweden hatte sich im Januar angeschlossen.

Dafür sollen vorhandene Fähigkeiten wie die Flug- und Raketenabwehr mit dem US-System “Patriot” ausgebaut, aber auch neue Waffensysteme zur Abwehr in verschiedenen Flughöhen neu beschafft werden. Deutschland hatte bereits sehr früh sein Interesse an dem israelischen System Arrow 3 bekundet und dafür auch im Sondervermögen für die Bundeswehr bereits drei Milliarden Euro eingeplant.

Bei einem Besuch in Berlin im September vergangenen Jahres hatte der damalige israelische Ministerpräsident Jair Lapid zugesichert: “Israel seinerseits wird eine Rolle einnehmen beim Aufbau der neuen Verteidigungskapazitäten Deutschlands, insbesondere in der Luftverteidigung.”

Israel behält militärischen Vorsprung

Damit der Deal zustande kommt, bedarf es allerdings noch der Exportgenehmigung durch die US-Regierung: Das Arrow-3-System enthält Komponenten, die in den Vereinigten Staaten entwickelt wurden. IAI-Chef Boaz zeigte sich überzeugt, dass es nur “eine Sache von Wochen” sei, “bis wir die Erlaubnis bekommen”. Rund zwei Milliarden Dollar US-amerikanischer Steuergelder sind in die Entwicklung des Abfangsystems für ballistische Raketen geflossen, weshalb die Regierung in Washington das letzte Wort bei der Genehmigung hat.

Im Rahmen des so genannten Qualitative Military Edge haben sich die USA darüber hinaus verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel einen militärischen Vorsprung gegenüber anderen Staaten im Nahen Osten behält, um unter anderem ballistische Raketenbedrohungen, vor allem aus dem Iran, abzuwehren. Sollte der Verkauf an Deutschland in den kommenden Monaten tatsächlich in die Wege geleitet werden, wäre es das erste Mal, dass Arrow 3 außerhalb Israels erworben wird.

Arrow 4 bereits in der Entwicklung

Die hochmodernen Arrow-3-Raketen sind in Israel seit Jahren im Einsatz und Teil des mehrstufigen Luftverteidigungsprogramms des Landes. Sie sind so konzipiert, dass sich ihre Sprengköpfe in einer bestimmen Höhe abtrennen. Diese verfolgen dann ihre Ziele und schießen sie in der Stratosphäre ab, mit dem Ziel, Raketen in großer Höhe zu zerstören – sowohl mit konventionellen Gefechtsköpfen als auch mit nuklearer, biologischer oder chemischer Bewaffnung. IAI entwickelt derzeit bereits das System Arrow 4, das sowohl innerhalb als auch außerhalb der Atmosphäre operieren soll.

Für die israelische Rüstungsindustrie würde der Verkauf von Arrow 3 an Deutschland wahrscheinlich lukrative Folgegeschäfte nach sich ziehen. Deutschland plant zunächst die Beschaffung von 3 Radaren zur Zielerfassung und zehn Startgeräten des Systems. Andere europäische Länder könnten sich in diesen Verbund einklinken.

Dem Vernehmen nach sind auch die baltischen Staaten an dem System interessiert, wobei diese vor allem die sogenannten Launcher und Abfangraketen erwerben dürften, die dann mit den in Deutschland stationierten Arrow-3-Radarsystemen verbunden werden würden.

Bundeswehr least bereits seit Jahren bei IAI

Das israelische Unternehmen ist bereits seit Jahren Lieferant der Bundeswehr: Ebenfalls von IAI produziert wird die Drohne Heron TP, von denen die Luftwaffe fünf geleast hat. Sie können auch mit Bewaffnung eingesetzt werden. Allerdings ist derzeit kein Einsatz dieser unbemannten Systeme geplant: Ursprünglich sollten sie den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan unterstützen; das hat sich ebenso erledigt wie ein Einsatz in der UN-Mission in Mali, den die Bundeswehr spätestens im Frühjahr 2024 beenden soll.

IAI ist Israels größter staatlicher Rüstungsproduzent, mit jährlichen Verkäufen von zuletzt mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar. Neben dem europäischen Markt, wo der Bedarf an Flugabwehrsystemen durch Russlands Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr stark gewachsen ist, zählen zunehmend Kunden aus dem Nahen Osten zu den Auftraggebern.

Mehr als zwanzig israelische Unternehmen auf der IDEX

So stellte IAI vergangene Woche auf der IDEX in Abu Dhabi ein gemeinsam mit dem staatlichen Rüstungsproduzenten der Vereinigten Arabischen Emirate, EDGE, entwickeltes unbemanntes Schiff vor, das zur Überwachung, Aufklärung und zum Aufspüren von Minen eingesetzt werden kann.

Mehr als zwanzig israelische Sicherheitsunternehmen stellten auf der IDEX ihre militärischen Produkte vor. Das wurde erst durch den Abschluss der Abraham-Abkommen möglich, die 2020 zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko führten. Davon profitiert nicht nur IAI, sondern auch andere Unternehmen wie der Branchenriese Elbit.

Israel setzt den größten Teil seiner Waffenproduktion im Ausland ab. Während in anderen Ländern rund 80 Prozent der Rüstungsgüter für die eigenen Streitkräfte produziert werden, sind es in Israel lediglich zwanzig Prozent. mit Thomas Wiegold

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“Finnland ist wertvoll für die Nato”

Minna Ålander forscht am Finnish Institute of International Affairs in Helsinki.

Frau Ålander, ist die Abstimmung im Parlament nur noch eine Formsache – vor den Wahlen im April?

Es gibt zwei Gründe, warum man das jetzt macht. Einerseits, weil man dieses Thema nicht mit in den Wahlkampf ziehen will. Es gibt ja eine sehr starke sicherheitspolitische Konsenskultur in Finnland. Und andererseits, um auch nicht in die Lage zu geraten, dass falls – wie durch ein Wunder – die Türkei und Ungarn den Beitritt noch im Frühjahr ratifizieren, der letzte Schritt in Finnland aufgrund einer neuen Regierungsbildung nach den Wahlen verzögert würde.

Vor allem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan blockiert den schwedischen Nato-Beitritt. Finnische Politiker, wie Präsident Sauli Niinistö haben angekündigt: “Wir werden unseren Antrag nicht zurückziehen.” Also könnte es einen Alleingang Finnlands geben?

Das ist möglich. Hier in Finnland betont man momentan immer wieder, dass es weiterhin die Priorität und Präferenz ist, mit Schweden “Hand in Hand” zu gehen, wie schon letztes Frühjahr angekündigt, also weiterhin händchenhaltend. Aber sollte es wirklich eintreten, dass Ungarn und die Türkei nur Finnland ratifizieren, dann wäre es sehr schwierig für die finnische Regierung, diesen letzten Schritt nicht allein zu gehen. Aber zumindest bis zu den Wahlen ist es unwahrscheinlich, dass Finnland proaktiv diesen Alleingang befördert.

Bedeutet das nicht Spannungen mit dem Nachbarn Schweden?

In Schweden wächst natürlich die Sorge, dass Finnland allein geht, aber es gibt auch Verständnis dafür. Die beiden Länder haben einen sehr engen Austausch, auf allen politischen Ebenen wird täglich darüber gesprochen. Und weil die Beziehungen so gut sind, glaube ich nicht, dass es einen langfristigen Schaden geben würde. Im Gegenteil, man würde zum Beispiel die militärische Zusammenarbeit eher verstärken.

Was würde das für die Nato bedeuten, wenn man sich von der Türkei treiben lässt?

Es wäre akut nicht so tragisch, wenn erst Finnland und dann Schweden in die Nato kommen. Die Frage ist nur: Wie lange würde der Beitritt Schwedens auf sich warten lassen? Wenn es eine Frage von Jahren ist, wäre es schwierig. Für eine Zwischenlösung könnte man sich überlegen, bilaterale Sicherheitsgarantien für Schweden zu schaffen, etwa vonseiten der USA, Großbritannien oder auch Deutschland. Was natürlich fehlen würde, wäre der Schutz durch den Artikel 5. Die Abschreckungswirkung der vollen Nato-Mitgliedschaft kann man nicht ersetzen. Schweden ist wichtig für die strategische Ausrichtung der Nato, denn durch seine Mittellage ist das Land entscheidend für mögliche Truppenbewegungen und den Nachschub in der Region. Es ist ein Verbindungsstück zwischen dem hohen Norden und dem Baltikum. Aber – wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Bereits jetzt wird Schweden vonseiten der Nato bestmöglich integriert. Man kann sehr viele praktische Dinge schon jetzt regeln.

Finnland will in die Nato, aber ist auch selbstbewusst genug zu sagen: “Die Nato braucht uns.” Was bringt Finnland militärisch mit?

In Finnland gab es diese Kontinuität im Hinblick auf die Landesverteidigung. Das ist sonst nirgendwo mehr in Westeuropa der Fall gewesen. In Finnland gab es immer diese Bedrohungswahrnehmung durch die 1343 Kilometer lange Landgrenze mit Russland. Das hat dazu geführt, dass Finnland weiter die Wehrpflicht hat und eine große Landstreitmacht, die im Kriegsfall auf bis zu 870.000 Truppenstärke aufwachsen kann. In Finnland ist das Knowhow in Sachen Landesverteidigung dadurch nicht verloren gegangen und genau darum geht es jetzt wieder in der Nato, ihr back to the roots-Moment sozusagen, mit der Rückkehr zum Fokus auf territoriale Verteidigung in Europa. Darüber hinaus gibt es eine große Interoperabilität auch im Hinblick auf die Luftverteidigung. Finnland hat im Dezember 2021 erst 64 amerikanische Kampfflugzeuge vom Typ F-35A bestellt, die ab 2026 geliefert werden sollen. Das macht Finnland wertvoll für die Nato.

Am 9. März soll es in Brüssel neue Gespräche mit der Türkei geben, auch Schweden ist dabei – was erwarten Sie?

Keiner hat hohe Erwartungen, aber es ist immerhin ein positives Zeichen, dass es weitergeht mit den Gesprächen, die nach den Vorfällen bei Protesten in Schweden ja auf Eis lagen. Durch das Erdbeben haben sich auch die innenpolitischen Bedingungen in der Türkei verschoben. Der Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens ist vergleichsweise weniger wichtig geworden. Es kann sein, dass Präsident Erdoğan damit, vor den Wahlen in der Türkei voraussichtlich im Juni nicht mehr so punkten kann.

Minna Ålander, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Finnish Institute of International Affairs in Helsinki. Ihre Forschungsschwerpunkte sind deutsche und finnische Außen- und Sicherheitspolitik sowie Verteidigungszusammenarbeit der nordischen Länder.

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Frankreich: Viel Geld fürs Heer, aber keine Zeitenwende

Wer dieser Tage einen Interviewtermin bei Sébastien Lecornu, dem französischen Verteidigungsminister, bekommt, kann sicher sein, dass Militärs und Industrievertreter genau hinschauen. Präsident Emmanuel Macron hatte im Januar grobe Leitlinien gezogen und seinem Minister Konkretisierungen überlassen. 413 Milliarden Euro sollen mit dem französischen Militärbudgetgesetz “Loi de Programmation Militaire” (LPM) zwischen 2024 und 2030 in die französischen Streitkräfte fließen.

Die Pläne sind noch nicht fertig, im Sommer dürfte das Gesetz verabschiedet werden, Ende März/Anfang April soll Lecornu die Planungen im Ministerrat vorstellen. Macron nannte vier Leitlinien für das Budget: die Stärkung der Souveränität, Vorbereitung auf Einsätze hoher Intensität, Verteidigung gemeinsamer Räume und Erneuerung der Partnerschaften.

Was man über die Ausgaben weiß

“Die 413 Milliarden werden nicht reichen, um auf das Niveau zu kommen, das man braucht, um einen High Intensity War zu führen”, sagt Gaspard Schnitzler vom französischen Think Tank Institut de relations internationales et stratégiques (IRIS).

Besonders profitieren soll das Heer, sein Budget um 36 Prozent steigen. “Das sind rund 18 Milliarden Euro für Ausrüstung und Bewaffnung”, sagte Verteidigungsminister Lecornu, der in den Wochen nach Macrons Rede in einem Interview mit dem Figaro und bei weiteren Gelegenheiten nachschärfte. Beim Heer gibt es Stimmen, die sich trotzdem vernachlässigt fühlen. Der Sanitätsdienst soll mehr Geld kriegen, vor allem für Infrastruktur. Auch Geld für die deutsch-französischen Rüstungsprojekte MGCS und FCAS ist vorgesehen.

Wo es konkretere Informationen gibt:

Nukleare Abschreckung

Die Entwicklung der dritten Generation von Atom-U-Booten (SNLE) und dazugehöriger Raketen soll vorangebracht werden. 2035 sollen vier der U-Boote in Frankreichs Bestand sein.

Land

Drohnen

5 Milliarden Euro seien alleine für Drohnen vorgesehen, sagte Lecornu dem Parisien. Das Heer soll taktische Drohnen Patroller von Safran bekommen. “Wir wollen sie auch bewaffnen können”, sagt Lecornu. “Bis 2027-2028 haben wir mindestens 15.” Dazu kommen 3500 kleine Drohnen.

Scorpion

Die kleinen Drohnen dürften Teil von Projekten wie Scorpion sein, bei dem sie in einem integrierten System mit gepanzerten Fahrzeugen agieren. Bis 2030 solle das Projekt vollendet sein, sagt Lecornu.

Lenkwaffen

Das Heer soll mindestens 1.800 Stück Loitering Munition erhalten. Außerdem will Lecornu 250 bis 300 ferngesteuerte Bodenfahrzeuge beschaffen, die auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden können. Die Raketenwerfer LRU sollen ersetzt und die Kapazitäten für Langstreckenraketen erhöht werden.

Weiterbildung

Mit dem neuen Material muss auch Personal geschult werden, 10.000 Soldaten des Heeres sollen dafür weitergebildet werden.

Aufklärung

Die Investitionen in die Aufklärung sollen um 60 Prozent erhöht werden, unter anderem die Budgets für die Militär-Nachrichtendienste verdoppelt.

Eingreiftruppe

20.000 Soldaten sollen jederzeit in der Lage sein, schnell mobilisiert zu werden. “Bisher waren es 15.000 und nur vom Heer, jetzt sind es 5.000 mehr. Man kann davon ausgehen, dass Marine und Luftwaffe Teil dieser Eingreiftruppe sein werden”, sagt Schnitzler.

Cyber und KI

Macron will eine Verdopplung der Kapazitäten zur Cyberabwehr. Dazu braucht es mehr Personal. Da liege die Verantwortung nicht nur beim Verteidigungsministerium, sagte Lecornu.

Luft

Flugabwehr

5 Milliarden Euro wollen Macron und Lecornu in die Luftverteidigung investieren. “Da ist in Frankreich in den letzten Jahren oder Jahrzehnten viel zu wenig passiert”, sagt Sven Arnold von der SWP. Das Flugabwehrraketensystem Crotale, das Frankreich auch an die Ukraine liefert, will Lecornu durch Vertical Launch MICA ersetzen und das Boden-Luft-Lenkwaffensystem mittlerer Reichweite SAMP/T Mamba auf die neueste Generation umstellen.

Luftwaffe

Die Luftwaffe soll nur noch Rafale-Kampfflugzeuge kaufen, die Mirage 2000D trotzdem behalten. 2035 soll die Flotte nur noch aus Rafale-Kampfjets bestehen. Dazu will Lecornu weitere A400M-Transportflugzeuge bestellen.

See

Schiffe

Lecornu kündigte an, Fregatten, Korvetten und Patrouillenboote kaufen zu wollen.

Flugzeugträger

Bis 2040 will Frankreich einen neuen nuklear angetriebenen Flugzeugträger in den Dienst nehmen und den Flugzeugträger Charles de Gaulle ersetzen.

Schutz von Infrastruktur auf See

Macron wünscht sich, zum Schutz kritischer Infrastruktur den Meeresgrund bis zu einer Tiefe von 6.000 Metern kontrollieren zu können.

Die Partner

Frankreich soll in der Lage sein, “mit seinen Partnern eine erstrangige Koalition aufzubauen und anzuführen, um die Interessen Europas und seiner Alliierten zu verteidigen”, sagt Macron. Das sei eine Verantwortung, “der in Kontinentaleuropa nur Frankreich” gerecht werden könne. “Das kann man auch als Antwort auf Deutschlands Anspruch, eine Führungsmacht zu sein, verstehen”, sagt Arnold. Trotzdem werde “Deutschland weiterhin ein wichtiger Partner bleiben.”

Beim deutsch-französischen Gipfel im Januar beschlossen die Verbündeten unter anderem Übungen der deutsch-französischen Brigade in Rumänien und Litauen und eine gemeinsame Übung im Indopazifik, wo Frankreich auch Überseegebiete hat. Außerdem will Paris die strategische Partnerschaft mit Australien wiederaufnehmen, wie die Außenminister beider Länder kürzlich bestätigten. Die Beziehungen hatten sich 2021 wegen des geplatzten U-Boot-Deals verschlechtert. Zusätzlich will Macron die Beziehungen zu Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten verbessern.

Umstellung auf Kriegsmodus

Frankreich will nicht mehr auf Käufe aus dem Ausland angewiesen sein. “Die Rüstungsindustrie soll sich wandeln und auf Kriegsmodus umschalten, dazu braucht sie aber Mittel und langfristige Planbarkeit”, sagt Arnold. “Das wird eine große Herausforderung.”

Die Reform der Beschaffungsbehörde DGA, die schon vor der Präsentation des neuen Budgetgesetzes angeleiert wurde, soll schnellere und günstigere Rüstungsbestellungen ermöglichen. Vor allem bei der Munitionsproduktion will Frankreich aufholen, insbesondere bei 155mm-Geschossen.

Reserve und resiliente Gesellschaft

Macron hätte gerne doppelt so viele aktive Reservisten. Ziel sei, “einen Reservisten auf zwei aktive Soldaten zu haben”, bestätigte Lecornu. “Das ist natürlich ein sehr ambitioniertes Ziel”, sagt Arnold. “Die Verdopplung der Reservisten soll eine robuste Unterstützung der Streitkräfte ermöglichen.” Außerdem müssten Unternehmen überzeugt werden, die ihre Reservisten zwar ziehen lassen müssten, das in der Praxis aber nicht immer täten.

Abseits der Reserve soll der Service National Universel, ein Pflichtdienst, der einen Monat oder länger dauert, “die Bindung zwischen Armee und Nation stärken”, sagt Arnold.

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News

Marinemanöver vor Südafrika beunruhigt die Nato

Südafrika hat am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine, ein gemeinsames Manöver mit Russland und China absolviert. Die Spitze der Regierungspartei ANC hatte nach Durban zum Marinemanöver “Mosi II” (deutsch: “Rauch II”) mit chinesischen und südafrikanischen Verbänden eingeladen. Brisant war der Plan schon deshalb, weil die russische Fregatte “Admiral Gorschkow” ursprünglich mit scharfen Hyperschall-Raketen teilnehmen wollte.

Südafrika schlug Übung mit USA aus

Mit dem Manöver hat Präsident Ramaphosa Unmut im Westen ausgelöst. Die Nato-Länder sind der Ansicht, Südafrika gebe dadurch seine Neutralität auf und ergreife Partei für Russland. Ramaphosa sieht das anders. Südafrika absolviere auch mit anderen Ländern Manöver, zum Beispiel mit den USA, Frankreich oder Deutschland, entgegnete er. Das bislang letzte gemeinsame Manöver wurde Anfang 2021 wegen Corona abgesagt.

China, Russland und Südafrika hingegen üben in dieser Konstellation zum zweiten Mal. Die amerikanische Einladung zu einem gemeinsamen Manöver im Golf von Guinea lehnte Südafrika kürzlich ab. Andere afrikanische Nationen nahmen die Einladung dagegen an.

Westen scheitert bei G20-Treffen

Der amerikanische Außenminister Antony Blinken hofft derweil darauf, dass Südafrika sich von der Verbindung mit Russland löst. Beim Finanzministertreffen der G20 am vergangenen Wochenende sah es allerdings eher danach aus, als ob die nichtwestlichen Länder der G20 zusammenrücken und eine Mehrheit bilden. Jedenfalls gelang es dem Westen nicht, seine Position zum Ukraine-Krieg in der Abschluss-Erklärung unterzubringen. Es dominierte die Sicht der BRICS-Länder. Andreas Sieren

Eine ausführliche Analyse dazu lesen Sie im Africa.Table.

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Moskau und Minsk schweigen zum Angriff auf Militärflugzeug A-50

Noch immer ist unklar, ob Unbekannten ein erfolgreicher Anschlag auf ein russisches Luftüberwachungssystem in Belarus gelungen ist. Angesprochen auf Berichte über einen Angriff auf das Militärflugzeug A-50 nahe Minsk sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag: “Nein, wir haben dazu nichts zu sagen.”

Die belarussische Regierung schweigt dazu. Laut oppositionellen belarussischen Medien, aber auch kreml-nahen Telegramkanälen, ist am Sonntag ein Luftüberwachungsflugzeug des Typ A-50 auf einem Flugplatz südlich von Minsk mit Drohnen angegriffen und beschädigt worden. Auf dem Flugplatz Machulishchy, das sich unter der Kontrolle der russischen Armee befindet, sollen neben A-50 auch Kampfjets des Typs MIG-31K stationiert sein. Sie können die Hyperschallrakete “Kindschal” tragen.

Nach aktuellen Daten des Military Balance Reports für 2023 verfügt Russland über zehn Luftraumaufklärer vom Typ A-50, einer davon soll in Syrien eingesetzt worden sein. Über deren Verwendung im russischen Krieg gegen die Ukraine ist noch wenig bekannt. Treffen die Berichte über den Angriff vom Sonntag zu, dann wäre es der fünfte auf einer Basis unter russischer Kontrolle: Davon befinden sich vier Flugplätze in Russland und einer in Belarus. vf

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Guterres: Menschenrechte unter Beschuss

UN-Generalsekretär António Guterres hat vor dem Menschenrechtsrat in Genf am Montag ein düsteres Bild der Welt gezeichnet. Er sprach unter anderem von einem “sinnlosen Krieg” Russlands gegen die Ukraine, der zu “massiven Menschenrechtsverletzungen” geführt habe. Volker Turk, der Hohe Vertreter der Vereinten Nationen, warnte, dass Errungenschaften im Bereich der Menschenrechte zurückgedrängt und sogar rückgängig gemacht würden, und nannte die russische Invasion in der Ukraine als Beispiel für Unterdrückung.

Bei dem Treffen wird auch der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow teilnehmen. Es wird das erste Mal sein, dass ein russischer Beamter aus Moskau seit Beginn des Krieges vor einem Jahr persönlich teilnimmt, was nicht zuletzt Kiew verärgert.

Der UN-Menschenrechtsrat kann Länder nicht bestrafen, aber Untersuchungskommissionen einsetzen, wie vor einem Jahr nach Beginn der Invasion. Bei dem Treffen, das bis zum 4. April dauern wird, werden viele Staaten versuchen, das Mandat dieses UN-Untersuchungsgremiums zu verlängern.

Russland nur Beobachter im Rat

Kiew, das die Einrichtung eines Sondertribunals zur strafrechtlichen Verfolgung der politischen und militärischen Führung Russlands im Zusammenhang mit der Invasion gefordert hat, erklärte, das Gremium sei unerlässlich, um sicherzustellen, dass Russland zur Rechenschaft gezogen wird.

Russland bestreitet, Kriegsverbrechen begangen oder Zivilisten in der Ukraine angegriffen zu haben. Es wurde im April aus dem Rat ausgeschlossen, kann aber weiterhin als Beobachter teilnehmen.

Neben der Ukraine ging es am Montag auch um andere Krisenherde der Welt. So kritisierte Außenministerin Annalena Baerbock während ihrer Rede die Unterdrückung von Frauen in Afghanistan und versprach den Demonstranten in Iran, diese nicht zu vergessen. klm/dpa

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Presseschau

Süddeutsche Zeitung – Driftet Deutschland in eine Kriegswirtschaft? (Paywall): Während Frankreich den Umbau der Rüstungsindustrie vorantreibt, hütet man sich in Deutschland, das Wort Kriegswirtschaft in den Mund zu nehmen. Hier wird diskutiert, was Kriegswirtschaft in Deutschland bedeuten würde und wie sich die Rüstungsindustrie in Deutschland verändern könnte.

The Economist – A Year On, Olaf Scholz’s Promise of Transformation Is Only Partly Kept (Paywall): Die Zeitenwende werde in Deutschland stärker vom Verteidigungsminister als vom Bundeskanzler vorangetrieben, schreibt der Economist. Wie Olaf Scholz’ Zögerlichkeit wahrgenommen wird und welchen Anteil man Deutschland an der Unterstützung der Ukraine zuschreibt.

Tagesspiegel – Kreml-Expertin Belton im Interview “Putin macht sich große Sorgen, was über ihn in den Geschichtsbüchern stehen wird” (Paywall): Catherine Belton, britische Investigativjournalistin, über den Rückhalt Putins beim Geheimdienst und in der Gesellschaft, die Angst seiner Mitarbeiter und den Zustand der russischen Wirtschaft nach einem Jahr Krieg in der Ukraine.

Dokus im Ersten – Die Überlebenden von Mariupol: Mariupol war für viele Ukrainerinnen und Ukrainer die Stadt der Zukunft, die Perle des Donbass. Die Dokumentation zeigt das Davor – und das Danach. Wackelige Handybilder wechseln sich ab mit Drohnenaufnahmen von brennenden Häusern aus Mariupol, und zeigen den tragischen Fall der ukrainischen Festung. 90 Minuten.

Heads

Sven Weizenegger – Start-up-Experte bei der Bundeswehr

Sven Weizenegger leitet den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr.

Als Sven Weizenegger 2020 gefragt wurde, ob er den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) in Berlin leiten wolle, habe er erst einmal so getan, als müsse er nachdenken. Er, der weder Software-Entwicklung, IT-Sicherheit, Management noch sonst was studiert hat, sondern sich bereits als Teenager alles in der IT-Szene beibrachte, was er brauchte; er, der nie bei der Bundeswehr war – natürlich wollte er die erste digitale Innovationseinheit eines deutschen Bundesministeriums leiten. “Dass ich nicht studiert habe, gibt mir einen anderen Blick auf die Dinge, vor allem auf Führung”, sagt Weizenegger. 

Mit 20 Jahren fängt Weizenegger bei der Telekom an und dringt dort tief in die Systeme der Telekom-Kunden ein, um Sicherheitslücken aufzuspüren. Das brachte ihm den Ruf ein, der erste offizielle Hacker Deutschlands zu sein. Später baut er als Mitarbeiter im Vorstandbereich der T-Systems die Business Unit Cyber Security mit auf, bevor er 2015 seine eigenen Wege geht und (Co-)Gründer beziehungsweise Sicherheitschef von Start-ups wird, darunter Perseus und Kreditech. 

Agilität liegt in der DNA der Bundeswehr

Aber warum entscheidet man sich als Cybersicherheitsexperte und Start-up-Gründer ausgerechnet für die Bundeswehr? “Ich hatte Lust auf ein breiteres Themenspektrum im Bereich der digitalen Transformation. Agilität, die Fähigkeit, sich schnell neuen Gegebenheiten anzupassen, kannte ich bisher nur aus dem Start-up-Umfeld, aber tatsächlich ist es ein viel größeres, spannenderes Thema.” Agilität sei nicht nur eine deutsche Erfindung, sondern sogar eine der Bundeswehr, erklärt Weizenegger. “Es bedeutet nichts anderes als Führung mit Auftrag. Agilität liegt der Bundeswehr in der DNA, und daran erinnern wir sie als Innovationshub ganz gern.”

Im CIHBw, von dem Weizenegger sagt, er trage den völlig falschen Namen, tüfteln rund 50 aktive Soldatinnen und Soldaten mit Reservedienst-Leistenden und Angestellten in Zivil an praktischen, digitalen Lösungen für Probleme, die die Truppe hat. Und verwerfen diese auch mal, wenn es keine wirkliche Innovation ist.

“Eigentlich müsste der Hub aber Digital Innovation Hub heißen, denn wir arbeiten hier nicht nur im Cyber-Bereich, sondern bringen die gesamte Digitalisierung der Bundeswehr voran”, erklärt der gebürtige Berliner. Aber sich lange dran aufhalten, das würde dem Naturell des CIHBw nicht entsprechen, schließlich bezeichnet sich der Hub als “Do-Tank”, nicht “Think-Tank”. 

Praktische Lösungen für die Truppe

Dabei geht es nicht um die Weiterentwicklung von Waffen, sondern Dual-Use-Produkte, um praktische Alltagsprobleme zu lösen: ein elektronischer Teppich für mobile Kräfte im Einsatz, der per Akkus Licht spendet oder ein Flugsimulator, mit dem Piloten der Luftwaffe ihre benötigten Trainingsstunden auch während einer Pandemie erreichen.

Um die Zeit beim Auf- und Abbau von Gefechtsständen zu reduzieren und deren Mobilität zu erhöhen, entwickelten Weizenegger und sein Team, zusammen mit den Niederländern, außerdem ein System, mit dem sicheres, kabelloses Surfen möglich ist. “Das WLAN wird im Gefechtsstand über unsichtbares LED-Licht aufgebaut und spart damit einige Kilometer an Kabeln.”

Bereits im Einsatz ist ebenfalls ein Trainingssystem, bestehend aus Übungswaffen und Westen mit Sensoren für den Häuserkampf. Per Stromschlag bekommen die Soldaten direkt Feedback, wenn sie getroffen wurden – was das Trainingsszenario sehr viel realistischer macht. 

Rückendeckung aus dem Verteidigungsministerium

Dabei versteht sich der Hub nicht als abgeschottete Einheit, sondern arbeitet eng mit anderen Start-ups zusammen. Weizenegger und sein Team gehen oft zur Truppe und nehmen von dort Probleme mit in den Hub. “Auch von außen können Menschen an uns herantreten, wenn sie ein Problem haben oder vielleicht sogar schon an einer Lösung arbeiten, diese aber noch weiterentwickeln wollen.”

Angesiedelt ist die Innovationseinheit bei der 100-prozentigen Bundesgesellschaft BWI, dem “IT-Systemhaus der Bundeswehr”, wie sie sich selbst bezeichnet. Jedoch untersteht der CIHBw direkt dem Bundesverteidigungsministerium, und erhält von dort nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch die nötige Rückendeckung. “Das ist gut so, denn wir sind das oft unbequeme, das disruptive Element im Organismus und deshalb nicht immer beliebt”, sagt Weizenegger. Er nimmt’s gelassen. Lisa-Martina Klein

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Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    • Moskau und Minsk schweigen zum Angriff auf Militärflugzeug
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    seit einem Jahr heißt es, die Ukraine brauche bessere Fähigkeiten bei der Luftverteidigung, aber wie steht es um Deutschland? Auch hier soll sie verbessert werden. Ein wichtiger Schritt dafür könnte schon bald erfolgen, wenn die Bundeswehr ein von Israel und den USA entwickeltes Flugabwehrsystem erhält. Markus Bickel berichtet darüber von der Rüstungsmesse IDEX, wo er mit israelischen Unternehmen gesprochen hat.

    Das finnische Parlament wird heute aller Voraussicht nach für die Nato-Mitgliedschaft stimmen. Nana Brink sprach mit der Wissenschaftlerin Minna Ålander in Helsinki über die Stärken der finnischen Armee. Dass die Finnen wahrscheinlich ohne Schweden beitreten werden, dürfte keine tiefen Verwerfungen nach sich ziehen, glaubt die Expertin für internationale Beziehungen.

    Frankreich konkretisiert derweil seine Pläne für eine Modernisierung der Armee. Es geht um viel Technik und auch Personal. Gabriel Bub verschafft eine Übersicht darüber, was bisher bekannt geworden ist. Die französische Regierung will jedenfalls, dass die Rüstungsbranche in den Kriegsmodus umschaltet.

    Lisa-Martina Klein stellt außerdem Sven Weizenegger vor. Der IT-Experte leitet das Cyber Innovation Hub der Bundeswehr. Sein Job ist es, praktische Lösungen für kleine und große Probleme der Truppe zu entwickeln. Gedient hat er nicht. Aber da, wo er jetzt ist, ist er genau richtig, sagt Weizenegger.

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    Israelisches Flugabwehrsystem Arrow 3 könnte nächstes Jahr an Deutschland geliefert werden

    Der Präsident und Vorstandsvorsitzende der Israel Aerospace Industries (IAI), Boaz Levy, rechnet mit einer ersten Auslieferung von Teilen des Flugabwehrsystems Arrow 3 nach Deutschland im kommenden Jahr. “Unser Ziel ist es, diesen Prozess bis 2024 abzuschließen”, sagte er Table.Media auf der Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi.

    Das System, mit dem ballistische Raketen in großer Höhe abgefangen werden können, ist ein Teil der von Bundeskanzler Olaf Scholz gestarteten “European Sky Shield Initiative”. Mehrere europäische Nato-Staaten und Finnland hatten bereits im vergangenen Jahr vereinbart, gemeinsam die Luftverteidigung Europas vor allem gegen Raketenangriffe zu verbessern; Schweden hatte sich im Januar angeschlossen.

    Dafür sollen vorhandene Fähigkeiten wie die Flug- und Raketenabwehr mit dem US-System “Patriot” ausgebaut, aber auch neue Waffensysteme zur Abwehr in verschiedenen Flughöhen neu beschafft werden. Deutschland hatte bereits sehr früh sein Interesse an dem israelischen System Arrow 3 bekundet und dafür auch im Sondervermögen für die Bundeswehr bereits drei Milliarden Euro eingeplant.

    Bei einem Besuch in Berlin im September vergangenen Jahres hatte der damalige israelische Ministerpräsident Jair Lapid zugesichert: “Israel seinerseits wird eine Rolle einnehmen beim Aufbau der neuen Verteidigungskapazitäten Deutschlands, insbesondere in der Luftverteidigung.”

    Israel behält militärischen Vorsprung

    Damit der Deal zustande kommt, bedarf es allerdings noch der Exportgenehmigung durch die US-Regierung: Das Arrow-3-System enthält Komponenten, die in den Vereinigten Staaten entwickelt wurden. IAI-Chef Boaz zeigte sich überzeugt, dass es nur “eine Sache von Wochen” sei, “bis wir die Erlaubnis bekommen”. Rund zwei Milliarden Dollar US-amerikanischer Steuergelder sind in die Entwicklung des Abfangsystems für ballistische Raketen geflossen, weshalb die Regierung in Washington das letzte Wort bei der Genehmigung hat.

    Im Rahmen des so genannten Qualitative Military Edge haben sich die USA darüber hinaus verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel einen militärischen Vorsprung gegenüber anderen Staaten im Nahen Osten behält, um unter anderem ballistische Raketenbedrohungen, vor allem aus dem Iran, abzuwehren. Sollte der Verkauf an Deutschland in den kommenden Monaten tatsächlich in die Wege geleitet werden, wäre es das erste Mal, dass Arrow 3 außerhalb Israels erworben wird.

    Arrow 4 bereits in der Entwicklung

    Die hochmodernen Arrow-3-Raketen sind in Israel seit Jahren im Einsatz und Teil des mehrstufigen Luftverteidigungsprogramms des Landes. Sie sind so konzipiert, dass sich ihre Sprengköpfe in einer bestimmen Höhe abtrennen. Diese verfolgen dann ihre Ziele und schießen sie in der Stratosphäre ab, mit dem Ziel, Raketen in großer Höhe zu zerstören – sowohl mit konventionellen Gefechtsköpfen als auch mit nuklearer, biologischer oder chemischer Bewaffnung. IAI entwickelt derzeit bereits das System Arrow 4, das sowohl innerhalb als auch außerhalb der Atmosphäre operieren soll.

    Für die israelische Rüstungsindustrie würde der Verkauf von Arrow 3 an Deutschland wahrscheinlich lukrative Folgegeschäfte nach sich ziehen. Deutschland plant zunächst die Beschaffung von 3 Radaren zur Zielerfassung und zehn Startgeräten des Systems. Andere europäische Länder könnten sich in diesen Verbund einklinken.

    Dem Vernehmen nach sind auch die baltischen Staaten an dem System interessiert, wobei diese vor allem die sogenannten Launcher und Abfangraketen erwerben dürften, die dann mit den in Deutschland stationierten Arrow-3-Radarsystemen verbunden werden würden.

    Bundeswehr least bereits seit Jahren bei IAI

    Das israelische Unternehmen ist bereits seit Jahren Lieferant der Bundeswehr: Ebenfalls von IAI produziert wird die Drohne Heron TP, von denen die Luftwaffe fünf geleast hat. Sie können auch mit Bewaffnung eingesetzt werden. Allerdings ist derzeit kein Einsatz dieser unbemannten Systeme geplant: Ursprünglich sollten sie den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan unterstützen; das hat sich ebenso erledigt wie ein Einsatz in der UN-Mission in Mali, den die Bundeswehr spätestens im Frühjahr 2024 beenden soll.

    IAI ist Israels größter staatlicher Rüstungsproduzent, mit jährlichen Verkäufen von zuletzt mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar. Neben dem europäischen Markt, wo der Bedarf an Flugabwehrsystemen durch Russlands Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr stark gewachsen ist, zählen zunehmend Kunden aus dem Nahen Osten zu den Auftraggebern.

    Mehr als zwanzig israelische Unternehmen auf der IDEX

    So stellte IAI vergangene Woche auf der IDEX in Abu Dhabi ein gemeinsam mit dem staatlichen Rüstungsproduzenten der Vereinigten Arabischen Emirate, EDGE, entwickeltes unbemanntes Schiff vor, das zur Überwachung, Aufklärung und zum Aufspüren von Minen eingesetzt werden kann.

    Mehr als zwanzig israelische Sicherheitsunternehmen stellten auf der IDEX ihre militärischen Produkte vor. Das wurde erst durch den Abschluss der Abraham-Abkommen möglich, die 2020 zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen Israels mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko führten. Davon profitiert nicht nur IAI, sondern auch andere Unternehmen wie der Branchenriese Elbit.

    Israel setzt den größten Teil seiner Waffenproduktion im Ausland ab. Während in anderen Ländern rund 80 Prozent der Rüstungsgüter für die eigenen Streitkräfte produziert werden, sind es in Israel lediglich zwanzig Prozent. mit Thomas Wiegold

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    “Finnland ist wertvoll für die Nato”

    Minna Ålander forscht am Finnish Institute of International Affairs in Helsinki.

    Frau Ålander, ist die Abstimmung im Parlament nur noch eine Formsache – vor den Wahlen im April?

    Es gibt zwei Gründe, warum man das jetzt macht. Einerseits, weil man dieses Thema nicht mit in den Wahlkampf ziehen will. Es gibt ja eine sehr starke sicherheitspolitische Konsenskultur in Finnland. Und andererseits, um auch nicht in die Lage zu geraten, dass falls – wie durch ein Wunder – die Türkei und Ungarn den Beitritt noch im Frühjahr ratifizieren, der letzte Schritt in Finnland aufgrund einer neuen Regierungsbildung nach den Wahlen verzögert würde.

    Vor allem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan blockiert den schwedischen Nato-Beitritt. Finnische Politiker, wie Präsident Sauli Niinistö haben angekündigt: “Wir werden unseren Antrag nicht zurückziehen.” Also könnte es einen Alleingang Finnlands geben?

    Das ist möglich. Hier in Finnland betont man momentan immer wieder, dass es weiterhin die Priorität und Präferenz ist, mit Schweden “Hand in Hand” zu gehen, wie schon letztes Frühjahr angekündigt, also weiterhin händchenhaltend. Aber sollte es wirklich eintreten, dass Ungarn und die Türkei nur Finnland ratifizieren, dann wäre es sehr schwierig für die finnische Regierung, diesen letzten Schritt nicht allein zu gehen. Aber zumindest bis zu den Wahlen ist es unwahrscheinlich, dass Finnland proaktiv diesen Alleingang befördert.

    Bedeutet das nicht Spannungen mit dem Nachbarn Schweden?

    In Schweden wächst natürlich die Sorge, dass Finnland allein geht, aber es gibt auch Verständnis dafür. Die beiden Länder haben einen sehr engen Austausch, auf allen politischen Ebenen wird täglich darüber gesprochen. Und weil die Beziehungen so gut sind, glaube ich nicht, dass es einen langfristigen Schaden geben würde. Im Gegenteil, man würde zum Beispiel die militärische Zusammenarbeit eher verstärken.

    Was würde das für die Nato bedeuten, wenn man sich von der Türkei treiben lässt?

    Es wäre akut nicht so tragisch, wenn erst Finnland und dann Schweden in die Nato kommen. Die Frage ist nur: Wie lange würde der Beitritt Schwedens auf sich warten lassen? Wenn es eine Frage von Jahren ist, wäre es schwierig. Für eine Zwischenlösung könnte man sich überlegen, bilaterale Sicherheitsgarantien für Schweden zu schaffen, etwa vonseiten der USA, Großbritannien oder auch Deutschland. Was natürlich fehlen würde, wäre der Schutz durch den Artikel 5. Die Abschreckungswirkung der vollen Nato-Mitgliedschaft kann man nicht ersetzen. Schweden ist wichtig für die strategische Ausrichtung der Nato, denn durch seine Mittellage ist das Land entscheidend für mögliche Truppenbewegungen und den Nachschub in der Region. Es ist ein Verbindungsstück zwischen dem hohen Norden und dem Baltikum. Aber – wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Bereits jetzt wird Schweden vonseiten der Nato bestmöglich integriert. Man kann sehr viele praktische Dinge schon jetzt regeln.

    Finnland will in die Nato, aber ist auch selbstbewusst genug zu sagen: “Die Nato braucht uns.” Was bringt Finnland militärisch mit?

    In Finnland gab es diese Kontinuität im Hinblick auf die Landesverteidigung. Das ist sonst nirgendwo mehr in Westeuropa der Fall gewesen. In Finnland gab es immer diese Bedrohungswahrnehmung durch die 1343 Kilometer lange Landgrenze mit Russland. Das hat dazu geführt, dass Finnland weiter die Wehrpflicht hat und eine große Landstreitmacht, die im Kriegsfall auf bis zu 870.000 Truppenstärke aufwachsen kann. In Finnland ist das Knowhow in Sachen Landesverteidigung dadurch nicht verloren gegangen und genau darum geht es jetzt wieder in der Nato, ihr back to the roots-Moment sozusagen, mit der Rückkehr zum Fokus auf territoriale Verteidigung in Europa. Darüber hinaus gibt es eine große Interoperabilität auch im Hinblick auf die Luftverteidigung. Finnland hat im Dezember 2021 erst 64 amerikanische Kampfflugzeuge vom Typ F-35A bestellt, die ab 2026 geliefert werden sollen. Das macht Finnland wertvoll für die Nato.

    Am 9. März soll es in Brüssel neue Gespräche mit der Türkei geben, auch Schweden ist dabei – was erwarten Sie?

    Keiner hat hohe Erwartungen, aber es ist immerhin ein positives Zeichen, dass es weitergeht mit den Gesprächen, die nach den Vorfällen bei Protesten in Schweden ja auf Eis lagen. Durch das Erdbeben haben sich auch die innenpolitischen Bedingungen in der Türkei verschoben. Der Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens ist vergleichsweise weniger wichtig geworden. Es kann sein, dass Präsident Erdoğan damit, vor den Wahlen in der Türkei voraussichtlich im Juni nicht mehr so punkten kann.

    Minna Ålander, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Finnish Institute of International Affairs in Helsinki. Ihre Forschungsschwerpunkte sind deutsche und finnische Außen- und Sicherheitspolitik sowie Verteidigungszusammenarbeit der nordischen Länder.

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    Frankreich: Viel Geld fürs Heer, aber keine Zeitenwende

    Wer dieser Tage einen Interviewtermin bei Sébastien Lecornu, dem französischen Verteidigungsminister, bekommt, kann sicher sein, dass Militärs und Industrievertreter genau hinschauen. Präsident Emmanuel Macron hatte im Januar grobe Leitlinien gezogen und seinem Minister Konkretisierungen überlassen. 413 Milliarden Euro sollen mit dem französischen Militärbudgetgesetz “Loi de Programmation Militaire” (LPM) zwischen 2024 und 2030 in die französischen Streitkräfte fließen.

    Die Pläne sind noch nicht fertig, im Sommer dürfte das Gesetz verabschiedet werden, Ende März/Anfang April soll Lecornu die Planungen im Ministerrat vorstellen. Macron nannte vier Leitlinien für das Budget: die Stärkung der Souveränität, Vorbereitung auf Einsätze hoher Intensität, Verteidigung gemeinsamer Räume und Erneuerung der Partnerschaften.

    Was man über die Ausgaben weiß

    “Die 413 Milliarden werden nicht reichen, um auf das Niveau zu kommen, das man braucht, um einen High Intensity War zu führen”, sagt Gaspard Schnitzler vom französischen Think Tank Institut de relations internationales et stratégiques (IRIS).

    Besonders profitieren soll das Heer, sein Budget um 36 Prozent steigen. “Das sind rund 18 Milliarden Euro für Ausrüstung und Bewaffnung”, sagte Verteidigungsminister Lecornu, der in den Wochen nach Macrons Rede in einem Interview mit dem Figaro und bei weiteren Gelegenheiten nachschärfte. Beim Heer gibt es Stimmen, die sich trotzdem vernachlässigt fühlen. Der Sanitätsdienst soll mehr Geld kriegen, vor allem für Infrastruktur. Auch Geld für die deutsch-französischen Rüstungsprojekte MGCS und FCAS ist vorgesehen.

    Wo es konkretere Informationen gibt:

    Nukleare Abschreckung

    Die Entwicklung der dritten Generation von Atom-U-Booten (SNLE) und dazugehöriger Raketen soll vorangebracht werden. 2035 sollen vier der U-Boote in Frankreichs Bestand sein.

    Land

    Drohnen

    5 Milliarden Euro seien alleine für Drohnen vorgesehen, sagte Lecornu dem Parisien. Das Heer soll taktische Drohnen Patroller von Safran bekommen. “Wir wollen sie auch bewaffnen können”, sagt Lecornu. “Bis 2027-2028 haben wir mindestens 15.” Dazu kommen 3500 kleine Drohnen.

    Scorpion

    Die kleinen Drohnen dürften Teil von Projekten wie Scorpion sein, bei dem sie in einem integrierten System mit gepanzerten Fahrzeugen agieren. Bis 2030 solle das Projekt vollendet sein, sagt Lecornu.

    Lenkwaffen

    Das Heer soll mindestens 1.800 Stück Loitering Munition erhalten. Außerdem will Lecornu 250 bis 300 ferngesteuerte Bodenfahrzeuge beschaffen, die auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden können. Die Raketenwerfer LRU sollen ersetzt und die Kapazitäten für Langstreckenraketen erhöht werden.

    Weiterbildung

    Mit dem neuen Material muss auch Personal geschult werden, 10.000 Soldaten des Heeres sollen dafür weitergebildet werden.

    Aufklärung

    Die Investitionen in die Aufklärung sollen um 60 Prozent erhöht werden, unter anderem die Budgets für die Militär-Nachrichtendienste verdoppelt.

    Eingreiftruppe

    20.000 Soldaten sollen jederzeit in der Lage sein, schnell mobilisiert zu werden. “Bisher waren es 15.000 und nur vom Heer, jetzt sind es 5.000 mehr. Man kann davon ausgehen, dass Marine und Luftwaffe Teil dieser Eingreiftruppe sein werden”, sagt Schnitzler.

    Cyber und KI

    Macron will eine Verdopplung der Kapazitäten zur Cyberabwehr. Dazu braucht es mehr Personal. Da liege die Verantwortung nicht nur beim Verteidigungsministerium, sagte Lecornu.

    Luft

    Flugabwehr

    5 Milliarden Euro wollen Macron und Lecornu in die Luftverteidigung investieren. “Da ist in Frankreich in den letzten Jahren oder Jahrzehnten viel zu wenig passiert”, sagt Sven Arnold von der SWP. Das Flugabwehrraketensystem Crotale, das Frankreich auch an die Ukraine liefert, will Lecornu durch Vertical Launch MICA ersetzen und das Boden-Luft-Lenkwaffensystem mittlerer Reichweite SAMP/T Mamba auf die neueste Generation umstellen.

    Luftwaffe

    Die Luftwaffe soll nur noch Rafale-Kampfflugzeuge kaufen, die Mirage 2000D trotzdem behalten. 2035 soll die Flotte nur noch aus Rafale-Kampfjets bestehen. Dazu will Lecornu weitere A400M-Transportflugzeuge bestellen.

    See

    Schiffe

    Lecornu kündigte an, Fregatten, Korvetten und Patrouillenboote kaufen zu wollen.

    Flugzeugträger

    Bis 2040 will Frankreich einen neuen nuklear angetriebenen Flugzeugträger in den Dienst nehmen und den Flugzeugträger Charles de Gaulle ersetzen.

    Schutz von Infrastruktur auf See

    Macron wünscht sich, zum Schutz kritischer Infrastruktur den Meeresgrund bis zu einer Tiefe von 6.000 Metern kontrollieren zu können.

    Die Partner

    Frankreich soll in der Lage sein, “mit seinen Partnern eine erstrangige Koalition aufzubauen und anzuführen, um die Interessen Europas und seiner Alliierten zu verteidigen”, sagt Macron. Das sei eine Verantwortung, “der in Kontinentaleuropa nur Frankreich” gerecht werden könne. “Das kann man auch als Antwort auf Deutschlands Anspruch, eine Führungsmacht zu sein, verstehen”, sagt Arnold. Trotzdem werde “Deutschland weiterhin ein wichtiger Partner bleiben.”

    Beim deutsch-französischen Gipfel im Januar beschlossen die Verbündeten unter anderem Übungen der deutsch-französischen Brigade in Rumänien und Litauen und eine gemeinsame Übung im Indopazifik, wo Frankreich auch Überseegebiete hat. Außerdem will Paris die strategische Partnerschaft mit Australien wiederaufnehmen, wie die Außenminister beider Länder kürzlich bestätigten. Die Beziehungen hatten sich 2021 wegen des geplatzten U-Boot-Deals verschlechtert. Zusätzlich will Macron die Beziehungen zu Indien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten verbessern.

    Umstellung auf Kriegsmodus

    Frankreich will nicht mehr auf Käufe aus dem Ausland angewiesen sein. “Die Rüstungsindustrie soll sich wandeln und auf Kriegsmodus umschalten, dazu braucht sie aber Mittel und langfristige Planbarkeit”, sagt Arnold. “Das wird eine große Herausforderung.”

    Die Reform der Beschaffungsbehörde DGA, die schon vor der Präsentation des neuen Budgetgesetzes angeleiert wurde, soll schnellere und günstigere Rüstungsbestellungen ermöglichen. Vor allem bei der Munitionsproduktion will Frankreich aufholen, insbesondere bei 155mm-Geschossen.

    Reserve und resiliente Gesellschaft

    Macron hätte gerne doppelt so viele aktive Reservisten. Ziel sei, “einen Reservisten auf zwei aktive Soldaten zu haben”, bestätigte Lecornu. “Das ist natürlich ein sehr ambitioniertes Ziel”, sagt Arnold. “Die Verdopplung der Reservisten soll eine robuste Unterstützung der Streitkräfte ermöglichen.” Außerdem müssten Unternehmen überzeugt werden, die ihre Reservisten zwar ziehen lassen müssten, das in der Praxis aber nicht immer täten.

    Abseits der Reserve soll der Service National Universel, ein Pflichtdienst, der einen Monat oder länger dauert, “die Bindung zwischen Armee und Nation stärken”, sagt Arnold.

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    Marinemanöver vor Südafrika beunruhigt die Nato

    Südafrika hat am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine, ein gemeinsames Manöver mit Russland und China absolviert. Die Spitze der Regierungspartei ANC hatte nach Durban zum Marinemanöver “Mosi II” (deutsch: “Rauch II”) mit chinesischen und südafrikanischen Verbänden eingeladen. Brisant war der Plan schon deshalb, weil die russische Fregatte “Admiral Gorschkow” ursprünglich mit scharfen Hyperschall-Raketen teilnehmen wollte.

    Südafrika schlug Übung mit USA aus

    Mit dem Manöver hat Präsident Ramaphosa Unmut im Westen ausgelöst. Die Nato-Länder sind der Ansicht, Südafrika gebe dadurch seine Neutralität auf und ergreife Partei für Russland. Ramaphosa sieht das anders. Südafrika absolviere auch mit anderen Ländern Manöver, zum Beispiel mit den USA, Frankreich oder Deutschland, entgegnete er. Das bislang letzte gemeinsame Manöver wurde Anfang 2021 wegen Corona abgesagt.

    China, Russland und Südafrika hingegen üben in dieser Konstellation zum zweiten Mal. Die amerikanische Einladung zu einem gemeinsamen Manöver im Golf von Guinea lehnte Südafrika kürzlich ab. Andere afrikanische Nationen nahmen die Einladung dagegen an.

    Westen scheitert bei G20-Treffen

    Der amerikanische Außenminister Antony Blinken hofft derweil darauf, dass Südafrika sich von der Verbindung mit Russland löst. Beim Finanzministertreffen der G20 am vergangenen Wochenende sah es allerdings eher danach aus, als ob die nichtwestlichen Länder der G20 zusammenrücken und eine Mehrheit bilden. Jedenfalls gelang es dem Westen nicht, seine Position zum Ukraine-Krieg in der Abschluss-Erklärung unterzubringen. Es dominierte die Sicht der BRICS-Länder. Andreas Sieren

    Eine ausführliche Analyse dazu lesen Sie im Africa.Table.

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    Moskau und Minsk schweigen zum Angriff auf Militärflugzeug A-50

    Noch immer ist unklar, ob Unbekannten ein erfolgreicher Anschlag auf ein russisches Luftüberwachungssystem in Belarus gelungen ist. Angesprochen auf Berichte über einen Angriff auf das Militärflugzeug A-50 nahe Minsk sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag: “Nein, wir haben dazu nichts zu sagen.”

    Die belarussische Regierung schweigt dazu. Laut oppositionellen belarussischen Medien, aber auch kreml-nahen Telegramkanälen, ist am Sonntag ein Luftüberwachungsflugzeug des Typ A-50 auf einem Flugplatz südlich von Minsk mit Drohnen angegriffen und beschädigt worden. Auf dem Flugplatz Machulishchy, das sich unter der Kontrolle der russischen Armee befindet, sollen neben A-50 auch Kampfjets des Typs MIG-31K stationiert sein. Sie können die Hyperschallrakete “Kindschal” tragen.

    Nach aktuellen Daten des Military Balance Reports für 2023 verfügt Russland über zehn Luftraumaufklärer vom Typ A-50, einer davon soll in Syrien eingesetzt worden sein. Über deren Verwendung im russischen Krieg gegen die Ukraine ist noch wenig bekannt. Treffen die Berichte über den Angriff vom Sonntag zu, dann wäre es der fünfte auf einer Basis unter russischer Kontrolle: Davon befinden sich vier Flugplätze in Russland und einer in Belarus. vf

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    Guterres: Menschenrechte unter Beschuss

    UN-Generalsekretär António Guterres hat vor dem Menschenrechtsrat in Genf am Montag ein düsteres Bild der Welt gezeichnet. Er sprach unter anderem von einem “sinnlosen Krieg” Russlands gegen die Ukraine, der zu “massiven Menschenrechtsverletzungen” geführt habe. Volker Turk, der Hohe Vertreter der Vereinten Nationen, warnte, dass Errungenschaften im Bereich der Menschenrechte zurückgedrängt und sogar rückgängig gemacht würden, und nannte die russische Invasion in der Ukraine als Beispiel für Unterdrückung.

    Bei dem Treffen wird auch der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow teilnehmen. Es wird das erste Mal sein, dass ein russischer Beamter aus Moskau seit Beginn des Krieges vor einem Jahr persönlich teilnimmt, was nicht zuletzt Kiew verärgert.

    Der UN-Menschenrechtsrat kann Länder nicht bestrafen, aber Untersuchungskommissionen einsetzen, wie vor einem Jahr nach Beginn der Invasion. Bei dem Treffen, das bis zum 4. April dauern wird, werden viele Staaten versuchen, das Mandat dieses UN-Untersuchungsgremiums zu verlängern.

    Russland nur Beobachter im Rat

    Kiew, das die Einrichtung eines Sondertribunals zur strafrechtlichen Verfolgung der politischen und militärischen Führung Russlands im Zusammenhang mit der Invasion gefordert hat, erklärte, das Gremium sei unerlässlich, um sicherzustellen, dass Russland zur Rechenschaft gezogen wird.

    Russland bestreitet, Kriegsverbrechen begangen oder Zivilisten in der Ukraine angegriffen zu haben. Es wurde im April aus dem Rat ausgeschlossen, kann aber weiterhin als Beobachter teilnehmen.

    Neben der Ukraine ging es am Montag auch um andere Krisenherde der Welt. So kritisierte Außenministerin Annalena Baerbock während ihrer Rede die Unterdrückung von Frauen in Afghanistan und versprach den Demonstranten in Iran, diese nicht zu vergessen. klm/dpa

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    Presseschau

    Süddeutsche Zeitung – Driftet Deutschland in eine Kriegswirtschaft? (Paywall): Während Frankreich den Umbau der Rüstungsindustrie vorantreibt, hütet man sich in Deutschland, das Wort Kriegswirtschaft in den Mund zu nehmen. Hier wird diskutiert, was Kriegswirtschaft in Deutschland bedeuten würde und wie sich die Rüstungsindustrie in Deutschland verändern könnte.

    The Economist – A Year On, Olaf Scholz’s Promise of Transformation Is Only Partly Kept (Paywall): Die Zeitenwende werde in Deutschland stärker vom Verteidigungsminister als vom Bundeskanzler vorangetrieben, schreibt der Economist. Wie Olaf Scholz’ Zögerlichkeit wahrgenommen wird und welchen Anteil man Deutschland an der Unterstützung der Ukraine zuschreibt.

    Tagesspiegel – Kreml-Expertin Belton im Interview “Putin macht sich große Sorgen, was über ihn in den Geschichtsbüchern stehen wird” (Paywall): Catherine Belton, britische Investigativjournalistin, über den Rückhalt Putins beim Geheimdienst und in der Gesellschaft, die Angst seiner Mitarbeiter und den Zustand der russischen Wirtschaft nach einem Jahr Krieg in der Ukraine.

    Dokus im Ersten – Die Überlebenden von Mariupol: Mariupol war für viele Ukrainerinnen und Ukrainer die Stadt der Zukunft, die Perle des Donbass. Die Dokumentation zeigt das Davor – und das Danach. Wackelige Handybilder wechseln sich ab mit Drohnenaufnahmen von brennenden Häusern aus Mariupol, und zeigen den tragischen Fall der ukrainischen Festung. 90 Minuten.

    Heads

    Sven Weizenegger – Start-up-Experte bei der Bundeswehr

    Sven Weizenegger leitet den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr.

    Als Sven Weizenegger 2020 gefragt wurde, ob er den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw) in Berlin leiten wolle, habe er erst einmal so getan, als müsse er nachdenken. Er, der weder Software-Entwicklung, IT-Sicherheit, Management noch sonst was studiert hat, sondern sich bereits als Teenager alles in der IT-Szene beibrachte, was er brauchte; er, der nie bei der Bundeswehr war – natürlich wollte er die erste digitale Innovationseinheit eines deutschen Bundesministeriums leiten. “Dass ich nicht studiert habe, gibt mir einen anderen Blick auf die Dinge, vor allem auf Führung”, sagt Weizenegger. 

    Mit 20 Jahren fängt Weizenegger bei der Telekom an und dringt dort tief in die Systeme der Telekom-Kunden ein, um Sicherheitslücken aufzuspüren. Das brachte ihm den Ruf ein, der erste offizielle Hacker Deutschlands zu sein. Später baut er als Mitarbeiter im Vorstandbereich der T-Systems die Business Unit Cyber Security mit auf, bevor er 2015 seine eigenen Wege geht und (Co-)Gründer beziehungsweise Sicherheitschef von Start-ups wird, darunter Perseus und Kreditech. 

    Agilität liegt in der DNA der Bundeswehr

    Aber warum entscheidet man sich als Cybersicherheitsexperte und Start-up-Gründer ausgerechnet für die Bundeswehr? “Ich hatte Lust auf ein breiteres Themenspektrum im Bereich der digitalen Transformation. Agilität, die Fähigkeit, sich schnell neuen Gegebenheiten anzupassen, kannte ich bisher nur aus dem Start-up-Umfeld, aber tatsächlich ist es ein viel größeres, spannenderes Thema.” Agilität sei nicht nur eine deutsche Erfindung, sondern sogar eine der Bundeswehr, erklärt Weizenegger. “Es bedeutet nichts anderes als Führung mit Auftrag. Agilität liegt der Bundeswehr in der DNA, und daran erinnern wir sie als Innovationshub ganz gern.”

    Im CIHBw, von dem Weizenegger sagt, er trage den völlig falschen Namen, tüfteln rund 50 aktive Soldatinnen und Soldaten mit Reservedienst-Leistenden und Angestellten in Zivil an praktischen, digitalen Lösungen für Probleme, die die Truppe hat. Und verwerfen diese auch mal, wenn es keine wirkliche Innovation ist.

    “Eigentlich müsste der Hub aber Digital Innovation Hub heißen, denn wir arbeiten hier nicht nur im Cyber-Bereich, sondern bringen die gesamte Digitalisierung der Bundeswehr voran”, erklärt der gebürtige Berliner. Aber sich lange dran aufhalten, das würde dem Naturell des CIHBw nicht entsprechen, schließlich bezeichnet sich der Hub als “Do-Tank”, nicht “Think-Tank”. 

    Praktische Lösungen für die Truppe

    Dabei geht es nicht um die Weiterentwicklung von Waffen, sondern Dual-Use-Produkte, um praktische Alltagsprobleme zu lösen: ein elektronischer Teppich für mobile Kräfte im Einsatz, der per Akkus Licht spendet oder ein Flugsimulator, mit dem Piloten der Luftwaffe ihre benötigten Trainingsstunden auch während einer Pandemie erreichen.

    Um die Zeit beim Auf- und Abbau von Gefechtsständen zu reduzieren und deren Mobilität zu erhöhen, entwickelten Weizenegger und sein Team, zusammen mit den Niederländern, außerdem ein System, mit dem sicheres, kabelloses Surfen möglich ist. “Das WLAN wird im Gefechtsstand über unsichtbares LED-Licht aufgebaut und spart damit einige Kilometer an Kabeln.”

    Bereits im Einsatz ist ebenfalls ein Trainingssystem, bestehend aus Übungswaffen und Westen mit Sensoren für den Häuserkampf. Per Stromschlag bekommen die Soldaten direkt Feedback, wenn sie getroffen wurden – was das Trainingsszenario sehr viel realistischer macht. 

    Rückendeckung aus dem Verteidigungsministerium

    Dabei versteht sich der Hub nicht als abgeschottete Einheit, sondern arbeitet eng mit anderen Start-ups zusammen. Weizenegger und sein Team gehen oft zur Truppe und nehmen von dort Probleme mit in den Hub. “Auch von außen können Menschen an uns herantreten, wenn sie ein Problem haben oder vielleicht sogar schon an einer Lösung arbeiten, diese aber noch weiterentwickeln wollen.”

    Angesiedelt ist die Innovationseinheit bei der 100-prozentigen Bundesgesellschaft BWI, dem “IT-Systemhaus der Bundeswehr”, wie sie sich selbst bezeichnet. Jedoch untersteht der CIHBw direkt dem Bundesverteidigungsministerium, und erhält von dort nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch die nötige Rückendeckung. “Das ist gut so, denn wir sind das oft unbequeme, das disruptive Element im Organismus und deshalb nicht immer beliebt”, sagt Weizenegger. Er nimmt’s gelassen. Lisa-Martina Klein

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    Security.Table Redaktion

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