Erstmals traf ich Mariana Mazzucato, Professorin und Direktorin am University College, London, im Jahr 2018. Ihr Name war in aller Munde aufgrund ihres aufsehenerregenden Buches „The Entrepreneurial State“, in welchem sie nachvollziehbar argumentiert, dass Internet, GPS, Mikroprozessoren und Silicon Valley in den USA ohne den unternehmerischen Staat nicht möglich gewesen wären. Wir diskutierten auf dem Panel die spannende Frage “Beyond Market Failures: How the State Creates Value“.
Schon damals fiel mir auf, wie US-amerikanisch Mazzucato sozialisiert war. Ich musste sie darauf hinweisen, dass eine deutschen Beamtenschaft nicht gleichzusetzen ist mit den amerikanischen „Civil Servants“. Schließlich haben deutsche Beamte nicht nur lebenslänglich, sondern sie verlassen auch nicht zu Tausenden ihre Jobs – so wie es bei einem Administrationswechsel in den USA geschieht. Das sogenannte ‚PLUM Book‘ nennt bei jedem Regierungswechsel in den USA über 9.000 Positionen, die überprüft werden sollen. Über 1.500 benötigen die Bestätigung durch parlamentarische Gremien. Und für US-Spitzenbeamte und -Politiker ist crossektoraler Wechsel Normalität.
Fehlende Agilität des Apparats und der Staatsdiener
Bei uns drücken sich die Wirtschaftsleute um die zumal selten wertgeschätzte Ochsentour. Und die in die Wirtschaft wechselnden Politiker und Top-Beamte landen überwiegend in Lobbyisten- und Stiftungsjobs. Schon das Aufwachsen in Beamten-Silos führt dazu, dass der „Entrepreneurial State“ hierzulande mit nicht zu vielen unternehmerischen Talenten bestückt ist. Über die fehlende Agilität des Apparates und der Prozesse der öffentlichen Verwaltung habe ich dabei noch gar nicht gesprochen.
Deswegen verwundert es auch nicht, dass der wirtschaftsunerfahrene Wirtschaftsminister Robert Habeck Professorin Mazzucato als Kronzeugin seines staatsgläubigen, wirtschaftskritischen Denkens aufruft. Deshalb verwundert es nicht, dass ökologische Forschungsmissionen seines Hauses nicht problemlösungsorientiert sind, sondern selbst die Technologie vorschreiben. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die sozialdemokratische Zeitung „vorwärts“ Mazzucato als Spiritus Rector für die SPD-Zukunftsmissionen sieht. Ist das Blatt doch ebenso wie Mazzucato Protagonist eines Staates, der frühzeitig in die Felder der Forschung, der Technologie wie der Innovationsförderung interveniert. Nur eben in deutscher Mentalität und Struktur – und nicht in innovationserprobtem US-Spirit und deren agilen Innovationsarchitekturen.
Technologiebasiertes Staatsversagen nicht nur in Coronakrise
Der deutsche Staat ist eben ein Innovationsnachzügler mit seiner Deutschland-Geschwindigkeit. Egal ob das digitale Staatsversagen in der Coronakrise, ob das technologisch stümperhafte Management der Energiewende oder Vertreiben von Biotechnologie und Raumfahrt aus diesem Lande: Schon in den Koalitionsverhandlungen musste ich einem der Verhandlungsführer der beiden anderen Ampel-Parteien energisch widersprechen, als dieser missionsorientierte Forschungs- und Innovationspolitik und KfW miteinander verweben wollte.
Er lächelte mich vielsagend an, als ich ihn darauf hinwies, dass Mazzucato in den Koalitionsverhandlungen nicht anwesend sei. Doch der Geist ist der Flasche entwichen. Wenn heute die Expertenkommission Forschung und Innovation dem Kanzleramt die Steuerung und Kontrolle von Innovationsstrategie überlassen will, wenn heute von Missionsagenturen für die im Rahmen der Zukunftsstrategie benannten Missionen die Rede ist, dann kann ich nur warnen. Dahinter verstecken sich die Allmachtsfantasien staatsbürokratischer Politik.
Sprind – Lackmustest für den Politik-Apparat
Wenn es dann hart auf hart kommt, dann lassen die deutschen Mazzucato-Anhänger nicht von der Macht los. Die Art und Weise, wie bisher fast ein Jahr lang das Sprind-Freiheitsgesetz sabotiert wird, spricht Bände! Das wäre übrigens ein erster Lackmustest für einen deutschen Politikapparat: ob er seine und die Fesseln anderer abstreifen will. So aber ist das Mazzucato-Narrativ nichts anderes als Augsburger Puppentheater, bei dem Mariana das Publikum innovativ bezirzen soll, während die Regisseure ihre eigene staats-dirigistische Innovationsagenda verfolgen.
Innovating Innovation: Wie wäre es mit durchaus unternehmerisch aktiven, staatlich finanzierten Organisationen, die folgende Charakteristika besitzen: 1) gesetzgeberisch geregelte freiheitliche Rahmenbedingungen für deren Arbeit, 2) schlanke, flexible und agile Organisation und Prozesse, 3) unternehmerisch kompetente und vergütete Akteure. Wie in den USA oder Großbritannien.