Table.Briefing: Research

Top of the Table: Die entscheidenden Köpfe der Politikberatung + Medizinnobelpreis für microRNA + ITER-Chef Pietro Barabaschi und sein Kernfusions-Großprojekt

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Welt gedenkt in diesen Tagen der Opfer der furchtbaren Taten des 7. Oktobers 2023, das Datum hat sich längst in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Niemandem muss man erklären, worüber man sprechen möchte, wenn man “7. Oktober” sagt. Jeder weiß, was er selbst an diesem Tag gemacht, gedacht und gefühlt hat.

Aus dem Leid und der Trauer der Jüdinnen und Juden, aus der Verzweiflung über das Schicksal der Geiseln, entwickelte sich Zorn, Hass und letztlich Gewalt. Israel begann seinen Krieg gegen die Hamas, im Gazastreifen, längst ist es mit weiteren Ländern in eine Spirale von Angriff und Abschreckung verstrickt.

Trauer, Wut und Zorn gibt es nicht nur im Nahen Osten. Auch in Deutschland, wo viele Jüdinnen und Juden wie Palästinenser leben, ist kein Tag mehr wie zuvor. Studentinnen und Studenten protestierten und protestieren an Hochschulen, Hörsäle wurden besetzt, Räume mit antisemitischen Symbolen beschmiert. Universitäten positionieren sich, Präsidentinnen und Präsidenten, Lehrende wie Studierende suchen nach den richtigen Worten. Nach einem umstrittenen offenen Brief stellte sich schnell die Fragen nach dem Schutz der Meinungs– und Wissenschaftsfreiheit.

Es ist kompliziert geworden. Wer mit den Opfern des Anschlags fühlt, wird in Debatten schnell zum Gegner der Menschen in Gaza erklärt. In vielen aufgeheizten Debatten könnte es sicher schon helfen, nicht jedes Für zugleich als ein Gegen zu verstehen.

An Hochschulen in Deutschland gibt es Antisemitismus, und nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, schrieb Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, im Februar in einem Gastbeitrag für Table.Briefings, den ich Ihnen hier noch einmal empfehlen möchte. Antisemitismus stecke in den Köpfen, mahnte Rosenthal. Er müsse staatlicherseits verfolgt werden, wenn er die entsprechende Grenze überschreitet. Die Hochschulen können hier unterstützen, “müssen Antisemitismus aber vor allem mit dem ihnen eigenen Instrument bekämpfen, dem Argument. Das ist absehbar eine Daueraufgabe für die Hochschulleitungen, alle Hochschulangehörigen und die Gesellschaft als Ganzes”.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diesen Dienstag,

Ihre
Nicola Kuhrt
Bild von Nicola  Kuhrt

Analyse

Draghi-Bericht: Was Christian Ehler an der Forschungsunion zweifeln lässt

Seit 2004 in Brüssel: CDU-Politiker Christian Ehler.
Der CDU-Politiker Christian Ehler hält nicht alle Vorschläge im Draghi-Bericht für umsetzbar.

Mit seinem lang erwarteten Bericht hat der ehemalige italienische Ministerpräsident und EZB-Präsident Mario Draghi Anfang September den Druck auf die Mitgliedsländer der EU erhöht, mehr in Forschung und vor allem Innovation zu investieren. Draghi kritisiert unter anderem bestehende EU-Forschungsprogramme als bürokratisch und unterfinanziert. Er drängt auf eine Verdoppelung des EU-Forschungs- und Innovationsbudgets auf 200 Milliarden Euro für das nächste siebenjährige Rahmenprogramm von 2028 bis 2034.  

Draghis Papier hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Experten sind sich einig: Würden alle Änderungen des Berichts umgesetzt, käme das einer kleinen Revolution in der EU-Forschungspolitik gleich. Auch Christian Ehler, Abgeordneter des EU-Parlaments (EVP), begrüßt viele der gehaltvollen Vorschläge Draghis. Tatsächlich seien diese auch in einem angemessenen zeitlichen Rahmen umsetzbar, sagt er im Gespräch mit Table.Briefings. Aber: “Nicht alle sind gute Vorschläge”, sagt Ehler, der zuletzt Koordinator des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) gewesen ist. Beispielsweise ergebe die Ausweitung von Erasmus+ auf Forschende keinen Sinn, da es im Rahmen von Horizon Europe bereits Marie-Curie-Actions und COST (European Cooperation in Science and Technology) gebe.  

EFR: Änderungen gehen nur langsam voran 

Grundsätzlich seien die Änderungen zum Aufbau der Forschungs- und Innovationsunion (EFR) für die EU zwar möglich, doch diese hänge in hohem Maße von der Bereitschaft und Kapazität der Mitgliedstaaten ab, sagt Ehler. “Der EFR ist in erster Linie eine Koordinierungsanstrengung, bei der die Mitgliedstaaten vor Ort die meisten Veränderungen herbeiführen müssen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mitgliedstaaten zwar bereit sind, über die großen Themen zu sprechen, dass die Maßnahmen in den meisten Mitgliedstaaten jedoch langsam voranschreiten.” Ob es daher realistisch ist, zu erwarten, dass ein umfassender Plan für den EFR mit nationalen Plänen für jeden Mitgliedstaat wirklich zu Veränderungen führen wird, sei fraglich, gibt Ehler zu bedenken.  

Die Kritik Draghis am Horizon-Programm hingegen kann Christian Ehler nur unterstreichen. “Wir brauchen ein vereinfachtes Programm mit mehr Selbstverwaltung durch Wissenschaftler, Forscher und Innovatoren. Weniger politischer Druck auf das Programm ist entscheidend. Auch eine administrative Vereinfachung ist unerlässlich – für das Forschungsrahmenprogramm 10 können wir nicht wieder mehrere Jahre warten, bis die Muster-Finanzhilfevereinbarung verfügbar ist”, sagt der EU-Politiker.  

Ehler: Horizon nicht Beamten für “feuchte Machtträume” überlassen 

Ehler macht – bei allen Problemen bei Horizon – aber eine Einschränkung. Die berechtigte Kritik an Horizon dürfe “nicht dazu führen, das Forschungsrahmenprogramm vollständig unter die Fittiche der Haushaltsgeneraldirektion und des EU Competitiveness Fund zu nehmen”, sagt Ehler. Dies wiederum stehe nämlich gegen Draghis Empfehlung, “dass das Forschungsprogramm von und für Experten gemacht sein soll und nicht von Haushaltspolitikern- und beamten, die ihre feuchten Machtträume verwirklichen wollen”. 

Christian Ehler unterstützt auch grundsätzlich die Pläne, den Europäischen Innovationsrat (European Innovation Council, EIC), in dem verschiedene Instrumente wie der EIC Pathfinder oder der EIC Accelerator zur Innovationsförderung vereinigt sind, umzubauen – aber eben in einen unabhängigeren EIC. “Draghis Vorschlag würde den EIC Pathfinder im Wesentlichen vom Accelerator trennen. Das ist der falsche Schritt”, sagt Ehler. Der EIC sollte als integriertes Programm umgesetzt werden, das von einem unabhängigen und flexiblen Institut verwaltet wird.  

Außer Volkswagen keine europäischen Unternehmensinvestoren 

Wie Draghi sieht auch Christian Ehler die Dringlichkeit, die Innovationskraft Europas schnell auszubauen. “Wir sehen tatsächlich bereits eine Abwärtsspirale. Nur einer der zehn größten Unternehmensinvestoren in Forschung und Entwicklung kommt aus der Europäischen Union: Volkswagen.” Und es lasse sich ablesen, woher dieser schwache Wert kommt: Im Jahr 2021 investierte die Industrie in der EU in nur zwei Mitgliedstaaten mehr als zwei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung. In acht Mitgliedstaaten lag dieser Wert bei weniger als 0,5 Prozent und in 19 Mitgliedstaaten bei 1 Prozent oder weniger. In den meisten Mitgliedstaaten und in der EU insgesamt hat sich dieser Prozentsatz in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich verändert, kritisiert Ehler und macht den Vergleich: Die USA investieren 2,4 Prozent, China 1,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts.  

Und so teilt Ehler wie Draghi die wachsende Besorgnis um Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Bereits im April hatte ein anderer ehemaliger italienischer Ministerpräsident, Enrico Letta, seine Empfehlungen für die Zukunft des EU-Binnenmarktes, darunter die Schaffung einer “fünften Freiheit”, die dem freien Verkehr von Forschung, Innovation, Wissen und Bildung gewidmet ist, veröffentlicht. Darin machte er Vorschläge zur Stärkung des EU-Binnenmarktes. Auch wenn sich die konkreten Vorschläge der Politiker unterscheiden mögen, es zeigt deutlich, dass die Notwendigkeit für Reformen und Investitionen in diesen Bereichen immer dringender wird. 

   

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Die entscheidenden Köpfe der deutschsprachigen Wissenschafts-Szene – Beratung

Logo mit der Aufschrift: Top of the Table Research 100

Uwe Cantner – Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)

Der Professor für Volkswirtschaftslehre und Mikroökonomik der Universität Jena forscht zu innovationsökonomischen Fragestellungen und transformativem Wandel. Passend dazu leitet er das Gremium, das die Bundesregierung zu diesen Themen berät: die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). Seit 2015 ist Cantner Mitglied, seit Frühjahr 2019 Vorsitzender. Die jährlichen Gutachten – Kanzler und Forschungsministerin nehmen sie persönlich entgegen und es gibt schöne Fotos – sind für Interessierte eine Fundgrube (das Table-Spezial zum Gutachten 2024 lesen Sie hier). Einige Dinge mahnt die EFI immer wieder an, mehr Tempo zum Beispiel sowie mehr Strategie und Priorisierung. Cantners ruhige, überlegte Art kommt gut an in der Community. Er redet Probleme nicht schön – und auch nicht der Politik nach dem Mund. Ein ausführliches Porträt lesen Sie hier.

Wolfgang Wick – Vorsitzender des Wissenschaftsrats

Seit 2023 ist Wolfgang Wick Vorsitzender des Wissenschaftsrats. In dieser Funktion beschäftigt er sich beispielsweise mit der grundsätzlichen Neuordnung von Grund- und Drittmittelfinanzierung im deutschen Wissenschaftssystem. Und natürlich ist er einer der Hauptakteure, wenn es darum geht, die Zukunft der Exzellenzstrategie zu diskutieren. Schließlich ist der Wissenschaftsrat zuständig für die Förderlinie der Exzellenzuniversitäten. Als Neurologe und Neuroonkologe engagiert Wick sich zudem für die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten in der medizinischen Forschung. Er ist weiterhin Ärztlicher Direktor der Allgemeinen Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Dorthin wechselte er nach seiner Promotion und Habilitation an der Universität Tübingen.

Gerald Haug – Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina

Mit Gerald Haug trat im März 2020 ein erfahrener Klimaforscher an die Spitze der Leopoldina. Es war damit zu rechnen, dass er entsprechende inhaltliche Akzente setzt. Schließlich hatte er sich als Professor für Klimageochemie an der ETH Zürich und als Direktor der Abteilung Klimageochemie am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz einen Namen gemacht. Doch statt mit dem Klima musste sich der neue Präsident vor allem mit dem Coronavirus beschäftigen. Nach seinem Amtsantritt im März 2020 hat die Leopoldina in den Jahren 2020 und 2021 zehn Ad-hoc-Stellungnahmen und weitere Papiere zur Pandemie veröffentlicht. Haug verordnete der Akademie eine höhere Schlagzahl und gestaltete Politikberatung aktiv. Seine fünfjährige Amtszeit endet im Frühjahr 2025, wenn seine Nachfolgerin Bettina Rockenbach das Amt übernimmt.

Achim Wambach – Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Seit März 2016 ist Achim Wambach Präsident des ZEW und kennt sich entsprechend aus mit Politikberatung. Vor seinem Wechsel an das ZEW war er Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik (iwp) an der Universität zu Köln und Co-Direktor des Europäischen Zentrums für freie Berufe der Universität zu Köln. Wambach denkt Wirtschaftsforschung und Politikberatung aus einer europäischen beziehungsweise internationalen Perspektive. Etwa, wenn er im Gespräch mit Table.Briefings Forschung und technologischen Fortschritt den wichtigsten Beitrag Deutschlands und Europas im Kampf gegen den Klimawandel nennt. Dadurch könnten global die Transformationskosten reduziert werden. Der ZEW-Präsident mischt sich auch in sensible Debatten ein, etwa um den Umgang mit China als Forschungspartner.

Christian Kobsda – Leiter des Berliner Büros der Max-Planck-Gesellschaft

“Wissenschaftliche Politikberatung in Deutschland ist dabei, sich in ihren Strukturen und Zugängen stetig weiter zu professionalisieren”, hat uns Christian Kobsda für unsere Serie “Politikberatung, quo vadis” mit auf den Weg gegeben. Nicht nur für den Research.Table ist der Leiter des Berliner Büros der Max-Planck-Gesellschaft ein wichtiger Ansprechpartner und Netzwerker im Bereich Beratung. Kobsda hat sich selbst intensiv mit verschiedenen Formaten und Formen der wissenschaftlichen Politikberatung beschäftigt und an unterschiedlichen Positionen an der von ihm diagnostizierten “Professionalisierung” mitgearbeitet. Unter anderem war er im Präsidialstab der Leibniz-Gemeinschaft für den Bereich Politik und Beratung verantwortlich und bei der acatech als Wissenschaftlicher Referent am Innovationsdialog der Bundesregierung beteiligt.

Jan Wöpking – Geschäftsführer der German U15

Der Philosoph vertritt seit 2018 als Geschäftsführer der German U15 die Interessen 15 großer deutscher Universitäten. In der forschungspolitischen Diskussion ist der Verbund mit Sitz in Berlin unter Wöpking zu einem wichtigen Player geworden. Ein besonderes Augenmerk legt der Wissenschaftsmanager auf die deutsch-britischen Beziehungen. Mit der dortigen Russell-Group pflegt man einen engen Kontakt und hat sich gemeinsam für die Assoziierung Großbritanniens zu Horizon Europe eingesetzt. Aber auch die US-amerikanische Wissenschaftspolitik verfolgt die U15 genau, vor allem aktuell, kurz vor den Wahlen. Kürzlich war Wöpking mit einer Delegation vor Ort, um die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf Deutschland einzuordnen.

Christoph M. Schmidt – Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Er ist vor allem als Experte für Wirtschaftspolitik und Energieökonomik bekannt. Seit 2002 ist der Ökonom Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Außerdem war Christoph M. Schmidt von 2009 bis 2020 Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dessen Vorsitz er von 2013 bis 2020 innehatte. In diesem Frühjahr wurde Schmidt überraschend Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation. Er gilt als einer der erfahrensten Politikberater in Deutschland. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf makroökonomischen Fragestellungen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsmarkt und Energiepolitik. Der acatech-Vizepräsident hat sich aber auch bereits mit der Einführung sozialverträglicher nachgelagerter Studiengebühren beschäftigt, wie es sie in seinem Geburtsland Australien gibt. Ein ausführliches Porträt lesen Sie hier.

Veronika Grimm – Wirtschaftswissenschaftlerin an der TU Nürnberg und Mitglied der Wirtschaftsweisen 

Seit diesem Jahr ist sie Professorin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und leitet dort das Energy Systems und Market Design Lab. Bekannt ist Veronika Grimm vor allem als Mitglied der sogenannten Wirtschaftsweisen, zu denen sie seit 2020 gehört. Sie forscht über Energiemärkte und Energiemarktmodellierung sowie über Wasserstoff in der Energiewende. Ihre Expertise ist auch in anderen Gremien gefragt, etwa dem Nationalen Wasserstoffrat. Ende Februar wurde sie in den Aufsichtsrat von Siemens Energy berufen. Das brachte sie in die Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte. Sie betont, dass sie diese Frage hat prüfen lassen und es keine Bedenken gab. Gegen einen neuen internen Compliance-Code für die Wirtschaftsweisen wehrt sie sich inzwischen vor Gericht. In unserer Serie über wissenschaftliche Politikberatung hat sich Veronika Grimm dafür ausgesprochen, die Zahl der Gremien zu beschränken, diese aber sehr gut mit wissenschaftlichem Personal auszustatten.

Jürgen Mlynek – Kuratoriumsvorsitzender der Falling Walls Foundation

Wo anfangen bei Jürgen Mlynek, vielfach ausgezeichnet, geehrt und aktuell für die wissenschaftlichen Netzwerke der Falling Walls Foundation aktiv? Er sei ein “erfolgreicher Wissenschaftler”, liest man. Mlynek will immer “seine” Leute kennen, vor Ort sein, motivieren und überzeugen. Der Physiker wurde nach einem Aufenthalt im IBM Forschungslabor in den USA Assistenzprofessor an der ETH Zürich. 1990 erhielt er eine Professur für Experimentalphysik an der Universität Konstanz. Zehn Jahre forschte und lehrte er in den Bereichen Quantenoptik, Atom- und Oberflächenphysik. Mlynek war Vizepräsident der DFG, im September 2000 wurde er Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, dann Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, von 2005 bis 2015. Mlyneks Mission war: “Helmholtz national und international stärker als Marke zu etablieren”.

Heyo K. Kroemer – Vorstandsvorsitzender der Charité Universitätsmedizin Berlin

Seit 2019 steht Heyo K. Kroemer der Charité vor und damit einer der größten Universitätskliniken in Europa. Der Verbund vereint die medizinischen Fakultäten der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin mit mehr als 300 Professorinnen und Professoren sowie fast 9.900 Studierenden. Der Pharmazeut und Pharmakologe führt das Haus mit dem nötigen Pragmatismus. “Wir haben uns so ein bisschen angewöhnt in Deutschland, die Augen zuzumachen vor Problemen und zu hoffen, dass sie durch diesen Akt weggehen würden, was aber nicht der Fall ist “, sagt er und wünscht, dass alle wieder ins Handeln kommen. Sein Rezept geht offenbar auf, regelmäßig erhält die Charité den Titel “Deutschlands beste Klinik”, im THE World University Subject Ranking ist sie aktuell unter den Top 30 und schneidet im nationalen Vergleich am besten ab.

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Termine

8. /9. Oktober 2024 an der TU Berlin
Bundesweite Tagung zu Machtmissbrauch an Hochschulen “Our UNIverse: Empowered to speak up” Mehr

9. Oktober 2024, Haus der Leibniz-Gemeinschaft, Berlin
Diskussion Leibniz debattiert – Die US-Wahlen 2024. Schicksalswahlen für die Demokratie? Mehr

10. Oktober 2024 an der TUM School of Management, München
Konferenz AI@WORK – How AI is changing leadership, work and collaboration Mehr

15. Oktober 2024, Konzerthaus am Gendarmenmarkt, Berlin
acatech Festveranstaltung Wissen, Wandel, Wettbewerb Mehr

30. Oktober – 1. November 2024, Heidelberg
Konferenz Wissenswerte Mehr

4. Novemer 2024, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Ungeliebte Wahrheit Mehr

7.-9. November 2024, Berlin
Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr

28. November 2024, Berlin
Tagung Tag der Hochschulmedizin Mehr

News

Genregulierung: Warum die Entdeckung der microRNA nobelpreiswürdig ist

Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm am Montag mit.

Wenn die Genregulation aus dem Ruder läuft, kann dies zu schweren Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Autoimmunität führen. Daher ist das Verständnis der Regulierung der Genaktivität seit vielen Jahrzehnten ein wichtiges Ziel vieler Forscher. Lange Zeit ging man davon aus, dass deren Prinzipien geklärt seien. Doch 1993 veröffentlichten Ambros und Ruvkun Ergebnisse, die eine neue Ebene der Genregulierung beschreiben, die sich als äußerst bedeutsam und in der gesamten Evolution konserviert erwies.

Im Fadenwurm Caenorhabditis elegans entdeckten die diesjährigen Nobelpreisträger microRNA – und damit ein “völlig neues Prinzip der Genregulation”, erklärt das Nobelpreis-Komitee in seiner Begründung. “Es stellte sich heraus, dass dies für mehrzellige Organismen, einschließlich des Menschen, von wesentlicher Bedeutung ist.” MicroRNA erweise sich als grundlegend für die Entwicklung und Funktion von Organismen. Die entdeckte Genregulierung sei seit Hunderten Millionen Jahren im Einsatz. Der Mechanismus habe die Evolution von immer komplexeren Organismen ermöglicht.

Nobelpreisträger schwierig zu erreichen

Die bereits 1993 in zwei Cell-Artikeln veröffentlichte Entdeckung der microRNA – die zunächst wissenschaftlich auf Schweigen stieß – hat auch medizinisch weitreichende Folgen: Fehler in der Regulierung durch microRNA können zu Krebs beitragen, ebenso hängen Krankheiten wie angeborene Schwerhörigkeit, Augen- und Skeletterkrankungen mit Mutationen in Genen zusammen, die für microRNAs kodieren. 

Als der Preis bekanntgegeben wurde, war es an der Ostküste der USA noch sehr früher Morgen. Gary Ruvkun wurde deswegen vom Anruf der Nobelversammlung geweckt und klang am Telefon noch sehr müde. Victor Ambros ging zunächst gar nicht ans Telefon. “Ich habe eine Nachricht auf seinem Handy hinterlassen und hoffe, dass er mich bald zurückruft”, sagte der Sekretär der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts, Thomas Perlmann.

Ambros und Ruvkun arbeiteten im gleichen Labor

Victor Ambros forscht und lehrt im Nordosten der USA. Er wurde im US-Bundesstaat New Hampshire geboren und wuchs im benachbarten Vermont auf. Seine Doktorarbeit schrieb er am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort begann er als Postdoc, die Entwicklungszeit der Fadenwürmer zu untersuchen. Nach langjährigen Stationen an der Harvard University und an der Dartmouth Medical School erhielt er eine Professur an der University of Massachusetts Medical School.

Gary Ruvkun stammt aus Berkeley im US-Bundesstaat Kalifornien. Er studierte an der University of California und der Harvard University, ehe er zum MIT in Cambridge wechselte. Dort untersuchte er, wie auch Ambros, in den Achtzigerjahren Fadenwürmer im Labor von Robert Horvitz, der 2002 den Nobelpreis erhielt. Danach forschte Ruvkun am Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School, wo er derzeit Professor für Genetik ist.

Die feierliche Vergabe der Nobelpreise findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. Der Medizinnobelpreis ist wie im Vorjahr mit 11 Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert. Sie gehen je zur Hälfte an die beiden Forscher. nik

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Erfolgreicher Börsengang von Wissenschaftsverlag Springer Nature

Dem Berliner Wissenschaftsverlag Springer Nature ist ein erfolgreiches Börsendebüt gelungen. Bei dem rund 600 Millionen Euro schweren Börsengang lag der Aktienkurs im frühen Handel über weite Strecken über der Marke von 24 Euro, nachdem die Anteile zu 22,50 Euro das Stück platziert worden waren.

Umsatz lag 2023 bei 1,85 Milliarden Euro

Springer Nature besitzt Fachzeitschriften für den Wissenschaftsbetrieb an Hochschulen und für die Forschung, allen voran Nature. Daneben bietet der Konzern Materialien und Lehrbücher im Bildungsbereich sowie Weiterbildungen und Dienstleistungen im Gesundheitssektor an. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 9.000 Menschen und erzielte 2023 einen Umsatz von 1,85 Milliarden Euro.

Wie die Finanzchefin des Verlages, Alexandra Dambeck, im Interview mit tagesschau.de sagte, werde ein Teil des eingenommenen Kapitals dafür genutzt, um den Schuldenstand zu reduzieren. Denn man rechne mit Wachstum: “Es wird immer mehr in Forschung und Entwicklung investiert. Und wenn es mehr Wissenschaftler gibt, dann wird es auch eine größere Nachfrage nach Wissenschaftsverlagen geben.” Springer Nature ist erst der dritte größere Börsengang in Deutschland in diesem Jahr nach der Parfümeriekette Douglas und dem Panzergetriebehersteller Renk. al mit dpa

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EU: Neue Budgetstruktur birgt Risiken für die Forschungsförderung 

Die Europäische Kommission will den Haushalt der EU laut einem Medienbericht vollkommen neu aufstellen. Das gehe aus einer internen Präsentation hervor, wie die FAZ am Sonntag meldete. Die bisher größten Budgetposten, die Hilfen für die Landwirte und die Förderung strukturschwacher Regionen, sollen demnach über Zuschüsse an die nationalen Haushalte fließen. Sie machen je ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus. Im Gegenzug sollen die Mitgliedsstaaten konkrete politische Reformen zusagen. Die stärkere Kopplung von EU-Geldern an nationale Reformen hatte sich bereits abgezeichnet

Forschung ginge mit anderen Bereichen im Fonds für Wettbewerbsfähigkeit auf 

Parallel soll offenbar der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Fonds für Wettbewerbsfähigkeit entstehen, in dem alle bisher im weitesten Sinne dafür vorgesehenen Mittel und Fonds aufgehen. Dazu zählt etwa das Forschungsprogramm Horizon oder auch der Europäische Verteidigungsfonds. Der Umbau des Budgets soll Teil des für 2025 angekündigten Vorschlags für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 sein. Die Kommission kommentierte das Papier nicht. Es gebe noch keine abgestimmte Position, hieß es in der Behörde. 

Das sind die Folgen für das Forschungsrahmenprogramm  

Insider gehen derzeit davon aus, dass das European Research Council (ERC) und das European Innovation Council (EIC) als unabhängigere Agenturen weiter bestehen könnte. Währenddessen wäre es möglich, dass die Säule 2 von Horizon Europe – derzeit das finanzielle Herzstück – in dem neuen Fonds aufgeht. Hier werden im Wesentlichen europaweite Forschungsprojekte gefördert. 

“Damit würde das Kernstück des EU-Forschungsprogramms stärker unter politische Vorgaben gestellt”, sagt Claudia Labisch, Leiterin des Brüsseler Büros der Leibniz-Gemeinschaft. Die dort geförderten transnationalen Forschungsvorhaben müssten sich vermutlich mehr in den Dienst der Wettbewerbsfähigkeit stellen. Sie vermutet auch, dass schon lange bestehende Netzwerke in bestimmten Themengebieten abseits von Schlüsseltechnologien keine wirkliche Förderperspektive mehr bekommen könnten.

Ähnlich sieht das Christian Ehler im Gespräch mit Table Media: Die berechtigte Kritik an Horizon dürfe “nicht dazu führen, das Forschungsrahmenprogramm vollständig unter die Fittiche der Haushaltsgeneraldirektion und des EU Competitiveness Fund zu nehmen”, sagt der CDU-Europapolitiker. Dies wiederum stehe nämlich gegen Draghis Empfehlung, “dass das Forschungsprogramm von und für Experten gemacht sein soll und nicht von Haushaltspolitikern- und beamten, die ihre feuchten Machtträume verwirklichen wollen”. 

Keine gute Perspektive für die europäische Forschung 

Ein weiteres Risiko: Nicht nur in Bezug auf einzelne Themen, sondern auch auf das Forschungsbudget generell, wäre die Kommission sehr mächtig. Ohne eine konkrete Festlegung auf ein festes Budget könnten Mittel schnell umgeschichtet werden. Für die Forschung böte die neue Budgetstruktur also neben den Chancen auf Entbürokratisierung auch einige Risiken, so die aktuelle Einschätzung in Brüssel. mw

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Must-Reads

ZDF: Zukunft der Hausarbeiten. Künstliche Intelligenz verändert bereits stark den Alltag an Universitäten. Studenten können mit guten Fragen Hausarbeiten ganz oder teilweise von KI-Systemen schreiben lassen. Eine Lösung sind nach Ansicht von Experten spezifischere Aufgaben, welche die Kreativität der Studenten herausfordern. (“Wie Künstliche Intelligenz die Uni verändert”)

Handelsblatt: Industrieverbände warnen vor Forschungskürzungen. Vier deutsche Industrieverbände warnen vor dem Verlust der deutschen Batterieforschung und einer ganzen Branche, die aus Deutschland abwandern könnte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat bestätigt, ab 2025 keine neuen Batterieforschungsprojekte mehr zu fördern. Die Branchenvertreter befürchten einen massiven Rückschlag für diese Schlüsseltechnologie. Forschungsvorhaben seien wichtig für Industriesegmente wie Smartphones, Elektrofahrzeuge oder Drohnen. (“Industrieverbände fürchten Standortverlust bei Batterietechnik”)

Luxemburger Wort: Englands Unis stehen vor der Pleite. Laut dem Office for Students haben 40 Prozent der englischen Universitäten untragbare Defizite. Shitij Kapur, Vizekanzler des King’s College London, prognostiziert, dass dieser Anteil auf 80 Prozent steigen wird. Nur Studiengebühren von 12.500 Pfund im Vergleich zu den derzeit üblichen 9.250 Pfund könnten die Krise mildern. Zudem haben restriktive Visabedingungen dazu geführt, dass wohlhabende ausländische Studierende seltener in England studieren. (“Britische Universitäten stehen kurz vor dem Bankrott”)

Standard: Klage gegen Wissenschaftsverlage. Die US-Wissenschaftlerin Lucina Uddin hat eine Klage gegen die sechs führenden Wissenschaftsverlage nach dem Anti-Trust-Gesetz eingereicht. Sie wirft ihnen unrechtmäßige Bereicherung und Behinderung der Wissenschaft vor. Die Klage behauptet, dass die Verlage die Kosten für die Arbeit der Forschenden im Peer-Review-Prozess koordiniert niedrig halten, den Wettbewerb zwischen den Journals verzerren und den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen einschränken. (“Sammelklage wirft wissenschaftlichen Verlagen Kartellbildung vor”)

NTV: Harvard hat falsch investiert. Auch wenn Harvard noch die reichste Universität der Welt ist, musste die Hochschule in den vergangenen Jahren wirtschaftlich Rückschläge einstecken. Sie verpasste Trends, setzte auf grüne Investments, die langfristig nicht viel brachten und vertraute nicht auf das Können professioneller, externer Anlageberater. (“Wie sich die Harvard-Universität verzockt hat”)

Tagesspiegel: Erinnerung an eugenische Untaten. Ab dem 15. Oktober wird in der Ihnestraße 22 eine Dauerausstellung die Geschichte des ehemaligen “Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik” beleuchten. Bereits in der Weimarer Republik spielte das Institut eine zentrale Rolle bei der Verbreitung eugenischer Theorien, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu menschenverachtenden Taten führten. (“Neuer Erinnerungsort an der Freien Universität”)

Schwäbische: Studenten engagieren sich für Start-ups. An der Zeppelin-Universität (ZU) in Friedrichshafen spielt das Thema “Gründen” eine bedeutende Rolle. Viele Studenten und Absolventen der Hochschule haben bereits erfolgreich Unternehmen ins Leben gerufen. Ein Team von Studenten engagiert sich dafür, die Bedingungen für junge Start-ups weiter zu verbessern und möchte Friedrichshafen und die umliegende Region zur “Gründerregion” machen. (“Wie Studenten den Bodensee zur ‘Gründerregion’ machen wollen”)

Süddeutsche: Wissenschaftler online live. Am Dienstag, den 15. Oktober, haben alle Neugierigen die Gelegenheit, ein 25-minütiges Einzelgespräch mit einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin zu führen. Interessierte können sich online mit Forschenden der Leibniz-Gemeinschaft über deren Fachgebiet austauschen und alle Fragen stellen, die sie schon immer einmal beantwortet haben wollten. (“Speeddating mit der Wissenschaft”)

Standpunkt

“Die Etablierung neuer Karrierewege aufschieben zu wollen, ist ein fatales Signal”

Von Walter Rosenthal
Walter Rosenthal ist seit 2023 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
Walter Rosenthal ist seit 2023 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.

Der Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag hatte es im Oktober 2023 in seinem Maßgabebeschluss zur Entwicklung wissenschaftlicher Dauerstellen auf den Punkt gebracht: Um die zumeist auf reine Befristungsfragen konzentrierten Debatten rund um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz aus der politischen Erstarrung zu lösen und den gewandelten Bedarfen des Wissenschaftssystems Rechnung zu tragen, braucht es Unterstützung für neue, verlässliche Karrierepfade und unbefristete wissenschaftliche Positionen neben der Professur. Es ist bedauerlich, dass Bund und Länder hier bislang noch nicht zueinander gefunden haben.

Im Stakeholderprozess zum WissZeitVG etwa wurde daher allzu gern um maximale Befristungszeiträume in der Postdoc-Phase gefeilscht – aber nicht hinreichend deutlich gemacht, wie wichtig es in frühen Karrierephasen der Wissenschaft und für die Wissenschaft ist, Perspektiven auf unterschiedliche, langfristig tragende Karrierewege anzubieten. Ultimatives Karriereziel muss heute eben nicht mehr zwangsläufig nur die Professur sein. Auch unbefristete Positionen neben der Professur sind aufgabenbezogen sinnvoll und individuell attraktiv.

Dauerhafte Positionen neben der Professur dürfen nicht als Einsparoption genutzt werden

Die Mitgliedergruppe Universitäten in der HRK hat in diesem Sommer zusammen mit der Jungen Akademie nach einem tiefgehenden Diskussionsprozess diesbezüglich einen wichtigen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. In den “Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur” wurde klar beschrieben, welche Karrierewege neben der Professur etabliert werden können – was auch zum gewünschten Mehr an Transparenz in der individuellen Karriereplanung beiträgt. Einzelne Universitäten haben bereits entsprechende Konzepte verabschiedet. Und mehrere Bundesländer haben in den Landeshochschulgesetzen schon länger Regelungen für vergleichbare Stellenprofile vorgesehen.

Die Vorschläge der Universitäten haben insgesamt ein sehr positives Echo erfahren – immer wieder wurde aber die Befürchtung geäußert, dass dauerhafte Positionen neben der Professur von den Ländern als Einsparoptionen genutzt werden könnten. Wie die Erfahrung lehrt, ist das ist – wiewohl die Stellen einer anderen Logik folgen – leider nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein Bund-Länder-Programm könnte dem entgegenwirken.

Der Gesprächsfaden zwischen Bund und Ländern wird hoffentlich wieder konstruktiv aufgenommen

Mit dem “Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses”, das die Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten besser planbar machen und transparenter gestalten sollte, haben Bund und Länder 2016 etwa eine erfolgreiche Blaupause geliefert. Sie liegt daher auch dem Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses zugrunde. Durch dieses wegweisende Programm ist – trotz anfänglicher Umsetzungsschwierigkeiten – in allen Landeshochschulgesetzen die “Tenure Track Professur” etabliert worden. An den Universitäten hat sich dadurch ein weiterer Karrierepfad ergeben, der vorhandene Berufungsmodelle sehr gut ergänzt.

Zwischen den verschiedenen Landtagswahlen und der kommenden Bundestagswahl scheinen Bund und Länder die weitere Unterstützung der Hochschulen bei der Etablierung neuer Karrierewege gleichwohl aufschieben zu wollen. Das ist ein fatales Signal. Wir hoffen, dass nach der ersten Sitzung der Wissenschaftsministerkonferenz der Gesprächsfaden zwischen Bund und Ländern von beiden Seiten konstruktiv aufgenommen wird, damit ein ähnlich positiver Effekt wie 2016 in die Hochschulen hinein wirksam werden kann.

Wie bei den endlosen Diskussionen um die Novelle zum WissZeitVG gilt auch hier: Die Zukunftsperspektiven von Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen und die Attraktivität der deutschen Hochschulen als Arbeitgeber:innen dürfen im politischen Kleinklein nicht unter die Räder kommen.

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Ekaterina Sachariewa – Forschungskommissarin mit Bezug zu Deutschland

Ekaterina Sachariewa soll neue EU-Forschungskommissarin werden.
Ekaterina Sachariewa soll neue EU-Forschungskommissarin werden.

Ekaterina Sachariewa kann sich noch genau erinnern an den Moment, in dem sie vom Fall der Berliner Mauer erfuhr. Das war in einem Trolleybus auf dem Weg zur Schule im bulgarischen Pasardschik, einer Stadt im Südwesten des Landes mit knapp 60.000 Einwohnern. Die Nachricht hatte für Sachariewa, damals 14 Jahre alt, eine ganz besondere Bedeutung. Sie besuchte das Berthold-Brecht-Gymnasium, ein Fremdsprachengymnasium, wie es sie damals schon in jeder Regionalstadt Bulgariens gab. “Als Jugendliche mit der Welt der deutschen Sprache und Kultur in Berührung zu kommen, war für mich damals die Chance, die Welt zu entdecken.”

Nicht nur der frühe Kontakt zu einem anderen Land verleiht der designierten Forschungskommissarin eine gewisse Weltläufigkeit. Von 2017 bis 2021 vertrat die Juristin ihr Land als Außenministerin international, traf ihren damaligen US-Kollegen Mike Pompeo in Washington sowie Heiko Maas in Berlin. In Sachariewas Amtszeit fiel damals in der ersten Jahreshälfte 2018 auch die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft. Zuvor hatte sie bereits Erfahrung als Ministerin gesammelt, sie war erst für Regionalentwicklung und dann für Justiz zuständig.

Skandal um Verkauf von Pässen

Mit ihrer Vita hebt sich die mittlerweile 49-jährige Sachariewa von anderen Kommissarsanwärtern ab, die wie etwa der Malteser Glenn Micallef noch nie ein Ministeramt innehatten. Und trotzdem dürfte die Bulgarin bei ihrer Anhörung im Europäischen Parlament, bei der es um ihre Bestätigung oder Ablehnung geht, unter Druck geraten, auch weil sie der Partei GERB angehört. Die Partei, Teil der Europäischen Volkspartei (EVP), war in zahlreiche Korruptionsfälle verwickelt. Bulgarien sei eines der korruptesten Länder in der EU und wurde über Jahre von der GERB regiert, sagt etwa der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund: “Natürlich muss das Europa-Parlament bei dieser Kandidatin genau hinschauen.”

Konkret hat ein Whistleblower Sachariewa 2018 beschuldigt, in einen Skandal um den Verkauf von Pässen verwickelt zu sein. Der Fall wurde nie juristisch aufgearbeitet. Es hilft zudem nicht, dass Sachariewa bisher keine Berührungspunkte mit den Bereichen hat, die sie künftig verantwortet: Start-ups, Forschung und Innovation.

Eigenes Ressort für Start-ups

Eine Kommissarin eigens für Start-ups – das hat es im EU-Organigramm bisher noch nicht gegeben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen signalisiert damit, dass sie Lehren aus dem Draghi-Bericht zieht, der Europas Rückstand bei Spitzentechnologien klar benannt hat. Europa braucht kleine, innovative Unternehmen, um zu den USA aufschließen zu können. Doch Sachariewas Einfluss in diesem Bereich wird beschränkt sein. Faktoren, die das Umfeld von Start-ups prägen, werden in der EU-Kommission an anderer Stelle entschieden, etwa von der künftigen Kommissarin für Finanzdienstleistungen, wenn es um den Zugang zu Kapital für junge Firmen geht.

In ihrem Mission Letter hat von der Leyen die designierte Kommissarin Sachariewa damit beauftragt, Europas Grundlagenforschung zu stärken, indem sie das European Innovation Council (EIC) und das European Research Council (ERC) ausbaut. Der Binnenmarkt soll um eine fünfte Freizügigkeit erweitert werden: Wissenschaftler, Wissen und Technologie sollen sich künftig in der EU frei bewegen können. Sachariewa soll auch eine langfristige Strategie ausarbeiten, um die europäische Forschungsinfrastruktur zu stärken.

Größte Schwierigkeiten warten bei Haushaltsverhandlungen

Diese Vorschläge sind weitgehend Konsens. Sachariewa wird in ihrem Bereich allerdings nur Erfolge vorweisen können, wenn die EU ausreichend Mittel für Forschung und Innovation bereitstellt. Ein Zusammenschluss von 22 forschungsintensiven Universitäten, darunter die Universitäten von Tübingen und Göttingen, hat in einem offenen Brief gefordert, dass die Zahl der exzellenten ERC-Vorschläge, die nicht finanziert werden, “dramatisch reduziert” werden sollte.

Die Universitäten fordern auch, dass das kommende Forschungsrahmenprogramm mit mindestens 200 Milliarden Euro finanziert werden soll und die Mittel im Vergleich zum Vorgängerprogramm nicht schrumpfen dürfen. Bereits jetzt ist aber schon abzusehen, dass der Kampf um Mittel im kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2028 so hart wie nie zuvor geführt werden wird. Die EVP werde dafür sorgen, dass Sachariewa die Anhörung überstehe, heißt es im Europa-Parlament. Die wirklich schwierigen Hürden muss sie anschließend meistern. Silke Wettach

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Breakthrough-Minds

Pietro Barabaschi – Er will die Kernfusion zur Energiequelle machen

Pietro Barabaschi ist seit Oktober 2022 Generaldirektor der ITER-Organisation.
Pietro Barabaschi ist seit Oktober 2022 Generaldirektor der ITER-Organisation. 

Es ist ein Job, in dem man derzeit viele schlechte Nachrichten überbringen muss, vor allem von Kostensteigerungen in Milliardenhöhe und jahrelangen Verzögerungen. Pietro Barabaschi hat ihn trotzdem übernommen, weil man gerade in diesem Feld – der Kernfusion – in langen Linien denken muss.  

Seit Jahrzehnten versuchen Forscher, das Verschmelzen von Atomkernen kontrolliert ablaufen zu lassen, um Energie daraus zu gewinnen. Barabaschi ist überzeugt, dass das eines Tages gelingen wird und dass der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) eine entscheidende Rolle dabei spielen wird. Über den Weg dahin spricht er am 8. November beim Falling Walls Science Summit in Berlin. 

Seit Oktober 2022 leitet er als Generaldirektor die ITER-Organisation. Barabaschi koordiniert die Arbeiten im südfranzösischen Saint Paul-lez-Durance, wo 2020 die Montage eines Reaktors begann, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. 30 Meter hoch und 30 Meter breit, soll die Anlage einmal mehr Energie aus Kernfusion gewinnen als zuvor aufgewendet wurde – was bisher keinem gelang. Es ist ein Puzzle aus mehr als einer Million Teilen, viele davon eigens entwickelt, in verschiedenen Ländern hergestellt und wie man sieht: Nicht alle passen zusammen wie gewünscht.  

Neben den technischen Herausforderungen ist Barabaschi mit denen eines internationalen Großprojekts konfrontiert. China, Indien, Japan, Südkorea, Russland, USA und Europa bringen Kompetenzen, Module ein – und ihre Interessen.  

Erfahrung in der Fusionsforschung und im Wissenschaftsmanagement 

Barabaschi, 1965 in Mailand geboren, ist erfahren in der Fusionsforschung und im Wissenschaftsmanagement. Ende der 1980er-Jahre, kurz nach seinem Studienabschluss als Ingenieur, ging er zum Joint European Torus (JET) in Culham/Großbritannien, wo er an der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren arbeitete. 1993 stieß er zum ITER-Team, bis er schließlich die Abteilung Entwurfsintegration des internationalen ITER-Teams in Garching bei München leitete.  

2009 wurde er Leiter des R&D Department bei Fusion for Energy (F4E), wo die europäischen Beiträge zu ITER und weiteren Fusionsexperimenten zusammengeführt werden. 2015 und 2022 war Barabaschi stellvertretender Geschäftsführer bei F4E, ehe er vor zwei Jahren vom ITER-Rat einstimmig als Nachfolger des verstorbenen ITER-Generaldirektors Bernard Bigot gewählt wurde.  

Unter seiner Leitung wurde ein neuer Zeitplan für ITER erstellt 

Als eine seiner Hauptaufgaben nannte er, die Integration der zentralen ITER-Organisation und der nationalen Agenturen zu verbessern, um das Projekt effizienter zu machen. Damals war bereits klar, dass der Zeit- und Kostenrahmen – mal wieder – überschritten worden war. Die Covid-19-Pandemie hatte Lieferketten und Qualitätskontrollen beeinflusst, hinzu kamen Mängel wie Risse in den Kühlleitungen des Reaktors sowie ein zeitweiser Baustopp wegen radiologischer Bedenken vonseiten der französischen Genehmigungsbehörde. Ein “first plasma”, das den schrittweisen Betriebsbeginn markiert, im Jahr 2025 war illusorisch.  

Unter Barabaschis Leitung wurde ein neuer Zeitplan erstellt, der den Fortgang – wo möglich – forciert und andere Meilensteine formuliert. Im Sommer wurde er offiziell bekanntgegeben. Demnach soll 2034 mit einem Plasma allein mit Deuterium (eine bestimmte Sorte von Wasserstoffatomen) begonnen werden. Der angestrebte Betrieb mit Deuterium und Tritium soll ab 2039 laufen. Die Mehrkosten beziffert Barabaschi auf fünf Milliarden Euro, einen Gesamtpreis möchte er aufgrund der Komplexität aber nicht nennen. ITER ist eine Forschungsmaschine, um die Physik und Technologie besser zu verstehen. Strom wird sie noch nicht erzeugen, das soll ein Nachfolger, DEMO genannt.  

Start-ups holen auf, aber noch liegt ITER vorn 

Ob eines der Fusions-Start-ups am Ende schneller sein wird als der institutionelle Tanker ITER? Die Meinungen von Fachleuten dazu gehen auseinander. Noch liegt ITER vorn, stützt sich auf breite Erfahrungen und viele Daten. Diese sollen nun, unter der Ägide des neuen Chefs, mit den anderen Fusionsfirmen ausgetauscht werden, um der Zukunftsenergie den Weg zu bereiten. Ralf Nestler 

Die Diskussion Fusion Technology: Energy for a Sustainable Future mit Pietro Barabaschi steht beim Falling Walls Science Summit in Berlin am 8. November 2024 im Programm. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier. 

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Heads

Johann Georg Goldammer, Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie und des Global Fire Monitoring Center (GFMC) am Max-Planck-Institut für Chemie und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, ist von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. In seiner Laudatio würdigte er Goldhammer als einen der erfahrensten Waldbrandexperten weltweit, der das Thema Waldbrandverhütung und -bekämpfung in die Vereinten Nationen einbrachte. 

Rudolf Valenta von der Medizinischen Universität Wien ist von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) mit dem Preis für Biochemische Analytik ausgezeichnet worden. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird vom Familienunternehmen Sarstedt gestiftet und würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der biochemischen und molekularen Analytik. Valenta erhält die Auszeichnung für seine Forschung in der molekularen Allergologie, die maßgeblich dazu beigetragen hat, die Ursachen von Allergien besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.

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  • Forschung

Best of Table.Media

Bildung.Table. KI-Empfehlungen: Wo die Schulminister der SWK widersprechen. Die neue Bildungsministerkonferenz will in dieser Woche eine Empfehlung für KI in der Schule beschließen. Darin zeigen sich die Länder offen für KI in der Grundschule – und widersprechen damit der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission. Mehr

China.Table. ADAC-Umfrage: Chinas günstige E-Autos wecken Begehrlichkeiten. Vor allem unter jüngeren Autofahrern entwickeln sich chinesische Marken inzwischen zur Alternative. Gründe dafür sind in erster Linie günstige Preise, aber auch innovative Technologie. Mehr

Europe.Table. EU-Klimaziel 2040: Geopolitische Instabilität könnte Ziele gefährden. Experten des Brüsseler Thinktanks Bruegel halten ein EU-Klimaziel für 2040 von 90 Prozent CO₂-Reduktion für technologisch machbar. Allerdings sehen sie Gefahren durch Handelskonflikte, steigende Zinsen und soziale Widerstände. Mehr

Security.Table. Vergewaltigung als Kriegswaffe: Warum die Aufklärung so schwierig bleibt. Das Massaker der Hamas vor einem Jahr war begleitet von Vergewaltigungen israelischer Frauen. Israelische Behörden und die Vereinten Nationen tun sich schwer mit der Aufklärung – und die Opfer leiden unter der Instrumentalisierung der Verbrechen durch Politik und Medien. Mehr

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Welt gedenkt in diesen Tagen der Opfer der furchtbaren Taten des 7. Oktobers 2023, das Datum hat sich längst in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Niemandem muss man erklären, worüber man sprechen möchte, wenn man “7. Oktober” sagt. Jeder weiß, was er selbst an diesem Tag gemacht, gedacht und gefühlt hat.

    Aus dem Leid und der Trauer der Jüdinnen und Juden, aus der Verzweiflung über das Schicksal der Geiseln, entwickelte sich Zorn, Hass und letztlich Gewalt. Israel begann seinen Krieg gegen die Hamas, im Gazastreifen, längst ist es mit weiteren Ländern in eine Spirale von Angriff und Abschreckung verstrickt.

    Trauer, Wut und Zorn gibt es nicht nur im Nahen Osten. Auch in Deutschland, wo viele Jüdinnen und Juden wie Palästinenser leben, ist kein Tag mehr wie zuvor. Studentinnen und Studenten protestierten und protestieren an Hochschulen, Hörsäle wurden besetzt, Räume mit antisemitischen Symbolen beschmiert. Universitäten positionieren sich, Präsidentinnen und Präsidenten, Lehrende wie Studierende suchen nach den richtigen Worten. Nach einem umstrittenen offenen Brief stellte sich schnell die Fragen nach dem Schutz der Meinungs– und Wissenschaftsfreiheit.

    Es ist kompliziert geworden. Wer mit den Opfern des Anschlags fühlt, wird in Debatten schnell zum Gegner der Menschen in Gaza erklärt. In vielen aufgeheizten Debatten könnte es sicher schon helfen, nicht jedes Für zugleich als ein Gegen zu verstehen.

    An Hochschulen in Deutschland gibt es Antisemitismus, und nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel, schrieb Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, im Februar in einem Gastbeitrag für Table.Briefings, den ich Ihnen hier noch einmal empfehlen möchte. Antisemitismus stecke in den Köpfen, mahnte Rosenthal. Er müsse staatlicherseits verfolgt werden, wenn er die entsprechende Grenze überschreitet. Die Hochschulen können hier unterstützen, “müssen Antisemitismus aber vor allem mit dem ihnen eigenen Instrument bekämpfen, dem Argument. Das ist absehbar eine Daueraufgabe für die Hochschulleitungen, alle Hochschulangehörigen und die Gesellschaft als Ganzes”.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diesen Dienstag,

    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Draghi-Bericht: Was Christian Ehler an der Forschungsunion zweifeln lässt

    Seit 2004 in Brüssel: CDU-Politiker Christian Ehler.
    Der CDU-Politiker Christian Ehler hält nicht alle Vorschläge im Draghi-Bericht für umsetzbar.

    Mit seinem lang erwarteten Bericht hat der ehemalige italienische Ministerpräsident und EZB-Präsident Mario Draghi Anfang September den Druck auf die Mitgliedsländer der EU erhöht, mehr in Forschung und vor allem Innovation zu investieren. Draghi kritisiert unter anderem bestehende EU-Forschungsprogramme als bürokratisch und unterfinanziert. Er drängt auf eine Verdoppelung des EU-Forschungs- und Innovationsbudgets auf 200 Milliarden Euro für das nächste siebenjährige Rahmenprogramm von 2028 bis 2034.  

    Draghis Papier hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Experten sind sich einig: Würden alle Änderungen des Berichts umgesetzt, käme das einer kleinen Revolution in der EU-Forschungspolitik gleich. Auch Christian Ehler, Abgeordneter des EU-Parlaments (EVP), begrüßt viele der gehaltvollen Vorschläge Draghis. Tatsächlich seien diese auch in einem angemessenen zeitlichen Rahmen umsetzbar, sagt er im Gespräch mit Table.Briefings. Aber: “Nicht alle sind gute Vorschläge”, sagt Ehler, der zuletzt Koordinator des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) gewesen ist. Beispielsweise ergebe die Ausweitung von Erasmus+ auf Forschende keinen Sinn, da es im Rahmen von Horizon Europe bereits Marie-Curie-Actions und COST (European Cooperation in Science and Technology) gebe.  

    EFR: Änderungen gehen nur langsam voran 

    Grundsätzlich seien die Änderungen zum Aufbau der Forschungs- und Innovationsunion (EFR) für die EU zwar möglich, doch diese hänge in hohem Maße von der Bereitschaft und Kapazität der Mitgliedstaaten ab, sagt Ehler. “Der EFR ist in erster Linie eine Koordinierungsanstrengung, bei der die Mitgliedstaaten vor Ort die meisten Veränderungen herbeiführen müssen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Mitgliedstaaten zwar bereit sind, über die großen Themen zu sprechen, dass die Maßnahmen in den meisten Mitgliedstaaten jedoch langsam voranschreiten.” Ob es daher realistisch ist, zu erwarten, dass ein umfassender Plan für den EFR mit nationalen Plänen für jeden Mitgliedstaat wirklich zu Veränderungen führen wird, sei fraglich, gibt Ehler zu bedenken.  

    Die Kritik Draghis am Horizon-Programm hingegen kann Christian Ehler nur unterstreichen. “Wir brauchen ein vereinfachtes Programm mit mehr Selbstverwaltung durch Wissenschaftler, Forscher und Innovatoren. Weniger politischer Druck auf das Programm ist entscheidend. Auch eine administrative Vereinfachung ist unerlässlich – für das Forschungsrahmenprogramm 10 können wir nicht wieder mehrere Jahre warten, bis die Muster-Finanzhilfevereinbarung verfügbar ist”, sagt der EU-Politiker.  

    Ehler: Horizon nicht Beamten für “feuchte Machtträume” überlassen 

    Ehler macht – bei allen Problemen bei Horizon – aber eine Einschränkung. Die berechtigte Kritik an Horizon dürfe “nicht dazu führen, das Forschungsrahmenprogramm vollständig unter die Fittiche der Haushaltsgeneraldirektion und des EU Competitiveness Fund zu nehmen”, sagt Ehler. Dies wiederum stehe nämlich gegen Draghis Empfehlung, “dass das Forschungsprogramm von und für Experten gemacht sein soll und nicht von Haushaltspolitikern- und beamten, die ihre feuchten Machtträume verwirklichen wollen”. 

    Christian Ehler unterstützt auch grundsätzlich die Pläne, den Europäischen Innovationsrat (European Innovation Council, EIC), in dem verschiedene Instrumente wie der EIC Pathfinder oder der EIC Accelerator zur Innovationsförderung vereinigt sind, umzubauen – aber eben in einen unabhängigeren EIC. “Draghis Vorschlag würde den EIC Pathfinder im Wesentlichen vom Accelerator trennen. Das ist der falsche Schritt”, sagt Ehler. Der EIC sollte als integriertes Programm umgesetzt werden, das von einem unabhängigen und flexiblen Institut verwaltet wird.  

    Außer Volkswagen keine europäischen Unternehmensinvestoren 

    Wie Draghi sieht auch Christian Ehler die Dringlichkeit, die Innovationskraft Europas schnell auszubauen. “Wir sehen tatsächlich bereits eine Abwärtsspirale. Nur einer der zehn größten Unternehmensinvestoren in Forschung und Entwicklung kommt aus der Europäischen Union: Volkswagen.” Und es lasse sich ablesen, woher dieser schwache Wert kommt: Im Jahr 2021 investierte die Industrie in der EU in nur zwei Mitgliedstaaten mehr als zwei Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung. In acht Mitgliedstaaten lag dieser Wert bei weniger als 0,5 Prozent und in 19 Mitgliedstaaten bei 1 Prozent oder weniger. In den meisten Mitgliedstaaten und in der EU insgesamt hat sich dieser Prozentsatz in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich verändert, kritisiert Ehler und macht den Vergleich: Die USA investieren 2,4 Prozent, China 1,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts.  

    Und so teilt Ehler wie Draghi die wachsende Besorgnis um Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Bereits im April hatte ein anderer ehemaliger italienischer Ministerpräsident, Enrico Letta, seine Empfehlungen für die Zukunft des EU-Binnenmarktes, darunter die Schaffung einer “fünften Freiheit”, die dem freien Verkehr von Forschung, Innovation, Wissen und Bildung gewidmet ist, veröffentlicht. Darin machte er Vorschläge zur Stärkung des EU-Binnenmarktes. Auch wenn sich die konkreten Vorschläge der Politiker unterscheiden mögen, es zeigt deutlich, dass die Notwendigkeit für Reformen und Investitionen in diesen Bereichen immer dringender wird. 

       

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    Die entscheidenden Köpfe der deutschsprachigen Wissenschafts-Szene – Beratung

    Logo mit der Aufschrift: Top of the Table Research 100

    Uwe Cantner – Vorsitzender der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI)

    Der Professor für Volkswirtschaftslehre und Mikroökonomik der Universität Jena forscht zu innovationsökonomischen Fragestellungen und transformativem Wandel. Passend dazu leitet er das Gremium, das die Bundesregierung zu diesen Themen berät: die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI). Seit 2015 ist Cantner Mitglied, seit Frühjahr 2019 Vorsitzender. Die jährlichen Gutachten – Kanzler und Forschungsministerin nehmen sie persönlich entgegen und es gibt schöne Fotos – sind für Interessierte eine Fundgrube (das Table-Spezial zum Gutachten 2024 lesen Sie hier). Einige Dinge mahnt die EFI immer wieder an, mehr Tempo zum Beispiel sowie mehr Strategie und Priorisierung. Cantners ruhige, überlegte Art kommt gut an in der Community. Er redet Probleme nicht schön – und auch nicht der Politik nach dem Mund. Ein ausführliches Porträt lesen Sie hier.

    Wolfgang Wick – Vorsitzender des Wissenschaftsrats

    Seit 2023 ist Wolfgang Wick Vorsitzender des Wissenschaftsrats. In dieser Funktion beschäftigt er sich beispielsweise mit der grundsätzlichen Neuordnung von Grund- und Drittmittelfinanzierung im deutschen Wissenschaftssystem. Und natürlich ist er einer der Hauptakteure, wenn es darum geht, die Zukunft der Exzellenzstrategie zu diskutieren. Schließlich ist der Wissenschaftsrat zuständig für die Förderlinie der Exzellenzuniversitäten. Als Neurologe und Neuroonkologe engagiert Wick sich zudem für die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten in der medizinischen Forschung. Er ist weiterhin Ärztlicher Direktor der Allgemeinen Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Dorthin wechselte er nach seiner Promotion und Habilitation an der Universität Tübingen.

    Gerald Haug – Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina

    Mit Gerald Haug trat im März 2020 ein erfahrener Klimaforscher an die Spitze der Leopoldina. Es war damit zu rechnen, dass er entsprechende inhaltliche Akzente setzt. Schließlich hatte er sich als Professor für Klimageochemie an der ETH Zürich und als Direktor der Abteilung Klimageochemie am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz einen Namen gemacht. Doch statt mit dem Klima musste sich der neue Präsident vor allem mit dem Coronavirus beschäftigen. Nach seinem Amtsantritt im März 2020 hat die Leopoldina in den Jahren 2020 und 2021 zehn Ad-hoc-Stellungnahmen und weitere Papiere zur Pandemie veröffentlicht. Haug verordnete der Akademie eine höhere Schlagzahl und gestaltete Politikberatung aktiv. Seine fünfjährige Amtszeit endet im Frühjahr 2025, wenn seine Nachfolgerin Bettina Rockenbach das Amt übernimmt.

    Achim Wambach – Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

    Seit März 2016 ist Achim Wambach Präsident des ZEW und kennt sich entsprechend aus mit Politikberatung. Vor seinem Wechsel an das ZEW war er Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik (iwp) an der Universität zu Köln und Co-Direktor des Europäischen Zentrums für freie Berufe der Universität zu Köln. Wambach denkt Wirtschaftsforschung und Politikberatung aus einer europäischen beziehungsweise internationalen Perspektive. Etwa, wenn er im Gespräch mit Table.Briefings Forschung und technologischen Fortschritt den wichtigsten Beitrag Deutschlands und Europas im Kampf gegen den Klimawandel nennt. Dadurch könnten global die Transformationskosten reduziert werden. Der ZEW-Präsident mischt sich auch in sensible Debatten ein, etwa um den Umgang mit China als Forschungspartner.

    Christian Kobsda – Leiter des Berliner Büros der Max-Planck-Gesellschaft

    “Wissenschaftliche Politikberatung in Deutschland ist dabei, sich in ihren Strukturen und Zugängen stetig weiter zu professionalisieren”, hat uns Christian Kobsda für unsere Serie “Politikberatung, quo vadis” mit auf den Weg gegeben. Nicht nur für den Research.Table ist der Leiter des Berliner Büros der Max-Planck-Gesellschaft ein wichtiger Ansprechpartner und Netzwerker im Bereich Beratung. Kobsda hat sich selbst intensiv mit verschiedenen Formaten und Formen der wissenschaftlichen Politikberatung beschäftigt und an unterschiedlichen Positionen an der von ihm diagnostizierten “Professionalisierung” mitgearbeitet. Unter anderem war er im Präsidialstab der Leibniz-Gemeinschaft für den Bereich Politik und Beratung verantwortlich und bei der acatech als Wissenschaftlicher Referent am Innovationsdialog der Bundesregierung beteiligt.

    Jan Wöpking – Geschäftsführer der German U15

    Der Philosoph vertritt seit 2018 als Geschäftsführer der German U15 die Interessen 15 großer deutscher Universitäten. In der forschungspolitischen Diskussion ist der Verbund mit Sitz in Berlin unter Wöpking zu einem wichtigen Player geworden. Ein besonderes Augenmerk legt der Wissenschaftsmanager auf die deutsch-britischen Beziehungen. Mit der dortigen Russell-Group pflegt man einen engen Kontakt und hat sich gemeinsam für die Assoziierung Großbritanniens zu Horizon Europe eingesetzt. Aber auch die US-amerikanische Wissenschaftspolitik verfolgt die U15 genau, vor allem aktuell, kurz vor den Wahlen. Kürzlich war Wöpking mit einer Delegation vor Ort, um die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf Deutschland einzuordnen.

    Christoph M. Schmidt – Präsident des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

    Er ist vor allem als Experte für Wirtschaftspolitik und Energieökonomik bekannt. Seit 2002 ist der Ökonom Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Außerdem war Christoph M. Schmidt von 2009 bis 2020 Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, dessen Vorsitz er von 2013 bis 2020 innehatte. In diesem Frühjahr wurde Schmidt überraschend Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation. Er gilt als einer der erfahrensten Politikberater in Deutschland. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf makroökonomischen Fragestellungen, insbesondere in den Bereichen Arbeitsmarkt und Energiepolitik. Der acatech-Vizepräsident hat sich aber auch bereits mit der Einführung sozialverträglicher nachgelagerter Studiengebühren beschäftigt, wie es sie in seinem Geburtsland Australien gibt. Ein ausführliches Porträt lesen Sie hier.

    Veronika Grimm – Wirtschaftswissenschaftlerin an der TU Nürnberg und Mitglied der Wirtschaftsweisen 

    Seit diesem Jahr ist sie Professorin an der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und leitet dort das Energy Systems und Market Design Lab. Bekannt ist Veronika Grimm vor allem als Mitglied der sogenannten Wirtschaftsweisen, zu denen sie seit 2020 gehört. Sie forscht über Energiemärkte und Energiemarktmodellierung sowie über Wasserstoff in der Energiewende. Ihre Expertise ist auch in anderen Gremien gefragt, etwa dem Nationalen Wasserstoffrat. Ende Februar wurde sie in den Aufsichtsrat von Siemens Energy berufen. Das brachte sie in die Kritik wegen möglicher Interessenkonflikte. Sie betont, dass sie diese Frage hat prüfen lassen und es keine Bedenken gab. Gegen einen neuen internen Compliance-Code für die Wirtschaftsweisen wehrt sie sich inzwischen vor Gericht. In unserer Serie über wissenschaftliche Politikberatung hat sich Veronika Grimm dafür ausgesprochen, die Zahl der Gremien zu beschränken, diese aber sehr gut mit wissenschaftlichem Personal auszustatten.

    Jürgen Mlynek – Kuratoriumsvorsitzender der Falling Walls Foundation

    Wo anfangen bei Jürgen Mlynek, vielfach ausgezeichnet, geehrt und aktuell für die wissenschaftlichen Netzwerke der Falling Walls Foundation aktiv? Er sei ein “erfolgreicher Wissenschaftler”, liest man. Mlynek will immer “seine” Leute kennen, vor Ort sein, motivieren und überzeugen. Der Physiker wurde nach einem Aufenthalt im IBM Forschungslabor in den USA Assistenzprofessor an der ETH Zürich. 1990 erhielt er eine Professur für Experimentalphysik an der Universität Konstanz. Zehn Jahre forschte und lehrte er in den Bereichen Quantenoptik, Atom- und Oberflächenphysik. Mlynek war Vizepräsident der DFG, im September 2000 wurde er Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin, dann Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, von 2005 bis 2015. Mlyneks Mission war: “Helmholtz national und international stärker als Marke zu etablieren”.

    Heyo K. Kroemer – Vorstandsvorsitzender der Charité Universitätsmedizin Berlin

    Seit 2019 steht Heyo K. Kroemer der Charité vor und damit einer der größten Universitätskliniken in Europa. Der Verbund vereint die medizinischen Fakultäten der Humboldt-Universität und der Freien Universität Berlin mit mehr als 300 Professorinnen und Professoren sowie fast 9.900 Studierenden. Der Pharmazeut und Pharmakologe führt das Haus mit dem nötigen Pragmatismus. “Wir haben uns so ein bisschen angewöhnt in Deutschland, die Augen zuzumachen vor Problemen und zu hoffen, dass sie durch diesen Akt weggehen würden, was aber nicht der Fall ist “, sagt er und wünscht, dass alle wieder ins Handeln kommen. Sein Rezept geht offenbar auf, regelmäßig erhält die Charité den Titel “Deutschlands beste Klinik”, im THE World University Subject Ranking ist sie aktuell unter den Top 30 und schneidet im nationalen Vergleich am besten ab.

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    8. /9. Oktober 2024 an der TU Berlin
    Bundesweite Tagung zu Machtmissbrauch an Hochschulen “Our UNIverse: Empowered to speak up” Mehr

    9. Oktober 2024, Haus der Leibniz-Gemeinschaft, Berlin
    Diskussion Leibniz debattiert – Die US-Wahlen 2024. Schicksalswahlen für die Demokratie? Mehr

    10. Oktober 2024 an der TUM School of Management, München
    Konferenz AI@WORK – How AI is changing leadership, work and collaboration Mehr

    15. Oktober 2024, Konzerthaus am Gendarmenmarkt, Berlin
    acatech Festveranstaltung Wissen, Wandel, Wettbewerb Mehr

    30. Oktober – 1. November 2024, Heidelberg
    Konferenz Wissenswerte Mehr

    4. Novemer 2024, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
    Diskussion Bedrohte Wissenschaft: Ungeliebte Wahrheit Mehr

    7.-9. November 2024, Berlin
    Konferenz Falling Walls Science Summit 2024 Mehr

    28. November 2024, Berlin
    Tagung Tag der Hochschulmedizin Mehr

    News

    Genregulierung: Warum die Entdeckung der microRNA nobelpreiswürdig ist

    Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr an die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung. Das teilte das Karolinska-Institut in Stockholm am Montag mit.

    Wenn die Genregulation aus dem Ruder läuft, kann dies zu schweren Krankheiten wie Krebs, Diabetes oder Autoimmunität führen. Daher ist das Verständnis der Regulierung der Genaktivität seit vielen Jahrzehnten ein wichtiges Ziel vieler Forscher. Lange Zeit ging man davon aus, dass deren Prinzipien geklärt seien. Doch 1993 veröffentlichten Ambros und Ruvkun Ergebnisse, die eine neue Ebene der Genregulierung beschreiben, die sich als äußerst bedeutsam und in der gesamten Evolution konserviert erwies.

    Im Fadenwurm Caenorhabditis elegans entdeckten die diesjährigen Nobelpreisträger microRNA – und damit ein “völlig neues Prinzip der Genregulation”, erklärt das Nobelpreis-Komitee in seiner Begründung. “Es stellte sich heraus, dass dies für mehrzellige Organismen, einschließlich des Menschen, von wesentlicher Bedeutung ist.” MicroRNA erweise sich als grundlegend für die Entwicklung und Funktion von Organismen. Die entdeckte Genregulierung sei seit Hunderten Millionen Jahren im Einsatz. Der Mechanismus habe die Evolution von immer komplexeren Organismen ermöglicht.

    Nobelpreisträger schwierig zu erreichen

    Die bereits 1993 in zwei Cell-Artikeln veröffentlichte Entdeckung der microRNA – die zunächst wissenschaftlich auf Schweigen stieß – hat auch medizinisch weitreichende Folgen: Fehler in der Regulierung durch microRNA können zu Krebs beitragen, ebenso hängen Krankheiten wie angeborene Schwerhörigkeit, Augen- und Skeletterkrankungen mit Mutationen in Genen zusammen, die für microRNAs kodieren. 

    Als der Preis bekanntgegeben wurde, war es an der Ostküste der USA noch sehr früher Morgen. Gary Ruvkun wurde deswegen vom Anruf der Nobelversammlung geweckt und klang am Telefon noch sehr müde. Victor Ambros ging zunächst gar nicht ans Telefon. “Ich habe eine Nachricht auf seinem Handy hinterlassen und hoffe, dass er mich bald zurückruft”, sagte der Sekretär der Nobelversammlung des Karolinska-Instituts, Thomas Perlmann.

    Ambros und Ruvkun arbeiteten im gleichen Labor

    Victor Ambros forscht und lehrt im Nordosten der USA. Er wurde im US-Bundesstaat New Hampshire geboren und wuchs im benachbarten Vermont auf. Seine Doktorarbeit schrieb er am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort begann er als Postdoc, die Entwicklungszeit der Fadenwürmer zu untersuchen. Nach langjährigen Stationen an der Harvard University und an der Dartmouth Medical School erhielt er eine Professur an der University of Massachusetts Medical School.

    Gary Ruvkun stammt aus Berkeley im US-Bundesstaat Kalifornien. Er studierte an der University of California und der Harvard University, ehe er zum MIT in Cambridge wechselte. Dort untersuchte er, wie auch Ambros, in den Achtzigerjahren Fadenwürmer im Labor von Robert Horvitz, der 2002 den Nobelpreis erhielt. Danach forschte Ruvkun am Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School, wo er derzeit Professor für Genetik ist.

    Die feierliche Vergabe der Nobelpreise findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. Der Medizinnobelpreis ist wie im Vorjahr mit 11 Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert. Sie gehen je zur Hälfte an die beiden Forscher. nik

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    Erfolgreicher Börsengang von Wissenschaftsverlag Springer Nature

    Dem Berliner Wissenschaftsverlag Springer Nature ist ein erfolgreiches Börsendebüt gelungen. Bei dem rund 600 Millionen Euro schweren Börsengang lag der Aktienkurs im frühen Handel über weite Strecken über der Marke von 24 Euro, nachdem die Anteile zu 22,50 Euro das Stück platziert worden waren.

    Umsatz lag 2023 bei 1,85 Milliarden Euro

    Springer Nature besitzt Fachzeitschriften für den Wissenschaftsbetrieb an Hochschulen und für die Forschung, allen voran Nature. Daneben bietet der Konzern Materialien und Lehrbücher im Bildungsbereich sowie Weiterbildungen und Dienstleistungen im Gesundheitssektor an. Das Unternehmen beschäftigt weltweit mehr als 9.000 Menschen und erzielte 2023 einen Umsatz von 1,85 Milliarden Euro.

    Wie die Finanzchefin des Verlages, Alexandra Dambeck, im Interview mit tagesschau.de sagte, werde ein Teil des eingenommenen Kapitals dafür genutzt, um den Schuldenstand zu reduzieren. Denn man rechne mit Wachstum: “Es wird immer mehr in Forschung und Entwicklung investiert. Und wenn es mehr Wissenschaftler gibt, dann wird es auch eine größere Nachfrage nach Wissenschaftsverlagen geben.” Springer Nature ist erst der dritte größere Börsengang in Deutschland in diesem Jahr nach der Parfümeriekette Douglas und dem Panzergetriebehersteller Renk. al mit dpa

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    EU: Neue Budgetstruktur birgt Risiken für die Forschungsförderung 

    Die Europäische Kommission will den Haushalt der EU laut einem Medienbericht vollkommen neu aufstellen. Das gehe aus einer internen Präsentation hervor, wie die FAZ am Sonntag meldete. Die bisher größten Budgetposten, die Hilfen für die Landwirte und die Förderung strukturschwacher Regionen, sollen demnach über Zuschüsse an die nationalen Haushalte fließen. Sie machen je ein Drittel des gesamten EU-Haushalts aus. Im Gegenzug sollen die Mitgliedsstaaten konkrete politische Reformen zusagen. Die stärkere Kopplung von EU-Geldern an nationale Reformen hatte sich bereits abgezeichnet

    Forschung ginge mit anderen Bereichen im Fonds für Wettbewerbsfähigkeit auf 

    Parallel soll offenbar der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigte Fonds für Wettbewerbsfähigkeit entstehen, in dem alle bisher im weitesten Sinne dafür vorgesehenen Mittel und Fonds aufgehen. Dazu zählt etwa das Forschungsprogramm Horizon oder auch der Europäische Verteidigungsfonds. Der Umbau des Budgets soll Teil des für 2025 angekündigten Vorschlags für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2028 bis 2034 sein. Die Kommission kommentierte das Papier nicht. Es gebe noch keine abgestimmte Position, hieß es in der Behörde. 

    Das sind die Folgen für das Forschungsrahmenprogramm  

    Insider gehen derzeit davon aus, dass das European Research Council (ERC) und das European Innovation Council (EIC) als unabhängigere Agenturen weiter bestehen könnte. Währenddessen wäre es möglich, dass die Säule 2 von Horizon Europe – derzeit das finanzielle Herzstück – in dem neuen Fonds aufgeht. Hier werden im Wesentlichen europaweite Forschungsprojekte gefördert. 

    “Damit würde das Kernstück des EU-Forschungsprogramms stärker unter politische Vorgaben gestellt”, sagt Claudia Labisch, Leiterin des Brüsseler Büros der Leibniz-Gemeinschaft. Die dort geförderten transnationalen Forschungsvorhaben müssten sich vermutlich mehr in den Dienst der Wettbewerbsfähigkeit stellen. Sie vermutet auch, dass schon lange bestehende Netzwerke in bestimmten Themengebieten abseits von Schlüsseltechnologien keine wirkliche Förderperspektive mehr bekommen könnten.

    Ähnlich sieht das Christian Ehler im Gespräch mit Table Media: Die berechtigte Kritik an Horizon dürfe “nicht dazu führen, das Forschungsrahmenprogramm vollständig unter die Fittiche der Haushaltsgeneraldirektion und des EU Competitiveness Fund zu nehmen”, sagt der CDU-Europapolitiker. Dies wiederum stehe nämlich gegen Draghis Empfehlung, “dass das Forschungsprogramm von und für Experten gemacht sein soll und nicht von Haushaltspolitikern- und beamten, die ihre feuchten Machtträume verwirklichen wollen”. 

    Keine gute Perspektive für die europäische Forschung 

    Ein weiteres Risiko: Nicht nur in Bezug auf einzelne Themen, sondern auch auf das Forschungsbudget generell, wäre die Kommission sehr mächtig. Ohne eine konkrete Festlegung auf ein festes Budget könnten Mittel schnell umgeschichtet werden. Für die Forschung böte die neue Budgetstruktur also neben den Chancen auf Entbürokratisierung auch einige Risiken, so die aktuelle Einschätzung in Brüssel. mw

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    Must-Reads

    ZDF: Zukunft der Hausarbeiten. Künstliche Intelligenz verändert bereits stark den Alltag an Universitäten. Studenten können mit guten Fragen Hausarbeiten ganz oder teilweise von KI-Systemen schreiben lassen. Eine Lösung sind nach Ansicht von Experten spezifischere Aufgaben, welche die Kreativität der Studenten herausfordern. (“Wie Künstliche Intelligenz die Uni verändert”)

    Handelsblatt: Industrieverbände warnen vor Forschungskürzungen. Vier deutsche Industrieverbände warnen vor dem Verlust der deutschen Batterieforschung und einer ganzen Branche, die aus Deutschland abwandern könnte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat bestätigt, ab 2025 keine neuen Batterieforschungsprojekte mehr zu fördern. Die Branchenvertreter befürchten einen massiven Rückschlag für diese Schlüsseltechnologie. Forschungsvorhaben seien wichtig für Industriesegmente wie Smartphones, Elektrofahrzeuge oder Drohnen. (“Industrieverbände fürchten Standortverlust bei Batterietechnik”)

    Luxemburger Wort: Englands Unis stehen vor der Pleite. Laut dem Office for Students haben 40 Prozent der englischen Universitäten untragbare Defizite. Shitij Kapur, Vizekanzler des King’s College London, prognostiziert, dass dieser Anteil auf 80 Prozent steigen wird. Nur Studiengebühren von 12.500 Pfund im Vergleich zu den derzeit üblichen 9.250 Pfund könnten die Krise mildern. Zudem haben restriktive Visabedingungen dazu geführt, dass wohlhabende ausländische Studierende seltener in England studieren. (“Britische Universitäten stehen kurz vor dem Bankrott”)

    Standard: Klage gegen Wissenschaftsverlage. Die US-Wissenschaftlerin Lucina Uddin hat eine Klage gegen die sechs führenden Wissenschaftsverlage nach dem Anti-Trust-Gesetz eingereicht. Sie wirft ihnen unrechtmäßige Bereicherung und Behinderung der Wissenschaft vor. Die Klage behauptet, dass die Verlage die Kosten für die Arbeit der Forschenden im Peer-Review-Prozess koordiniert niedrig halten, den Wettbewerb zwischen den Journals verzerren und den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen einschränken. (“Sammelklage wirft wissenschaftlichen Verlagen Kartellbildung vor”)

    NTV: Harvard hat falsch investiert. Auch wenn Harvard noch die reichste Universität der Welt ist, musste die Hochschule in den vergangenen Jahren wirtschaftlich Rückschläge einstecken. Sie verpasste Trends, setzte auf grüne Investments, die langfristig nicht viel brachten und vertraute nicht auf das Können professioneller, externer Anlageberater. (“Wie sich die Harvard-Universität verzockt hat”)

    Tagesspiegel: Erinnerung an eugenische Untaten. Ab dem 15. Oktober wird in der Ihnestraße 22 eine Dauerausstellung die Geschichte des ehemaligen “Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik” beleuchten. Bereits in der Weimarer Republik spielte das Institut eine zentrale Rolle bei der Verbreitung eugenischer Theorien, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu menschenverachtenden Taten führten. (“Neuer Erinnerungsort an der Freien Universität”)

    Schwäbische: Studenten engagieren sich für Start-ups. An der Zeppelin-Universität (ZU) in Friedrichshafen spielt das Thema “Gründen” eine bedeutende Rolle. Viele Studenten und Absolventen der Hochschule haben bereits erfolgreich Unternehmen ins Leben gerufen. Ein Team von Studenten engagiert sich dafür, die Bedingungen für junge Start-ups weiter zu verbessern und möchte Friedrichshafen und die umliegende Region zur “Gründerregion” machen. (“Wie Studenten den Bodensee zur ‘Gründerregion’ machen wollen”)

    Süddeutsche: Wissenschaftler online live. Am Dienstag, den 15. Oktober, haben alle Neugierigen die Gelegenheit, ein 25-minütiges Einzelgespräch mit einem Wissenschaftler oder einer Wissenschaftlerin zu führen. Interessierte können sich online mit Forschenden der Leibniz-Gemeinschaft über deren Fachgebiet austauschen und alle Fragen stellen, die sie schon immer einmal beantwortet haben wollten. (“Speeddating mit der Wissenschaft”)

    Standpunkt

    “Die Etablierung neuer Karrierewege aufschieben zu wollen, ist ein fatales Signal”

    Von Walter Rosenthal
    Walter Rosenthal ist seit 2023 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.
    Walter Rosenthal ist seit 2023 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.

    Der Haushaltsausschuss im Deutschen Bundestag hatte es im Oktober 2023 in seinem Maßgabebeschluss zur Entwicklung wissenschaftlicher Dauerstellen auf den Punkt gebracht: Um die zumeist auf reine Befristungsfragen konzentrierten Debatten rund um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz aus der politischen Erstarrung zu lösen und den gewandelten Bedarfen des Wissenschaftssystems Rechnung zu tragen, braucht es Unterstützung für neue, verlässliche Karrierepfade und unbefristete wissenschaftliche Positionen neben der Professur. Es ist bedauerlich, dass Bund und Länder hier bislang noch nicht zueinander gefunden haben.

    Im Stakeholderprozess zum WissZeitVG etwa wurde daher allzu gern um maximale Befristungszeiträume in der Postdoc-Phase gefeilscht – aber nicht hinreichend deutlich gemacht, wie wichtig es in frühen Karrierephasen der Wissenschaft und für die Wissenschaft ist, Perspektiven auf unterschiedliche, langfristig tragende Karrierewege anzubieten. Ultimatives Karriereziel muss heute eben nicht mehr zwangsläufig nur die Professur sein. Auch unbefristete Positionen neben der Professur sind aufgabenbezogen sinnvoll und individuell attraktiv.

    Dauerhafte Positionen neben der Professur dürfen nicht als Einsparoption genutzt werden

    Die Mitgliedergruppe Universitäten in der HRK hat in diesem Sommer zusammen mit der Jungen Akademie nach einem tiefgehenden Diskussionsprozess diesbezüglich einen wichtigen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. In den “Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur” wurde klar beschrieben, welche Karrierewege neben der Professur etabliert werden können – was auch zum gewünschten Mehr an Transparenz in der individuellen Karriereplanung beiträgt. Einzelne Universitäten haben bereits entsprechende Konzepte verabschiedet. Und mehrere Bundesländer haben in den Landeshochschulgesetzen schon länger Regelungen für vergleichbare Stellenprofile vorgesehen.

    Die Vorschläge der Universitäten haben insgesamt ein sehr positives Echo erfahren – immer wieder wurde aber die Befürchtung geäußert, dass dauerhafte Positionen neben der Professur von den Ländern als Einsparoptionen genutzt werden könnten. Wie die Erfahrung lehrt, ist das ist – wiewohl die Stellen einer anderen Logik folgen – leider nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein Bund-Länder-Programm könnte dem entgegenwirken.

    Der Gesprächsfaden zwischen Bund und Ländern wird hoffentlich wieder konstruktiv aufgenommen

    Mit dem “Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses”, das die Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten besser planbar machen und transparenter gestalten sollte, haben Bund und Länder 2016 etwa eine erfolgreiche Blaupause geliefert. Sie liegt daher auch dem Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses zugrunde. Durch dieses wegweisende Programm ist – trotz anfänglicher Umsetzungsschwierigkeiten – in allen Landeshochschulgesetzen die “Tenure Track Professur” etabliert worden. An den Universitäten hat sich dadurch ein weiterer Karrierepfad ergeben, der vorhandene Berufungsmodelle sehr gut ergänzt.

    Zwischen den verschiedenen Landtagswahlen und der kommenden Bundestagswahl scheinen Bund und Länder die weitere Unterstützung der Hochschulen bei der Etablierung neuer Karrierewege gleichwohl aufschieben zu wollen. Das ist ein fatales Signal. Wir hoffen, dass nach der ersten Sitzung der Wissenschaftsministerkonferenz der Gesprächsfaden zwischen Bund und Ländern von beiden Seiten konstruktiv aufgenommen wird, damit ein ähnlich positiver Effekt wie 2016 in die Hochschulen hinein wirksam werden kann.

    Wie bei den endlosen Diskussionen um die Novelle zum WissZeitVG gilt auch hier: Die Zukunftsperspektiven von Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen und die Attraktivität der deutschen Hochschulen als Arbeitgeber:innen dürfen im politischen Kleinklein nicht unter die Räder kommen.

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    Ekaterina Sachariewa – Forschungskommissarin mit Bezug zu Deutschland

    Ekaterina Sachariewa soll neue EU-Forschungskommissarin werden.
    Ekaterina Sachariewa soll neue EU-Forschungskommissarin werden.

    Ekaterina Sachariewa kann sich noch genau erinnern an den Moment, in dem sie vom Fall der Berliner Mauer erfuhr. Das war in einem Trolleybus auf dem Weg zur Schule im bulgarischen Pasardschik, einer Stadt im Südwesten des Landes mit knapp 60.000 Einwohnern. Die Nachricht hatte für Sachariewa, damals 14 Jahre alt, eine ganz besondere Bedeutung. Sie besuchte das Berthold-Brecht-Gymnasium, ein Fremdsprachengymnasium, wie es sie damals schon in jeder Regionalstadt Bulgariens gab. “Als Jugendliche mit der Welt der deutschen Sprache und Kultur in Berührung zu kommen, war für mich damals die Chance, die Welt zu entdecken.”

    Nicht nur der frühe Kontakt zu einem anderen Land verleiht der designierten Forschungskommissarin eine gewisse Weltläufigkeit. Von 2017 bis 2021 vertrat die Juristin ihr Land als Außenministerin international, traf ihren damaligen US-Kollegen Mike Pompeo in Washington sowie Heiko Maas in Berlin. In Sachariewas Amtszeit fiel damals in der ersten Jahreshälfte 2018 auch die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft. Zuvor hatte sie bereits Erfahrung als Ministerin gesammelt, sie war erst für Regionalentwicklung und dann für Justiz zuständig.

    Skandal um Verkauf von Pässen

    Mit ihrer Vita hebt sich die mittlerweile 49-jährige Sachariewa von anderen Kommissarsanwärtern ab, die wie etwa der Malteser Glenn Micallef noch nie ein Ministeramt innehatten. Und trotzdem dürfte die Bulgarin bei ihrer Anhörung im Europäischen Parlament, bei der es um ihre Bestätigung oder Ablehnung geht, unter Druck geraten, auch weil sie der Partei GERB angehört. Die Partei, Teil der Europäischen Volkspartei (EVP), war in zahlreiche Korruptionsfälle verwickelt. Bulgarien sei eines der korruptesten Länder in der EU und wurde über Jahre von der GERB regiert, sagt etwa der grüne EU-Abgeordnete Daniel Freund: “Natürlich muss das Europa-Parlament bei dieser Kandidatin genau hinschauen.”

    Konkret hat ein Whistleblower Sachariewa 2018 beschuldigt, in einen Skandal um den Verkauf von Pässen verwickelt zu sein. Der Fall wurde nie juristisch aufgearbeitet. Es hilft zudem nicht, dass Sachariewa bisher keine Berührungspunkte mit den Bereichen hat, die sie künftig verantwortet: Start-ups, Forschung und Innovation.

    Eigenes Ressort für Start-ups

    Eine Kommissarin eigens für Start-ups – das hat es im EU-Organigramm bisher noch nicht gegeben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen signalisiert damit, dass sie Lehren aus dem Draghi-Bericht zieht, der Europas Rückstand bei Spitzentechnologien klar benannt hat. Europa braucht kleine, innovative Unternehmen, um zu den USA aufschließen zu können. Doch Sachariewas Einfluss in diesem Bereich wird beschränkt sein. Faktoren, die das Umfeld von Start-ups prägen, werden in der EU-Kommission an anderer Stelle entschieden, etwa von der künftigen Kommissarin für Finanzdienstleistungen, wenn es um den Zugang zu Kapital für junge Firmen geht.

    In ihrem Mission Letter hat von der Leyen die designierte Kommissarin Sachariewa damit beauftragt, Europas Grundlagenforschung zu stärken, indem sie das European Innovation Council (EIC) und das European Research Council (ERC) ausbaut. Der Binnenmarkt soll um eine fünfte Freizügigkeit erweitert werden: Wissenschaftler, Wissen und Technologie sollen sich künftig in der EU frei bewegen können. Sachariewa soll auch eine langfristige Strategie ausarbeiten, um die europäische Forschungsinfrastruktur zu stärken.

    Größte Schwierigkeiten warten bei Haushaltsverhandlungen

    Diese Vorschläge sind weitgehend Konsens. Sachariewa wird in ihrem Bereich allerdings nur Erfolge vorweisen können, wenn die EU ausreichend Mittel für Forschung und Innovation bereitstellt. Ein Zusammenschluss von 22 forschungsintensiven Universitäten, darunter die Universitäten von Tübingen und Göttingen, hat in einem offenen Brief gefordert, dass die Zahl der exzellenten ERC-Vorschläge, die nicht finanziert werden, “dramatisch reduziert” werden sollte.

    Die Universitäten fordern auch, dass das kommende Forschungsrahmenprogramm mit mindestens 200 Milliarden Euro finanziert werden soll und die Mittel im Vergleich zum Vorgängerprogramm nicht schrumpfen dürfen. Bereits jetzt ist aber schon abzusehen, dass der Kampf um Mittel im kommenden Mehrjährigen Finanzrahmen ab 2028 so hart wie nie zuvor geführt werden wird. Die EVP werde dafür sorgen, dass Sachariewa die Anhörung überstehe, heißt es im Europa-Parlament. Die wirklich schwierigen Hürden muss sie anschließend meistern. Silke Wettach

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    Breakthrough-Minds

    Pietro Barabaschi – Er will die Kernfusion zur Energiequelle machen

    Pietro Barabaschi ist seit Oktober 2022 Generaldirektor der ITER-Organisation.
    Pietro Barabaschi ist seit Oktober 2022 Generaldirektor der ITER-Organisation. 

    Es ist ein Job, in dem man derzeit viele schlechte Nachrichten überbringen muss, vor allem von Kostensteigerungen in Milliardenhöhe und jahrelangen Verzögerungen. Pietro Barabaschi hat ihn trotzdem übernommen, weil man gerade in diesem Feld – der Kernfusion – in langen Linien denken muss.  

    Seit Jahrzehnten versuchen Forscher, das Verschmelzen von Atomkernen kontrolliert ablaufen zu lassen, um Energie daraus zu gewinnen. Barabaschi ist überzeugt, dass das eines Tages gelingen wird und dass der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) eine entscheidende Rolle dabei spielen wird. Über den Weg dahin spricht er am 8. November beim Falling Walls Science Summit in Berlin. 

    Seit Oktober 2022 leitet er als Generaldirektor die ITER-Organisation. Barabaschi koordiniert die Arbeiten im südfranzösischen Saint Paul-lez-Durance, wo 2020 die Montage eines Reaktors begann, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. 30 Meter hoch und 30 Meter breit, soll die Anlage einmal mehr Energie aus Kernfusion gewinnen als zuvor aufgewendet wurde – was bisher keinem gelang. Es ist ein Puzzle aus mehr als einer Million Teilen, viele davon eigens entwickelt, in verschiedenen Ländern hergestellt und wie man sieht: Nicht alle passen zusammen wie gewünscht.  

    Neben den technischen Herausforderungen ist Barabaschi mit denen eines internationalen Großprojekts konfrontiert. China, Indien, Japan, Südkorea, Russland, USA und Europa bringen Kompetenzen, Module ein – und ihre Interessen.  

    Erfahrung in der Fusionsforschung und im Wissenschaftsmanagement 

    Barabaschi, 1965 in Mailand geboren, ist erfahren in der Fusionsforschung und im Wissenschaftsmanagement. Ende der 1980er-Jahre, kurz nach seinem Studienabschluss als Ingenieur, ging er zum Joint European Torus (JET) in Culham/Großbritannien, wo er an der Entwicklung von Kernfusionsreaktoren arbeitete. 1993 stieß er zum ITER-Team, bis er schließlich die Abteilung Entwurfsintegration des internationalen ITER-Teams in Garching bei München leitete.  

    2009 wurde er Leiter des R&D Department bei Fusion for Energy (F4E), wo die europäischen Beiträge zu ITER und weiteren Fusionsexperimenten zusammengeführt werden. 2015 und 2022 war Barabaschi stellvertretender Geschäftsführer bei F4E, ehe er vor zwei Jahren vom ITER-Rat einstimmig als Nachfolger des verstorbenen ITER-Generaldirektors Bernard Bigot gewählt wurde.  

    Unter seiner Leitung wurde ein neuer Zeitplan für ITER erstellt 

    Als eine seiner Hauptaufgaben nannte er, die Integration der zentralen ITER-Organisation und der nationalen Agenturen zu verbessern, um das Projekt effizienter zu machen. Damals war bereits klar, dass der Zeit- und Kostenrahmen – mal wieder – überschritten worden war. Die Covid-19-Pandemie hatte Lieferketten und Qualitätskontrollen beeinflusst, hinzu kamen Mängel wie Risse in den Kühlleitungen des Reaktors sowie ein zeitweiser Baustopp wegen radiologischer Bedenken vonseiten der französischen Genehmigungsbehörde. Ein “first plasma”, das den schrittweisen Betriebsbeginn markiert, im Jahr 2025 war illusorisch.  

    Unter Barabaschis Leitung wurde ein neuer Zeitplan erstellt, der den Fortgang – wo möglich – forciert und andere Meilensteine formuliert. Im Sommer wurde er offiziell bekanntgegeben. Demnach soll 2034 mit einem Plasma allein mit Deuterium (eine bestimmte Sorte von Wasserstoffatomen) begonnen werden. Der angestrebte Betrieb mit Deuterium und Tritium soll ab 2039 laufen. Die Mehrkosten beziffert Barabaschi auf fünf Milliarden Euro, einen Gesamtpreis möchte er aufgrund der Komplexität aber nicht nennen. ITER ist eine Forschungsmaschine, um die Physik und Technologie besser zu verstehen. Strom wird sie noch nicht erzeugen, das soll ein Nachfolger, DEMO genannt.  

    Start-ups holen auf, aber noch liegt ITER vorn 

    Ob eines der Fusions-Start-ups am Ende schneller sein wird als der institutionelle Tanker ITER? Die Meinungen von Fachleuten dazu gehen auseinander. Noch liegt ITER vorn, stützt sich auf breite Erfahrungen und viele Daten. Diese sollen nun, unter der Ägide des neuen Chefs, mit den anderen Fusionsfirmen ausgetauscht werden, um der Zukunftsenergie den Weg zu bereiten. Ralf Nestler 

    Die Diskussion Fusion Technology: Energy for a Sustainable Future mit Pietro Barabaschi steht beim Falling Walls Science Summit in Berlin am 8. November 2024 im Programm. Das Programm des Summit finden Sie hier, weitere Porträts der Table.Briefings-Reihe “Breakthrough-Minds” lesen Sie hier. 

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    Johann Georg Goldammer, Leiter der Arbeitsgruppe Feuerökologie und des Global Fire Monitoring Center (GFMC) am Max-Planck-Institut für Chemie und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, ist von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden. In seiner Laudatio würdigte er Goldhammer als einen der erfahrensten Waldbrandexperten weltweit, der das Thema Waldbrandverhütung und -bekämpfung in die Vereinten Nationen einbrachte. 

    Rudolf Valenta von der Medizinischen Universität Wien ist von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) mit dem Preis für Biochemische Analytik ausgezeichnet worden. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird vom Familienunternehmen Sarstedt gestiftet und würdigt herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der biochemischen und molekularen Analytik. Valenta erhält die Auszeichnung für seine Forschung in der molekularen Allergologie, die maßgeblich dazu beigetragen hat, die Ursachen von Allergien besser zu verstehen und neue Therapieansätze zu entwickeln.

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    Best of Table.Media

    Bildung.Table. KI-Empfehlungen: Wo die Schulminister der SWK widersprechen. Die neue Bildungsministerkonferenz will in dieser Woche eine Empfehlung für KI in der Schule beschließen. Darin zeigen sich die Länder offen für KI in der Grundschule – und widersprechen damit der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission. Mehr

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    Europe.Table. EU-Klimaziel 2040: Geopolitische Instabilität könnte Ziele gefährden. Experten des Brüsseler Thinktanks Bruegel halten ein EU-Klimaziel für 2040 von 90 Prozent CO₂-Reduktion für technologisch machbar. Allerdings sehen sie Gefahren durch Handelskonflikte, steigende Zinsen und soziale Widerstände. Mehr

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