Table.Briefing: Security

Russlands Stressgürtel um Europa + Deutschlands neue Sicherheitspolitik im Pazifik

Liebe Leserin, lieber Leser,

es wird ungemütlicher in Europa: Russland attackiert und sabotiert Infrastruktur ohne Rücksicht auf Opfer. Die Financial Times bringt jetzt sogar das Feuer bei Diehl Metall am Freitag in Berlin mit Moskau in Verbindung. Ein Sprecher des Unternehmens verweist auf Anfrage von Table.Briefings allerdings darauf, dass die entsprechenden Behörden “vermutlich auch in diesem Vorfall routinemäßig in verschiedene Richtungen ermitteln”.

Es wäre kein Einzelfall. Deutschland ist längst zur Zielscheibe des hybriden Kriegs Moskaus geworden: von mutmaßlicher Sabotage an Energie- und Eisenbahn-Infrastruktur, aufgeflogenen Spionen beim Nachrichtendienst, Cyberattacken auf die IT-Infrastruktur deutscher Parteien, Großkonzerne und kommunaler Verwaltungen bis zu mutmaßlichen Geldzahlungen an AfD-Politiker oder die Abhör-Affäre bei der Bundeswehr.

Blicken wir über die Grenzen, haben in Schweden gerade Ermittlungen zu zwei entgleisten Zügen begonnen, hinter denen russische Sabotage vermutet wird. Auch in Norwegen ermitteln Behörden immer noch wegen eines Zugunglücks nahe Bergen. Dänemarks Geheimdienste sehen ein noch höheres Spionagerisiko als zu Beginn des Krieges in der Ukraine. Aufgrund des gestörten GPS-Signals konnte im estnischen Tartu zeitweise kein Flugverkehr stattfinden. Die Liste lässt sich fortsetzen.

In einem kürzlich veröffentlichten Statement zeigte sich der Nordatlantikrat “deeply concerned”. Die Frage ist: Hat die Nato eine geeinte, schlagkräftige Antwort auf diese Art der Bedrohung, die sich – einzeln gesehen – unter der Schwelle des in Artikel 5 festgelegten Bündnisfalls bewegt, zusammengenommen aber eine klare Kriegsansage an den Westen darstellen könnte?

Sie sollte. Denn wie unsere Karte in diesem Briefing zeigt, weitet Wladimir Putin, dessen fünfte Amtszeit als Präsident heute beginnt, seine Einflusszone um Europa herum aus, die nächsten Konflikte drohen.

Ihre
Lisa-Martina Klein
Bild von Lisa-Martina  Klein

Analyse

Geopolitik: Wie Russland Europa einkreist

Russische Militärangehörige der Paradetrupps während der Generalprobe der Siegesparade auf dem Schlossplatz in St. Petersburg.

Für Moskau ist der Krieg gegen die Ukraine nur ein Teil eines größeren geopolitischen Programms: Es geht um dauerhafte Kräfteverschiebungen zwischen Russland und westlichen Staaten. Weil die militärischen Ressourcen des Kremls begrenzt sind, spielen weichere, aber nicht weniger einflussstarke Taktiken eine wichtige Rolle – etwa das Umgarnen von pro-russisch eingestellten europäischen Politikern und die Stärkung autokratischer Regierungen in Afrika. Und so gelingt es Russland nach und nach, einen Ring aus Einflussbereichen um Europa aufzubauen. Das Ziel: Der Westen soll Moskaus Interessen akzeptieren.

Belarus

Die alte Partnerschaft der Regime hat sich seit den Protesten gegen den belarussischen Diktator im Jahr 2020 und mit der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 verfestigt. Minsk ist ökonomisch von Moskau stark abhängig, beide Staaten treiben eine Integration voran. Über Belarus übt Russland nicht nur Druck auf die Ukraine aus, sondern durch die Westgrenze zu Lettland, Litauen und Polen auch direkt auf die EU. Neben der Stationierung russischer Militärs sowie mutmaßlich russischer Atomwaffen in Belarus setzten Minsk und Moskau die EU unter Druck, indem sie viele Geflüchtete aus Afghanistan, Irak und anderen Staaten gezielt an die EU-Grenze brachten. Flüchtlinge sind auch in anderen Staaten ein Mittel, das Russland gegen den Westen einsetzt.  

Ukraine

Seit mehr als zwei Jahren führt Russland einen brutalen Krieg gegen ein Land, das nach dem Zerfall der Sowjetunion einen eigenständigen Weg zu gehen versucht. Für Wladimir Putin geht es in der Ukraine nicht nur um ein seit Jahrhunderten von Russland unterdrücktes Territorium, sondern auch um eine imperiale Neuaufteilung der Welt. Der Krieg verschlingt gewaltige finanzielle und menschliche Ressourcen und setzt westliche Regierungen immer wieder unter Druck.

Moldau/Transnistrien

Die Republik Moldau hat sich politisch für einen Westkurs entschieden. Doch Moskau-nahe Kräfte, wie etwa die politische Bewegung von dem in Moldau verurteilten Finanzbetrüger Ilan Șor, versuchen aus dem Ausland diesen Weg zu sabotieren. Den eigentlichen Joker hält Moskau aber mit der abtrünnigen Region Transnistrien in der Hand. In dieser quasi russischen Exklave könnten bis zu 2.000 russische Soldaten stationiert sein. Ihr militärischer Nutzen für Moskau ist zwar überschaubar, aber für politischen Aufruhr kann der Möchtegernstaat instrumentalisiert werden. Die Ukraine muss an der Grenze zu Transnistrien Kräfte vorhalten, ähnliche wie an der Grenze zu Belarus. Diese Kräfte fehlen an der Front im Osten und Süden des Landes.

Ungarn

Wie Moskau von den engen russisch-ungarischen Beziehungen profitiert, zeigt sich regelmäßig in Brüssel. Immer wieder zögert der ungarische Premier Viktor Orbán Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine mit seinem Veto hinaus. Zwar stimmt er am Ende doch immer mit der EU und der Nato überein, doch der Faktor Zeit spielt gerade im Krieg Russlands gegen die Ukraine eine große Rolle. Zuvor hatte Orbán bereits in der Migrationspolitik gemeinsam mit Polen immer wieder wichtige Entscheidungen blockiert. Orbán weiß um diese Macht – genauso wie Wladimir Putin. Der Kreml betrachtet Budapest als Einfallstor in die EU und als Möglichkeit, die Politik in Brüssel zu beeinflussen.

Serbien

Serbien bezieht fast all sein Gas aus Russland, der russische Energiekonzern Gazprom hält mehr als die Hälfte am serbischen Ölunternehmen Naftna industrija Srbije (Nis). Für Russland ist das ein wichtiges Instrument zur Erpressung und Beeinflussung. Serbien nähert sich einerseits der EU an und Präsident Aleksandar Vučić würde seine Streitkräfte gerne mit westlichen Kampfjets ausstatten, andererseits bedient der Staatschef die pro-russische Gesinnung der serbischen Bevölkerung. Russische Medien wie Sputnik Srbija und Russia Today Balkan streuen pro-russische Narrative und befeuern damit unter anderem den Konflikt mit dem Kosovo.

Georgien

20 Prozent Georgiens ist von Russland besetzt (Abchasien und Südossetien). Die Hauptverkehrsader von Ost nach West, von der Hauptstadt Tbilisi in die Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer, führt gefährlich nah an Südossetien vorbei – es wäre ein leichtes für Russland, sie mit militärischen Mitteln zu blockieren und Georgien zu teilen. Bislang nimmt Moskau aber vor allem politisch Einfluss: Das umstrittene Agentengesetz, das die Arbeit ausländischer Organisationen in Georgien stark behindern würde, hat kürzlich die Zustimmung des Parlaments erhalten. Beobachter vermuten dahinter Druck aus Russland.

Türkei

Für Russland ist die Türkei ein wichtiger Vermittler im Krieg mit der Ukraine, ein wichtiger Helfer bei der Umgehung von Sanktionen und ein wichtiger Partner bei der Durchsetzung Moskauer Interessen, etwa bei Russlands nuklearer Geopolitik im Mittelmeerraum. Aber es ist auch ein schwieriger Partner. Denn Ankara nutzt nicht nur in Folge des Bürgerkriegs in Syrien, sondern auch nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine die eigene diplomatische Rolle geschickt für sich. Kein anderes Nato-Mitglied macht solche Handelsgeschäfte sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine und dem Westen wie die Türkei. Russland nutzt die geografische Lage der Türkei und exportiert etwa Öl über türkische Zwischenhändler auch in die EU.

Syrien

Syriens Diktator Baschar al-Assad verdankt sein politisches Überleben Wladimir Putin. In Syrien hat Russland aber nicht nur in alter Tradition dem Assad-Clan geholfen, das eigene Militär trainiert und eigene Waffen getestet, sondern auch gesehen, dass etwa die USA bereit waren, die selbstgesetzten Roten Linien zu ignorieren (etwa nach dem Einsatz von Chemiewaffen durch Assads Truppen). Spätestens nach der Annexion der Krim und der ersten Invasion in das Nachbarland 2014 waren Russlands Einmischung in den Krieg in Syrien und der eigene Krieg gegen die Ukraine miteinander verknüpft. Für Moskau war der Krieg in Syrien nicht ohne westliche Zugeständnisse in der Ukraine zu lösen. Auch die große Fluchtbewegung 2015/2016 hängt zum Teil mit Russlands Vorgehen in Syrien zusammen. Hier sah Moskau erneut, wie erpressbar die EU angesichts der logistischen Überforderung durch die vielen Geflüchteten ist. Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien werden weiterhin von Moskau als hybride Waffe eingesetzt, die bei Bedarf aktiviert werden kann.

Iran

Nach Ausbruch des Gaza-Kriegs fand ein persönliches Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi statt. Das zeigt: Auch wenn die Beziehung der beiden Staaten historisch und strategisch durchaus ambivalent sind, entsteht zunehmend eine tiefe außenpolitische Partnerschaft, die eine Bedrohung für die EU darstellt. Das spiegelt sich aktuell in der Ukraine genauso wider wie im Gazastreifen. Berichten zufolge habe der Iran beschlossen, ballistische Raketen an Russland zu liefern, zudem führt die russische Armee den Drohnenkrieg in der Ukraine auch mit den iranischen Shahed-Drohnen. Russland hat zudem in der Hand, ob Iran wirklich eine Atomwaffe entwickeln kann – dafür braucht es Moskaus Unterstützung. Auch ein militärisches Bündnis ist nicht mehr undenkbar. Gefährlich ist das für die EU deshalb, weil Moskau damit die gesamte Region Nahost in unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa weiter destabilisieren kann. Die beiden Länder eint das gemeinsame Interesse, den Westen zu schwächen und einer Veränderung der Weltordnung hin zu einer multipolaren Welt zu bewirken.

Ägypten

Seitdem Ägyptens damaliger Armeechef, Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, im Sommer 2013 den ersten frei gewählten Präsidenten des Landes stürzte – der Muslimbruder Mohmmamed Mursi starb 2019 im Gefängnis -, ist das Verhältnis zwischen Moskau und Kairo aufgeblüht. Nicht zuletzt, weil der damalige US-Präsident Barack Obama sich während des Arabischen Frühlings auf die Seite der Freiheitsbewegungen in Nordafrika gestellt hatte – und damit gegen den tiefen Staat aus Polizei, Geheimdiensten und Armee, der die ägyptische Politik noch unter Hosni Mubarak bestimmte. Sisi war unter dem früheren autoritär-regierenden Präsidenten Militärgeheimdienstchef – auch das ein Grund, weshalb das Verhältnis mit dem früheren KGB-Mann Wladimir Putin so gut funktioniert. 

Libyen

Ähnlich wie in den Staaten in der Sahelzone verfolgt Russland in Libyen verschiedene Interessen. Besonders interessant ist die in den vergangenen zwei Jahren gewachsene Bedeutung Libyens als Helfer für den Export von russischem Öl, das über den Sudan teils nach Europa verkauft wird. Das Geld fließt in den russischen Haushalt und damit auch zum guten Teil ins Militär. Libyen war aber auch eines der wichtigsten Operationsgebiete der russischen Privatmiliz Wagner, wo sie Erfahrung sammelte. Derzeit laufen zudem Verhandlungen mit dem aufständischen libyschen General Chalifa Haftar über eine mögliche russische Marinebasis im Osten des Landes. Damit würde Russland seinen militärischen Einfluss im Mittelmeer ausbauen. Ein dritter und nicht weniger wichtiger Punkt ist das Thema Flüchtlinge. Über Libyen kommen viele Menschen aus Subsahara-Afrika, die nach Europa wollen. Diese Bewegungen kann Russland beeinflussen.

Sudan

Nicht nur wegen des Goldes ist der Sudan für Russland interessant. Moskau verhandelt auch mit diesem Land über die Errichtung einer Marinebasis, diesmal in der Hafenstadt Bur Sudan am Roten Meer. Doch ohne ein neues Parlament wird dieses Vorhaben, das der sudanesische Außenminister Ali Al-Sadiq Ali im Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti prinzipiell begrüßte, nicht umsetzbar sein. Und Wahlen sind aktuell nicht in Sicht. Eine Marinebasis am Roten Meer würde Russlands Einflusssphäre in Afrika ausweiten und Russland ermöglichen, potenziell Einfluss auf eine wichtige Route für Handelsschiffe zu nehmen.

Tschad

Der Tschad hat am 6. Mai einen Präsidenten gewählt. Ein offizielles Ergebnis wird erst in einem Monat erwartet, aber es dürfte klar sein, dass der bisherige Machthaber General Mahamat Idriss Déby Itno gewinnt. Trotz der undemokratischen Wahl dürften sich sowohl die EU als auch Russland mit dem Ergebnis arrangieren können. Schon länger versucht Russland, Frankreich und damit der EU den Tschad als Partner abzuringen. Ende Januar hatte Déby Wladimir Putin in Moskau besucht, der ihn für die vermeintliche Stabilisierung des Tschads lobte und ihm versicherte, Russland stünde als Verbündeter bereit. Gleichzeitig ziehen die USA 75 Spezialkräfte aus dem Tschad ab und hoffen aktuell noch auf eine Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation nach den Wahlen.

Niger

Nach dem Militärputsch in Niger im letzten Jahr haben die neuen Machthaber die USA zum Rückzug aufgefordert – und damit den Weg frei gemacht für russische Militärs. Wie das US-Außenministerium Anfang Mai bestätigte, sind russische und US-Truppen gemeinsam auf einem Militärstützpunkt nahe der nigrischen Hauptstadt Niamey stationiert, über den die USA ihren Truppenabzug regeln. Lange galt das westafrikanische Land als verlässlicher Partner Washingtons im Kampf gegen islamistische Milizen. Die “Niger Air Base 201” nahe der Stadt Agadez war seit 2019 eine der wichtigsten Stützpunkte für US-amerikanische Überwachungs- und Geheimdienstoperationen in der Region. Der Flugplatz gehört dem nigrischen Militär, ist aber von den USA mit rund 110 Millionen US-Dollar ausgebaut worden.

Mali

Die Regierung in Mali setzt nach zwei Militärputschen 2020 und 2021 auf Russland als neuen Partner. Nach dem Abzug der einstigen Kolonialmacht Frankreich haben die UN-Truppen – inklusive die der Bundeswehr – Mali Ende 2023 verlassen. Wie in Niger und in Burkina Faso hat auch in Mali das sogenannte “Afrikakorps” anstelle der Wagner-Truppen das Kommando übernommen. Der Name erinnert an das Afrikakorps des Dritten Reichs, das zwischen 1941 und 1943 in Tunesien, Libyen und Ägypten operierte. Das Korps dient vor allem als Instrument der russischen Außenpolitik, die ihren Einfluss in der Sahel-Zone systematisch ausweiten will. Die Intervention in Mali zur Stärkung des Regimes von Assimi Goïta ist vor allem ein Signal an die westlichen Länder, dass sich Russland nicht als isoliert versteht.

Burkina Faso

Seit die Militärjunta sich in Burkina Faso im September 2022 an die Macht geputscht hat, baut Russland seinen Einfluss in dem Land aus. Im Januar schickte Putin Soldaten des Afrikakorps nach Burkina Faso, um den Landesführer Ibrahim Traoré zu schützen. Die Truppe, die aus ehemaligen Wagner-Soldaten besteht, untersteht jetzt dem russischen Verteidigungsministerium. Die Soldaten füllen die Lücke, die französische Streitkräfte hinterließen, nachdem sie 2023 des Landes verwiesen wurden. Im Dezember eröffnete Russland nach fast 32 Jahren wieder eine Botschaft in dem Land. Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze warnte im März, dass man Burkina Faso “nicht weiter in die Arme Russlands treiben solle” und sagte, es gehe bei der Entwicklungsarbeit auch um geostrategische Interessen. Im Januar hat Burkina Faso mit Mali und Niger die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas verlassen und sich zuvor zu einer Allianz der Sahelstaaten zusammengefunden, die sich im Konfliktfall beistehen will.

Guinea

Im Gegensatz zu Mali und Niger hat die Interimsregierung in Guinea nach dem Militärputsch im September 2021 die Beziehungen zu Russland zwar nicht weiter intensiviert. Doch russische Bergbauunternehmen können noch immer Gold aus dem Land nach Dubai ausführen und damit westliche Sanktionen umgehen. Zudem nutzt Russland die Hafenanlage des Landes für Güterlieferungen nach Mali. Die Regierung Guineas unter Oberst Mamady Doumbouya – ein ehemaliger Soldat der französischen Fremdenlegion – versucht, die Beziehungen sowohl zu Russland als auch zu westlichen Staaten gleichwertig zu erhalten. Doch Moskau arbeitet daran, das Land weiter an sich zu binden. Unter anderem soll in diesem Jahr ein russisches Kulturzentrum in der Hauptstadt Conakry eröffnet werden.

Zentralafrikanische Republik

Vor gut sechs Jahren begann Russland mit der Verdrängung westlicher, vor allem französischer Vertreter in afrikanischen Staaten – der erste Erfolg war in der Zentralafrikanischen Republik. Bei der Hilfe für die Regierung gegen bewaffnete Milizen setzte Moskau sich gegen Paris durch. Der Kreml schickte aber nicht nur Waffen, sondern auch eigene Männer – die Wagner-Truppe. Sie stützten die Regierung, sicherten die Ausbeutung von Bodenschätzen und begangen dabei Menschenrechtsverbrechen. Für den Aufstieg Wagners spielte die Zentralafrikanischen Republik eine wichtige Rolle, weil die Gewinne aus dem Handel mit Diamanten und Gold in den Ausbau von Wagner flossen. Um die eigenen Machenschaften zu verdecken zögerten die Wagner-Milizen auch vor Verbrechen nicht zurück. Sie sollen sie unter anderem in die Ermordung von drei russischen Reportern involviert sein, die in dem Land über Wagner recherchierten.

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Diplomatie: Wie Macron Xi umgarnt, während von der Leyen droht

Xi Jinping und Emmanuel Macron am 6. Mai in Paris.

Bei Xi Jinpings Besuch am Montag in Paris hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron um Harmonie bemüht, um so den chinesischen Präsidenten für eine mögliche Vermittlung im Ukrainekrieg zu gewinnen. Zumindest mit etwas Erfolg. Denn neben diversen Wirtschaftsabkommen in der Luftfahrt oder der Batterieproduktion sagte Xi zumindest seine Unterstützung für die von Macron gewünschte Waffenruhe während der olympischen Spiele vom 26. Juli bis 11. August in Paris zu. Würden die Waffen während der Spiele tatsächlich ruhen, wäre das für Macron ein großer Erfolg. Dass Putin dabei mitmacht, ist aber eher unwahrscheinlich.

Während Macron den chinesischen Präsidenten in Paris umschmeichelte und “das Engagement der chinesischen Autoritäten, den Verkauf von Waffen zu unterlassen und den Export von Dual-Use-Gütern streng zu kontrollieren” lobte, wählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen durchaus harte Töne. Beim trilateralen Treffen am Mittag habe sie dem chinesischen Präsidenten klargemacht, dass immer noch zu viele chinesische Dual-Use-Güter auf ukrainischen Kriegsschauplätzen entdeckt würden. Da es sich für die Ukraine und Europa um ein existenzielles Thema handele, “wirkt sich das auf das EU-China-Verhältnis aus”.

Xi warnt davor, die “Ukraine-Krise” zu missbrauchen

Macron und von der Leyen wollten auf Xi einwirken, sich stärker um ein Kriegsende in der Ukraine zu bemühen. Doch Xis Reaktion war ernüchternd. So sagte er während dem Treffen mehrmals, dass China “nicht der Grund für diese Krise und auch nicht Teil oder Teilnehmer” sei. Schon am Montag hatte Xi in einem Gastbeitrag für den Figaro darauf verwiesen, dass er bereits darauf gedrängt habe, “dass man keine Atomwaffen verwendet”. Und dass er durchaus verstehe, dass der Krieg in der Ukraine Umwälzungen in Europa auslöse.

Während der chinesische Präsident gerne vorgibt, sein Land sei neutral zwischen Russland und dem Westen, unterstützt China in Wirklichkeit den russischen Freund. “Wir lehnen es ab, dass die Ukraine-Krise genutzt wird, um die Schuld auf andere zu schieben, ein Drittland in den Schmutz zu ziehen und einen neuen Kalten Krieg zu entfachen”, sagte Xi dazu am Montag in Paris.

China ist kein Vermittler

Gesine Weber, Gastwissenschaftlerin am Saltzman Institute of War and Peace Studies in New York, setzt ohnehin keine großen Hoffnungen auf etwaige chinesische Vermittlungsankündigungen. “China präsentiert sich sehr gerne als verantwortungsvoller globaler Player”, sagt sie. Das reihe sich ein in die chinesische Außenpolitik und sei “auf keinen Fall etwas, von dem man eine große Initiative erwarten sollte”.

“Er hat nicht die Kapazitäten zu vermitteln, weil China nicht neutral ist”, sagt die Merics-Analystin Abigaël Vasselier. Xi müsste erst einmal anerkennen, dass es sich überhaupt um einen Krieg handele. “Er spricht immer noch über eine Krise”, sagt Vasselier. China helfe Russland wirtschaftlich, helfe Putin aus der diplomatischen Isolation und “China macht einen Unterschied auf dem Schlachtfeld in der Ukraine”.

Passend dazu will Russlands Präsident Wladimir Putin am 15. und 16. Mai nach China reisen. Es wäre seine erste Auslandsreise nach seiner Amtseinführung, die am heutigen Dienstag stattfindet.

Scholz lehnte gemeinsames Treffen ab

Eigentlich hätte Macron gerne ein Signal der Einigkeit mit Bundeskanzler Olaf Scholz und von der Leyen gesendet. Doch Scholz nahm lieber Termine im Baltikum wahr, obwohl Macron am Donnerstag bei einem gemeinsamen Abendessen in Paris den Bundeskanzler noch zu überreden versucht hatte, an dem Treffen teilzunehmen. Ohnehin hat Scholz den chinesischen Staatschef bei seiner China-Reise Mitte April schon gesehen.

“Ich denke, Frankreich will zeigen, dass die französische Stimme auch eine europäische ist”, sagt Vasselier. Deshalb sei auch von der Leyen in Paris gewesen. “Dass Scholz ein vorbereitendes Gespräch mit Macron hatte, ist exzellent, weil es die Abstimmung der Botschaften, die man senden will, ermöglicht”. Für problematisch hält sie, dass der Bundeskanzler seine Besuche in China nicht “europäisiert” habe, indem er keine Minister aus anderen EU-Ländern oder Mitglieder der EU-Kommission mitgenommen hatte.

Xis geschickt gewählte Reiseroute

Schon bei Scholz’ Besuch in Peking im November 2022 hätte Macron ihn gerne begleitet. Stattdessen reiste der französische Präsident mit von der Leyen im April 2023 hinterher und brachte Scholz und die USA gegen sich auf, weil er sagte, die Europäer dürften keine “Vasallen” der USA werden. In seiner zweiten Sorbonne-Rede Ende April wiederholte Macron seine Aussage – mit fast identischer Wortwahl.

Die Termine für seine Gespräche hat Xi geschickt gewählt. Beim Treffen mit Macron feierten die Präsidenten den 60. Jahrestag der französisch-chinesischen Beziehungen, bei seinem Besuch in Serbien am Dienstag will Xi 25 Jahre nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch die Nato die Doppelmoral des Westens aufzeigen. Zuvor wird er noch mit Macron in den Pyrenäen speisen, am Ort, an dem Macrons Großmutter gelebt hat.

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Neue Definition von Sicherheit: Wie Baerbock im Pazifik Flagge zeigt

Bei ihrer Reise durch die Pazifikregion will Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den Zusammenhalt der westlichen Demokratien in Zeiten von Ukraine-Krieg und Spannungen um Taiwan stärken. China und Russland sollen als Bedrohungen für die regelbasierte internationale Ordnung deutlich benannt werden. Und den Staaten im Indopazifik will sie demonstrativ den Rücken stärken gegen den großen Nachbarn China.

Jenseits dieser Ziele hat Baerbock aber noch eine neue Botschaft: Sicherheitspolitik breiter zu definieren als bisher. Dazu passte gleich am ersten Tag der Reise, die noch bis zum heutigen Dienstag andauert, eine Nachricht, die die Ministerin im australischen Adelaide verkündete. Als sie am Freitag ihre australische Amtskollegin Penny Wong traf, sagte Baerbock, man könne nun nachweisen, dass die Cyberattacke auf die SPD im Januar 2023 auf den russischen Geheimdienst zurückgehe. “Staatliche russische Hacker haben Deutschland im Cyberraum angegriffen”, sagte sie nach dem Treffen mit Wong. Das werde Konsequenzen haben. Eine dieser Folgen machte Baerbock auf ihrer Reise klar: Der Begriff Sicherheit müsse weiter gefasst werden als bisher.

Baerbock definiert überlappende Sicherheitskomplexe

Die “wertvollen Erfahrungen” Australiens in der Sicherheitspolitik mit China zeige, dass man die “Risiken genau in den Blick nehmen” müsse, sagte Baerbock. “Das gilt für Spionage und Unterwanderung” und die Abhängigkeit durch Lieferketten. In Neuseeland sagte sie, das Land spüre, “dass die Sicherheitsanforderungen überlappend sind“:

  • Es gebe sie im “harten Sicherheitsbereich”, also gegen militärische Bedrohungen, etwa bei der Sicherung der freien Schifffahrt im Pazifik und der Taiwanstraße
  • Es gebe sie im “Wirtschaftsbereich”, wo etwa die Abhängigkeit von China durch Lieferketten verringert werden müsse – wie beim wichtigen Grundstoff Lithium aus China, das im Rohzustand eigentlich aus Australien stammt.
  • Für Baerbock gibt es die Überschneidungen, “insbesondere auch als Klimasicherheit“: Die Inselstaaten im Pazifik sind hier besonders verwundbar. Aber auch Australien hat gigantische Waldbrände erlebt und Neuseeland Sturmschäden.
  • Beim Thema Abwehr von Attacken aus dem Cyberraum “haben wir darüber geredet, wie wir besser zusammenarbeiten können”, sagte Penny Wong. Es gehe in der aktuellen Situation “nicht nur um militärisches Engagement”.
  • Baerbocks Besuch des Weltrauminstituts in Auckland und die Forschungskooperation zur Antarktis sollen zeigen, dass auch Wissenschaft und Raumfahrt Teil eines umfassenden Sicherheitsbegriffs sein sollten.
  • Schließlich ist laut Baerbock die “innere Stärke unserer Gesellschaften” wichtig für die verschiedenen Aspekte von Sicherheit: “Gleichberechtigung und Vielfalt machen Gesellschaften stärker und resilienter.”

Sicherheitsthemen dominieren Besuchsprogramm

Entlang dieser Sicherheitsaspekte war das Besuchsprogramm der Außenministerin angelegt: In der australischen Stadt Adelaide inspizierte sie ein “Zentrum für Cyber-Zusammenarbeit” und die Osborne-Marinewerft, wo die deutsche Rüstungsfirma Lürssen Patrouillenboote für die australische Marine baut. Dass die Schiffe weniger zur Abschreckung möglicher militärischer Gegner, sondern vor allem für die Küstenwache beim Abfangen von illegalen Migranten dienen sollten, ging dabei fast unter.

Im neuseeländischen Auckland nahm sie mit ihrem Amtskollegen Winston Peters an der Unterzeichnung einer Absichtserklärung für eine Forschungskooperation in der Antarktis teil, wo China seine Kapazitäten derzeit stark ausbaut. Und sie konferierte mit der Ministerin für Verteidigung und Forschung, Judith Collins, und besuchte das Institut für Weltraum an der Universität.

“Hier im Indopazifik wird die Ausgestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt“, erklärte die deutsche Außenministerin in Adelaide. Die Region sei ein “Powerhouse der Weltwirtschaft”, in dem Deutschland seine Beziehungen aus politischem und ökonomischem Interesse ausbaue. Penny Wong erinnerte daran, dass “Deutschlands industrielles Gewicht ein kritischer Teil seiner nationalen Macht ist”.

Baerbock im Pazifik: De-Risking von China im Hinterkopf

Solche Worte sind Wasser auf die Mühlen von Baerbocks Strategie des “De-Risking” gegenüber China. Die Konsequenzen einer solchen Strategie hat Australien erlebt, als es den chinesischen Mobilfunkanbieter Huawei 2018 aus seinem Netz verbannte. Die Maßnahme hatte einen Handelskrieg mit China ausgelöst, der erst langsam wieder beigelegt wird.

Die Kooperation in der Antarktis steht für Baerbock als Erfolgsbeispiel für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Neuseeland, ebenso wie das neue bilaterale EU-Freihandelsabkommen. Dieses ist am 1. Mai in Kraft getreten und sei mit seinen Umwelt- und Sozialstandards der “Goldstandard” solcher Abkommen, so die Ministerin. Sie verwies darauf, dass sich zwei Schiffe der Deutschen Marine bei ihrer gerade begonnenen “Pazifik-Reise” für die Freiheit der Seewege einsetzten. Ob die Schiffe den Weg durch die von China beanspruchte Straße von Taiwan nehmen würden, wollte die Außenministerin allerdings nicht vorab festlegen, es allerdings auch nicht ausschließen.

Deutschland will Beziehungen zum Südpazifik ausbauen

Auch mit den pazifischen Inselstaaten will Deutschland nach Baerbocks Vorstellungen bessere Beziehungen haben und dabei präsenter sein: Eine neue Botschaft auf Fidschi wurde im August 2023 eingeweiht – Baerbocks Anwesenheit dabei verhinderte nur der Schaden am Regierungsflugzeug, das damals in Abu Dhabi liegen blieb. Deutschland ist klar geworden: Wenn man mit Staaten kooperieren will, darf man nicht wie zuletzt geschehen 13 Jahre ins Land gehen lassen, ohne dass sich ein Außenminister zeigt. Zumal 14 Staaten im Indopazifik 14 Stimmen in den UN-Gremien sind, die wichtig sind bei Abstimmungen zum Ukraine-Krieg oder über den angestrebten nichtständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Es sind Staaten, um deren Stimmen auch China wirbt.

Verstärkte Aufmerksamkeit gilt den Inselstaaten im Südpazifik auch deshalb, weil China dort seit einiger Zeit gezielt und massiv seine Präsenz ausbaut – und dabei die USA aussticht. Die Angst: Geheimverträge über die Ausbildung der Polizei wie auf den Salomonen-Inseln könnten auch andere Staaten schließen – und möglicherweise später chinesische Marinebasen oder Flughäfen erlauben, wie US-Medien spekulieren. Das wiederum könnte die Seewege zwischen Australien/Neuseeland und der US-Flotte in Hawaii bedrohen.

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News

Russische Atomstreitkräfte: Warum ein Experte Parallelen zur Kuba-Krise zieht

Die Ankündigung zu einer Übung der Atomstreitkräfte in Russland sieht der russische Atomwaffenexperte Nikolai Sokov als ein “Zeichen an die Nato”. “Solche Übungen, insbesondere die Übergabe von Waffen aus deren Lagern an die Streitkräfte hat es auch früher schon gegeben, doch die wurden nicht öffentlich kommuniziert”, erläuterte Sokov gegenüber Table.Briefings. Insofern sei die öffentliche Ankündigung wichtiger als die Übung an sich.

Sokov, der als Mitarbeiter des sowjetischen und russischen Außenministeriums mehrere Atomwaffenverträge mitverhandelt hat, forscht heute am Wiener Zentrum für Abrüstung und Nichtverbreitung (VCDNP). Er warnt vor leichtfertigen Annahmen, “die im Westen immer beliebter werden”, dass Russland Atomwaffen “unter keinen Umständen” einsetzen werde oder dass “ausländische Streitkräfte auf dem Territorium der Ukraine eine Art Immunität genießen würden. Das ist absolut falsch – sie werden ein prioritäres Ziel sein, und das könnte eine ernsthafte Eskalation auslösen”.

Moskau begründet die Übung mit Macrons Aussagen

Das russische Verteidigungsministerium hatte am Montagmorgen mitgeteilt, dass auf Befehl des Präsidenten und Oberbefehlshabers Wladimir Putin die Streitkräfte die Vorbereitungen zum Einsatz von Atomwaffen trainieren würden. Die Übung solle zeitnah erfolgen. Begründet wurde die Übung mit Äußerungen westlicher Politiker wie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, unter anderem Bodentruppen in der Ukraine einzusetzen.

Nikolai Sokov unterstrich, dass die Übung mit taktischen Atomwaffen auch mit der Lenkflugrakete Kalibr stattfinden könnte, die je nach Abschussregion eine Reichweite bis weit nach Westeuropa hätte. “Wir treten unerwartet in eine Phase ein, die an die Kuba-Krise erinnert”, ergänzte Sokov. “Es werden Ankündigungen gemacht und deutliche Signale gesendet, die Entschlossenheit demonstrieren sollten, ,bis zum Äußersten’ zu gehen. Das ist eine gefährliche Dynamik, weil jede Seite, die fürchtet, Schwäche zu zeigen, tatsächlich ,bis zum Äußersten’ gehen wird”.

Die EU hat bereits scharfe Kritik an der geplanten Atomwaffen-Übung geübt. “Das ist eine Fortsetzung des unverantwortlichen Verhaltens Russlands und ein weiterer Beweis dafür, dass der Kreml nur an einer weiteren Eskalation der Situation interessiert ist”, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. Man fordere Russland auf, das “Säbelrasseln” einzustellen und die Aggression gegen die Ukraine zu beenden. vf

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Deutsche Marine im Indopazifik: Weshalb Peking vor Fahrt durch Taiwanstraße warnt

Noch hat sich die deutsche Fregatte “Baden-Württemberg” nicht aufgemacht zu ihrem Einsatz im Indopazifik. Doch schon jetzt warnt China die deutsche Regierung vor einer möglichen Fahrt der “Baden-Württemberg” durch die Taiwanstraße.

China habe das Recht auf freie Schifffahrt stets respektiert, lehne es aber entschieden ab, dass ein Land im Namen freiheitlicher Schifffahrt Chinas Souveränität und Sicherheit provoziere und bedrohe, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Montag in Peking. Man hoffe, dass Länder außerhalb der Asien-Pazifik-Region dem Frieden und der Stabilität in der Taiwanstraße keinen Ärger bereiteten.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte sich in Neuseeland für mehr deutsche Präsenz in der Region ausgesprochen und auf zwei Schiffe der Deutschen Marine verwiesen, die sich auf ihrer gerade begonnenen “Pazifik-Mission” für die Freiheit der Seewege einsetzten. Es handelt sich um die Fregatte “Baden-Württemberg” und das Versorgungsschiff “Frankfurt am Main”.

Neben Hafenbesuchen bei strategischen Partnern werden die beiden deutschen Schiffe an mehreren multinationalen Marinemanövern teilnehmen – unter anderem an der von den USA-geführten Übung Rimpac. Ob die Schiffe den Weg durch die von China beanspruchte Straße von Taiwan durchqueren, wollte Baerbock nicht vorab festlegen. Die Route werde nicht vorab bekannt gegeben. Das “Recht der friedlichen Durchfahrt” gelte allerdings auch für die Straße von Taiwan. rad 

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Feuerpause in Gaza? Warum Israel nun am Zug ist

Die Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen gehen am heutigen Dienstag in Kairo weiter. Zwar erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Montagabend in Jerusalem, der kurz zuvor von der Hamas angenommene Verhandlungsentwurf katarischer und ägyptischer Vermittler sei “weit von Israels notwendigen Forderungen entfernt”. Trotzdem werde man eine Arbeitsdelegation zu weiteren Gesprächen nach Ägypten entsenden.  

Zugleich setzte die israelische Luftwaffe ihre Angriffe auf Ziele in der von 1,2 Millionen Menschen besiedelten Stadt Rafah in der Nacht auf Dienstag fort. Damit solle militärischer Druck auf die Hamas ausgeübt werden, um “die Freilassung unserer Geiseln und die anderen Ziele des Krieges voranzutreiben”, sagte Netanjahu. Die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und Jordaniens forderten Israel auf, die Luftschläge einzustellen. Vor dem israelischen Verteidigungsministerium in Tel Aviv, in Jerusalem, Haifa und anderen Städten verlangten am Abend Hunderte Demonstranten eine Zustimmung Netanjahus zu dem von Katar und Ägypten ausgearbeiteten Verhandlungsvorschlag.  

Freilassung von Geiseln in drei Phasen

Zuvor hatte der politische Führer der Terrororganisation, Ismail Hanijeh, mitgeteilt, dass er dem Ministerpräsidenten von Katar und dem ägyptischen Geheimdienstchef die Zustimmung zu einer Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung von israelischen Geiseln gegeben habe. Dem Vernehmen nach sieht das vorliegende Abkommen drei Phasen von je 42 Tagen vor, in denen Hunderte palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen sollen, sollte die Hamas Dutzende der am 7. Oktober vergangenen Jahres entführten Israelis auf freien Fuß setzen. Zudem soll es eine Perspektive für den Wiederaufbau des Gazastreifens und die Rückkehr von Vertriebenen geben sowie verstärkte humanitäre Hilfe.

Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete unter Berufung auf Diplomaten, dass es sich bei dem von der Hamas akzeptierten Vorschlag um denselben handele, dem Israel bereits zugestimmt habe. Ein israelischer Beamter hatte diesen zuvor als “abgeschwächte” Version eines ägyptischen Vorschlags abgetan, der “weitreichende” Schlussfolgerungen enthalte, die Israel nicht akzeptieren könne.

Türkei und Iran im Gespräch mit Hamas

Am Sonntag war CIA-Direktor William Burns in die katarischen Hauptstadt Doha gereist, um mit der Regierung des Emirats die Einzelheiten einer Verhandlungslösung zu klären. Sollte das Abkommen in Kraft treten, wäre es die erste Feuerpause seit einer einwöchigen Kampfpause im November vergangenen Jahres. Seit Monaten scheitern die Versuche der Vermittler eine Einigung zu erzielen, um die Kämpfe zu unterbrechen, Geiseln zu befreien und mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen.

Auf dem Kurzmitteilungsdienst X schrieb der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian, dass Hamas-Führer Ismail Hanijeh ihm in einem Telefonat mitgeteilt habe, dass der Ball nun in Israels Feld liege. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilte mit, er habe mit Hanijeh über die Feuerpause gesprochen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man werde die Antwort der Hamas genau prüfen und sich mit den regionalen Partnern über eine Einschätzung zu verständigen. “Wir sind weiter der Auffassung, dass ein Geiseldeal im besten Interesse des israelischen und des palästinensischen Volkes ist”, sagte Matthew Miller in Washington.

Die Ankündigung der Hamas erfolgte einige Stunden, nachdem Israel die Evakuierung von Teilen Rafahs angeordnet hatte. Die Stadt im Süden des Gazastreifens gilt als letzte Zuflucht für etwa die Hälfte der 2,3 Millionen Bewohner des palästinensischen Gebiets seit dem Überraschungsangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und der israelischen Gegenoffensive. Israels Regierung hält seit Wochen ungeachtet internationaler Kritik an ihrem Plan fest, gegen die Hamas auch in Rafah vorzugehen. Der mit Abstand wichtigste israelische Verbündete, die USA, haben ihre Ablehnung einer solchen Offensive wiederholt deutlich gemacht. mrb/rtr

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Taurus-Marschflugkörper: Weshalb US-General McMaster Lieferung an Kiew für entscheidend hält

Der frühere Nationale Sicherheitsberater US-Präsident Donald Trumps, HR McMaster, hält die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine für entscheidend, um Russlands Vormarsch zu stoppen. “Sie würden die Situation entscheidend verändern”, sagte der frühere Generalleutnant der US-Armee im Gespräch mit Table.Briefings. Um effektiv gegen russische Gleitbomben vorzugehen, müsse die Ukraine nicht nur ihre Flugabwehr verbessern, sondern auch “ihre eigenen Langstreckenfähigkeiten” erhöhen.

McMaster zeigte sich im Security.Table Live Briefing besorgt über “die unmittelbare Zukunft” für die ukrainischen Streitkräfte – vor allem in Hinblick auf Personalengpässe und die Verzögerung bei der Lieferung von Munition durch westliche Staaten. Angesichts von Berichten über Massendesertion russischer Soldaten im Süden der Ukraine äußerte er jedoch die Hoffnung, dass “sich die Gelegenheit für eine moralische Niederlage zumindest von Teilen der russischen Truppen ergibt”.

Europa und Trump: “Nicht verzweifeln, sondern besorgt sein”

Zuversichtlich zeigte sich McMaster, dass selbst im Falle einer Wiederwahl Trumps die transatlantischen Beziehungen intakt blieben. “Nicht verzweifeln, sondern besorgt sein”, sei der richtige Ansatz mit Blick auf die US-Präsidentenwahl im November. Entscheidend werde am Ende sein, mit welchem Personal Trump außen- und sicherheitspolitische Schlüsselpositionen besetze, sollte er die Wahl gewinnen. Er gehe davon aus, dass Trump die von Bundeskanzler Olaf Scholz vor zwei Jahren ausgerufene militärische Zeitenwende begrüße; entscheidend für das transatlantische Verhältnis sei für den früheren Präsidenten “Gegenseitigkeit”, das heißt, ein erkennbares globales Engagement Deutschlands und Europas, nicht zuletzt im wirtschaftlichen Bereich. “Beim Handel wird es mehr Spannungen geben als bei der Sicherheit”, so McMaster.

Ausdrücklich begrüßte er die Entsendung deutscher und französischer Marineschiffe in den Indopazifik. Nur ein “transatlantischer Ansatz” der USA mit seinen europäischen Nato-Partnern mache es auf Dauer möglich, China das klare Signal zu senden, “dass der Ozean niemandem gehört”. Dies sei auch im Falle einer Wiederwahl Trumps möglich, dessen erster Nationaler Sicherheitsberater McMaster von 2017 bis 2018 war.

Keine Anzeichen für Einlenken Irans in Nahost

Mit Blick auf die Lage im Nahen Osten geht McMaster von einer weiteren Eskalation aus: “Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass Iran nachlässt”, sagte der an den US-Invasionen des Irak 1991 und 2003  beteiligte McMaster über die von Teheran koordinierte sogenannte “Achse des Widerstands”, der neben der palästinensischen Terrororganisation Hamas, der libanesischen Hisbollah und den jemenitischen Houthi-Rebellen auch proiranische Milizen im Irak angehören.

Russland habe die iranische Führung dabei von Anfang an unterstützt, etwa beim Krieg in Syrien seit 2011, so McMaster – und sich damit “sowohl als Brandstifter wie als Feuerlöscher” positioniert. Der von ihm als “Achse der Aggressoren” bezeichneten Allianz autoritärer Staaten rechnet er neben Russland und China auch Syrien und Nordkorea zu.

Den früheren US-Präsidenten Barack Obama machte McMaster dafür verantwortlich, nach dem syrischen Giftgasangriff auf Vororte von Damaskus 2013 die ein Jahr zuvor gezogene “rote Linie” im Falle eines Chemiewaffeneinsatzes nicht militärisch durchgesetzt zu haben. Das habe nicht nur Moskau dazu ermuntert, 2014 die Ukraine anzugreifen, sondern auch Peking, Inseln im Südchinesischen Meer zu militarisieren. So seien “kaskadierende Krisen” weltweit ausgelöst worden.

Eine weitere Eskalation der Spannungen im Nahen Osten lasse sich nur vermeiden durch “resolute Anstrengungen, die Kosten für den Iran zu erhöhen”. Er rechnet damit, dass Israel “in den kommenden drei bis fünf Jahren” iranische Atomanlagen angreifen werde, um die Bedrohung durch das Regime in Teheran einzudämmen. mrb

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Cyber-Attacken: SWP fordert qualifizierte EU-Mehrheit gegen Angreifer

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) fordert in einem neuen Papier qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Bereich Cyber. Bislang fehle es in der Europäischen Union an schnellen, gesamteuropäisch abgestimmten Reaktionen auf Cyberattacken, heißt es in der Studie mit dem Titel “Taming National Interests within the CFSP – Europe’s Cyber Foreign and Security Policy as a Test Run”.

Die qualifizierte Mehrheit könnte der GASP zu sofortigen und effektiveren Krisenreaktionen verhelfen. Die aktuelle Einstimmigkeit im Rat mache verhältnismäßige, angemessene politische und rechtliche Reaktionen auf schwerwiegende Cyberangriffe fast, wenn nicht gar gänzlich, unmöglich.

EU brauche einheitliche Cyber-Außen- und Sicherheitspolitik

Bislang fahren die Mitgliedsländer der EU in ihren politischen Reaktionen auf Cyberangriffen keinen einheitlichen Kurs. Estland reagierte beispielsweise auf 40 Prozent aller Cyberangriffe mit politischen Reaktionen, die Niederlande dagegen nur auf 4 Prozent. “Dies könnte darauf hindeuten, dass die Gegenmaßnahmen der EU-Mitgliedstaaten auf Cybervorfälle in erster Linie politischer Natur sind und nicht unbedingt im Verhältnis zur Intensität der Cyberangriffe stehen.”

Seit Mai 2023 führt Deutschland eine Gruppe EU-Mitgliedstaaten an, die daran arbeiten, ein Qualifiziertes Mehrheitsprinzip in der GASP einzusetzen. Derzeit wird ein sogenanntes Souveränitätssicherheitsnetz diskutiert, das den Mitgliedstaaten erweiterte Vetomöglichkeiten einräumen würde – vor allem in Situationen, in denen nationale Interessen auf dem Spiel stehen.

Der Bereich der Cybersicherheit sei aufgrund seiner Komplexität und seiner direkten Auswirkungen auf die nationale Sicherheit ein günstiges Testfeld, um die Wirksamkeit dieser Sicherheitsnetze “bei der Abwägung zwischen nationaler Souveränität und kollektiven EU-Interessen zu erörtern”, so das Forschungsteam, bestehend aus Annegret Bendiek, Max Becker, Camille Borrett und Paul Bochtler. asc

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Must-Reads

The Telegraph: Armenia a ‘big loser of war in Ukraine’ thanks to Kremlin-backed Azerbaijan. Für die EU, USA und Armeniens Premierminister Nikol Paschinyan geht es um vier Dörfer, die Armenien an Aserbaidschan abgeben soll, als Zeichen für den Friedenswillen Armeniens. Für viele Menschen, die durch die neue Grenzziehung ihre Häuser und Arbeitsplätze verlieren, geht es um die Existenz.

Welt: Westjordanland. Für die Zukunft sehe ich nichts als Schwärze. Im Westjordanland herrscht derzeit kein Krieg – aber auch kein Frieden. Gerade für Jugendliche erscheint die Situation hier seit dem 7. Oktober immer auswegloser, doch nicht alle wollen sich dem militanten Widerstand anschließen.

Chatham House: Independent Thinking: Which country is next to go nuclear? In diesem Podcast diskutieren Experten den Stand der nuklearen Rüstungskontrolle vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Eskalation zwischen dem Iran und Israel in Nahost. Die Fragen: Wer könnte Atomwaffen tatsächlich einsetzen und wer könnte noch anstreben, Atomwaffenstaat zu werden? Ein Takeaway: Der Atomwaffenstaat Nordkorea stellt eine besondere Gefahr dar.

Tagesschau: Israelische “Patriot”-Systeme für die Ukraine? Israel will seine Patriot-Systeme durch modernere Flugabwehrsysteme ersetzen. Die Ukraine hoffe darauf, dass ihr dieses System zur Verfügung gestellt werden. Bislang hatte Israel Waffenlieferungen an die Ukraine allerdings möglichst vermieden, weil das Land auf russische Unterstützung beispielsweise in Syrien angewiesen ist. Die Lieferungen könnten allerdings indirekt erfolgen.

Standpunkt

Warum es in Westafrika keine ordnungspolitische Alternative zur EU gibt

Von Jacob Ross
Jacob Ross
Jacob Ross ist Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Die EU trägt wachsende Verantwortung für die Sicherheit der Ukraine und hat zuletzt bemerkenswerte Fortschritte in der gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik gemacht. Der EU-Verteidigungsfonds (EDF) oder die Friedensfazilität (EFF) etwa haben seit 2022 an Sichtbarkeit und politischem Gewicht gewonnen. Zudem unterstreichen der “strategische Kompass”, die “Versailles-Erklärung” und das EU-Programm für die Verteidigungsindustrie, dass Außen- und Verteidigungspolitik politische Prioritäten sind – und absehbar auch für die nächste Kommission bleiben werden.

Im Sahel verfolgen nur noch wenige Europäer die Entwicklungen

Doch angesichts des Kriegs in Osteuropa gerät leicht in Vergessenheit, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten in anderen Regionen der erweiterten Nachbarschaft zuletzt Einfluss verloren haben. Bestes Beispiel ist Westafrika und genauer der Sahel, der in der deutschen Debatte kaum noch vorkommt. Seit Ende 2023 auf Druck der Putschisten in Niger fast alle Bundeswehrsoldaten die Region verlassen haben, verfolgen hierzulande nur noch wenige Beobachter die dortigen Entwicklungen.

In Mali, Burkina Faso und Niger hat sich die Sicherheitslage seit dem Abzug westlicher Truppen nicht verbessert. Darauf deutet schon hin, dass zunehmend von “Einhegung” die Rede ist, die das Ausgreifen der Instabilität nach Nordafrika und die Staaten im Golf von Guinea verhindern soll. Langfristige Ziele, die die Bundesregierung und EU in Strategiepapieren definieren – die Klimapolitik etwa und der Aufbau nachhaltiger Energiepartnerschaften – wirken unrealistisch. Im Gegenteil dominieren kurzfristige Befürchtungen, dass auch jene Staaten in der Region, die bisher stabil waren, in Zukunft durch politische Verwerfungen oder das Einsickern dschihadistischer Gruppen destabilisiert werden könnten. Ein Beispiel ist der Senegal.

Frankreich fällt als Ordnungsmacht aus

Frankreich, in der Vergangenheit die wichtigste Ordnungsmacht in der Region, fällt dabei aus. 2013 waren es französische Soldaten, die in Mali das Vorrücken der Dschihadisten stoppten. In der Folge weitete Paris den Antiterrorkampf auf den gesamten Sahel aus, flankiert von EU- und UN-Missionen. Doch die Sicherheitslage verbesserte sich nicht, und seit 2020 stellt eine Serie von Putschen die bi- und multilateralen Partnerschaften der Region mit westlichen Staaten in Frage. Französische Soldaten, Diplomaten und teils auch Journalisten wurden des Landes verwiesen – erst in Mali, dann in Burkina Faso, zuletzt in Niger. Auch in weiteren Sahel-Staaten ist die französische Präsenz bedroht. Im Tschad wurde gewählt, und der neue Präsident des Senegals, Bassirou Dimonaye Faye, verfolgt ein souveränistisches Programm – Frankreichs Stützpunkt in Dakar könnte weichen müssen.

Doch auch Deutschland, die USA und andere westliche Staaten werden in Westafrika ersetzt. Ihnen wird von den neuen militärischen Machthabern im Sahel vorgeworfen, im Kampf gegen Terroristen versagt zu haben. Dahinter steckt Kalkül: Das vermeintlich starke Auftreten gegenüber dem Westen kommt gut an in einer jungen Bevölkerung, die von einer zweiten Dekolonialisierung träumt. Zweiter Grund ist, dass die neuen Partner – Russland, aber auch die Türkei, die Golfstaaten, oder Iran, bei Waffenlieferungen keine Konditionen stellen und im Kampf gegen bewaffnete Gruppen nicht auf die Einhaltung von Menschenrechten pochen.

Frankreich offen für die Europäisierung seiner Afrikapolitik

Die Enttäuschung der Putschisten und der Bevölkerungen im Sahel ist absehbar. Ihren neuen Partnern geht es in Mali, Burkina Faso und im Niger vor allem darum, westliche Staaten und Bündnisse zu ersetzen – regionale Stabilität ist höchstens zweitrangig. Vor allem Russland und der Iran schließen Ad-hoc-Bündnisse mit regionalen Partnern, handeln opportunistisch, nutzen die Uneinigkeit der westlichen Partner. Zynische Stimmen in europäischen Hauptstädten argumentieren deshalb bereits, die westlichen Staaten müssten lediglich warten, bis regionale Machthaber wieder Hilfe bei ihnen ersuchten.

Diese Argumentation ist aus zwei Gründen kurzsichtig: Zunächst herrscht in Paris und anderen EU-Hauptstädten Ratlosigkeit. Es fehlen Konzepte: Sowohl der Antiterrorkampf Frankreichs als auch die deutsche Stabilisierung sind gescheitert. Um in Zukunft wieder handlungsfähig zu sein, müssten neue Konzepte erarbeitet werden. Frankreich ist so offen für die Europäisierung seiner Afrikapolitik wie nie. Stützpunkte im Senegal, der Elfenbeinküste, Gabun oder Tschad könnten langfristig unter EU-Kommando gestellt werden. Kooperationsprogramme, die Paris seit den 1960er-Jahren im frankophonen Afrika betreibt, könnten künftig von der EU finanziert und im Gegenzug für europäische Partner geöffnet werden.

Dringlichkeit verleiht dem ersten Grund der zweite: Die USA werden nicht intervenieren, wenn in Zukunft einer oder mehrere Staaten im Sahel vollends kollabieren und daraufhin ein neues, territoriales Kalifat entsteht. US-Ressourcen sind in den Kriegen in der Ukraine und in Gaza gebunden und werden für potenzielle Konflikte im Pazifik vorgehalten. In Westafrika gibt es keine ordnungspolitische Alternative zur EU, das sollte allen Regierungen der EU klar sein – trotz ihres aktuell verständlichen Fokus auf die Ukraine.

Jacob Ross ist Experte für französische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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Personalie

Das deutsche Rüstungs-Start-Up Helsing aus München bekommt einen neuen Geschäftsführer. Wolfgang Gammel, derzeit Gesamtvertriebsleiter Deutschland der Airbus Defence and Space, bringt mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Verteidigungsindustrie mit zu Helsing. Unter anderem führte er Teams bei Airbus Defence und Space und der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH. Wie Helsing mitteilte, wird Gammel “sowohl die existierenden Programme im Rahmen von Eurofighter EK und FCAS betreuen als auch mit dem deutschen Führungsteam die Bereiche Land und Maritimes weiterentwickeln”.

“Wolfgang Gammel genießt hohes Ansehen bei den Kunden und Nutzern in der Bundeswehr, aber auch unseren Partnern in der Verteidigungsindustrie”, erklärte Gundbert Scherf, Mitbegründer und Co-CEO von Helsing. Das 2021 gegründete Technologieunternehmen entwickelt KI-Systeme unter anderem für Kampfflugzeuge, Panzer und U-Boote. Im Februar unterzeichnete Helsing einen Vertrag mit dem Ministerium für strategische Industrien der Ukraine, um künstliche Intelligenz in Drohnen aus ukrainischer Produktion einzubauen. nana 

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Dessert

Zum morgigen 8. Mai, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, empfiehlt die Security.Table-Redaktion diesen Lesestoff:

Roman: Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe (Susanne Abel, dtv-Verlag): Im zerstörten Nachkriegsdeutschland verlieben sich Greta und der schwarze GI Bob Cooper, ihre gemeinsame Tochter ist ein “Brown Baby”. Sie wird, wie die meisten Mischlingskinder zu dieser Zeit, auf Zwang ins Ausland adoptiert, die junge Familie zerrissen. Erst Jahrzehnte später erfährt Tom, Gretas Sohn, von dem dunklen Kapitel im Leben seiner Mutter. Eine Aufarbeitung unter schwierigen Bedingungen beginnt. Das gut recherchierte Buch wirft ein Licht auf einen sehr wenig beachteten Aspekt der Nachkriegszeit.

Sachbuch: Iwans Krieg. Die Rote Armee 1939 – 1945 (Catherine Merridale, S. Fischer): Die Dimension des Vernichtungskriegs Nazi-Deutschlands in Osteuropa ist bis heute nicht angemessen klar, auch weil die Aufarbeitung davon in Osteuropa verschiedenen politischen Interessen ausgesetzt ist. In diesem Buch lenkt die britische Historikerin den Blick auf einfache sowjetische Soldaten. Sie macht deutlich, warum viele desertierten, wie Moskau dieses Problem löste und welche Rolle die politischen Kommissare der Roten Armee beim Verhalten der Soldaten bei Vormarsch spielten.

Roman: Der Tisch (Ananij Kokurins, Osburg Verlag): Während der Besatzung von Belarus vernichteten die deutschen Truppen und deren Helfer, die aus desertierten Rotarmisten oder nationalistischen, antisowjetischen Gruppen des ehemaligen russischen Imperiums bestanden, Tausende Dörfer. Gleichzeitig gab es aber auch Kooperationen zwischen den Deutschen und der lokalen Bevölkerung – ein Tabu-Thema in der Sowjetunion. Wie eine Familie Ende der Sowjetunion mit diesem Geheimnis umgeht, davon handelt dieser Roman.

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    es wird ungemütlicher in Europa: Russland attackiert und sabotiert Infrastruktur ohne Rücksicht auf Opfer. Die Financial Times bringt jetzt sogar das Feuer bei Diehl Metall am Freitag in Berlin mit Moskau in Verbindung. Ein Sprecher des Unternehmens verweist auf Anfrage von Table.Briefings allerdings darauf, dass die entsprechenden Behörden “vermutlich auch in diesem Vorfall routinemäßig in verschiedene Richtungen ermitteln”.

    Es wäre kein Einzelfall. Deutschland ist längst zur Zielscheibe des hybriden Kriegs Moskaus geworden: von mutmaßlicher Sabotage an Energie- und Eisenbahn-Infrastruktur, aufgeflogenen Spionen beim Nachrichtendienst, Cyberattacken auf die IT-Infrastruktur deutscher Parteien, Großkonzerne und kommunaler Verwaltungen bis zu mutmaßlichen Geldzahlungen an AfD-Politiker oder die Abhör-Affäre bei der Bundeswehr.

    Blicken wir über die Grenzen, haben in Schweden gerade Ermittlungen zu zwei entgleisten Zügen begonnen, hinter denen russische Sabotage vermutet wird. Auch in Norwegen ermitteln Behörden immer noch wegen eines Zugunglücks nahe Bergen. Dänemarks Geheimdienste sehen ein noch höheres Spionagerisiko als zu Beginn des Krieges in der Ukraine. Aufgrund des gestörten GPS-Signals konnte im estnischen Tartu zeitweise kein Flugverkehr stattfinden. Die Liste lässt sich fortsetzen.

    In einem kürzlich veröffentlichten Statement zeigte sich der Nordatlantikrat “deeply concerned”. Die Frage ist: Hat die Nato eine geeinte, schlagkräftige Antwort auf diese Art der Bedrohung, die sich – einzeln gesehen – unter der Schwelle des in Artikel 5 festgelegten Bündnisfalls bewegt, zusammengenommen aber eine klare Kriegsansage an den Westen darstellen könnte?

    Sie sollte. Denn wie unsere Karte in diesem Briefing zeigt, weitet Wladimir Putin, dessen fünfte Amtszeit als Präsident heute beginnt, seine Einflusszone um Europa herum aus, die nächsten Konflikte drohen.

    Ihre
    Lisa-Martina Klein
    Bild von Lisa-Martina  Klein

    Analyse

    Geopolitik: Wie Russland Europa einkreist

    Russische Militärangehörige der Paradetrupps während der Generalprobe der Siegesparade auf dem Schlossplatz in St. Petersburg.

    Für Moskau ist der Krieg gegen die Ukraine nur ein Teil eines größeren geopolitischen Programms: Es geht um dauerhafte Kräfteverschiebungen zwischen Russland und westlichen Staaten. Weil die militärischen Ressourcen des Kremls begrenzt sind, spielen weichere, aber nicht weniger einflussstarke Taktiken eine wichtige Rolle – etwa das Umgarnen von pro-russisch eingestellten europäischen Politikern und die Stärkung autokratischer Regierungen in Afrika. Und so gelingt es Russland nach und nach, einen Ring aus Einflussbereichen um Europa aufzubauen. Das Ziel: Der Westen soll Moskaus Interessen akzeptieren.

    Belarus

    Die alte Partnerschaft der Regime hat sich seit den Protesten gegen den belarussischen Diktator im Jahr 2020 und mit der russischen Vollinvasion in die Ukraine im Februar 2022 verfestigt. Minsk ist ökonomisch von Moskau stark abhängig, beide Staaten treiben eine Integration voran. Über Belarus übt Russland nicht nur Druck auf die Ukraine aus, sondern durch die Westgrenze zu Lettland, Litauen und Polen auch direkt auf die EU. Neben der Stationierung russischer Militärs sowie mutmaßlich russischer Atomwaffen in Belarus setzten Minsk und Moskau die EU unter Druck, indem sie viele Geflüchtete aus Afghanistan, Irak und anderen Staaten gezielt an die EU-Grenze brachten. Flüchtlinge sind auch in anderen Staaten ein Mittel, das Russland gegen den Westen einsetzt.  

    Ukraine

    Seit mehr als zwei Jahren führt Russland einen brutalen Krieg gegen ein Land, das nach dem Zerfall der Sowjetunion einen eigenständigen Weg zu gehen versucht. Für Wladimir Putin geht es in der Ukraine nicht nur um ein seit Jahrhunderten von Russland unterdrücktes Territorium, sondern auch um eine imperiale Neuaufteilung der Welt. Der Krieg verschlingt gewaltige finanzielle und menschliche Ressourcen und setzt westliche Regierungen immer wieder unter Druck.

    Moldau/Transnistrien

    Die Republik Moldau hat sich politisch für einen Westkurs entschieden. Doch Moskau-nahe Kräfte, wie etwa die politische Bewegung von dem in Moldau verurteilten Finanzbetrüger Ilan Șor, versuchen aus dem Ausland diesen Weg zu sabotieren. Den eigentlichen Joker hält Moskau aber mit der abtrünnigen Region Transnistrien in der Hand. In dieser quasi russischen Exklave könnten bis zu 2.000 russische Soldaten stationiert sein. Ihr militärischer Nutzen für Moskau ist zwar überschaubar, aber für politischen Aufruhr kann der Möchtegernstaat instrumentalisiert werden. Die Ukraine muss an der Grenze zu Transnistrien Kräfte vorhalten, ähnliche wie an der Grenze zu Belarus. Diese Kräfte fehlen an der Front im Osten und Süden des Landes.

    Ungarn

    Wie Moskau von den engen russisch-ungarischen Beziehungen profitiert, zeigt sich regelmäßig in Brüssel. Immer wieder zögert der ungarische Premier Viktor Orbán Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine mit seinem Veto hinaus. Zwar stimmt er am Ende doch immer mit der EU und der Nato überein, doch der Faktor Zeit spielt gerade im Krieg Russlands gegen die Ukraine eine große Rolle. Zuvor hatte Orbán bereits in der Migrationspolitik gemeinsam mit Polen immer wieder wichtige Entscheidungen blockiert. Orbán weiß um diese Macht – genauso wie Wladimir Putin. Der Kreml betrachtet Budapest als Einfallstor in die EU und als Möglichkeit, die Politik in Brüssel zu beeinflussen.

    Serbien

    Serbien bezieht fast all sein Gas aus Russland, der russische Energiekonzern Gazprom hält mehr als die Hälfte am serbischen Ölunternehmen Naftna industrija Srbije (Nis). Für Russland ist das ein wichtiges Instrument zur Erpressung und Beeinflussung. Serbien nähert sich einerseits der EU an und Präsident Aleksandar Vučić würde seine Streitkräfte gerne mit westlichen Kampfjets ausstatten, andererseits bedient der Staatschef die pro-russische Gesinnung der serbischen Bevölkerung. Russische Medien wie Sputnik Srbija und Russia Today Balkan streuen pro-russische Narrative und befeuern damit unter anderem den Konflikt mit dem Kosovo.

    Georgien

    20 Prozent Georgiens ist von Russland besetzt (Abchasien und Südossetien). Die Hauptverkehrsader von Ost nach West, von der Hauptstadt Tbilisi in die Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer, führt gefährlich nah an Südossetien vorbei – es wäre ein leichtes für Russland, sie mit militärischen Mitteln zu blockieren und Georgien zu teilen. Bislang nimmt Moskau aber vor allem politisch Einfluss: Das umstrittene Agentengesetz, das die Arbeit ausländischer Organisationen in Georgien stark behindern würde, hat kürzlich die Zustimmung des Parlaments erhalten. Beobachter vermuten dahinter Druck aus Russland.

    Türkei

    Für Russland ist die Türkei ein wichtiger Vermittler im Krieg mit der Ukraine, ein wichtiger Helfer bei der Umgehung von Sanktionen und ein wichtiger Partner bei der Durchsetzung Moskauer Interessen, etwa bei Russlands nuklearer Geopolitik im Mittelmeerraum. Aber es ist auch ein schwieriger Partner. Denn Ankara nutzt nicht nur in Folge des Bürgerkriegs in Syrien, sondern auch nach der russischen Vollinvasion in die Ukraine die eigene diplomatische Rolle geschickt für sich. Kein anderes Nato-Mitglied macht solche Handelsgeschäfte sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine und dem Westen wie die Türkei. Russland nutzt die geografische Lage der Türkei und exportiert etwa Öl über türkische Zwischenhändler auch in die EU.

    Syrien

    Syriens Diktator Baschar al-Assad verdankt sein politisches Überleben Wladimir Putin. In Syrien hat Russland aber nicht nur in alter Tradition dem Assad-Clan geholfen, das eigene Militär trainiert und eigene Waffen getestet, sondern auch gesehen, dass etwa die USA bereit waren, die selbstgesetzten Roten Linien zu ignorieren (etwa nach dem Einsatz von Chemiewaffen durch Assads Truppen). Spätestens nach der Annexion der Krim und der ersten Invasion in das Nachbarland 2014 waren Russlands Einmischung in den Krieg in Syrien und der eigene Krieg gegen die Ukraine miteinander verknüpft. Für Moskau war der Krieg in Syrien nicht ohne westliche Zugeständnisse in der Ukraine zu lösen. Auch die große Fluchtbewegung 2015/2016 hängt zum Teil mit Russlands Vorgehen in Syrien zusammen. Hier sah Moskau erneut, wie erpressbar die EU angesichts der logistischen Überforderung durch die vielen Geflüchteten ist. Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien werden weiterhin von Moskau als hybride Waffe eingesetzt, die bei Bedarf aktiviert werden kann.

    Iran

    Nach Ausbruch des Gaza-Kriegs fand ein persönliches Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi statt. Das zeigt: Auch wenn die Beziehung der beiden Staaten historisch und strategisch durchaus ambivalent sind, entsteht zunehmend eine tiefe außenpolitische Partnerschaft, die eine Bedrohung für die EU darstellt. Das spiegelt sich aktuell in der Ukraine genauso wider wie im Gazastreifen. Berichten zufolge habe der Iran beschlossen, ballistische Raketen an Russland zu liefern, zudem führt die russische Armee den Drohnenkrieg in der Ukraine auch mit den iranischen Shahed-Drohnen. Russland hat zudem in der Hand, ob Iran wirklich eine Atomwaffe entwickeln kann – dafür braucht es Moskaus Unterstützung. Auch ein militärisches Bündnis ist nicht mehr undenkbar. Gefährlich ist das für die EU deshalb, weil Moskau damit die gesamte Region Nahost in unmittelbarer Nachbarschaft zu Europa weiter destabilisieren kann. Die beiden Länder eint das gemeinsame Interesse, den Westen zu schwächen und einer Veränderung der Weltordnung hin zu einer multipolaren Welt zu bewirken.

    Ägypten

    Seitdem Ägyptens damaliger Armeechef, Feldmarschall Abdel Fattah al-Sisi, im Sommer 2013 den ersten frei gewählten Präsidenten des Landes stürzte – der Muslimbruder Mohmmamed Mursi starb 2019 im Gefängnis -, ist das Verhältnis zwischen Moskau und Kairo aufgeblüht. Nicht zuletzt, weil der damalige US-Präsident Barack Obama sich während des Arabischen Frühlings auf die Seite der Freiheitsbewegungen in Nordafrika gestellt hatte – und damit gegen den tiefen Staat aus Polizei, Geheimdiensten und Armee, der die ägyptische Politik noch unter Hosni Mubarak bestimmte. Sisi war unter dem früheren autoritär-regierenden Präsidenten Militärgeheimdienstchef – auch das ein Grund, weshalb das Verhältnis mit dem früheren KGB-Mann Wladimir Putin so gut funktioniert. 

    Libyen

    Ähnlich wie in den Staaten in der Sahelzone verfolgt Russland in Libyen verschiedene Interessen. Besonders interessant ist die in den vergangenen zwei Jahren gewachsene Bedeutung Libyens als Helfer für den Export von russischem Öl, das über den Sudan teils nach Europa verkauft wird. Das Geld fließt in den russischen Haushalt und damit auch zum guten Teil ins Militär. Libyen war aber auch eines der wichtigsten Operationsgebiete der russischen Privatmiliz Wagner, wo sie Erfahrung sammelte. Derzeit laufen zudem Verhandlungen mit dem aufständischen libyschen General Chalifa Haftar über eine mögliche russische Marinebasis im Osten des Landes. Damit würde Russland seinen militärischen Einfluss im Mittelmeer ausbauen. Ein dritter und nicht weniger wichtiger Punkt ist das Thema Flüchtlinge. Über Libyen kommen viele Menschen aus Subsahara-Afrika, die nach Europa wollen. Diese Bewegungen kann Russland beeinflussen.

    Sudan

    Nicht nur wegen des Goldes ist der Sudan für Russland interessant. Moskau verhandelt auch mit diesem Land über die Errichtung einer Marinebasis, diesmal in der Hafenstadt Bur Sudan am Roten Meer. Doch ohne ein neues Parlament wird dieses Vorhaben, das der sudanesische Außenminister Ali Al-Sadiq Ali im Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti prinzipiell begrüßte, nicht umsetzbar sein. Und Wahlen sind aktuell nicht in Sicht. Eine Marinebasis am Roten Meer würde Russlands Einflusssphäre in Afrika ausweiten und Russland ermöglichen, potenziell Einfluss auf eine wichtige Route für Handelsschiffe zu nehmen.

    Tschad

    Der Tschad hat am 6. Mai einen Präsidenten gewählt. Ein offizielles Ergebnis wird erst in einem Monat erwartet, aber es dürfte klar sein, dass der bisherige Machthaber General Mahamat Idriss Déby Itno gewinnt. Trotz der undemokratischen Wahl dürften sich sowohl die EU als auch Russland mit dem Ergebnis arrangieren können. Schon länger versucht Russland, Frankreich und damit der EU den Tschad als Partner abzuringen. Ende Januar hatte Déby Wladimir Putin in Moskau besucht, der ihn für die vermeintliche Stabilisierung des Tschads lobte und ihm versicherte, Russland stünde als Verbündeter bereit. Gleichzeitig ziehen die USA 75 Spezialkräfte aus dem Tschad ab und hoffen aktuell noch auf eine Wiederaufnahme der Sicherheitskooperation nach den Wahlen.

    Niger

    Nach dem Militärputsch in Niger im letzten Jahr haben die neuen Machthaber die USA zum Rückzug aufgefordert – und damit den Weg frei gemacht für russische Militärs. Wie das US-Außenministerium Anfang Mai bestätigte, sind russische und US-Truppen gemeinsam auf einem Militärstützpunkt nahe der nigrischen Hauptstadt Niamey stationiert, über den die USA ihren Truppenabzug regeln. Lange galt das westafrikanische Land als verlässlicher Partner Washingtons im Kampf gegen islamistische Milizen. Die “Niger Air Base 201” nahe der Stadt Agadez war seit 2019 eine der wichtigsten Stützpunkte für US-amerikanische Überwachungs- und Geheimdienstoperationen in der Region. Der Flugplatz gehört dem nigrischen Militär, ist aber von den USA mit rund 110 Millionen US-Dollar ausgebaut worden.

    Mali

    Die Regierung in Mali setzt nach zwei Militärputschen 2020 und 2021 auf Russland als neuen Partner. Nach dem Abzug der einstigen Kolonialmacht Frankreich haben die UN-Truppen – inklusive die der Bundeswehr – Mali Ende 2023 verlassen. Wie in Niger und in Burkina Faso hat auch in Mali das sogenannte “Afrikakorps” anstelle der Wagner-Truppen das Kommando übernommen. Der Name erinnert an das Afrikakorps des Dritten Reichs, das zwischen 1941 und 1943 in Tunesien, Libyen und Ägypten operierte. Das Korps dient vor allem als Instrument der russischen Außenpolitik, die ihren Einfluss in der Sahel-Zone systematisch ausweiten will. Die Intervention in Mali zur Stärkung des Regimes von Assimi Goïta ist vor allem ein Signal an die westlichen Länder, dass sich Russland nicht als isoliert versteht.

    Burkina Faso

    Seit die Militärjunta sich in Burkina Faso im September 2022 an die Macht geputscht hat, baut Russland seinen Einfluss in dem Land aus. Im Januar schickte Putin Soldaten des Afrikakorps nach Burkina Faso, um den Landesführer Ibrahim Traoré zu schützen. Die Truppe, die aus ehemaligen Wagner-Soldaten besteht, untersteht jetzt dem russischen Verteidigungsministerium. Die Soldaten füllen die Lücke, die französische Streitkräfte hinterließen, nachdem sie 2023 des Landes verwiesen wurden. Im Dezember eröffnete Russland nach fast 32 Jahren wieder eine Botschaft in dem Land. Die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze warnte im März, dass man Burkina Faso “nicht weiter in die Arme Russlands treiben solle” und sagte, es gehe bei der Entwicklungsarbeit auch um geostrategische Interessen. Im Januar hat Burkina Faso mit Mali und Niger die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas verlassen und sich zuvor zu einer Allianz der Sahelstaaten zusammengefunden, die sich im Konfliktfall beistehen will.

    Guinea

    Im Gegensatz zu Mali und Niger hat die Interimsregierung in Guinea nach dem Militärputsch im September 2021 die Beziehungen zu Russland zwar nicht weiter intensiviert. Doch russische Bergbauunternehmen können noch immer Gold aus dem Land nach Dubai ausführen und damit westliche Sanktionen umgehen. Zudem nutzt Russland die Hafenanlage des Landes für Güterlieferungen nach Mali. Die Regierung Guineas unter Oberst Mamady Doumbouya – ein ehemaliger Soldat der französischen Fremdenlegion – versucht, die Beziehungen sowohl zu Russland als auch zu westlichen Staaten gleichwertig zu erhalten. Doch Moskau arbeitet daran, das Land weiter an sich zu binden. Unter anderem soll in diesem Jahr ein russisches Kulturzentrum in der Hauptstadt Conakry eröffnet werden.

    Zentralafrikanische Republik

    Vor gut sechs Jahren begann Russland mit der Verdrängung westlicher, vor allem französischer Vertreter in afrikanischen Staaten – der erste Erfolg war in der Zentralafrikanischen Republik. Bei der Hilfe für die Regierung gegen bewaffnete Milizen setzte Moskau sich gegen Paris durch. Der Kreml schickte aber nicht nur Waffen, sondern auch eigene Männer – die Wagner-Truppe. Sie stützten die Regierung, sicherten die Ausbeutung von Bodenschätzen und begangen dabei Menschenrechtsverbrechen. Für den Aufstieg Wagners spielte die Zentralafrikanischen Republik eine wichtige Rolle, weil die Gewinne aus dem Handel mit Diamanten und Gold in den Ausbau von Wagner flossen. Um die eigenen Machenschaften zu verdecken zögerten die Wagner-Milizen auch vor Verbrechen nicht zurück. Sie sollen sie unter anderem in die Ermordung von drei russischen Reportern involviert sein, die in dem Land über Wagner recherchierten.

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    Diplomatie: Wie Macron Xi umgarnt, während von der Leyen droht

    Xi Jinping und Emmanuel Macron am 6. Mai in Paris.

    Bei Xi Jinpings Besuch am Montag in Paris hat sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron um Harmonie bemüht, um so den chinesischen Präsidenten für eine mögliche Vermittlung im Ukrainekrieg zu gewinnen. Zumindest mit etwas Erfolg. Denn neben diversen Wirtschaftsabkommen in der Luftfahrt oder der Batterieproduktion sagte Xi zumindest seine Unterstützung für die von Macron gewünschte Waffenruhe während der olympischen Spiele vom 26. Juli bis 11. August in Paris zu. Würden die Waffen während der Spiele tatsächlich ruhen, wäre das für Macron ein großer Erfolg. Dass Putin dabei mitmacht, ist aber eher unwahrscheinlich.

    Während Macron den chinesischen Präsidenten in Paris umschmeichelte und “das Engagement der chinesischen Autoritäten, den Verkauf von Waffen zu unterlassen und den Export von Dual-Use-Gütern streng zu kontrollieren” lobte, wählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen durchaus harte Töne. Beim trilateralen Treffen am Mittag habe sie dem chinesischen Präsidenten klargemacht, dass immer noch zu viele chinesische Dual-Use-Güter auf ukrainischen Kriegsschauplätzen entdeckt würden. Da es sich für die Ukraine und Europa um ein existenzielles Thema handele, “wirkt sich das auf das EU-China-Verhältnis aus”.

    Xi warnt davor, die “Ukraine-Krise” zu missbrauchen

    Macron und von der Leyen wollten auf Xi einwirken, sich stärker um ein Kriegsende in der Ukraine zu bemühen. Doch Xis Reaktion war ernüchternd. So sagte er während dem Treffen mehrmals, dass China “nicht der Grund für diese Krise und auch nicht Teil oder Teilnehmer” sei. Schon am Montag hatte Xi in einem Gastbeitrag für den Figaro darauf verwiesen, dass er bereits darauf gedrängt habe, “dass man keine Atomwaffen verwendet”. Und dass er durchaus verstehe, dass der Krieg in der Ukraine Umwälzungen in Europa auslöse.

    Während der chinesische Präsident gerne vorgibt, sein Land sei neutral zwischen Russland und dem Westen, unterstützt China in Wirklichkeit den russischen Freund. “Wir lehnen es ab, dass die Ukraine-Krise genutzt wird, um die Schuld auf andere zu schieben, ein Drittland in den Schmutz zu ziehen und einen neuen Kalten Krieg zu entfachen”, sagte Xi dazu am Montag in Paris.

    China ist kein Vermittler

    Gesine Weber, Gastwissenschaftlerin am Saltzman Institute of War and Peace Studies in New York, setzt ohnehin keine großen Hoffnungen auf etwaige chinesische Vermittlungsankündigungen. “China präsentiert sich sehr gerne als verantwortungsvoller globaler Player”, sagt sie. Das reihe sich ein in die chinesische Außenpolitik und sei “auf keinen Fall etwas, von dem man eine große Initiative erwarten sollte”.

    “Er hat nicht die Kapazitäten zu vermitteln, weil China nicht neutral ist”, sagt die Merics-Analystin Abigaël Vasselier. Xi müsste erst einmal anerkennen, dass es sich überhaupt um einen Krieg handele. “Er spricht immer noch über eine Krise”, sagt Vasselier. China helfe Russland wirtschaftlich, helfe Putin aus der diplomatischen Isolation und “China macht einen Unterschied auf dem Schlachtfeld in der Ukraine”.

    Passend dazu will Russlands Präsident Wladimir Putin am 15. und 16. Mai nach China reisen. Es wäre seine erste Auslandsreise nach seiner Amtseinführung, die am heutigen Dienstag stattfindet.

    Scholz lehnte gemeinsames Treffen ab

    Eigentlich hätte Macron gerne ein Signal der Einigkeit mit Bundeskanzler Olaf Scholz und von der Leyen gesendet. Doch Scholz nahm lieber Termine im Baltikum wahr, obwohl Macron am Donnerstag bei einem gemeinsamen Abendessen in Paris den Bundeskanzler noch zu überreden versucht hatte, an dem Treffen teilzunehmen. Ohnehin hat Scholz den chinesischen Staatschef bei seiner China-Reise Mitte April schon gesehen.

    “Ich denke, Frankreich will zeigen, dass die französische Stimme auch eine europäische ist”, sagt Vasselier. Deshalb sei auch von der Leyen in Paris gewesen. “Dass Scholz ein vorbereitendes Gespräch mit Macron hatte, ist exzellent, weil es die Abstimmung der Botschaften, die man senden will, ermöglicht”. Für problematisch hält sie, dass der Bundeskanzler seine Besuche in China nicht “europäisiert” habe, indem er keine Minister aus anderen EU-Ländern oder Mitglieder der EU-Kommission mitgenommen hatte.

    Xis geschickt gewählte Reiseroute

    Schon bei Scholz’ Besuch in Peking im November 2022 hätte Macron ihn gerne begleitet. Stattdessen reiste der französische Präsident mit von der Leyen im April 2023 hinterher und brachte Scholz und die USA gegen sich auf, weil er sagte, die Europäer dürften keine “Vasallen” der USA werden. In seiner zweiten Sorbonne-Rede Ende April wiederholte Macron seine Aussage – mit fast identischer Wortwahl.

    Die Termine für seine Gespräche hat Xi geschickt gewählt. Beim Treffen mit Macron feierten die Präsidenten den 60. Jahrestag der französisch-chinesischen Beziehungen, bei seinem Besuch in Serbien am Dienstag will Xi 25 Jahre nach der Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad durch die Nato die Doppelmoral des Westens aufzeigen. Zuvor wird er noch mit Macron in den Pyrenäen speisen, am Ort, an dem Macrons Großmutter gelebt hat.

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    Neue Definition von Sicherheit: Wie Baerbock im Pazifik Flagge zeigt

    Bei ihrer Reise durch die Pazifikregion will Bundesaußenministerin Annalena Baerbock den Zusammenhalt der westlichen Demokratien in Zeiten von Ukraine-Krieg und Spannungen um Taiwan stärken. China und Russland sollen als Bedrohungen für die regelbasierte internationale Ordnung deutlich benannt werden. Und den Staaten im Indopazifik will sie demonstrativ den Rücken stärken gegen den großen Nachbarn China.

    Jenseits dieser Ziele hat Baerbock aber noch eine neue Botschaft: Sicherheitspolitik breiter zu definieren als bisher. Dazu passte gleich am ersten Tag der Reise, die noch bis zum heutigen Dienstag andauert, eine Nachricht, die die Ministerin im australischen Adelaide verkündete. Als sie am Freitag ihre australische Amtskollegin Penny Wong traf, sagte Baerbock, man könne nun nachweisen, dass die Cyberattacke auf die SPD im Januar 2023 auf den russischen Geheimdienst zurückgehe. “Staatliche russische Hacker haben Deutschland im Cyberraum angegriffen”, sagte sie nach dem Treffen mit Wong. Das werde Konsequenzen haben. Eine dieser Folgen machte Baerbock auf ihrer Reise klar: Der Begriff Sicherheit müsse weiter gefasst werden als bisher.

    Baerbock definiert überlappende Sicherheitskomplexe

    Die “wertvollen Erfahrungen” Australiens in der Sicherheitspolitik mit China zeige, dass man die “Risiken genau in den Blick nehmen” müsse, sagte Baerbock. “Das gilt für Spionage und Unterwanderung” und die Abhängigkeit durch Lieferketten. In Neuseeland sagte sie, das Land spüre, “dass die Sicherheitsanforderungen überlappend sind“:

    • Es gebe sie im “harten Sicherheitsbereich”, also gegen militärische Bedrohungen, etwa bei der Sicherung der freien Schifffahrt im Pazifik und der Taiwanstraße
    • Es gebe sie im “Wirtschaftsbereich”, wo etwa die Abhängigkeit von China durch Lieferketten verringert werden müsse – wie beim wichtigen Grundstoff Lithium aus China, das im Rohzustand eigentlich aus Australien stammt.
    • Für Baerbock gibt es die Überschneidungen, “insbesondere auch als Klimasicherheit“: Die Inselstaaten im Pazifik sind hier besonders verwundbar. Aber auch Australien hat gigantische Waldbrände erlebt und Neuseeland Sturmschäden.
    • Beim Thema Abwehr von Attacken aus dem Cyberraum “haben wir darüber geredet, wie wir besser zusammenarbeiten können”, sagte Penny Wong. Es gehe in der aktuellen Situation “nicht nur um militärisches Engagement”.
    • Baerbocks Besuch des Weltrauminstituts in Auckland und die Forschungskooperation zur Antarktis sollen zeigen, dass auch Wissenschaft und Raumfahrt Teil eines umfassenden Sicherheitsbegriffs sein sollten.
    • Schließlich ist laut Baerbock die “innere Stärke unserer Gesellschaften” wichtig für die verschiedenen Aspekte von Sicherheit: “Gleichberechtigung und Vielfalt machen Gesellschaften stärker und resilienter.”

    Sicherheitsthemen dominieren Besuchsprogramm

    Entlang dieser Sicherheitsaspekte war das Besuchsprogramm der Außenministerin angelegt: In der australischen Stadt Adelaide inspizierte sie ein “Zentrum für Cyber-Zusammenarbeit” und die Osborne-Marinewerft, wo die deutsche Rüstungsfirma Lürssen Patrouillenboote für die australische Marine baut. Dass die Schiffe weniger zur Abschreckung möglicher militärischer Gegner, sondern vor allem für die Küstenwache beim Abfangen von illegalen Migranten dienen sollten, ging dabei fast unter.

    Im neuseeländischen Auckland nahm sie mit ihrem Amtskollegen Winston Peters an der Unterzeichnung einer Absichtserklärung für eine Forschungskooperation in der Antarktis teil, wo China seine Kapazitäten derzeit stark ausbaut. Und sie konferierte mit der Ministerin für Verteidigung und Forschung, Judith Collins, und besuchte das Institut für Weltraum an der Universität.

    “Hier im Indopazifik wird die Ausgestaltung der internationalen Ordnung im 21. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt“, erklärte die deutsche Außenministerin in Adelaide. Die Region sei ein “Powerhouse der Weltwirtschaft”, in dem Deutschland seine Beziehungen aus politischem und ökonomischem Interesse ausbaue. Penny Wong erinnerte daran, dass “Deutschlands industrielles Gewicht ein kritischer Teil seiner nationalen Macht ist”.

    Baerbock im Pazifik: De-Risking von China im Hinterkopf

    Solche Worte sind Wasser auf die Mühlen von Baerbocks Strategie des “De-Risking” gegenüber China. Die Konsequenzen einer solchen Strategie hat Australien erlebt, als es den chinesischen Mobilfunkanbieter Huawei 2018 aus seinem Netz verbannte. Die Maßnahme hatte einen Handelskrieg mit China ausgelöst, der erst langsam wieder beigelegt wird.

    Die Kooperation in der Antarktis steht für Baerbock als Erfolgsbeispiel für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Neuseeland, ebenso wie das neue bilaterale EU-Freihandelsabkommen. Dieses ist am 1. Mai in Kraft getreten und sei mit seinen Umwelt- und Sozialstandards der “Goldstandard” solcher Abkommen, so die Ministerin. Sie verwies darauf, dass sich zwei Schiffe der Deutschen Marine bei ihrer gerade begonnenen “Pazifik-Reise” für die Freiheit der Seewege einsetzten. Ob die Schiffe den Weg durch die von China beanspruchte Straße von Taiwan nehmen würden, wollte die Außenministerin allerdings nicht vorab festlegen, es allerdings auch nicht ausschließen.

    Deutschland will Beziehungen zum Südpazifik ausbauen

    Auch mit den pazifischen Inselstaaten will Deutschland nach Baerbocks Vorstellungen bessere Beziehungen haben und dabei präsenter sein: Eine neue Botschaft auf Fidschi wurde im August 2023 eingeweiht – Baerbocks Anwesenheit dabei verhinderte nur der Schaden am Regierungsflugzeug, das damals in Abu Dhabi liegen blieb. Deutschland ist klar geworden: Wenn man mit Staaten kooperieren will, darf man nicht wie zuletzt geschehen 13 Jahre ins Land gehen lassen, ohne dass sich ein Außenminister zeigt. Zumal 14 Staaten im Indopazifik 14 Stimmen in den UN-Gremien sind, die wichtig sind bei Abstimmungen zum Ukraine-Krieg oder über den angestrebten nichtständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Es sind Staaten, um deren Stimmen auch China wirbt.

    Verstärkte Aufmerksamkeit gilt den Inselstaaten im Südpazifik auch deshalb, weil China dort seit einiger Zeit gezielt und massiv seine Präsenz ausbaut – und dabei die USA aussticht. Die Angst: Geheimverträge über die Ausbildung der Polizei wie auf den Salomonen-Inseln könnten auch andere Staaten schließen – und möglicherweise später chinesische Marinebasen oder Flughäfen erlauben, wie US-Medien spekulieren. Das wiederum könnte die Seewege zwischen Australien/Neuseeland und der US-Flotte in Hawaii bedrohen.

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    Russische Atomstreitkräfte: Warum ein Experte Parallelen zur Kuba-Krise zieht

    Die Ankündigung zu einer Übung der Atomstreitkräfte in Russland sieht der russische Atomwaffenexperte Nikolai Sokov als ein “Zeichen an die Nato”. “Solche Übungen, insbesondere die Übergabe von Waffen aus deren Lagern an die Streitkräfte hat es auch früher schon gegeben, doch die wurden nicht öffentlich kommuniziert”, erläuterte Sokov gegenüber Table.Briefings. Insofern sei die öffentliche Ankündigung wichtiger als die Übung an sich.

    Sokov, der als Mitarbeiter des sowjetischen und russischen Außenministeriums mehrere Atomwaffenverträge mitverhandelt hat, forscht heute am Wiener Zentrum für Abrüstung und Nichtverbreitung (VCDNP). Er warnt vor leichtfertigen Annahmen, “die im Westen immer beliebter werden”, dass Russland Atomwaffen “unter keinen Umständen” einsetzen werde oder dass “ausländische Streitkräfte auf dem Territorium der Ukraine eine Art Immunität genießen würden. Das ist absolut falsch – sie werden ein prioritäres Ziel sein, und das könnte eine ernsthafte Eskalation auslösen”.

    Moskau begründet die Übung mit Macrons Aussagen

    Das russische Verteidigungsministerium hatte am Montagmorgen mitgeteilt, dass auf Befehl des Präsidenten und Oberbefehlshabers Wladimir Putin die Streitkräfte die Vorbereitungen zum Einsatz von Atomwaffen trainieren würden. Die Übung solle zeitnah erfolgen. Begründet wurde die Übung mit Äußerungen westlicher Politiker wie Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, unter anderem Bodentruppen in der Ukraine einzusetzen.

    Nikolai Sokov unterstrich, dass die Übung mit taktischen Atomwaffen auch mit der Lenkflugrakete Kalibr stattfinden könnte, die je nach Abschussregion eine Reichweite bis weit nach Westeuropa hätte. “Wir treten unerwartet in eine Phase ein, die an die Kuba-Krise erinnert”, ergänzte Sokov. “Es werden Ankündigungen gemacht und deutliche Signale gesendet, die Entschlossenheit demonstrieren sollten, ,bis zum Äußersten’ zu gehen. Das ist eine gefährliche Dynamik, weil jede Seite, die fürchtet, Schwäche zu zeigen, tatsächlich ,bis zum Äußersten’ gehen wird”.

    Die EU hat bereits scharfe Kritik an der geplanten Atomwaffen-Übung geübt. “Das ist eine Fortsetzung des unverantwortlichen Verhaltens Russlands und ein weiterer Beweis dafür, dass der Kreml nur an einer weiteren Eskalation der Situation interessiert ist”, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Montag in Brüssel. Man fordere Russland auf, das “Säbelrasseln” einzustellen und die Aggression gegen die Ukraine zu beenden. vf

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    Deutsche Marine im Indopazifik: Weshalb Peking vor Fahrt durch Taiwanstraße warnt

    Noch hat sich die deutsche Fregatte “Baden-Württemberg” nicht aufgemacht zu ihrem Einsatz im Indopazifik. Doch schon jetzt warnt China die deutsche Regierung vor einer möglichen Fahrt der “Baden-Württemberg” durch die Taiwanstraße.

    China habe das Recht auf freie Schifffahrt stets respektiert, lehne es aber entschieden ab, dass ein Land im Namen freiheitlicher Schifffahrt Chinas Souveränität und Sicherheit provoziere und bedrohe, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Montag in Peking. Man hoffe, dass Länder außerhalb der Asien-Pazifik-Region dem Frieden und der Stabilität in der Taiwanstraße keinen Ärger bereiteten.

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte sich in Neuseeland für mehr deutsche Präsenz in der Region ausgesprochen und auf zwei Schiffe der Deutschen Marine verwiesen, die sich auf ihrer gerade begonnenen “Pazifik-Mission” für die Freiheit der Seewege einsetzten. Es handelt sich um die Fregatte “Baden-Württemberg” und das Versorgungsschiff “Frankfurt am Main”.

    Neben Hafenbesuchen bei strategischen Partnern werden die beiden deutschen Schiffe an mehreren multinationalen Marinemanövern teilnehmen – unter anderem an der von den USA-geführten Übung Rimpac. Ob die Schiffe den Weg durch die von China beanspruchte Straße von Taiwan durchqueren, wollte Baerbock nicht vorab festlegen. Die Route werde nicht vorab bekannt gegeben. Das “Recht der friedlichen Durchfahrt” gelte allerdings auch für die Straße von Taiwan. rad 

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    Feuerpause in Gaza? Warum Israel nun am Zug ist

    Die Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen gehen am heutigen Dienstag in Kairo weiter. Zwar erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Montagabend in Jerusalem, der kurz zuvor von der Hamas angenommene Verhandlungsentwurf katarischer und ägyptischer Vermittler sei “weit von Israels notwendigen Forderungen entfernt”. Trotzdem werde man eine Arbeitsdelegation zu weiteren Gesprächen nach Ägypten entsenden.  

    Zugleich setzte die israelische Luftwaffe ihre Angriffe auf Ziele in der von 1,2 Millionen Menschen besiedelten Stadt Rafah in der Nacht auf Dienstag fort. Damit solle militärischer Druck auf die Hamas ausgeübt werden, um “die Freilassung unserer Geiseln und die anderen Ziele des Krieges voranzutreiben”, sagte Netanjahu. Die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und Jordaniens forderten Israel auf, die Luftschläge einzustellen. Vor dem israelischen Verteidigungsministerium in Tel Aviv, in Jerusalem, Haifa und anderen Städten verlangten am Abend Hunderte Demonstranten eine Zustimmung Netanjahus zu dem von Katar und Ägypten ausgearbeiteten Verhandlungsvorschlag.  

    Freilassung von Geiseln in drei Phasen

    Zuvor hatte der politische Führer der Terrororganisation, Ismail Hanijeh, mitgeteilt, dass er dem Ministerpräsidenten von Katar und dem ägyptischen Geheimdienstchef die Zustimmung zu einer Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung von israelischen Geiseln gegeben habe. Dem Vernehmen nach sieht das vorliegende Abkommen drei Phasen von je 42 Tagen vor, in denen Hunderte palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freikommen sollen, sollte die Hamas Dutzende der am 7. Oktober vergangenen Jahres entführten Israelis auf freien Fuß setzen. Zudem soll es eine Perspektive für den Wiederaufbau des Gazastreifens und die Rückkehr von Vertriebenen geben sowie verstärkte humanitäre Hilfe.

    Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete unter Berufung auf Diplomaten, dass es sich bei dem von der Hamas akzeptierten Vorschlag um denselben handele, dem Israel bereits zugestimmt habe. Ein israelischer Beamter hatte diesen zuvor als “abgeschwächte” Version eines ägyptischen Vorschlags abgetan, der “weitreichende” Schlussfolgerungen enthalte, die Israel nicht akzeptieren könne.

    Türkei und Iran im Gespräch mit Hamas

    Am Sonntag war CIA-Direktor William Burns in die katarischen Hauptstadt Doha gereist, um mit der Regierung des Emirats die Einzelheiten einer Verhandlungslösung zu klären. Sollte das Abkommen in Kraft treten, wäre es die erste Feuerpause seit einer einwöchigen Kampfpause im November vergangenen Jahres. Seit Monaten scheitern die Versuche der Vermittler eine Einigung zu erzielen, um die Kämpfe zu unterbrechen, Geiseln zu befreien und mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen.

    Auf dem Kurzmitteilungsdienst X schrieb der iranische Außenminister Hossein Amirabdollahian, dass Hamas-Führer Ismail Hanijeh ihm in einem Telefonat mitgeteilt habe, dass der Ball nun in Israels Feld liege. Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilte mit, er habe mit Hanijeh über die Feuerpause gesprochen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, man werde die Antwort der Hamas genau prüfen und sich mit den regionalen Partnern über eine Einschätzung zu verständigen. “Wir sind weiter der Auffassung, dass ein Geiseldeal im besten Interesse des israelischen und des palästinensischen Volkes ist”, sagte Matthew Miller in Washington.

    Die Ankündigung der Hamas erfolgte einige Stunden, nachdem Israel die Evakuierung von Teilen Rafahs angeordnet hatte. Die Stadt im Süden des Gazastreifens gilt als letzte Zuflucht für etwa die Hälfte der 2,3 Millionen Bewohner des palästinensischen Gebiets seit dem Überraschungsangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 und der israelischen Gegenoffensive. Israels Regierung hält seit Wochen ungeachtet internationaler Kritik an ihrem Plan fest, gegen die Hamas auch in Rafah vorzugehen. Der mit Abstand wichtigste israelische Verbündete, die USA, haben ihre Ablehnung einer solchen Offensive wiederholt deutlich gemacht. mrb/rtr

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    Taurus-Marschflugkörper: Weshalb US-General McMaster Lieferung an Kiew für entscheidend hält

    Der frühere Nationale Sicherheitsberater US-Präsident Donald Trumps, HR McMaster, hält die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine für entscheidend, um Russlands Vormarsch zu stoppen. “Sie würden die Situation entscheidend verändern”, sagte der frühere Generalleutnant der US-Armee im Gespräch mit Table.Briefings. Um effektiv gegen russische Gleitbomben vorzugehen, müsse die Ukraine nicht nur ihre Flugabwehr verbessern, sondern auch “ihre eigenen Langstreckenfähigkeiten” erhöhen.

    McMaster zeigte sich im Security.Table Live Briefing besorgt über “die unmittelbare Zukunft” für die ukrainischen Streitkräfte – vor allem in Hinblick auf Personalengpässe und die Verzögerung bei der Lieferung von Munition durch westliche Staaten. Angesichts von Berichten über Massendesertion russischer Soldaten im Süden der Ukraine äußerte er jedoch die Hoffnung, dass “sich die Gelegenheit für eine moralische Niederlage zumindest von Teilen der russischen Truppen ergibt”.

    Europa und Trump: “Nicht verzweifeln, sondern besorgt sein”

    Zuversichtlich zeigte sich McMaster, dass selbst im Falle einer Wiederwahl Trumps die transatlantischen Beziehungen intakt blieben. “Nicht verzweifeln, sondern besorgt sein”, sei der richtige Ansatz mit Blick auf die US-Präsidentenwahl im November. Entscheidend werde am Ende sein, mit welchem Personal Trump außen- und sicherheitspolitische Schlüsselpositionen besetze, sollte er die Wahl gewinnen. Er gehe davon aus, dass Trump die von Bundeskanzler Olaf Scholz vor zwei Jahren ausgerufene militärische Zeitenwende begrüße; entscheidend für das transatlantische Verhältnis sei für den früheren Präsidenten “Gegenseitigkeit”, das heißt, ein erkennbares globales Engagement Deutschlands und Europas, nicht zuletzt im wirtschaftlichen Bereich. “Beim Handel wird es mehr Spannungen geben als bei der Sicherheit”, so McMaster.

    Ausdrücklich begrüßte er die Entsendung deutscher und französischer Marineschiffe in den Indopazifik. Nur ein “transatlantischer Ansatz” der USA mit seinen europäischen Nato-Partnern mache es auf Dauer möglich, China das klare Signal zu senden, “dass der Ozean niemandem gehört”. Dies sei auch im Falle einer Wiederwahl Trumps möglich, dessen erster Nationaler Sicherheitsberater McMaster von 2017 bis 2018 war.

    Keine Anzeichen für Einlenken Irans in Nahost

    Mit Blick auf die Lage im Nahen Osten geht McMaster von einer weiteren Eskalation aus: “Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass Iran nachlässt”, sagte der an den US-Invasionen des Irak 1991 und 2003  beteiligte McMaster über die von Teheran koordinierte sogenannte “Achse des Widerstands”, der neben der palästinensischen Terrororganisation Hamas, der libanesischen Hisbollah und den jemenitischen Houthi-Rebellen auch proiranische Milizen im Irak angehören.

    Russland habe die iranische Führung dabei von Anfang an unterstützt, etwa beim Krieg in Syrien seit 2011, so McMaster – und sich damit “sowohl als Brandstifter wie als Feuerlöscher” positioniert. Der von ihm als “Achse der Aggressoren” bezeichneten Allianz autoritärer Staaten rechnet er neben Russland und China auch Syrien und Nordkorea zu.

    Den früheren US-Präsidenten Barack Obama machte McMaster dafür verantwortlich, nach dem syrischen Giftgasangriff auf Vororte von Damaskus 2013 die ein Jahr zuvor gezogene “rote Linie” im Falle eines Chemiewaffeneinsatzes nicht militärisch durchgesetzt zu haben. Das habe nicht nur Moskau dazu ermuntert, 2014 die Ukraine anzugreifen, sondern auch Peking, Inseln im Südchinesischen Meer zu militarisieren. So seien “kaskadierende Krisen” weltweit ausgelöst worden.

    Eine weitere Eskalation der Spannungen im Nahen Osten lasse sich nur vermeiden durch “resolute Anstrengungen, die Kosten für den Iran zu erhöhen”. Er rechnet damit, dass Israel “in den kommenden drei bis fünf Jahren” iranische Atomanlagen angreifen werde, um die Bedrohung durch das Regime in Teheran einzudämmen. mrb

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    Cyber-Attacken: SWP fordert qualifizierte EU-Mehrheit gegen Angreifer

    Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) fordert in einem neuen Papier qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Bereich Cyber. Bislang fehle es in der Europäischen Union an schnellen, gesamteuropäisch abgestimmten Reaktionen auf Cyberattacken, heißt es in der Studie mit dem Titel “Taming National Interests within the CFSP – Europe’s Cyber Foreign and Security Policy as a Test Run”.

    Die qualifizierte Mehrheit könnte der GASP zu sofortigen und effektiveren Krisenreaktionen verhelfen. Die aktuelle Einstimmigkeit im Rat mache verhältnismäßige, angemessene politische und rechtliche Reaktionen auf schwerwiegende Cyberangriffe fast, wenn nicht gar gänzlich, unmöglich.

    EU brauche einheitliche Cyber-Außen- und Sicherheitspolitik

    Bislang fahren die Mitgliedsländer der EU in ihren politischen Reaktionen auf Cyberangriffen keinen einheitlichen Kurs. Estland reagierte beispielsweise auf 40 Prozent aller Cyberangriffe mit politischen Reaktionen, die Niederlande dagegen nur auf 4 Prozent. “Dies könnte darauf hindeuten, dass die Gegenmaßnahmen der EU-Mitgliedstaaten auf Cybervorfälle in erster Linie politischer Natur sind und nicht unbedingt im Verhältnis zur Intensität der Cyberangriffe stehen.”

    Seit Mai 2023 führt Deutschland eine Gruppe EU-Mitgliedstaaten an, die daran arbeiten, ein Qualifiziertes Mehrheitsprinzip in der GASP einzusetzen. Derzeit wird ein sogenanntes Souveränitätssicherheitsnetz diskutiert, das den Mitgliedstaaten erweiterte Vetomöglichkeiten einräumen würde – vor allem in Situationen, in denen nationale Interessen auf dem Spiel stehen.

    Der Bereich der Cybersicherheit sei aufgrund seiner Komplexität und seiner direkten Auswirkungen auf die nationale Sicherheit ein günstiges Testfeld, um die Wirksamkeit dieser Sicherheitsnetze “bei der Abwägung zwischen nationaler Souveränität und kollektiven EU-Interessen zu erörtern”, so das Forschungsteam, bestehend aus Annegret Bendiek, Max Becker, Camille Borrett und Paul Bochtler. asc

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    Must-Reads

    The Telegraph: Armenia a ‘big loser of war in Ukraine’ thanks to Kremlin-backed Azerbaijan. Für die EU, USA und Armeniens Premierminister Nikol Paschinyan geht es um vier Dörfer, die Armenien an Aserbaidschan abgeben soll, als Zeichen für den Friedenswillen Armeniens. Für viele Menschen, die durch die neue Grenzziehung ihre Häuser und Arbeitsplätze verlieren, geht es um die Existenz.

    Welt: Westjordanland. Für die Zukunft sehe ich nichts als Schwärze. Im Westjordanland herrscht derzeit kein Krieg – aber auch kein Frieden. Gerade für Jugendliche erscheint die Situation hier seit dem 7. Oktober immer auswegloser, doch nicht alle wollen sich dem militanten Widerstand anschließen.

    Chatham House: Independent Thinking: Which country is next to go nuclear? In diesem Podcast diskutieren Experten den Stand der nuklearen Rüstungskontrolle vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Eskalation zwischen dem Iran und Israel in Nahost. Die Fragen: Wer könnte Atomwaffen tatsächlich einsetzen und wer könnte noch anstreben, Atomwaffenstaat zu werden? Ein Takeaway: Der Atomwaffenstaat Nordkorea stellt eine besondere Gefahr dar.

    Tagesschau: Israelische “Patriot”-Systeme für die Ukraine? Israel will seine Patriot-Systeme durch modernere Flugabwehrsysteme ersetzen. Die Ukraine hoffe darauf, dass ihr dieses System zur Verfügung gestellt werden. Bislang hatte Israel Waffenlieferungen an die Ukraine allerdings möglichst vermieden, weil das Land auf russische Unterstützung beispielsweise in Syrien angewiesen ist. Die Lieferungen könnten allerdings indirekt erfolgen.

    Standpunkt

    Warum es in Westafrika keine ordnungspolitische Alternative zur EU gibt

    Von Jacob Ross
    Jacob Ross
    Jacob Ross ist Research Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

    Die EU trägt wachsende Verantwortung für die Sicherheit der Ukraine und hat zuletzt bemerkenswerte Fortschritte in der gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik gemacht. Der EU-Verteidigungsfonds (EDF) oder die Friedensfazilität (EFF) etwa haben seit 2022 an Sichtbarkeit und politischem Gewicht gewonnen. Zudem unterstreichen der “strategische Kompass”, die “Versailles-Erklärung” und das EU-Programm für die Verteidigungsindustrie, dass Außen- und Verteidigungspolitik politische Prioritäten sind – und absehbar auch für die nächste Kommission bleiben werden.

    Im Sahel verfolgen nur noch wenige Europäer die Entwicklungen

    Doch angesichts des Kriegs in Osteuropa gerät leicht in Vergessenheit, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten in anderen Regionen der erweiterten Nachbarschaft zuletzt Einfluss verloren haben. Bestes Beispiel ist Westafrika und genauer der Sahel, der in der deutschen Debatte kaum noch vorkommt. Seit Ende 2023 auf Druck der Putschisten in Niger fast alle Bundeswehrsoldaten die Region verlassen haben, verfolgen hierzulande nur noch wenige Beobachter die dortigen Entwicklungen.

    In Mali, Burkina Faso und Niger hat sich die Sicherheitslage seit dem Abzug westlicher Truppen nicht verbessert. Darauf deutet schon hin, dass zunehmend von “Einhegung” die Rede ist, die das Ausgreifen der Instabilität nach Nordafrika und die Staaten im Golf von Guinea verhindern soll. Langfristige Ziele, die die Bundesregierung und EU in Strategiepapieren definieren – die Klimapolitik etwa und der Aufbau nachhaltiger Energiepartnerschaften – wirken unrealistisch. Im Gegenteil dominieren kurzfristige Befürchtungen, dass auch jene Staaten in der Region, die bisher stabil waren, in Zukunft durch politische Verwerfungen oder das Einsickern dschihadistischer Gruppen destabilisiert werden könnten. Ein Beispiel ist der Senegal.

    Frankreich fällt als Ordnungsmacht aus

    Frankreich, in der Vergangenheit die wichtigste Ordnungsmacht in der Region, fällt dabei aus. 2013 waren es französische Soldaten, die in Mali das Vorrücken der Dschihadisten stoppten. In der Folge weitete Paris den Antiterrorkampf auf den gesamten Sahel aus, flankiert von EU- und UN-Missionen. Doch die Sicherheitslage verbesserte sich nicht, und seit 2020 stellt eine Serie von Putschen die bi- und multilateralen Partnerschaften der Region mit westlichen Staaten in Frage. Französische Soldaten, Diplomaten und teils auch Journalisten wurden des Landes verwiesen – erst in Mali, dann in Burkina Faso, zuletzt in Niger. Auch in weiteren Sahel-Staaten ist die französische Präsenz bedroht. Im Tschad wurde gewählt, und der neue Präsident des Senegals, Bassirou Dimonaye Faye, verfolgt ein souveränistisches Programm – Frankreichs Stützpunkt in Dakar könnte weichen müssen.

    Doch auch Deutschland, die USA und andere westliche Staaten werden in Westafrika ersetzt. Ihnen wird von den neuen militärischen Machthabern im Sahel vorgeworfen, im Kampf gegen Terroristen versagt zu haben. Dahinter steckt Kalkül: Das vermeintlich starke Auftreten gegenüber dem Westen kommt gut an in einer jungen Bevölkerung, die von einer zweiten Dekolonialisierung träumt. Zweiter Grund ist, dass die neuen Partner – Russland, aber auch die Türkei, die Golfstaaten, oder Iran, bei Waffenlieferungen keine Konditionen stellen und im Kampf gegen bewaffnete Gruppen nicht auf die Einhaltung von Menschenrechten pochen.

    Frankreich offen für die Europäisierung seiner Afrikapolitik

    Die Enttäuschung der Putschisten und der Bevölkerungen im Sahel ist absehbar. Ihren neuen Partnern geht es in Mali, Burkina Faso und im Niger vor allem darum, westliche Staaten und Bündnisse zu ersetzen – regionale Stabilität ist höchstens zweitrangig. Vor allem Russland und der Iran schließen Ad-hoc-Bündnisse mit regionalen Partnern, handeln opportunistisch, nutzen die Uneinigkeit der westlichen Partner. Zynische Stimmen in europäischen Hauptstädten argumentieren deshalb bereits, die westlichen Staaten müssten lediglich warten, bis regionale Machthaber wieder Hilfe bei ihnen ersuchten.

    Diese Argumentation ist aus zwei Gründen kurzsichtig: Zunächst herrscht in Paris und anderen EU-Hauptstädten Ratlosigkeit. Es fehlen Konzepte: Sowohl der Antiterrorkampf Frankreichs als auch die deutsche Stabilisierung sind gescheitert. Um in Zukunft wieder handlungsfähig zu sein, müssten neue Konzepte erarbeitet werden. Frankreich ist so offen für die Europäisierung seiner Afrikapolitik wie nie. Stützpunkte im Senegal, der Elfenbeinküste, Gabun oder Tschad könnten langfristig unter EU-Kommando gestellt werden. Kooperationsprogramme, die Paris seit den 1960er-Jahren im frankophonen Afrika betreibt, könnten künftig von der EU finanziert und im Gegenzug für europäische Partner geöffnet werden.

    Dringlichkeit verleiht dem ersten Grund der zweite: Die USA werden nicht intervenieren, wenn in Zukunft einer oder mehrere Staaten im Sahel vollends kollabieren und daraufhin ein neues, territoriales Kalifat entsteht. US-Ressourcen sind in den Kriegen in der Ukraine und in Gaza gebunden und werden für potenzielle Konflikte im Pazifik vorgehalten. In Westafrika gibt es keine ordnungspolitische Alternative zur EU, das sollte allen Regierungen der EU klar sein – trotz ihres aktuell verständlichen Fokus auf die Ukraine.

    Jacob Ross ist Experte für französische Außen- und Sicherheitspolitik bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

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    Personalie

    Das deutsche Rüstungs-Start-Up Helsing aus München bekommt einen neuen Geschäftsführer. Wolfgang Gammel, derzeit Gesamtvertriebsleiter Deutschland der Airbus Defence and Space, bringt mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Verteidigungsindustrie mit zu Helsing. Unter anderem führte er Teams bei Airbus Defence und Space und der Eurofighter Jagdflugzeuge GmbH. Wie Helsing mitteilte, wird Gammel “sowohl die existierenden Programme im Rahmen von Eurofighter EK und FCAS betreuen als auch mit dem deutschen Führungsteam die Bereiche Land und Maritimes weiterentwickeln”.

    “Wolfgang Gammel genießt hohes Ansehen bei den Kunden und Nutzern in der Bundeswehr, aber auch unseren Partnern in der Verteidigungsindustrie”, erklärte Gundbert Scherf, Mitbegründer und Co-CEO von Helsing. Das 2021 gegründete Technologieunternehmen entwickelt KI-Systeme unter anderem für Kampfflugzeuge, Panzer und U-Boote. Im Februar unterzeichnete Helsing einen Vertrag mit dem Ministerium für strategische Industrien der Ukraine, um künstliche Intelligenz in Drohnen aus ukrainischer Produktion einzubauen. nana 

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    • FCAS

    Dessert

    Zum morgigen 8. Mai, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, empfiehlt die Security.Table-Redaktion diesen Lesestoff:

    Roman: Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe (Susanne Abel, dtv-Verlag): Im zerstörten Nachkriegsdeutschland verlieben sich Greta und der schwarze GI Bob Cooper, ihre gemeinsame Tochter ist ein “Brown Baby”. Sie wird, wie die meisten Mischlingskinder zu dieser Zeit, auf Zwang ins Ausland adoptiert, die junge Familie zerrissen. Erst Jahrzehnte später erfährt Tom, Gretas Sohn, von dem dunklen Kapitel im Leben seiner Mutter. Eine Aufarbeitung unter schwierigen Bedingungen beginnt. Das gut recherchierte Buch wirft ein Licht auf einen sehr wenig beachteten Aspekt der Nachkriegszeit.

    Sachbuch: Iwans Krieg. Die Rote Armee 1939 – 1945 (Catherine Merridale, S. Fischer): Die Dimension des Vernichtungskriegs Nazi-Deutschlands in Osteuropa ist bis heute nicht angemessen klar, auch weil die Aufarbeitung davon in Osteuropa verschiedenen politischen Interessen ausgesetzt ist. In diesem Buch lenkt die britische Historikerin den Blick auf einfache sowjetische Soldaten. Sie macht deutlich, warum viele desertierten, wie Moskau dieses Problem löste und welche Rolle die politischen Kommissare der Roten Armee beim Verhalten der Soldaten bei Vormarsch spielten.

    Roman: Der Tisch (Ananij Kokurins, Osburg Verlag): Während der Besatzung von Belarus vernichteten die deutschen Truppen und deren Helfer, die aus desertierten Rotarmisten oder nationalistischen, antisowjetischen Gruppen des ehemaligen russischen Imperiums bestanden, Tausende Dörfer. Gleichzeitig gab es aber auch Kooperationen zwischen den Deutschen und der lokalen Bevölkerung – ein Tabu-Thema in der Sowjetunion. Wie eine Familie Ende der Sowjetunion mit diesem Geheimnis umgeht, davon handelt dieser Roman.

    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

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