Beziehungsstatus kompliziert: Die Ausführungen des BMBF zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen beschreiben den Spagat zwischen Kooperationswillen und Rückzugstendenzen, schreibtTim Gabel. Eine Liste mit Kritikpunkten hat man den chinesischen Partnern vorgelegt. Experten raten dagegen zur Besonnenheit.
Mehr Entschlossenheit und Tempo wünschen sich hingegen viele Forschende beim Thema Gesundheitsdaten. Immerhin liegen nun die BMG-Entwürfe des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes und des Digitalgesetzes vor. Die notwendigen Änderungen am Paragrafen 64e des SGB 5 hingegen, die das Modellvorhaben Genomsequenzierung regeln sollten, wurden am Freitag nicht im Bundestag beschlossen. Wir haben die Hintergründe.
Anders als vor 20 Jahren erhofft, ist die Verstetigung der Gründungsberatungen in den Hochschulen kein Selbstläufer. So lautet die Erkenntnis des BMWK – nachdem man mit dem Exist Potentiale-Programm eine wichtige Finanzierungssäule der Gründungsförderung abgeschafft hat. Wir berichten über Gespräche mit den Ländern und Reparaturversuche.
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Dialogbereitschaft auf der einen Seite und nur begrenzter Spielraum für neue Kooperationen auf der anderen Seite: Die Ausführungen des BMBF zu den siebten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die im Juni in Berlin stattgefunden haben, beschreiben einen Spagat zwischen Kooperationswillen und Rückzugstendenzen.
In den Treffen mit den beiden Partnerministerien, dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) und dem Ministerium für Bildung (MOW), sei man sich einig gewesen, “dass die Zusammenarbeit in Bildung und Forschung eine wichtige Grundlage der bilateralen Beziehungen darstellt”, sagte ein BMBF-Sprecher. Der chinesische Forschungsminister Wan Gang war nicht in Berlin, dafür sein Stellvertreter Zhang Guangiun.
“Harter Wettbewerber” und “systemischer Rivale”: Das sind die Begriffe, die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger derzeit vornehmlich für China benutzt. So geschehen zum Beispiel am 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China im vergangenen Oktober. Da hatte die Ministerin dazu aufgerufen, die “deutsch-chinesischen Beziehungen immer wieder kritisch zu hinterfragen”.
Im März reiste sie nach Taiwan und unterschrieb dort, trotz chinesischer Protestnote, Forschungsvereinbarungen mit der taiwanesischen Regierung. Nicht nur in den Beziehungen mit Russland hat seit dem russischen Angriffskrieg eine Zeitenwende stattgefunden. In der Politik will man sich nicht noch einmal Naivität im Umgang mit Abhängigkeiten vorwerfen lassen. Das Verhältnis mit China steht deshalb auf dem Prüfstand. Die Ausführungen des BMBF zum Verlauf der deutsch-chinesischen Konsultationen lesen sich wie eine Mängelliste:
Der Wille zum fortgesetzten Dialog sei aber auf beiden Seiten vorhanden, sagt der BMBF-Sprecher: “Die globalen Herausforderungen können nicht von einzelnen Akteuren gelöst werden – internationale Wissenschaftskooperation ist hierfür unerlässlich.” Als Zeichen des guten Willens habe man zwei Austauschworkshops zur Nachhaltigkeit vorgeschlagen und die chinesische Seite zur nächsten turnusmäßigen Sitzung zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit (WTZ) eingeladen.
Die Debatte über eine kritische Reflektion der Forschungsbeziehungen zwischen China und Deutschland hatte Anfang des Jahres auch der Bericht des amerikanischen Sicherheitsforschers Jeffrey Stoff und des von ihm gegründeten Unternehmens Center for Research Security and Integrity angeheizt. Stoff dokumentierte, wie deutsche Wissenschaftler mit militärnahen Instituten in China zusammenarbeiten, teilweise ohne es zu wissen. Sein Fazit: Das Problembewusstsein ist unterentwickelt.
“Jeff Stoff hat uns zum Nachdenken und Reden gebracht, das ist auf jeden Fall ein Verdienst der Studie”, sagt Hannes Gohli, Geschäftsführer des China Kompetenzzentrums an der Universität Würzburg. Der China-Forscher hält die Methodik der Stoff-Studie zwar für wenig transparent und vermutet teils geschäftliche Interessen dahinter. Stoff will mit seiner Firma auch Sicherheitsdaten vertreiben. Insgesamt hält Gohli es aber für “sehr gesund, wenn man die Forschungskooperationen mit autoritären Staaten reflektiert und hinterfragt”.
Welch großen Bedarf es dafür gibt, sieht man allein an der Anzahl der Fachveranstaltungen, die aktuell zu dem Thema stattfinden. Im Mai veranstaltete das BMBF im Rahmen des Projekts WIKOOP-Infra die Konferenz “Handlungssicherheit in Forschungskooperationen mit China” an der auch Staatssekretär Jens Brandenburg teilnahm. Auch Gohli diskutierte kürzlich über “Internationale Kooperationen in der Wissenschaft” mit China-Fokus an der Universität Ulm, unter anderem mit Jeffrey Stoff.
Offensichtlich sucht man an vielen Stellen im deutschen Wissenschaftssystem gerade nach einem neuen Umgang mit China. Am heutigen Donnerstag diskutieren Experten am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) über das Thema: Deutsche Forschungskooperationen: Wissen Schaffen für oder mit China? Table.Media ist Kooperationspartner der Veranstaltung.
Laut Experte Sascha Klotzbücher, einem der Diskutanten, gelte es, das große Interesse von chinesischen Forschern am Wissenschaftsstandort Deutschland für einen Dialog zu nutzen. “Dieser muss konsequent auf den Prinzipien und der Redefreiheit unserer Gesellschaft beruhen”. Deutschland brauche mehr und eine andere “Chinakompetenz” auch jenseits der Sinologie, meint der Associate Professor für Sinologie an der Comenius-Universität Bratislava.
Auch der Würzburger Experte Hannes Gohli plädiert für eine Strategie mit Bedacht und Nachhaltigkeit. Man sollte nicht generell Kooperationen einschränken, sondern “Einzelfälle sehr genau prüfen und die Chinaforschung und -kompetenz in der Wissenschaft deutlich ausbauen”. Die Universität Würzburg hat das China Kompetenzzentrum dafür Ende Oktober 2022 eröffnet. Ein Einzelkämpfer sei er aber nicht, sagt Gohli. An vielen Hochschulen in Deutschland gebe es gute Beratungsstrukturen. Auch die Leitlinien von der HRK, von der DAAD und auch von der BAFA seien eine gute Grundlage zur Beschäftigung mit dem Thema.
“Da wir nicht alle Fragen aus diesen Katalogen stellen können, das würde ForscherInnen überwältigen, suchen wir uns eben für anbahnende Kooperationen, basierend auf deren individuellen An- bzw. Herausforderungen, die entsprechenden Leitfragen aus den bereits existierenden Katalogen”, sagt Gohli. Generell solle man sich um mehr Dialog mit China bemühen, statt mit einer großen Geste Förderprogramme und -kooperationen abzubauen. “Wir brauchen keine roten Linien, sondern eine gewissenhafte Einzelfallprüfung, mehr Personal und eine intensive Beschäftigung mit dem Thema.”
Nach den Regierungskonsultationen ist nun vor der China-Strategie, auf die auch die Wissenschaftscommunity wartet. Die Bundesregierung hatte die Strategie ursprünglich für den 20. Juni angekündigt. Jetzt wird man in der Koalition wohl die Sommerpause nutzen, um über einen neuen Umgang und neue Lösungen im deutsch-chinesischen Verhältnis nachzudenken – auch im Bereich der Forschungskooperationen.
Wenn die Sommerpause des Bundestags Ende August vorbei ist, würde Ruppert Stüwe das Forschungsdatengesetz gerne “parlamentarisch begleiten”. Bis zum Ende des Jahres sollte es ein Gesetz geben, fordert Stüwe. Im Interview mit Table.Media lobt er den breiten Konsultationsprozess des Ministeriums, mahnt aber auch zur Eile: “Zu Beginn der Legislaturperiode, als die Corona-Pandemie gerade endete, waren sich viele darüber bewusst, wie viel Gutes Daten bewirken können. Wir dürfen dieses Zeitfenster – auch gesellschaftlich – nicht verpassen.”
Der Konsultationsprozess habe gezeigt, dass es noch viele offene Fragen bei den Stakeholdern gibt, sagt Stüwe. Von welchen Daten reden wir, wenn es um Forschungsdaten geht? Wer stellt die Daten zur Verfügung? Werden Daten treuhänderisch verwaltet? Wer profitiert vom Datengeben und -nehmen? Wie sind Zugang und Infrastrukturen für Forschungsdaten auszugestalten? Oder sollen Daten nur zweckgebunden oder für weitere Zwecke genutzt werden dürfen? Insgesamt 111 Stellungnahmen seien eingegangen, was für ein “wahnsinniges Interesse” der Community spreche, sagt Stüwe.
Berührungsängste zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand hält er für unbegründet. Am Ende gehe es nicht primär darum, wer die Daten nutzt. Vielmehr müssten Zweck und Ziel der Datennutzung klar benannt werden. “Es kann nicht sein, dass Nutzer alle möglichen Daten abgreifen und diese nicht für ihre Forschung, sondern für ihr Development oder ihre Marketingabteilung einsetzen”, sagt Stüwe. Hier soll am Ende aber nicht herauskommen: Die Universität darf und das Unternehmen nicht, die Regeln müssten für alle gleich sein.
Für die Qualitätskontrolle des Forschungsziels und der -fragen brauche es eine Struktur oder Institution. Diese müsse zudem verschiedene Domänen und Disziplinen miteinander in Verbindung bringen können. “Nehmen wir das Beispiel Smart Grids, also selbstorganisierende Stromnetze. Wenn es darum geht, wie Verkehrsbetriebe Smart Grids betreiben können, braucht es Wetterdaten, Mobilitätsdaten, Daten über das Nutzerverhalten, die Energieversorgung und vieles mehr”, sagt Stüwe.
Genau da fange die Herausforderung an: “An die Daten aus meiner Domäne komme ich als Forscher vielleicht noch heran. Aber wenn ich die korrelieren will mit anderen Bereichen, dann habe ich hohe technische Anforderungen an die Interoperabilität“. Die von ihm beschriebene Institution müsse Standards setzen und Verknüpfungen ermöglichen, meint Stüwe. Sie sei zudem womöglich auch für die Aufbereitung und Pseudonymisierung von Daten verantwortlich und müsse sich um die Datenrecherche kümmern.
Wenn man Stüwe fragt, ob er mit dieser Institution das gerade gestartete Dateninstitut meint, zögert er: “Das könnte das Dateninstitut sein, das jetzt mit einigen Use Cases an den Start gegangen ist. Aber da müssen wir uns schnell ehrlich machen, ob das wirklich passt oder ob wir dafür eine andere Struktur brauchen.”
Als Alternative bringt er den Nationale Forschungsdaten Infrastruktur e.V. (NFDI e.V.) ins Spiel. Es sei richtig, dass der NFDI erst einmal fachspezifisch eine nationale Dateninfrastruktur aufbaue. “Dort ist in der letzten Förderphase jetzt auch ein Element dazu gekommen, das ein übergreifendes Governance-Element darstellt. Das könnte ein guter Ansatzpunkt für die von mir beschriebene Struktur sein.”
Auf die Frage, ob er im Land der Datenschützer die Sorge nachvollziehen könne, dass die Pseudonymisierungs-Methoden noch nicht ausgereift seien, schüttelt Stüwe den Kopf. “Wir können nicht warten, bis jede Technologie zu 110 Prozent ausgereift ist.” Ohne Datenschutz werde es nicht gehen, aber die wichtigere Frage sei, welche Schritte man geht, um die Dinge sukzessive voranzubringen. “Wir brauchen in Deutschland verlässliche, aber auch ermöglichende Strukturen.”
Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit dem BMG, das ein eigenes Gesundheitsdatennutzungsgesetz plant, lobt Stüwe seinen Parteikollegen Karl Lauterbach: “Ich bin froh, dass das Gesundheitsministerium die Infrastrukturen für die Nutzung von Gesundheitsdaten rechtlich und institutionell definiert”, sagt Stüwe. Dieser Weg sei für die gesamte Wissenschaft “dringend notwendig”.
Das BMBF müsse jetzt die nötige Fahrt aufnehmen und in die Abstimmung gehen. Sonst würden in der Debatte vor allem Fragen zu Abrechnungssystem und Datenaustausch von Krankenhäusern im Fokus stehen und nicht die Frage zur Verteilung und zum besseren Zugang von Forschungsdaten insgesamt. “Das BMBF muss bei diesem Thema Anwalt für Wissenschaft und Forschung sein”, fordert Stüwe.
Aber auch die Wissenschafts-Community selbst habe noch Hausaufgaben, meint der Abgeordnete. Man müsse unter Forschern darüber sprechen, “inwieweit nicht ein gut aufbereiteter Datensatz einen ähnlichen Stellenwert in einer wissenschaftlichen Karriere haben sollte wie ein gutes wissenschaftliches Paper”. Inzwischen sei es eine komplexe wissenschaftliche Leistung, Datensätze so aufzubauen, dass sie für verschiedene Szenarien nutzbar sind.
Alle wissenschaftlichen Institutionen sollten sich darüber bewusst sein, dass sie nicht nur Empfänger, sondern auch Bereitsteller von Daten sind. Sein Eindruck ist, dass diese Erkenntnis noch nicht bei allen Wissenschaftsinstitutionen im Vordergrund stehe. “Auch die Wissenschaft braucht Standards und eine Infrastruktur. Das wird Geld, Zeit und Personal kosten.”
Wie sich Ruppert Stüwe die Zusammenarbeit mit Brüssel beim Forschungsdatengesetz vorstellt und warum er das BfArM beim Thema Gesundheitsdaten nicht als “Ermöglichungsbehörde” aufgefallen ist, lesen Sie im ausführlichen Interview auf unserer Homepage.
30. Juni 2023, Göttingen
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3. Juli 2023, 18:00-19:30 Uhr, online
Live-Sendung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin DGIMTalk zur elektronischen Patientenakte Mehr
3.-5. Juli 2023, Warschau/Polen
THE Europe Universities Summit Beyond resilience: How European higher education is preparing for the future Mehr
7. Juli 2023, 21:00 Uhr, Vortragssaal der Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
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11.-13. September 2023
18. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung Das Zusammenspiel von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung: Empirie, Transfer und Wirkungen Mehr
Mit einer ausführlichen Analyse und konkreten Lösungsvorschlägen mischt sich die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) in die Debatte über Machtmissbrauch und wissenschaftliches Fehlverhalten ein. Sie veröffentlichte am Dienstag einen 57 Seiten umfassenden Bericht, der verdeutlicht, dass individuelles Engagement allein nicht ausreichen wird, um ethisch problematisches Verhalten nachhaltig einzudämmen. Vielmehr seien systemische Veränderungen notwendig.
“Da viele Lösungsansätze für die Problematik des Machtmissbrauchs und des wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht innerhalb einer Fachdisziplin oder Wissenschaftsorganisation gelöst werden können, sondern eine gemeinsame Anstrengung möglichst vieler Beteiligter erfordern, möchte der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie mit der Übersendung dieses Berichts alle wissenschaftlichen Institutionen zur Zusammenarbeit bei diesem Thema auffordern”, sagt DGPs-Präsident Stefan Schulz-Hardt. Unter anderem habe man ihn an den Wissenschaftsrat, die DFG, das BMBF, die HRK, den Allgemeinen Fakultätentag und die Hochschulrektoren geschickt.
Der Bericht nennt 12 Problembereiche, darunter etwa bedenkliche Anreizsysteme in Berufungs- und Bewertungsverfahren, starkes Machtgefälle sowie die prekäre Situation von Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört:
“Unsere Lösungsvorschläge setzen auf unterschiedlichen Ebenen des Wissenschaftssystems an”, sagt Daniel Leising, Professor an der Technischen Universität Dresden und Vorsitzender der DGPs-Kommission, die den Bericht erarbeitet hat. “Wir alle können und sollten uns individuell für bessere Strukturen einsetzen. An vorderster Stelle betrifft das diejenigen, die aktuell eine Professur innehaben.”
Leising, der sich auch in dem 2021 gegründeten Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft engagiert, ist froh, dass sich die DGPs als erste Fachgesellschaft überhaupt bei dem Thema so klar positioniert und für notwendige Veränderungen im Wissenschaftssystem einsetzt. “Der Vorstand traut sich damit etwas. In der Psychologie gab es in den vergangenen Jahren aber auch eine Reihe von Skandalen, die gezeigt haben, dass es grundlegende Probleme gibt.” abg
Das Ende des Exist Potentiale Programms des BMWK zur strukturellen Förderung der Gründungskultur an Hochschulen ist besiegelt. Ab 2024 fallen große Anteile des Budgets in vielen Gründungsberatungsstellen weg. Das BMWK verweist auf Anfrage von Table.Media auf die Zuständigkeit von Ländern und Hochschulen. Der Bund habe sich aufgrund der großen Bedeutung temporär an der Finanzierung dieses Teils der Third Mission beteiligt. Doch: “Anders als vielleicht vor 20 Jahren erhofft, ist dies kein Selbstläufer.”
Daher suche man nun den Austausch mit den Ländern. Dort will man über die Möglichkeiten einer zumindest anteiligen Grundfinanzierung (durch Länder und Hochschulen) der über die Exist-Förderung aufgebauten Strukturen sprechen.
In aller Regel braucht es für die Realisierung der Gründungsunterstützungsangebote einen Finanzierungsmix: Drittmittel aus Förderungen von EU, Bund und Ländern, Haushaltsmittel der Hochschule selbst, Sponsoring und Fundraising sowie Einnahmen aus Dienstleistungen. Um die Hochschulen bei der Neugestaltung der Finanzierung zu unterstützen, plant das BMWK “verschiedene vertiefende Formate”. In diesen sollen Modelle und Best-Practices vorgestellt und diskutiert werden können. Allerdings hängen die Möglichkeiten zur Einwerbung von Mitteln gerade aus dem privaten Sektor stark vom wirtschaftlichen Umfeld der Hochschulen ab.
Bei der Sicherung der künftigen Finanzierung sind die Hochschulen unter Zeitdruck. Das BMWK verweist lapidar darauf, dass “die Entscheidungen bezüglich der Unterstützung durch die Länder, aber auch die Hochschulen selbst, möglichst bis zum Abschluss der Exist Potentiale Projekte getroffen werden sollten”. Das wäre bereits 2024. Denn schließlich steht und fällt “der Erfolg der Gründungsnetzwerke mit den erfahrenen Personen in der Gründungsbetreuung”. Man hofft auf “das Verständnis und den Willen der Hochschulen, das Schlüsselpersonal dauerhaft und nicht nur über Drittmittelstellen zu beschäftigen”.
Immerhin eine Option auf Folgeförderung gibt es: die Startup Factories. Bei diesem Leuchtturmwettbewerb geht es laut BMWK darum, “hochschulübergreifende Ökosysteme mit internationaler Ausstrahlung und starker Einbindung in regionale und nationale Wertschöpfungsketten zu etablieren”. Damit sollen “wirtschaftlich vollständig selbsttragende Startup Factories” aufgebaut werden. Zentral sei eine unternehmerische Ausrichtung, die es letztlich ermögliche, mindestens 50 Prozent privates Kapital einzubringen.
Mit diesen Bedingungen wird auch klar, dass eine Bewerbung von Hochschulen in strukturschwachen Regionen nur wenig Aussicht auf Erfolg hat. Es werden ohnehin künftig nur noch fünf bis zehn Projekte gefördert. Bei Exist Potentiale waren es noch 142. Dazu kommt, dass in den Startup Factories die Beratung in den Hochschulen nicht unterstützt wird. Hier geht es nur um die Durchführung der konkreten Ausgründungen. Und: Die Finanzierung der Factories sei noch nicht gesichert, berichten informierte Kreise.
Vielerorts könnten also weder Leuchttürme etabliert noch Basisangebote für gründungswillige Wissenschaftler erhalten werden, fürchten viele Akteure. Damit würden bereits bestehende Unterschiede in der Gründungsförderung weiter verschärft. mw
Deutschland möchte bei der Genomsequenzierung vorankommen und damit einen wichtigen Schritt hin zu besserer Forschung und individuellen Therapien bei Krebs oder seltenen Erkrankungen gehen. Die Konzeption des Modellvorhabens Genomsequenzierung, das dies ermöglichen soll, stammt noch aus den letzten Tagen der Ära Jens Spahn. Ein Start war ursprünglich für den 1.1.2023 vorgesehen.
Allerdings bestanden an einigen Stellen noch Unklarheiten, etwa bei der Dateninfrastruktur oder der Vergütung der Leistungen. Diese sollten mit einer Veränderung des Paragrafen 64e SGB, der das Modellvorhaben regelt, beseitigt werden, um den neuen Starttermin am 1.1.2024 zu halten. Ein entsprechender Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen lag seit Anfang Juni vor und sollte vergangene Woche mit den Änderungen des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) beschlossen werden. Doch dazu kam es nicht.
Nun heißt es, dass die Änderungen erst gemeinsam mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz im Herbst beschlossen werden sollen. Für dieses liegt jetzt der Referentenentwurf des BMG vor, der jedoch die Regelungen zur Genomsequenzierung noch nicht enthält. Die Verschiebung habe lediglich technische und organisatorische Gründe, ist offiziell zu hören. Doch hinter den Kulissen wird klar, dass vor allem das Thema der Dateninfrastruktur noch umstritten ist. Im Änderungsantrag steht: “Die Aufgaben der Datenverarbeitung im Rahmen des Modellvorhabens werden von den Leistungserbringern, klinischen Datenknoten, Genomrechenzentren und Datendiensten sowie der Vertrauensstelle (RKI) und dem Plattformträger (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM) wahrgenommen.”
Unklar ist anscheinend noch das genaue Zusammenspiel zwischen BfArM und den weiteren Akteuren, wie etwa der TMF als Koordinierungsstelle des zur Vorbereitung des Modellvorhabens vom BMG gestarteten Projekts genomDE. Die endgültige Kompetenz- und Aufgabenteilung scheint noch umstritten. Einerseits sehen viele Akteure die Notwendigkeit, die letztliche Verantwortung bei einer Behörde, dem BfArM zu belassen. Dieses wird im aktuellen Referentenentwurf für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz schließlich als zentrale Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten benannt. Andererseits zweifelt man, ob das BfArM die Dateninfrastruktur effizient und vor allem serviceorientiert managen kann.
Der Starttermin für das Modellvorhaben Genomsequenzierung im Januar 2024 soll trotz der Verschiebung nicht infrage stehen. Ob dann allerdings die Dateninfrastruktur bereits zur Verfügung steht, ist unsicher. Für viele der beteiligten Akteure steht allerdings ohnehin die unmittelbare Patientenversorgung im Mittelpunkt. Und weniger die Forschung, die dann erst mittel- und langfristig ihre Wirkung entfaltet. CDU-Forschungspolitiker Stephan Albani erwartet sich dagegen von der Bundesregierung direkt zum Start 2024 “eine praktikable, benutzer- und forschungsfreundliche Lösung”. mw
FAZ – Wie die Klima-Futuristen die Erde umbauen wollen: Ein Film von Liam Young auf der Architekturbiennale in Venedig zeigt gigantische Bauten und Maschinen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre absaugen und speichern sollen. Diese Visionen seien Teil eines neuen Ansatzes im Kampf gegen den Klimawandel, der auf Technologie und Geo-Engineering setzt. Ob “Direct-Air-Capture” oder die Wiederbelebung der Mammuts wirklich zur Bekämpfung der Klimakatastrophe beitragen können, ist noch umstritten. Vermutlich ist die Wiedervernässung von Mooren zunächst pragmatischer. Mehr
Financial Times – Why we should worry about the technological pessimists. Nur weil Technikpessimisten im Laufe der Geschichte mit ihren Befürchtungen oft daneben lagen, muss dies bei KI nicht auch der Fall sein, meint John Thornhill. KI könnte sich essenziell von bisherigen Technologien unterscheiden. So könnten Deep Fakes bis hin zu “gefälschten Menschen” zur Manipulation der öffentlichen Meinung eingesetzt werden. Daher sollte über eine verstärkte Regulierung, zum Beispiel in den sozialen Medien nachgedacht werden. Mehr
Welt – An den Universitäten wird das Leistungsprinzip konterkariert. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz sei in vielen Bereichen kontraproduktiv, argumentiert Hannah Bethke. Originalität, Kreativität oder Mut zum Irrtum könnten sich unter den aktuellen Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft kaum entwickeln. Die Ursache macht sie in einem ökonomisierten Bildungsbegriff aus, der auf schnellen “Impact” setzt statt auf Tiefe der Reflexion. Mehr
NZZ – Zu spät, zu teuer, überflüssig? Der Fusionsreaktor Iter steht vor einer ungewissen Zukunft. Weil der Bau des internationalen Versuchsreaktors Iter sich abermals verzögert und verteuert, gehen inzwischen selbst Fusionsforscher eigene Wege, etwa mit der Gründung von Start-ups. Die Raumfahrt habe gezeigt: Private Initiative sollte man nicht unterschätzen, warnt Wissenschaftsredakteur Christian Speicher in seinem Kommentar. Mehr
Katja Becker ist für weitere vier Jahre Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die zweite Amtsperiode der Biochemikerin und Medizinerin beginnt im Januar 2024. Als politische Hauptaufgabe sieht sie die Sicherung der Finanzierung der DFG und der Forschung in Deutschland insgesamt angesichts knapper werdender Ressourcen an.
Hans J. Briegel ist Wittgenstein-Preisträger 2023. Der Quantenphysiker forscht an der Universität Innsbruck. Der FWF-Wittgenstein-Preis ist mit 1,5 Millionen Euro Österreichs höchstdotierte wissenschaftliche Auszeichnung.
Tim Goydke wird neuer Präsident der Hamburg School of Business Administration. Er tritt sein Amt im Oktober an und folgt Insa Sjurts nach, die die Hochschule Ende 2022 verlassen hatte.
Michael Hoch ist neuer Präsident der Studienstiftung. Der Entwicklungsbiologe ist seit 2015 Rektor der Universität Bonn. Er übernimmt das Amt von Reinhard Zimmermann, der seit 2011 dem Begabtenförderungsnetzwerk vorstand.
Josef Penninger wird zum 1. Juli wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Der renommierte österreichische Genetiker wechselt von der University of British Columbia in Kanada, an der er das Life Sciences Institute leitet. Penninger soll die Internationalisierung und wissenschaftliche Profilierung des Zentrums weiter vorantreiben.
Cordelia Schmid erhält den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft. Schmid habe bahnbrechende neue Verfahren entwickelt, die Computern das inhaltliche Verstehen von Bildern ermöglichen, teilte die Stiftung am gestrigen Mittwoch mit. Die deutsche Informatikerin ist Forschungsdirektorin am französischen National Institute for Research in Digital Science and Technology.
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Bildung.Table. “Wir hinterlassen Investitionsruinen”: VC-Investorin Verena Pausder ist überzeugt: “Wenn der Folgedigitalpakt jetzt nicht kommt, werden wir in zwei, drei Jahren die Geräte an den Schulen alle wieder einsammeln.” Im Interview regt sie eine Systemadministrator-Allianz der Wirtschaft mit Schulen an. Mehr
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Eigentlich müssten bei uns Akademien wie die Leopoldina und die Akademie für Technikwissenschaften (acatech) den Mund aufmachen und zu Themen wie Stilllegung von Atomkraftwerken versus Renaissance der Atomenergie, Impact des deutschen Forschungssystems, Fusionsforschung, ChatGPT oder aktuellster Forschung zu embryoähnlichen Strukturen aus menschlichen Zellen wissenschaftlichen Rat geben – vor allem auch für die vielen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die selten einen technisch-naturwissenschaftlicher Hintergrund haben. Gerade die Leopoldina, die hochgradig infrastrukturfinanziert ist und damit nicht so drittmittelabhängig, könnte ihre Stimme mit Impact erheben. Laut zumindest war sie ja in Corona-Zeiten.
Doch das Schweigen der Lämmer ist unüberhörbar. Liegt es an der anscheinenden Strategielosigkeit der acatech seit dem Abschied ihres früheren Präsidenten Henning Kagermann, der es trotz hoher Drittmittelabhängigkeit geschafft hat, als unabhängiger Makler zu agieren? Oder liegt es bei der Leopoldina an ihrer offensichtlichen Wirkungslosigkeit?
Die Leopoldina hätte doch in der Corona-Krise alle Chancen dieser Welt gehabt, um renommierter Sprecher ihrer Zunft zu werden. Doch als sie alternativlose Empfehlungen abgab, schwand ihre Reputation als vertrauenswürdige Institution. Sei es, wie es sei. Die Lämmer schweigen. Eine interessante Frage nicht nur für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, warum sie keine Beratung zu für sie wichtigen Fragen erhalten. Auch die Öffentlichkeit will beraten sein. Stakeholder-Dialoge, wie sie beide Akademien machen, sind zwar immer nützliche Marketinginstrumente, ersetzen aber nicht die Expertise.
Interessant ist auch, dass ihre Chefs (Frauen gibt es da keine) nicht im Zukunftsrat des Bundeskanzlers sitzen, dagegen aber die Chefs von Fraunhofer und Max Planck, der inzwischen geschasste Neugebauer und der inzwischen pensionierte Stratmann, beides Empfänger von Steuergeld. Sie werden sicher bald ausgewechselt, dafür kommt ein anderer Vertreter ihrer Institution.
Für ordentliche Politikberatung braucht es mindestens fünf Prinzipien:
Beispiele, bei denen Wissenschaft gut beraten und ihr Rat auch richtig von der Politik gehört wurde, sind rar, wenn wir einmal die Hartz-Kommission mit vielen Nicht-Wissenschaftlern als Mitglieder außen vor lassen.
Elon Musk war der sehr viel bessere und schnellere Mover und Shaker rund um Mobilität am Boden, nicht die sich jahrelang quälende, von acatech gesteuerte Nationale Plattform Elektromobilität (NPE). Auch der von acatech überchoreografierte Innovationsdialog der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel war überwiegend ohne Konsequenz oder in der Umsetzung – wie bei der KI-Strategie oder beim Quantencomputing – zerfasert zwischen Ministerien, Koalitionsstrukturen und Bürokratien.
Ein ähnliches Schicksal drohte auch der Bundesagentur für Sprunginnovationen. Jetzt sind Berater zuallererst für die gute Analytik und nicht zuvorderst für Umsetzung verantwortlich, das entbindet sie jedoch nicht der Verantwortung, dafür praktikable Vorschläge zu machen. Ob der jetzige Beratungsprozess besser wird, steht in den Sternen. Ich höre sehr unterschiedliche Stimmen.
Natürlich hat eine Beratungsinstitution oder ihr Repräsentant beziehungsweise ihre Repräsentantin deutlich mehr Gewicht, wenn es sich politischen Zielen unterordnet. Dann gehen wir aber schon in Richtung USA, mit ihren von den Republikanern oder von den Demokraten abhängigen Thinktanks. Oder gar hin zu opportunistischen Chamäleons, die bei Regierungswechseln die Farbe wechseln. Instrumentalisierte oder sich unterwerfende Wissenschaftsorganisationen, wie es einige hierzulande schon sind.
Innovating Innovation: Thomas Kuhn wird der Satz zugeschrieben, Wissenschaft entwickele sich von Beerdigung zu Beerdigung weiter. Heute dominante Annahmen sind mit Fortentwicklung der Wissenschaft morgen obsolet. Gerade die umstrittenen und Kontroversen auslösenden Köpfe unserer Forschungs- und Innovationswelt müssen in Beratungsgremien angemessen vertreten sein.
Beziehungsstatus kompliziert: Die Ausführungen des BMBF zu den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen beschreiben den Spagat zwischen Kooperationswillen und Rückzugstendenzen, schreibtTim Gabel. Eine Liste mit Kritikpunkten hat man den chinesischen Partnern vorgelegt. Experten raten dagegen zur Besonnenheit.
Mehr Entschlossenheit und Tempo wünschen sich hingegen viele Forschende beim Thema Gesundheitsdaten. Immerhin liegen nun die BMG-Entwürfe des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes und des Digitalgesetzes vor. Die notwendigen Änderungen am Paragrafen 64e des SGB 5 hingegen, die das Modellvorhaben Genomsequenzierung regeln sollten, wurden am Freitag nicht im Bundestag beschlossen. Wir haben die Hintergründe.
Anders als vor 20 Jahren erhofft, ist die Verstetigung der Gründungsberatungen in den Hochschulen kein Selbstläufer. So lautet die Erkenntnis des BMWK – nachdem man mit dem Exist Potentiale-Programm eine wichtige Finanzierungssäule der Gründungsförderung abgeschafft hat. Wir berichten über Gespräche mit den Ländern und Reparaturversuche.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre,
Wenn Ihnen der Research.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Research.Table kostenlos anmelden.
Dialogbereitschaft auf der einen Seite und nur begrenzter Spielraum für neue Kooperationen auf der anderen Seite: Die Ausführungen des BMBF zu den siebten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, die im Juni in Berlin stattgefunden haben, beschreiben einen Spagat zwischen Kooperationswillen und Rückzugstendenzen.
In den Treffen mit den beiden Partnerministerien, dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) und dem Ministerium für Bildung (MOW), sei man sich einig gewesen, “dass die Zusammenarbeit in Bildung und Forschung eine wichtige Grundlage der bilateralen Beziehungen darstellt”, sagte ein BMBF-Sprecher. Der chinesische Forschungsminister Wan Gang war nicht in Berlin, dafür sein Stellvertreter Zhang Guangiun.
“Harter Wettbewerber” und “systemischer Rivale”: Das sind die Begriffe, die Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger derzeit vornehmlich für China benutzt. So geschehen zum Beispiel am 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China im vergangenen Oktober. Da hatte die Ministerin dazu aufgerufen, die “deutsch-chinesischen Beziehungen immer wieder kritisch zu hinterfragen”.
Im März reiste sie nach Taiwan und unterschrieb dort, trotz chinesischer Protestnote, Forschungsvereinbarungen mit der taiwanesischen Regierung. Nicht nur in den Beziehungen mit Russland hat seit dem russischen Angriffskrieg eine Zeitenwende stattgefunden. In der Politik will man sich nicht noch einmal Naivität im Umgang mit Abhängigkeiten vorwerfen lassen. Das Verhältnis mit China steht deshalb auf dem Prüfstand. Die Ausführungen des BMBF zum Verlauf der deutsch-chinesischen Konsultationen lesen sich wie eine Mängelliste:
Der Wille zum fortgesetzten Dialog sei aber auf beiden Seiten vorhanden, sagt der BMBF-Sprecher: “Die globalen Herausforderungen können nicht von einzelnen Akteuren gelöst werden – internationale Wissenschaftskooperation ist hierfür unerlässlich.” Als Zeichen des guten Willens habe man zwei Austauschworkshops zur Nachhaltigkeit vorgeschlagen und die chinesische Seite zur nächsten turnusmäßigen Sitzung zur wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit (WTZ) eingeladen.
Die Debatte über eine kritische Reflektion der Forschungsbeziehungen zwischen China und Deutschland hatte Anfang des Jahres auch der Bericht des amerikanischen Sicherheitsforschers Jeffrey Stoff und des von ihm gegründeten Unternehmens Center for Research Security and Integrity angeheizt. Stoff dokumentierte, wie deutsche Wissenschaftler mit militärnahen Instituten in China zusammenarbeiten, teilweise ohne es zu wissen. Sein Fazit: Das Problembewusstsein ist unterentwickelt.
“Jeff Stoff hat uns zum Nachdenken und Reden gebracht, das ist auf jeden Fall ein Verdienst der Studie”, sagt Hannes Gohli, Geschäftsführer des China Kompetenzzentrums an der Universität Würzburg. Der China-Forscher hält die Methodik der Stoff-Studie zwar für wenig transparent und vermutet teils geschäftliche Interessen dahinter. Stoff will mit seiner Firma auch Sicherheitsdaten vertreiben. Insgesamt hält Gohli es aber für “sehr gesund, wenn man die Forschungskooperationen mit autoritären Staaten reflektiert und hinterfragt”.
Welch großen Bedarf es dafür gibt, sieht man allein an der Anzahl der Fachveranstaltungen, die aktuell zu dem Thema stattfinden. Im Mai veranstaltete das BMBF im Rahmen des Projekts WIKOOP-Infra die Konferenz “Handlungssicherheit in Forschungskooperationen mit China” an der auch Staatssekretär Jens Brandenburg teilnahm. Auch Gohli diskutierte kürzlich über “Internationale Kooperationen in der Wissenschaft” mit China-Fokus an der Universität Ulm, unter anderem mit Jeffrey Stoff.
Offensichtlich sucht man an vielen Stellen im deutschen Wissenschaftssystem gerade nach einem neuen Umgang mit China. Am heutigen Donnerstag diskutieren Experten am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) über das Thema: Deutsche Forschungskooperationen: Wissen Schaffen für oder mit China? Table.Media ist Kooperationspartner der Veranstaltung.
Laut Experte Sascha Klotzbücher, einem der Diskutanten, gelte es, das große Interesse von chinesischen Forschern am Wissenschaftsstandort Deutschland für einen Dialog zu nutzen. “Dieser muss konsequent auf den Prinzipien und der Redefreiheit unserer Gesellschaft beruhen”. Deutschland brauche mehr und eine andere “Chinakompetenz” auch jenseits der Sinologie, meint der Associate Professor für Sinologie an der Comenius-Universität Bratislava.
Auch der Würzburger Experte Hannes Gohli plädiert für eine Strategie mit Bedacht und Nachhaltigkeit. Man sollte nicht generell Kooperationen einschränken, sondern “Einzelfälle sehr genau prüfen und die Chinaforschung und -kompetenz in der Wissenschaft deutlich ausbauen”. Die Universität Würzburg hat das China Kompetenzzentrum dafür Ende Oktober 2022 eröffnet. Ein Einzelkämpfer sei er aber nicht, sagt Gohli. An vielen Hochschulen in Deutschland gebe es gute Beratungsstrukturen. Auch die Leitlinien von der HRK, von der DAAD und auch von der BAFA seien eine gute Grundlage zur Beschäftigung mit dem Thema.
“Da wir nicht alle Fragen aus diesen Katalogen stellen können, das würde ForscherInnen überwältigen, suchen wir uns eben für anbahnende Kooperationen, basierend auf deren individuellen An- bzw. Herausforderungen, die entsprechenden Leitfragen aus den bereits existierenden Katalogen”, sagt Gohli. Generell solle man sich um mehr Dialog mit China bemühen, statt mit einer großen Geste Förderprogramme und -kooperationen abzubauen. “Wir brauchen keine roten Linien, sondern eine gewissenhafte Einzelfallprüfung, mehr Personal und eine intensive Beschäftigung mit dem Thema.”
Nach den Regierungskonsultationen ist nun vor der China-Strategie, auf die auch die Wissenschaftscommunity wartet. Die Bundesregierung hatte die Strategie ursprünglich für den 20. Juni angekündigt. Jetzt wird man in der Koalition wohl die Sommerpause nutzen, um über einen neuen Umgang und neue Lösungen im deutsch-chinesischen Verhältnis nachzudenken – auch im Bereich der Forschungskooperationen.
Wenn die Sommerpause des Bundestags Ende August vorbei ist, würde Ruppert Stüwe das Forschungsdatengesetz gerne “parlamentarisch begleiten”. Bis zum Ende des Jahres sollte es ein Gesetz geben, fordert Stüwe. Im Interview mit Table.Media lobt er den breiten Konsultationsprozess des Ministeriums, mahnt aber auch zur Eile: “Zu Beginn der Legislaturperiode, als die Corona-Pandemie gerade endete, waren sich viele darüber bewusst, wie viel Gutes Daten bewirken können. Wir dürfen dieses Zeitfenster – auch gesellschaftlich – nicht verpassen.”
Der Konsultationsprozess habe gezeigt, dass es noch viele offene Fragen bei den Stakeholdern gibt, sagt Stüwe. Von welchen Daten reden wir, wenn es um Forschungsdaten geht? Wer stellt die Daten zur Verfügung? Werden Daten treuhänderisch verwaltet? Wer profitiert vom Datengeben und -nehmen? Wie sind Zugang und Infrastrukturen für Forschungsdaten auszugestalten? Oder sollen Daten nur zweckgebunden oder für weitere Zwecke genutzt werden dürfen? Insgesamt 111 Stellungnahmen seien eingegangen, was für ein “wahnsinniges Interesse” der Community spreche, sagt Stüwe.
Berührungsängste zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand hält er für unbegründet. Am Ende gehe es nicht primär darum, wer die Daten nutzt. Vielmehr müssten Zweck und Ziel der Datennutzung klar benannt werden. “Es kann nicht sein, dass Nutzer alle möglichen Daten abgreifen und diese nicht für ihre Forschung, sondern für ihr Development oder ihre Marketingabteilung einsetzen”, sagt Stüwe. Hier soll am Ende aber nicht herauskommen: Die Universität darf und das Unternehmen nicht, die Regeln müssten für alle gleich sein.
Für die Qualitätskontrolle des Forschungsziels und der -fragen brauche es eine Struktur oder Institution. Diese müsse zudem verschiedene Domänen und Disziplinen miteinander in Verbindung bringen können. “Nehmen wir das Beispiel Smart Grids, also selbstorganisierende Stromnetze. Wenn es darum geht, wie Verkehrsbetriebe Smart Grids betreiben können, braucht es Wetterdaten, Mobilitätsdaten, Daten über das Nutzerverhalten, die Energieversorgung und vieles mehr”, sagt Stüwe.
Genau da fange die Herausforderung an: “An die Daten aus meiner Domäne komme ich als Forscher vielleicht noch heran. Aber wenn ich die korrelieren will mit anderen Bereichen, dann habe ich hohe technische Anforderungen an die Interoperabilität“. Die von ihm beschriebene Institution müsse Standards setzen und Verknüpfungen ermöglichen, meint Stüwe. Sie sei zudem womöglich auch für die Aufbereitung und Pseudonymisierung von Daten verantwortlich und müsse sich um die Datenrecherche kümmern.
Wenn man Stüwe fragt, ob er mit dieser Institution das gerade gestartete Dateninstitut meint, zögert er: “Das könnte das Dateninstitut sein, das jetzt mit einigen Use Cases an den Start gegangen ist. Aber da müssen wir uns schnell ehrlich machen, ob das wirklich passt oder ob wir dafür eine andere Struktur brauchen.”
Als Alternative bringt er den Nationale Forschungsdaten Infrastruktur e.V. (NFDI e.V.) ins Spiel. Es sei richtig, dass der NFDI erst einmal fachspezifisch eine nationale Dateninfrastruktur aufbaue. “Dort ist in der letzten Förderphase jetzt auch ein Element dazu gekommen, das ein übergreifendes Governance-Element darstellt. Das könnte ein guter Ansatzpunkt für die von mir beschriebene Struktur sein.”
Auf die Frage, ob er im Land der Datenschützer die Sorge nachvollziehen könne, dass die Pseudonymisierungs-Methoden noch nicht ausgereift seien, schüttelt Stüwe den Kopf. “Wir können nicht warten, bis jede Technologie zu 110 Prozent ausgereift ist.” Ohne Datenschutz werde es nicht gehen, aber die wichtigere Frage sei, welche Schritte man geht, um die Dinge sukzessive voranzubringen. “Wir brauchen in Deutschland verlässliche, aber auch ermöglichende Strukturen.”
Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit dem BMG, das ein eigenes Gesundheitsdatennutzungsgesetz plant, lobt Stüwe seinen Parteikollegen Karl Lauterbach: “Ich bin froh, dass das Gesundheitsministerium die Infrastrukturen für die Nutzung von Gesundheitsdaten rechtlich und institutionell definiert”, sagt Stüwe. Dieser Weg sei für die gesamte Wissenschaft “dringend notwendig”.
Das BMBF müsse jetzt die nötige Fahrt aufnehmen und in die Abstimmung gehen. Sonst würden in der Debatte vor allem Fragen zu Abrechnungssystem und Datenaustausch von Krankenhäusern im Fokus stehen und nicht die Frage zur Verteilung und zum besseren Zugang von Forschungsdaten insgesamt. “Das BMBF muss bei diesem Thema Anwalt für Wissenschaft und Forschung sein”, fordert Stüwe.
Aber auch die Wissenschafts-Community selbst habe noch Hausaufgaben, meint der Abgeordnete. Man müsse unter Forschern darüber sprechen, “inwieweit nicht ein gut aufbereiteter Datensatz einen ähnlichen Stellenwert in einer wissenschaftlichen Karriere haben sollte wie ein gutes wissenschaftliches Paper”. Inzwischen sei es eine komplexe wissenschaftliche Leistung, Datensätze so aufzubauen, dass sie für verschiedene Szenarien nutzbar sind.
Alle wissenschaftlichen Institutionen sollten sich darüber bewusst sein, dass sie nicht nur Empfänger, sondern auch Bereitsteller von Daten sind. Sein Eindruck ist, dass diese Erkenntnis noch nicht bei allen Wissenschaftsinstitutionen im Vordergrund stehe. “Auch die Wissenschaft braucht Standards und eine Infrastruktur. Das wird Geld, Zeit und Personal kosten.”
Wie sich Ruppert Stüwe die Zusammenarbeit mit Brüssel beim Forschungsdatengesetz vorstellt und warum er das BfArM beim Thema Gesundheitsdaten nicht als “Ermöglichungsbehörde” aufgefallen ist, lesen Sie im ausführlichen Interview auf unserer Homepage.
30. Juni 2023, Göttingen
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3. Juli 2023, 18:00-19:30 Uhr, online
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3.-5. Juli 2023, Warschau/Polen
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7. Juli 2023, 21:00 Uhr, Vortragssaal der Leopoldina, Jägerberg 1, 06108 Halle (Saale)
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18. Jahrestagung der Gesellschaft für Hochschulforschung Das Zusammenspiel von Hochschulforschung und Hochschulentwicklung: Empirie, Transfer und Wirkungen Mehr
Mit einer ausführlichen Analyse und konkreten Lösungsvorschlägen mischt sich die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) in die Debatte über Machtmissbrauch und wissenschaftliches Fehlverhalten ein. Sie veröffentlichte am Dienstag einen 57 Seiten umfassenden Bericht, der verdeutlicht, dass individuelles Engagement allein nicht ausreichen wird, um ethisch problematisches Verhalten nachhaltig einzudämmen. Vielmehr seien systemische Veränderungen notwendig.
“Da viele Lösungsansätze für die Problematik des Machtmissbrauchs und des wissenschaftlichen Fehlverhaltens nicht innerhalb einer Fachdisziplin oder Wissenschaftsorganisation gelöst werden können, sondern eine gemeinsame Anstrengung möglichst vieler Beteiligter erfordern, möchte der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychologie mit der Übersendung dieses Berichts alle wissenschaftlichen Institutionen zur Zusammenarbeit bei diesem Thema auffordern”, sagt DGPs-Präsident Stefan Schulz-Hardt. Unter anderem habe man ihn an den Wissenschaftsrat, die DFG, das BMBF, die HRK, den Allgemeinen Fakultätentag und die Hochschulrektoren geschickt.
Der Bericht nennt 12 Problembereiche, darunter etwa bedenkliche Anreizsysteme in Berufungs- und Bewertungsverfahren, starkes Machtgefälle sowie die prekäre Situation von Wissenschaftlern in frühen Karrierephasen. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört:
“Unsere Lösungsvorschläge setzen auf unterschiedlichen Ebenen des Wissenschaftssystems an”, sagt Daniel Leising, Professor an der Technischen Universität Dresden und Vorsitzender der DGPs-Kommission, die den Bericht erarbeitet hat. “Wir alle können und sollten uns individuell für bessere Strukturen einsetzen. An vorderster Stelle betrifft das diejenigen, die aktuell eine Professur innehaben.”
Leising, der sich auch in dem 2021 gegründeten Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft engagiert, ist froh, dass sich die DGPs als erste Fachgesellschaft überhaupt bei dem Thema so klar positioniert und für notwendige Veränderungen im Wissenschaftssystem einsetzt. “Der Vorstand traut sich damit etwas. In der Psychologie gab es in den vergangenen Jahren aber auch eine Reihe von Skandalen, die gezeigt haben, dass es grundlegende Probleme gibt.” abg
Das Ende des Exist Potentiale Programms des BMWK zur strukturellen Förderung der Gründungskultur an Hochschulen ist besiegelt. Ab 2024 fallen große Anteile des Budgets in vielen Gründungsberatungsstellen weg. Das BMWK verweist auf Anfrage von Table.Media auf die Zuständigkeit von Ländern und Hochschulen. Der Bund habe sich aufgrund der großen Bedeutung temporär an der Finanzierung dieses Teils der Third Mission beteiligt. Doch: “Anders als vielleicht vor 20 Jahren erhofft, ist dies kein Selbstläufer.”
Daher suche man nun den Austausch mit den Ländern. Dort will man über die Möglichkeiten einer zumindest anteiligen Grundfinanzierung (durch Länder und Hochschulen) der über die Exist-Förderung aufgebauten Strukturen sprechen.
In aller Regel braucht es für die Realisierung der Gründungsunterstützungsangebote einen Finanzierungsmix: Drittmittel aus Förderungen von EU, Bund und Ländern, Haushaltsmittel der Hochschule selbst, Sponsoring und Fundraising sowie Einnahmen aus Dienstleistungen. Um die Hochschulen bei der Neugestaltung der Finanzierung zu unterstützen, plant das BMWK “verschiedene vertiefende Formate”. In diesen sollen Modelle und Best-Practices vorgestellt und diskutiert werden können. Allerdings hängen die Möglichkeiten zur Einwerbung von Mitteln gerade aus dem privaten Sektor stark vom wirtschaftlichen Umfeld der Hochschulen ab.
Bei der Sicherung der künftigen Finanzierung sind die Hochschulen unter Zeitdruck. Das BMWK verweist lapidar darauf, dass “die Entscheidungen bezüglich der Unterstützung durch die Länder, aber auch die Hochschulen selbst, möglichst bis zum Abschluss der Exist Potentiale Projekte getroffen werden sollten”. Das wäre bereits 2024. Denn schließlich steht und fällt “der Erfolg der Gründungsnetzwerke mit den erfahrenen Personen in der Gründungsbetreuung”. Man hofft auf “das Verständnis und den Willen der Hochschulen, das Schlüsselpersonal dauerhaft und nicht nur über Drittmittelstellen zu beschäftigen”.
Immerhin eine Option auf Folgeförderung gibt es: die Startup Factories. Bei diesem Leuchtturmwettbewerb geht es laut BMWK darum, “hochschulübergreifende Ökosysteme mit internationaler Ausstrahlung und starker Einbindung in regionale und nationale Wertschöpfungsketten zu etablieren”. Damit sollen “wirtschaftlich vollständig selbsttragende Startup Factories” aufgebaut werden. Zentral sei eine unternehmerische Ausrichtung, die es letztlich ermögliche, mindestens 50 Prozent privates Kapital einzubringen.
Mit diesen Bedingungen wird auch klar, dass eine Bewerbung von Hochschulen in strukturschwachen Regionen nur wenig Aussicht auf Erfolg hat. Es werden ohnehin künftig nur noch fünf bis zehn Projekte gefördert. Bei Exist Potentiale waren es noch 142. Dazu kommt, dass in den Startup Factories die Beratung in den Hochschulen nicht unterstützt wird. Hier geht es nur um die Durchführung der konkreten Ausgründungen. Und: Die Finanzierung der Factories sei noch nicht gesichert, berichten informierte Kreise.
Vielerorts könnten also weder Leuchttürme etabliert noch Basisangebote für gründungswillige Wissenschaftler erhalten werden, fürchten viele Akteure. Damit würden bereits bestehende Unterschiede in der Gründungsförderung weiter verschärft. mw
Deutschland möchte bei der Genomsequenzierung vorankommen und damit einen wichtigen Schritt hin zu besserer Forschung und individuellen Therapien bei Krebs oder seltenen Erkrankungen gehen. Die Konzeption des Modellvorhabens Genomsequenzierung, das dies ermöglichen soll, stammt noch aus den letzten Tagen der Ära Jens Spahn. Ein Start war ursprünglich für den 1.1.2023 vorgesehen.
Allerdings bestanden an einigen Stellen noch Unklarheiten, etwa bei der Dateninfrastruktur oder der Vergütung der Leistungen. Diese sollten mit einer Veränderung des Paragrafen 64e SGB, der das Modellvorhaben regelt, beseitigt werden, um den neuen Starttermin am 1.1.2024 zu halten. Ein entsprechender Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen lag seit Anfang Juni vor und sollte vergangene Woche mit den Änderungen des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) beschlossen werden. Doch dazu kam es nicht.
Nun heißt es, dass die Änderungen erst gemeinsam mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz im Herbst beschlossen werden sollen. Für dieses liegt jetzt der Referentenentwurf des BMG vor, der jedoch die Regelungen zur Genomsequenzierung noch nicht enthält. Die Verschiebung habe lediglich technische und organisatorische Gründe, ist offiziell zu hören. Doch hinter den Kulissen wird klar, dass vor allem das Thema der Dateninfrastruktur noch umstritten ist. Im Änderungsantrag steht: “Die Aufgaben der Datenverarbeitung im Rahmen des Modellvorhabens werden von den Leistungserbringern, klinischen Datenknoten, Genomrechenzentren und Datendiensten sowie der Vertrauensstelle (RKI) und dem Plattformträger (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM) wahrgenommen.”
Unklar ist anscheinend noch das genaue Zusammenspiel zwischen BfArM und den weiteren Akteuren, wie etwa der TMF als Koordinierungsstelle des zur Vorbereitung des Modellvorhabens vom BMG gestarteten Projekts genomDE. Die endgültige Kompetenz- und Aufgabenteilung scheint noch umstritten. Einerseits sehen viele Akteure die Notwendigkeit, die letztliche Verantwortung bei einer Behörde, dem BfArM zu belassen. Dieses wird im aktuellen Referentenentwurf für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz schließlich als zentrale Koordinierungsstelle für Gesundheitsdaten benannt. Andererseits zweifelt man, ob das BfArM die Dateninfrastruktur effizient und vor allem serviceorientiert managen kann.
Der Starttermin für das Modellvorhaben Genomsequenzierung im Januar 2024 soll trotz der Verschiebung nicht infrage stehen. Ob dann allerdings die Dateninfrastruktur bereits zur Verfügung steht, ist unsicher. Für viele der beteiligten Akteure steht allerdings ohnehin die unmittelbare Patientenversorgung im Mittelpunkt. Und weniger die Forschung, die dann erst mittel- und langfristig ihre Wirkung entfaltet. CDU-Forschungspolitiker Stephan Albani erwartet sich dagegen von der Bundesregierung direkt zum Start 2024 “eine praktikable, benutzer- und forschungsfreundliche Lösung”. mw
FAZ – Wie die Klima-Futuristen die Erde umbauen wollen: Ein Film von Liam Young auf der Architekturbiennale in Venedig zeigt gigantische Bauten und Maschinen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre absaugen und speichern sollen. Diese Visionen seien Teil eines neuen Ansatzes im Kampf gegen den Klimawandel, der auf Technologie und Geo-Engineering setzt. Ob “Direct-Air-Capture” oder die Wiederbelebung der Mammuts wirklich zur Bekämpfung der Klimakatastrophe beitragen können, ist noch umstritten. Vermutlich ist die Wiedervernässung von Mooren zunächst pragmatischer. Mehr
Financial Times – Why we should worry about the technological pessimists. Nur weil Technikpessimisten im Laufe der Geschichte mit ihren Befürchtungen oft daneben lagen, muss dies bei KI nicht auch der Fall sein, meint John Thornhill. KI könnte sich essenziell von bisherigen Technologien unterscheiden. So könnten Deep Fakes bis hin zu “gefälschten Menschen” zur Manipulation der öffentlichen Meinung eingesetzt werden. Daher sollte über eine verstärkte Regulierung, zum Beispiel in den sozialen Medien nachgedacht werden. Mehr
Welt – An den Universitäten wird das Leistungsprinzip konterkariert. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz sei in vielen Bereichen kontraproduktiv, argumentiert Hannah Bethke. Originalität, Kreativität oder Mut zum Irrtum könnten sich unter den aktuellen Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft kaum entwickeln. Die Ursache macht sie in einem ökonomisierten Bildungsbegriff aus, der auf schnellen “Impact” setzt statt auf Tiefe der Reflexion. Mehr
NZZ – Zu spät, zu teuer, überflüssig? Der Fusionsreaktor Iter steht vor einer ungewissen Zukunft. Weil der Bau des internationalen Versuchsreaktors Iter sich abermals verzögert und verteuert, gehen inzwischen selbst Fusionsforscher eigene Wege, etwa mit der Gründung von Start-ups. Die Raumfahrt habe gezeigt: Private Initiative sollte man nicht unterschätzen, warnt Wissenschaftsredakteur Christian Speicher in seinem Kommentar. Mehr
Katja Becker ist für weitere vier Jahre Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die zweite Amtsperiode der Biochemikerin und Medizinerin beginnt im Januar 2024. Als politische Hauptaufgabe sieht sie die Sicherung der Finanzierung der DFG und der Forschung in Deutschland insgesamt angesichts knapper werdender Ressourcen an.
Hans J. Briegel ist Wittgenstein-Preisträger 2023. Der Quantenphysiker forscht an der Universität Innsbruck. Der FWF-Wittgenstein-Preis ist mit 1,5 Millionen Euro Österreichs höchstdotierte wissenschaftliche Auszeichnung.
Tim Goydke wird neuer Präsident der Hamburg School of Business Administration. Er tritt sein Amt im Oktober an und folgt Insa Sjurts nach, die die Hochschule Ende 2022 verlassen hatte.
Michael Hoch ist neuer Präsident der Studienstiftung. Der Entwicklungsbiologe ist seit 2015 Rektor der Universität Bonn. Er übernimmt das Amt von Reinhard Zimmermann, der seit 2011 dem Begabtenförderungsnetzwerk vorstand.
Josef Penninger wird zum 1. Juli wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Der renommierte österreichische Genetiker wechselt von der University of British Columbia in Kanada, an der er das Life Sciences Institute leitet. Penninger soll die Internationalisierung und wissenschaftliche Profilierung des Zentrums weiter vorantreiben.
Cordelia Schmid erhält den mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft. Schmid habe bahnbrechende neue Verfahren entwickelt, die Computern das inhaltliche Verstehen von Bildern ermöglichen, teilte die Stiftung am gestrigen Mittwoch mit. Die deutsche Informatikerin ist Forschungsdirektorin am französischen National Institute for Research in Digital Science and Technology.
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Bildung.Table. “Wir hinterlassen Investitionsruinen”: VC-Investorin Verena Pausder ist überzeugt: “Wenn der Folgedigitalpakt jetzt nicht kommt, werden wir in zwei, drei Jahren die Geräte an den Schulen alle wieder einsammeln.” Im Interview regt sie eine Systemadministrator-Allianz der Wirtschaft mit Schulen an. Mehr
Bildung.Table. Mehrheit der Eltern befürwortet Einsatz von KI an Schulen: Eine Mehrheit der Eltern in Deutschland – rund 60 Prozent – meint, dass das Lernen mit KI ihre Kinder gut auf die digitale Arbeitswelt vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage. Die Sorglosigkeit der Eltern überrascht auch Experten. Mehr
Bildung.Table. Kooperation zwischen Bund und Ländern gescheitert. Das BMBF muss sich schleunigst aus der Bildungspolitik zurückziehen. Nicht das versprochene Kooperationsgebot, sondern nur die radikale Entflechtung von Zuständigkeiten hat das Potenzial für einen Bildungsaufbruch. Mehr
ESG.Table. “Die Verteilungsfrage entscheidet über den Erfolg der klimaneutralen Transformation”. Den Nachhaltigkeitszielen kommt eine wichtige Rolle bei der ökologischen Transformation zu, sagt der Ökonom Marcel Fratzscher im Interview. Die Transformation werde scheitern, wenn sie nicht in der gesellschaftlichen Breite auf soziale Akzeptanz stößt. Mehr
Eigentlich müssten bei uns Akademien wie die Leopoldina und die Akademie für Technikwissenschaften (acatech) den Mund aufmachen und zu Themen wie Stilllegung von Atomkraftwerken versus Renaissance der Atomenergie, Impact des deutschen Forschungssystems, Fusionsforschung, ChatGPT oder aktuellster Forschung zu embryoähnlichen Strukturen aus menschlichen Zellen wissenschaftlichen Rat geben – vor allem auch für die vielen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die selten einen technisch-naturwissenschaftlicher Hintergrund haben. Gerade die Leopoldina, die hochgradig infrastrukturfinanziert ist und damit nicht so drittmittelabhängig, könnte ihre Stimme mit Impact erheben. Laut zumindest war sie ja in Corona-Zeiten.
Doch das Schweigen der Lämmer ist unüberhörbar. Liegt es an der anscheinenden Strategielosigkeit der acatech seit dem Abschied ihres früheren Präsidenten Henning Kagermann, der es trotz hoher Drittmittelabhängigkeit geschafft hat, als unabhängiger Makler zu agieren? Oder liegt es bei der Leopoldina an ihrer offensichtlichen Wirkungslosigkeit?
Die Leopoldina hätte doch in der Corona-Krise alle Chancen dieser Welt gehabt, um renommierter Sprecher ihrer Zunft zu werden. Doch als sie alternativlose Empfehlungen abgab, schwand ihre Reputation als vertrauenswürdige Institution. Sei es, wie es sei. Die Lämmer schweigen. Eine interessante Frage nicht nur für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, warum sie keine Beratung zu für sie wichtigen Fragen erhalten. Auch die Öffentlichkeit will beraten sein. Stakeholder-Dialoge, wie sie beide Akademien machen, sind zwar immer nützliche Marketinginstrumente, ersetzen aber nicht die Expertise.
Interessant ist auch, dass ihre Chefs (Frauen gibt es da keine) nicht im Zukunftsrat des Bundeskanzlers sitzen, dagegen aber die Chefs von Fraunhofer und Max Planck, der inzwischen geschasste Neugebauer und der inzwischen pensionierte Stratmann, beides Empfänger von Steuergeld. Sie werden sicher bald ausgewechselt, dafür kommt ein anderer Vertreter ihrer Institution.
Für ordentliche Politikberatung braucht es mindestens fünf Prinzipien:
Beispiele, bei denen Wissenschaft gut beraten und ihr Rat auch richtig von der Politik gehört wurde, sind rar, wenn wir einmal die Hartz-Kommission mit vielen Nicht-Wissenschaftlern als Mitglieder außen vor lassen.
Elon Musk war der sehr viel bessere und schnellere Mover und Shaker rund um Mobilität am Boden, nicht die sich jahrelang quälende, von acatech gesteuerte Nationale Plattform Elektromobilität (NPE). Auch der von acatech überchoreografierte Innovationsdialog der ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel war überwiegend ohne Konsequenz oder in der Umsetzung – wie bei der KI-Strategie oder beim Quantencomputing – zerfasert zwischen Ministerien, Koalitionsstrukturen und Bürokratien.
Ein ähnliches Schicksal drohte auch der Bundesagentur für Sprunginnovationen. Jetzt sind Berater zuallererst für die gute Analytik und nicht zuvorderst für Umsetzung verantwortlich, das entbindet sie jedoch nicht der Verantwortung, dafür praktikable Vorschläge zu machen. Ob der jetzige Beratungsprozess besser wird, steht in den Sternen. Ich höre sehr unterschiedliche Stimmen.
Natürlich hat eine Beratungsinstitution oder ihr Repräsentant beziehungsweise ihre Repräsentantin deutlich mehr Gewicht, wenn es sich politischen Zielen unterordnet. Dann gehen wir aber schon in Richtung USA, mit ihren von den Republikanern oder von den Demokraten abhängigen Thinktanks. Oder gar hin zu opportunistischen Chamäleons, die bei Regierungswechseln die Farbe wechseln. Instrumentalisierte oder sich unterwerfende Wissenschaftsorganisationen, wie es einige hierzulande schon sind.
Innovating Innovation: Thomas Kuhn wird der Satz zugeschrieben, Wissenschaft entwickele sich von Beerdigung zu Beerdigung weiter. Heute dominante Annahmen sind mit Fortentwicklung der Wissenschaft morgen obsolet. Gerade die umstrittenen und Kontroversen auslösenden Köpfe unserer Forschungs- und Innovationswelt müssen in Beratungsgremien angemessen vertreten sein.