Mit großer Sorge las ich das jüngste Interview von Holger Hanselka. Löblich, dass acht Monate lang an einem neuen Governance-Konzept gefeilt wurde, nicht so löblich, dass der Fraunhofer-Präsident auf drängende Fragen, die ich zu einem guten Teil schon in meiner Kolumne adressiert hatte, nicht, ausweichend oder unkorrekt antwortete. Möglicherweise ist die noch zu beschließende neue Governance eben doch nur die Nebelkerze, um die fehlenden Aufräumarbeiten zu bemänteln oder den Präsidenten vor künftiger Unbill zu beschützen.
Er wusste wohl, warum er beispielsweise zur Frage nach der Rolle von Vorständin Elisabeth Ewen, Begleiterin von Ex-Präsident Reimund Neugebauers diktatorialer Kultur, nicht antwortete. War sie doch erst gerade sein Kompagnon in einer üblen Geschichte: Letzte Woche forderte der Gesamtbetriebsrat der FhG nach fast zehn Jahren endlich wieder eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen. Eigentlich Standard moderner Personalarbeit. In einem dreiseitigen Schreiben in verquastem Personalgesäusle sollen Hanselka und Ewen eine Befragung verweigert haben und argumentierten, sie würden doch stattdessen „Dialogveranstaltungen“ durchführen. Auch dies seit Jahrzehnten Standard guter Personalarbeit.
Der gesamten Mitarbeiterschaft wird so die Stimme verweigert, offenbar weil Hanselka und Ewen sich nach neun Monaten im Amt vor blamablen Resultaten fürchten. Aber das hat ja Tradition. Schon gegenüber dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Reimund Neugebauer biederten sich der damalige Personalvorstand Kurz und seine damalige operative Personalchefin Ewen an.
Ich erinnere mich noch bestens, wie mich Kurz und Ewen bei einem Treffen im Jahre 2019 mit PowerPoints zuzuballern suchten, als ich als Oppositionspolitiker die Personal-Machenschaften von Fraunhofer und die fehlende Mitarbeiterbefragung argwöhnisch hinterfragte. Wie lange duldet der Senat noch die Fortführung der alten Kultur durch Hanselka und die fortgesetzte Unprofessionalität der eigenen Personalvorständin?
Einfach unbeantwortet gelassen hat Hanselka in dem jüngsten Interview auch die Frage nach politisch gefälligen, Wahlkreis unterstützenden Standort-Entscheidungen der Vergangenheit. Und ausgewichen ist er der Frage nach einer fokussierten Standortstrategie und erst recht der Frage nach Restrukturierung oder Schließung von Fraunhofer-Instituten. Dieser Frage wird er nicht entkommen, sie wird ihn einholen.
Nicht korrekt antwortete Hanselka meiner Auffassung nach auch bei der Frage nach Abgeordneten im Senat: Es ist sehr wohl compliancewidrig, dass Haushälter des Bundestags dem Wohle der Fraunhofer-Gesellschaft gegenüber verpflichtet sind, deren Wirtschaftsplan und Finanzplanung absegnen und dann noch unparteiisch in den Haushaltsverhandlungen des Bundestags sein können. Es geht also nicht nur um den Einsatz der Grundfinanzierung, wie Hanselka elegant schwadroniert, sondern um den Umfang, den das Parlament festlegt. Und ob – wie zu Corona Zeiten – Haushälter und Ministerium nicht doch noch eine finanzielle Extra-Schippe drauflegen. Abgeordnete zu Lobbyisten in eigener Sache zu machen, wie elegant! Hanselka hätte es verhindern können, er hat es zugelassen und seine eigene Unschuld verloren.
Diese Kritik gilt nicht nur für bereits mehrfach kritisierte Gefälligkeiten der Politik gegenüber, sondern offenbar auch gegenüber den Granden der deutschen Automobilwirtschaft. Bis heute ist die Rolle der TU Chemnitz als mögliche Produzentin von Ehrendoktorwürden für Vorstandsriegen der Automobilbranche nicht beleuchtet. Noch die Rolle des damaligen Präsidialstabes, der – so sagen es mir Vertreter aus dem innersten Zirkel von Fraunhofer – wohl selbst Hand anlegen musste, um Doktorarbeiten zu schreiben. Ob da die Senatsvorsitzende Hildegard Müller, im Hauptamt die oberste Chefin des Automobilverbands, ihre schützende Hand über ihre Schäflein hält? Der schon länger im Raum stehende Vorwurf des Fake mit Doktorwürden muss aufgeklärt werden. Im Zweifel müssen die Titel entzogen werden. Wer klärt hier auf?
Die Wirtschaftswoche hatte in einem aufsehenerregenden Beitrag über die Spielchen von Ex-Präsident Neugebauer mit den Geldern der Zukunftsstiftung berichtet. Bis heute gibt es keine Aufklärung zu den verbrannten Millionen Euro. Merkwürdig ist auch, dass es bis heute keinen Nachfolger für den Vorsitzenden der Zukunftsstiftung, den Vorgänger von Neugebauer, Professor Bullinger gibt, obwohl dessen Vertrag Insider-Informationen zufolge zum 30. September 2023 ausgelaufen wäre.
Wie viel wissen die beiden Bundestagsabgeordneten Kerstin Radomski (CDU) und Wiebke Esdar (SPD), beide damals wie heute Ex officio-Mitglieder des Stiftungsrats, dem Kontrollorgan der Stiftung über die finanziellen und personellen Vorgänge? Beide sind interessanterweise zugleich Mitglieder des Haushaltsausschusses des Bundestags und lehnten schon damals ab, gegenüber der WirtschaftsWoche auf Fragen zu antworten. Wer kontrolliert eigentlich die Stiftung in der Mittelverwendung? Fragen über Fragen!
Vor dem Hintergrund weiterer Stagnation Deutschlands, enger werdender Bundeshaushalte und nicht balancierter eigener Finanzierungsstruktur wird es bei Fraunhofer nicht nur um Sprudelwasser als Sparmaßnahme, sondern sowohl um das Ringen um gesteigerte Industrieerträge, als auch um das Abspecken der Fraunhofer-Zentrale gehen. Die opulente Organisation muss – raus aus der Zentrale – in eine effiziente Dienstleistungsorganisation, mit Shared Services, mit nutzerorientierten Erfolgsparametern wechseln. Nicht die Verlagerung in die Zentren, wie Hanselka es im Interview vorschlug. Auch bei Effizienz, nicht nur bei Governance und Compliance kann man von der Wirtschaft lernen. Große Hausaufgaben für Fraunhofer, große Hausaufgaben für Präsident Hanselka.