das Europäische Institut für Innovation und Technology (EIT) in Budapest soll die Zusammenarbeit der leistungsfähigsten Institute, Universitäten und industriellen Forschungszentren stärken. Bei seiner Gründung 2008 hieß es gar, das EIT könne die europäische Antwort auf das Bostoner MIT werden. Auch wenn heute niemand mehr diesen Vergleich anstrengt, könne sich die Bilanz sehen lassen, sagt uns jedenfalls EIT-Direktor Martin Kern. Unser Kollege Manfred Ronzheimer hat mit ihm gesprochen.
Der Wissenschaftsrat hatte in seiner Herbstsitzung in Saarbrücken ein wahrlich breites Spektrum an Themen vor sich. Die Mitglieder verabschiedeten schließlich Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe, die Souveränität und Sicherheit der Wissenschaft im digitalen Raum sowie die Zukunft der deutschen marinen Forschungsflotte. Markus Weißkopf hat die Details.
Die Ampel-Regierung hatte in ihrer China-Strategie, die sie im Juli veröffentlicht hat, der “Chinapolitischen Koordinierung und China-Kompetenz” ein ganzes Kapitel gewidmet. Durch die zunehmende Bedeutung Chinas wachse der Bedarf an Menschen mit entsprechender Expertise, heißt es darin. Diese gelte es zu fördern. Auf unsere Nachfrage, welchen Beitrag das BMBF zum Ausbau der China-Kompetenz leistet, hatte das Ministerium im Sommer auf die Förderung der “Regio-China-Projekte” und die regelmäßigen Sitzungen zur wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit (WTZ-Sitzungen) verwiesen, die allerdings ohnehin turnusmäßig stattfinden.
Unser Kollege Felix Lee hat das vollmundige Versprechen, weiter China-Kompetenz zu fördern, nun einmal im Detail angesehen. In der Realität scheint tatsächlich eher das genaue Gegenteil der Fall zu sein, berichtet er: Immer mehr China-Programmen werden die Gelder gestrichen, oder sie werden gar komplett gekappt. In diesem Zusammenhang legen wir Ihnen auch nochmal das Buch unseres China.Table-Kollegen ans Herz. Es heißt: “China, mein Vater und ich”. Die Frankfurter Buchmesse hat Ende der vergangenen Woche entschieden, dass Felix Lee damit das beste Wirtschaftsbuch des Jahres 2023 geschrieben hat. Herzlichen Glückwunsch!
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre,
Bei seiner Gründung im Jahr 2008 war davon die Rede, dass das Europäische Institut für Innovation und Technology (EIT) in Budapest die europäische Antwort auf das Bostoner MIT sein könnte. Dessen Bekanntheit und Wucht hat es bei weitem nicht. Dennoch zieht der Direktor Martin Kern im Gespräch mit Table.Media eine positive Bilanz. So seien aus den EIT-Aktivitäten bereits acht Unternehmen mit Einhorn-Status hervorgegangen.
Herr Kern, Ihre Amtszeit als Direktor des Europäischen Instituts für Innovation und Technology ist Anfang des Monats um vier weitere Jahre verlängert worden. Wie hat sich diese von der EU gegründete Institut entwickelt?
Seit seinem Start 2010 ist das EIT zu Europas größter Innovationscommunity mit über 2.400 Partnern gewachsen, die mit unseren neun thematischen Knowledge- and Innovation Communities, den KICs, kooperieren. Das zeigt: Das Modell, auf diese Weise nachhaltige Innovationen anzustoßen und zu fördern, ist attraktiv. Ich bin auch stolz darauf, dass wir mit dem EIT nicht nur ein schönes theoretisches Modell haben, das die Bereiche Bildung, Forschung und Business logisch miteinander verbindet, sondern dass es auch in der Praxis funktioniert. Aus den von uns geförderten Start-ups sind inzwischen unter anderem acht “Unicorns” entstanden, also Tech-Unternehmen, mit einer Kapitalbewertung von mehr als einer Milliarde Euro. Vor zwei Wochen wurden in EIT InnoEnergy von privater Seite 140 Millionen Euro in investiert, mit denen es weitere innovative Energieprojekte finanzieren wird. Das zeigt, es gibt ein großes Vertrauen in das Angebot des EIT.
Welche Themenfelder decken Sie mit den KICs ab?
Die KICs sind langfristige Partnerschaften zwischen führenden Unternehmen, Forschungslabors und Hochschuleinrichtungen. Jede Innovationsgemeinschaft soll Lösungen für eine bestimmte globale Herausforderung finden. Derzeit haben wir neun Innovationsgemeinschaften zu den Themen Klima, Digitalisierung, Ernährung, Gesundheit, Energie, Produktionstechnik, Rohstoffe, Kultur und Kreativität sowie Urbane Mobilität. Im nächsten Jahr kommt als Zehntes das KIC zum Thema Wasser hinzu, soweit dies von der EU-Kommission bestätigt wird.
Wie groß sind diese Netzwerke?
Wir kooperieren mit 490 Hochschulen und 300 Forschungseinrichtungen, 1.400 Unternehmen sowie 240 Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Im letzten Jahrzehnt haben über 7.800 Gründerfirmen unterstützt und gezielt 2.100 innovative Produkte und Dienstleistungen mit mehr als 2,3 Milliarden Euro gefördert. Im Ergebnis konnten schon 7,3 Milliarden Euro an externen Investitionen in diese Innovationsfirmen gehebelt werden. Über 17.400 neue Jobs sind dadurch entstanden.
Im Rückblick erscheint der Weg des EIT als nicht ganz so geradlinig. An der Wiege des Instituts stand ja die Idee, ein europäisches Gegenstück zur US-amerikanischen Innovationsschmiede MIT in Boston, Massachusetts, aufzubauen. Das hatte der Europäische Rechnungshof dann aber in Zweifel gezogen.
In der Tat hatte der Rechnungshof in einem Prüfbericht 2015 zwei Punkte am EIT bemängelt: Es sei in seiner Organisationsstruktur zu kompliziert und die Ergebnisse seien noch zu wenig sichtbar. Darauf haben wir mit einem Aktionsplan reagiert, der stärker auf den Impact orientierte. Es wurde genauer gemessen, wie die einzelnen Innovationsgemeinschaften in Richtung ihrer strategischen Zielsetzungen vorankamen, etwa durch Projekterlöse. Gleichzeitig wurden bei der Organisation die administrativen Abläufe vereinfacht, etwa indem wir die jährlichen Abrechnungszyklen auf drei Jahre ausgedehnt haben. Das ist eine massive Vereinfachung. Der Zeitgewinn durch weniger Bürokratie kommt der Innovation zugute. Und die Sichtbarkeit in der europäischen Innovationsszene ist heute auf jeden Fall besser gegeben, wie ich finde.
Im vorigen Jahr hat die EU-Kommission eine neue Innovations-Agenda beschlossen. Welche Folgen hatte dieser strategische Rahmen für das EIT?
Die Innovationsagenda hat uns sehr wichtige Impulse gegeben. Sie kam insofern für das EIT zur richtigen Zeit, weil wir die Reform der KICs weitgehend abgeschlossen hatten und dafür bereit waren, als EIT über unsere Innovationsgemeinschaften hinaus durch andere Konstellationen in den Europäischen Innovationsraum hineinzuwirken. Als zentralen Hebel setzen wir auf die Bildung – schulisch, betrieblich und akademisch. Unser “Flaggschiff” ist die “Deep Tech Talent Initiative”, mit der innerhalb von drei Jahren eine Million junge Menschen in Europa in Richtung neuer Technologien fortgebildet werden sollen.
Wie arbeitet das EIT mit den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zusammen, auch mit Deutschland?
Deutschland ist ein sehr aktiver Partner des EIT, wie auch zum Beispiel Spanien, Frankreich und Schweden. Das zeigt sich an der Zahl der großen Anzahl von EIT-Zentren vor Ort – in Deutschland gibt es neun solcher “Hubs”. In den letzten Jahren hatten wir aber auch ein immer stärkeres Interesse aus Mittel- und Osteuropa. Etwa die Hälfte der Start-ups, die derzeit von uns gefördert werden, wie auch die Hälfte unserer Studierenden kommen aus diesem Teil Europas. Das geht auf unsere Programme zurück, mit denen wir Länder mit geringer Innovationskapazität zu mehr Engagement in diesem Bereich bewegen wollen. Dafür ist auch der Sitz des EIT in Budapest ein günstiger Standort. Wir erreichen, etwa in Polen und den baltischen Staaten, immer mehr Teilnehmer und Start-ups, weil dort die nationale Innovationsförderung nicht so ausgeprägt ist. Manfred Ronzheimer
Die Ampel-Regierung hatte die Stärkung der China-Kompetenz explizit in den Koalitionsvertrag geschrieben. “Asien- und China-Kompetenz wollen wir deutlich ausbauen”, heißt es darin auf Seite 24. In ihrer China-Strategie, die sie im Juli der Öffentlichkeit vorgestellt hat, wird der “Chinapolitischen Koordinierung und China-Kompetenz” gar ein ganzes Kapitel gewidmet. Durch die zunehmende Bedeutung Chinas wachse der Bedarf an Menschen mit entsprechender Expertise, heißt es darin. Diese gelte es zu fördern.
In der Realität scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Immer mehr China-Programmen werden die Gelder gestrichen, oder sie werden gar komplett gekappt. Das Auswärtige Amt fördert nach eigenen Angaben zwar weiter Projekte, wie etwa das “Bildungsnetzwerk China”. Doch die privat-staatliche Zusammenarbeit in dem Netzwerk fährt derzeit herunter.
Das “Bildungsnetzwerk China” ist eine Gründung der Privatstiftung Mercator zusammen mit den Goethe-Instituten, die dem Auswärtigem Amt unterstellt sind. Das Bildungsnetzwerk will die Vermittlung von China-Kompetenzen an deutschen Schulen ausbauen. Auch Austauschprogramme unterstützt das Netzwerk. Seit 2014 sind sich nach eigenen Angaben durch den auch vom Goethe-Institut in Peking unterstütztem Schulpartnerschaftsfonds “fast 2.000 deutsche und chinesische Jugendliche begegnet”.
Doch diese Schulpartnerschaftsfonds laufen 2024 aus. Wie das Netzwerk auf seiner Webseite mitteilt, können “ab sofort keine neuen Anträge auf Förderung schulischer Austauschbegegnungen eingereicht werden”. Zur Begründung weist es lediglich darauf hin, dass die Stiftung Mercator als Mittelgeber “sich mit Blick auf außenpolitische Herausforderungen und die Rolle Europas in der Welt” neu ausrichte. Ersatz ist nicht in Sicht.
Immerhin: Standorte von Goethe-Instituten in China sind von der aktuellen Neuausrichtung nicht betroffen. Das Auswärtige Amt ist für den Betrieb der weltweiten Goethe-Institute zuständig, mit Deutschkursen und Kulturvermittlung. Es will im Zuge der neuen Ausrichtung einige Standorte, etwa in Frankreich, schließen. Das Goethe-Institut in Peking mit seinen Zweigstellen in anderen Städten des Landes bleiben also bestehen.
Was Hoffnung macht: Im Forschungsbereich will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stärker den sogenannten regionalen Ausbau der China-Kompetenz ausbauen. Seit Mitte 2021 gibt es “Regio-China”. Über dieses Förderprogramm sollen die Akteure in Deutschland, die in den vergangenen Jahren viel China-Kompetenz aufgebaut haben, ihr Wissen durch den Austausch untereinander stärker vertiefen und neue Formate aufbauen. “Wo bisher noch Wissen und Erfahrungen fehlen, sollen diese gemeinsam aufgebaut werden”, heißt es in der Förderbeschreibung.
Auf der Streichliste steht dagegen das Manager-Fortbildungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei handelt es sich um ein Instrument der Außenwirtschaftsförderung, das vor allem kleine und mittlere deutsche Unternehmen bei der Erschließung von Auslandsmärkten unterstützt. Auch dieses Programm werde generell “im Zuge der Neuausrichtung aller außenwirtschaftlichen Förderinstrumente neu aufgelegt”, bestätigte ein Ministeriumssprecher. Es werde künftig vor allem um Markterschließung mit dem Ziel der Diversifizierung und der Resilienz gehen: “Für das Zielland China wurde das Programm eingestellt”.
Das Auswärtige Amt verweist auf das BMBF, das künftig die China-Programme stärker bündeln soll. Dort beteuert man, dass zwar sehr wohl auch künftig Forschungskooperationen mit chinesischen Einrichtungen eingegangen werden sollen. Gleichzeitig wolle das Bundesforschungsministerium die Unterstützung von Kooperationen “mit besonderen Dual-Use-Risiken oder bei Kooperation mit Bereich Künstlicher Intelligenz, die womöglich zu Überwachungszwecken und Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden”, einstellen.
Beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gibt es in der Projektförderung und bei den Stipendien speziell zu China zwar bislang keine Streichungen. Aufgrund der restriktiven Corona-Politik war in den vergangenen Jahren die Vergabe von Stipendien nach China aber deutlich zurückgegangen.
2018, also vor der Pandemie, förderte der DAAD rund 3.200 Stipendien und Projekte. Im Jahr 2022 lag die Zahl bei nur noch bei 1.800. “Das betrifft aber die Umsetzung und nicht das grundsätzliche Angebot”, heißt es vom DAAD. Nachdem die Corona-Regeln auch in China ausgelaufen sind, gebe es eine leichte Erholung. “Das Interesse der deutschen Hochschulen an Kooperationen mit China ist weiterhin groß”, sagte DAAD-Sprecher Michael Flacke.
Laut dem DAAD gibt es allerdings bei den Hochschulen mit Blick auf China “eine gestiegene Unsicherheit”. Mit Geldern des Bundesforschungsministeriums werde daher das Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) ausgebaut. Das BMBF unterstützt den Ausbau des Zentrums mit zusätzlich rund einer Million Euro pro Jahr.
Sorge bereitet dem DAAD die drastisch gesunkene Zahl an deutschen Studierenden in China im Zuge der Pandemie. 2019 zählte das chinesische Bildungsministerium noch 8.108 Studierende aus Deutschland, Ende 2022 waren der DAAD-Außenstelle Peking nur einige Handvoll deutscher Studierender in China bekannt. “Zwar konnte die Lehre mit Onlinekursen oftmals aufrechterhalten werden, aber der Aufenthalt im Gastland ist das Herzstück jedes Studierendenaustauschs”, sagt DAAD-Sprecher Flacke. Seit August 2022 können zwar wieder Visa für einen langfristigen Studienaufenthalt in China beantragt werden. Doch die Flüge sind weiterhin sehr teuer. Immerhin nimmt der DAAD in diesem Jahr wieder einen Anstieg der an China interessierten Studierenden wahr.
Besonders drastisch fallen die Streichungen des China-Engagements bei den Privatstiftungen aus. Robert-Bosch-Stiftung, Bertelsmann-Stiftung, Körber-Stiftung, Stiftung Mercator – sie alle hatten in den 2010er-Jahren umfangreiche China-Programme. Die Bosch-Stiftung war mit speziellen Austauschprogrammen für Journalisten, Lehrern und Juristen besonders engagiert. “Wir haben seit dem 2019 beendeten Strategieprozess all unsere Regionalprojekte auslaufen lassen“, teilte die Bosch-Stiftung auf Anfrage mit.
Im Thema Klimawandel habe die Stiftung zunächst noch eine chinesische NGO unterstützt. Aber auch diese Förderung sei beendet. Aktuell fördere die Bosch-Stiftung Programme nach Themen (Frieden, Demokratie, Einwanderungsgesellschaft, Migration, Klimawandel und Ungleichheit), aber nicht mehr nach Regionen, lautet die Begründung.
Die Stiftung Mercator, die unter anderem das berühmte China-Institut Merics maßgeblich finanziert, hat zwar zugesichert, einen Großteil der Finanzierung ab 2024 für weitere fünf Jahre zu übernehmen. Auslaufen wird aber die Förderung, für das dreimal durchgeführte, aber äußerst erfolgreiche Stipendium-Programm für 25 Studierende und Auszubildende aus den sogenannten MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Das Programm hat der ehrenamtlich geführte Verein Bildungsbrücke China-Deutschland e.V. entwickelt. Am 3. November findet zum vorläufigen Abschluss dieses Programms in Düsseldorf eine Tagung statt zu der Frage: Wege zu mehr Chinakompetenz im MINT-Bereich. Die Ergebnisse dieser Tagung sollen als Handlungsempfehlungen an die Politik weitergeleitet werden.
Und auch die Bertelsmann-Stiftung hat ihr China-Programm deutlich zurückgefahren. Sämtliche China- und asienbezogenen Aktivitäten der Stiftung wurden 2021 ins Programm “Souveränes Europa – Strategisches Management Globaler Verflechtung” eingegliedert. Ein eigenes Asien-Programm gibt es nicht mehr. Gab es vorher fünf Personen, die explizit zu Asien gearbeitet haben, davon zwei zu China, ist heute nur noch eine Person für die ganze Region zuständig.
Indre Bermann vom Verein Bildungsbrücke China-Deutschland e.V. und Initiatorin des MINT-Programms hat den Eindruck: Es werde wieder mehr über China gelernt als mit China. Der People-To-People-Ansatz gehe dabei verloren. “Das halte ich für sehr bedauerlich.”
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30. November 2023, 15:30-18:00 Uhr, Quadriga Forum, Werderscher Markt 15, 10117 Berlin
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In seiner Herbstsitzung in Saarbrücken beriet der Wissenschaftsrat über Perspektiven für die Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe, die Souveränität und Sicherheit der Wissenschaft im digitalen Raum sowie die Zukunft der deutschen marinen Forschungsflotte.
Die Forschung und Disziplinenbildung in den Gesundheitsfachberufen komme nicht voran. Das ist eine der Botschaften des Wissenschaftsrates. Es gebe keine Herausbildung von Forschungsschwerpunkten. Und es fehle an wissenschaftlichem Nachwuchs, was auch mit daran liege, dass es nur wenige Masterstudiengänge gebe und wenig Promovierende. In der Pflege sei die Zahl der Studienanfänger gar zurückgegangen.
Gegenüber der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe bestünden Widerstände sowohl innerhalb der Fächer und eigener Berufsgruppen als auch von außen, schreibt der Wissenschaftsrat. Abgrenzungs- und Behauptungsprobleme gebe es besonders gegenüber der Medizin. Weiterhin werde der Nutzen der Akademisierung nicht von allen Akteuren erkannt, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anja Katrin Boßerhoff bei der Vorstellung der Papiere am gestrigen Montag.
Empfehlungen des Wissenschaftsrats
Die deutsche Meeresforschung verfügt aktuell über die regionalen Forschungsschiffe Alkor, Heincke und Elisabeth Mann Borgese, die seit über 30 Jahren im Einsatz sind. Der Wissenschaftsrat (WR) empfiehlt, künftig mindestens die gleiche Kapazität zur Verfügung zu stellen. Die bestehende Flotte soll durch – auf einem einheitlichen Entwurf basierende – Neubauten schrittweise ersetzen und weiterentwickelt werden. Das BMBF hatte den Wissenschaftsrat um Empfehlungen zur Weiterentwicklung der deutschen regionalen Forschungsflotte gebeten.
Der Wissenschaftsrat spricht sich für eine identische Grundplattform der neuen Schiffe aus, da so Entwurfskosten gespart werden können. Außerdem seien Erfahrungen von Schiff zu Schiff übertragbar. “Die neuen regionalen Forschungsschiffe müssen vor allen Dingen offen für Innovationen sein, um mit den Anforderungen der Zukunft Schritt halten zu können, etwa bei der Ausstattung für die Forschung oder beim Antrieb”, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick.
Großgeräte wie Meeresbodenbohrer oder Tauchroboter werden in Deutschland von den großen Helmholtz-Zentren betrieben, aber auch von Forschenden anderer Einrichtungen genutzt. Um den Zugang zu den Geräten für alle Nutzenden gleichermaßen zu gewährleisten, rät der Wissenschaftsrat, die Einsatzkosten vorerst aus Projektmitteln zu decken. Längerfristig sollte ein gemeinsamer Fonds für die Finanzierung des Gerätebetriebs gegründet werden. Dieser soll als dritte Instanz zwischen Einrichtungen und Zuwendungsgebern fungieren.
Mit Blick auf die digitale Souveränität von Wissenschaftseinrichtungen drängt Wissenschaftsrats-Chef Wick auf eine schnelle Stärkung der Selbstbefähigung. “Der Zugang zu digitalen Diensten, Infrastrukturen und Daten ist essenziell für die Qualität der Forschung und die Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse. Der Schutz vor Cyberangriffen wird immer wichtiger”, sagte Wolfgang Wick.
Empfehlungen des Wissenschaftsrats:
Gefragt nach der Finanzierung der benannten Maßnahmen verwies die Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Dorothea Wagner, darauf, dass diese in den Bereich der Daueraufgaben gehörten. Angesichts der aktuellen Finanzlage sei es unwahrscheinlich, dass es dafür zusätzliche Ressourcen gebe. Dies bedeute, dass eine Verschiebung der Prioritäten notwendig werde und es somit “weniger Mittel für andere Aufgaben gibt”. Diese Verschiebung der Prioritäten sei nicht allein bei den Hochschulen zu leisten, sondern auch bei den Fördermittelgebern. mw
Kurz nach der Einigung des Deal-Konsortiums mit Elsevier, steht auch die Verlängerung des Vertrags mit Wiley. Wie der Wissenschaftsverlag vergangene Woche bekannt gab, soll eine Fünfjahresvereinbarung getroffen werden, nachdem der 2019 geschlossene Vertrag zum Jahresende ausläuft. Die neue Vereinbarung wird Autoren an deutschen Institutionen weiterhin die Möglichkeit bieten, im gesamten Wiley-Portfolio Open Access zu publizieren. Mit eingeschlossen ist auch der Lesezugriff auf alle Wiley-Zeitschrifteninhalte.
Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und federführender Verhandler von Deal, zeigte sich zufrieden mit der Vereinbarung. Diese beinhalte “ein sehr gutes Opt-in-Angebot für Bibliotheken zur Bereitstellung von Open-Access-Publikationsdiensten für die deutsche Wissenschaftsgemeinschaft”. Deal habe damit sein Ziel erreicht, ein nachhaltiges Modell für deutsche Institutionen und Wiley zu finden.
Die Verhandlungsteams haben sich ebenfalls auf die finanziellen Rahmenbedingungen geeinigt. Diese orientieren sich wohl an den Vereinbarungen mit Elsevier. Details werden jedoch erst nach Unterzeichnung der endgültigen Vereinbarung Mitte November öffentlich. Kurz danach werden die Deal-Einrichtungen eingeladen, auf die neue Vereinbarung umzusteigen. Dann können sie weiterhin die Open-Access-Publikationsdienstleistungen und den Zugang zu Wileys Portfolio an wissenschaftlichen Zeitschriften nutzen.
Währenddessen dauern die Verhandlungen mit Springer Nature noch an. Ein Ergebnis wird aber noch in der laufenden Woche erwartet, heißt es aus Verhandlungskreisen. mw
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) haben anlässlich der bevorstehenden Beratungen zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Verfahren gezüchtet wurden, eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Diese unterstützt den von der Europäischen Kommission am 5. Juli vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken des Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen und sie somit vom Gentechnikrecht auszunehmen. Diese Gleichstellung basiert auf der Einschätzung, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) aufweisen wie konventionell gezüchtete Sorten und ein niedriges Risikoprofil haben.
Die Stellungnahme hebt hervor, dass laut Europäischem Gerichtshof und Europäischer Kommission das Vorsorgeprinzip nur bei wissenschaftlich begründetem Besorgnisanlass angewendet werden kann. Im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten fehle dieser Besorgnisanlass, da bisher veröffentlichte Studien keinerlei Hinweise auf ein höheres Risiko für Umwelt und Mensch gäben.
Laut DFG und Leopoldina wäre die Zulassung von genomisch veränderten Pflanzen auch vereinbar mit Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, da durch die NGT-1-Pflanzen weitestgehend auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden könne. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Entwurf der Kommission die Kennzeichnung als “Öko-” oder “Bio-” für Produkte, die absichtlich NGT-1-Pflanzen verwenden, nicht gestattet.
Kritik an der Stellungnahme äußert Tina Andres, Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Sie betont, dass der Einsatz von Gentechnik im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ökologischen Produktion stehe. Durch die Abschaffung der Risikoprüfung und Kennzeichnung von genomisch veränderten Pflanzen würde es unmöglich werden, diese von Produkten konventioneller Züchtung zu unterscheiden: “Während jedes Pflanzenmedikament oder jeder Kräuterextrakt, der Pflanzen schützen soll, vor einer EU-Zulassung richtigerweise auf Risiken geprüft werden muss, sollen gentechnisch veränderte Pflanzen völlig unkontrolliert in die Umwelt entlassen werden”, sagte Andres im Gespräch mit Table.Media.
Der Gesetzesentwurf zu genomischen Techniken in der Pflanzenzucht wird aktuell im Europaparlament beraten. kih
Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) sollen künftig auch beim Klimaschutz helfen, doch Forscher warnen vor einem stark steigenden Energieverbrauch der KI-Rechenzentren. “Werkzeuge der KI verbrauchen viel Strom, und die Tendenz ist steigend”, sagte der Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam und Leiter des Fachgebiets Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit, Ralf Herbrich. Allein das Training eines einzigen KI-Modells sei mit aufwendigen Vorhersage-Berechnungen ein energieintensiver Prozess.
Der Datenwissenschaftler Alex de Vries aus Amsterdam vergleicht den Energieverbrauch durch die Nutzung einer Suchmaschine, die KI nutzt, mit dem ganzer Länder. Wissenschaftler und Internet-Konzerne arbeiten daran, den ökologischen Fußabdruck der KI zu verbessern. Das Thema Künstliche Intelligenz hatte unter anderem durch ChatGPT des kalifornischen Start-ups OpenAI große Aufmerksamkeit erfahren.
“Rechenzentren verbrauchen heute 4 bis 5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs“, sagte Herbrich. Nehme man die Nutzung digitaler Technologien wie Laptops und Smartphones dazu, seien 8 Prozent erreicht. “Es gibt Schätzungen, dass der Verbrauch in den nächsten Jahren auf 30 Prozent ansteigen wird.” Der KI-Experte stellt den Vergleich mit einem Backofen an: Für das Training eines KI-Modells liefen Prozessoren hunderter Grafikkarten, die jeweils etwa 1000 Watt verbrauchten, für mehrere Wochen. “1000 Watt ist so viel wie ein Backofen.”
Die Forschung zielt laut Herbrich darauf ab, dass Berechnungen mit weniger Parametern und damit weniger Energieeinsatz gelingen können und zugleich die Genauigkeit der Vorhersagen nur minimal sinkt. Auch die Technologieunternehmen trieben die Forschung zu Energieeinsparungen bei KI voran. Es dauere aber einige Jahre, Lösungen zu entwickeln. dpa
Ein Querschnitt der legendären Mondrakete Saturn V zierte als Poster sein Kinderzimmer. Technikbegeistert ist Matthias Mayer, Leiter des Bereichs Wissenschaft der Körber-Stiftung Hamburg, geblieben. “Ich bin Naturwissenschaftler des Herzens”, erzählt der 61-Jährige im Restaurant des Berliner Futuriums. Mit seiner lichtdurchfluteten Architektur und dem offenen Foyer ist das Zukunftsmuseum ein Ort der Visionen. Auch Mayer beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Zukunftsvisionen. Bei diesen Visionen geht es um die Gesellschaft von morgen, um Innovationen und um technologischen Fortschritt: “Wir brauchen eine ernsthafte Debatte zwischen der Gesellschaft und der Wissenschaft darüber, in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen und was die Rolle der Wissenschaft darin sein sollte”, sagt der Stiftungsmann.
Der Blick auf Mayers Biografie zeigt einen vielfach interessierten Menschen: Der gebürtige Pfälzer studierte Philosophie, Germanistik, Politik und Pädagogik an der Universität Konstanz und an der Freien Universität Berlin. Neben dem Studium organisierte er Jazzkonzerte. Im letzten Drittel seiner Promotion erhielt er das Angebot der Körber-Stiftung, den “Deutschen Studienpreis” zu betreuen. Der Grundgedanke dieses Wissenschaftspreises: Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu anzuregen, den gesellschaftlichen Wert der eigenen wissenschaftlichen Leistung herauszuheben.
Mayer brach seine Promotion ab und nahm die neue Herausforderung an. Er kam 1996 zur Körber-Stiftung, wo er seit 2008 den Wissenschaftsbereich leitet. In dieser Funktion verantwortet Mayer auch den “Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft“, der mit einer Million Euro zu den weltweit höchstdotierten Forschungspreisen zählt. Die diesjährige Preisverleihung im Hamburger Rathaus liegt noch nicht lang zurück. Mayer kann ein wenig durchatmen, bevor er mit der Planung für das kommende Jahr beginnt. An der großen Bedeutung dieses Preises lässt er aber keinen Zweifel: “Mit dem Körber-Preis wird die europäische Wissenschaftslandschaft vorangetrieben.”
Wenn man Matthias Mayer nach einer typischen Arbeitswoche fragt, dann sagt er, so etwas kenne er nicht. Jedes Projekt habe seine eigenen Anforderungen und Bedingungen, also eine eigene Charakteristik. Bei seiner täglichen Arbeit gehe es trotzdem viel um die Kommunikation nach außen: Mayer will ins Gespräch kommen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, hinzu kommt das konzeptionelle Arbeiten: “Ich denke mir Dinge neu aus und überlege sie. Ich frage mich: Sind wir auf dem richtigen Weg – was könnte das Projekt von morgen sein?”
Je länger man sich mit Mayer unterhält, desto mehr reift die Erkenntnis: Sein Antrieb ist wohl vor allem die Begeisterung für den Geist der Wissenschaft. Das spürt man sofort, wenn Mayer erzählt, dass er sich “von der Archäologie bis hin zur Zahnmedizin” für alle Wissenschaftsbereiche interessiere und eigentlich an einer “Willkommenskultur für Ideen” arbeite. Die Entwicklung genau dieser Ideen-Willkommenskultur betrachtet er allerdings eher kritisch: “Eine Unvoreingenommenheit und eine grundsätzliche Bereitschaft, sich auf Expertenurteile einzulassen, hat auch bei uns in den letzten Jahren abgenommen.” Einen apokalyptischen Blick in die Zukunft lehnt Mayer trotzdem ab: Als “hoffnungslos überzeugter Aufklärer” glaubt er vielmehr an die “Kraft der Vernunft”. Gabriele Voßkühler
Norbert Huber ist seit Oktober neuer Vize-Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).
Juliane Huwe wurde am 18. Oktober 2023 vom Senat der Universität Greifswald zur Kanzlerin der Universität Greifswald gewählt.
Bernd Pietschmann erklärte mit Wirkung zum 31.10.23 seinen Rücktritt vom Amt des Rektors der FH Aachen aus familiären Gründen.
Pater Helmut Scharler wurde zum Präsidenten der Vinzenz Pallotti University in Vallendar gewählt.
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Freitag, 27. Oktober
Nina Stahr (Grüne), MdB im Forschungsausschuss, 41
Samstag, 28. Oktober
Jessica Rosenthal (SPD), MdB im Forschungsausschuss und Juso-Bundesvorsitzende, 30
Björn Alpermann – Professor und Xinjang-Forscher. Der Sinologe Björn Alpermann forscht an der Universität Würzburg unter anderem zu Xinjiang. Als 2017 und 2018 Berichte über Masseninhaftierungen in der nordwestlichen Provinz aufkamen, klangen diese für Alpermann so drastisch, dass er begann, sich intensiv mit der Region auseinanderzusetzen. Inzwischen gibt es ein europäisches Forschungsnetzwerk. Mehr
NKR-Chef Goebel über Bürokratieabbau: “Wir sind viel zu kompliziert”. Der Vorsitzende des Normenkontrollrats der Bundesregierung (NKR) hält angesichts einer überbordenden Bürokratie eine Staatsreform in Deutschland für dringend notwendig und fordert die Regierungskoalition auf, diese auf den Weg zu bringen. Im Interview mit Stefan Braun und Till Hoppe stellt Lutz Goebel klar: Wir müssen schneller werden. Mehr
BSW – Bündnis Sahra Wagenknecht, so soll die neue Partei der bisherigen Linken-Politikerin heißen. BSW steht aber auch für: Bettina Stark-Watzinger. Zu sehen etwa in dicken gelben Lettern auf ihrer Handtasche. Damit zeigt sich die Ministerin gerne in der Öffentlichkeit, auch auf Reisen wie zuletzt in Israel hatte sie die Tasche dabei. Es ist ein Geschenk ihres Mannes.
Ob Sahra Wagenknecht dadurch inspiriert wurde, ist nicht überliefert. Dass die beiden engeren Kontakt pflegen, ist angesichts der politischen Ausrichtungen jedoch eher unwahrscheinlich. Wir werden sehen, wer nun mit seinem Label erfolgreicher sein wird. Ein besonders gutes Omen ist es für Wagenknecht jedenfalls nicht. Die liberale BSW ist im aktuellen Regierungsmonitor des Spiegels nur auf dem drittletzten Platz aller Minister und Ministerinnen. Markus Weisskopf
das Europäische Institut für Innovation und Technology (EIT) in Budapest soll die Zusammenarbeit der leistungsfähigsten Institute, Universitäten und industriellen Forschungszentren stärken. Bei seiner Gründung 2008 hieß es gar, das EIT könne die europäische Antwort auf das Bostoner MIT werden. Auch wenn heute niemand mehr diesen Vergleich anstrengt, könne sich die Bilanz sehen lassen, sagt uns jedenfalls EIT-Direktor Martin Kern. Unser Kollege Manfred Ronzheimer hat mit ihm gesprochen.
Der Wissenschaftsrat hatte in seiner Herbstsitzung in Saarbrücken ein wahrlich breites Spektrum an Themen vor sich. Die Mitglieder verabschiedeten schließlich Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe, die Souveränität und Sicherheit der Wissenschaft im digitalen Raum sowie die Zukunft der deutschen marinen Forschungsflotte. Markus Weißkopf hat die Details.
Die Ampel-Regierung hatte in ihrer China-Strategie, die sie im Juli veröffentlicht hat, der “Chinapolitischen Koordinierung und China-Kompetenz” ein ganzes Kapitel gewidmet. Durch die zunehmende Bedeutung Chinas wachse der Bedarf an Menschen mit entsprechender Expertise, heißt es darin. Diese gelte es zu fördern. Auf unsere Nachfrage, welchen Beitrag das BMBF zum Ausbau der China-Kompetenz leistet, hatte das Ministerium im Sommer auf die Förderung der “Regio-China-Projekte” und die regelmäßigen Sitzungen zur wissenschaftlich-technologischen Zusammenarbeit (WTZ-Sitzungen) verwiesen, die allerdings ohnehin turnusmäßig stattfinden.
Unser Kollege Felix Lee hat das vollmundige Versprechen, weiter China-Kompetenz zu fördern, nun einmal im Detail angesehen. In der Realität scheint tatsächlich eher das genaue Gegenteil der Fall zu sein, berichtet er: Immer mehr China-Programmen werden die Gelder gestrichen, oder sie werden gar komplett gekappt. In diesem Zusammenhang legen wir Ihnen auch nochmal das Buch unseres China.Table-Kollegen ans Herz. Es heißt: “China, mein Vater und ich”. Die Frankfurter Buchmesse hat Ende der vergangenen Woche entschieden, dass Felix Lee damit das beste Wirtschaftsbuch des Jahres 2023 geschrieben hat. Herzlichen Glückwunsch!
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre,
Bei seiner Gründung im Jahr 2008 war davon die Rede, dass das Europäische Institut für Innovation und Technology (EIT) in Budapest die europäische Antwort auf das Bostoner MIT sein könnte. Dessen Bekanntheit und Wucht hat es bei weitem nicht. Dennoch zieht der Direktor Martin Kern im Gespräch mit Table.Media eine positive Bilanz. So seien aus den EIT-Aktivitäten bereits acht Unternehmen mit Einhorn-Status hervorgegangen.
Herr Kern, Ihre Amtszeit als Direktor des Europäischen Instituts für Innovation und Technology ist Anfang des Monats um vier weitere Jahre verlängert worden. Wie hat sich diese von der EU gegründete Institut entwickelt?
Seit seinem Start 2010 ist das EIT zu Europas größter Innovationscommunity mit über 2.400 Partnern gewachsen, die mit unseren neun thematischen Knowledge- and Innovation Communities, den KICs, kooperieren. Das zeigt: Das Modell, auf diese Weise nachhaltige Innovationen anzustoßen und zu fördern, ist attraktiv. Ich bin auch stolz darauf, dass wir mit dem EIT nicht nur ein schönes theoretisches Modell haben, das die Bereiche Bildung, Forschung und Business logisch miteinander verbindet, sondern dass es auch in der Praxis funktioniert. Aus den von uns geförderten Start-ups sind inzwischen unter anderem acht “Unicorns” entstanden, also Tech-Unternehmen, mit einer Kapitalbewertung von mehr als einer Milliarde Euro. Vor zwei Wochen wurden in EIT InnoEnergy von privater Seite 140 Millionen Euro in investiert, mit denen es weitere innovative Energieprojekte finanzieren wird. Das zeigt, es gibt ein großes Vertrauen in das Angebot des EIT.
Welche Themenfelder decken Sie mit den KICs ab?
Die KICs sind langfristige Partnerschaften zwischen führenden Unternehmen, Forschungslabors und Hochschuleinrichtungen. Jede Innovationsgemeinschaft soll Lösungen für eine bestimmte globale Herausforderung finden. Derzeit haben wir neun Innovationsgemeinschaften zu den Themen Klima, Digitalisierung, Ernährung, Gesundheit, Energie, Produktionstechnik, Rohstoffe, Kultur und Kreativität sowie Urbane Mobilität. Im nächsten Jahr kommt als Zehntes das KIC zum Thema Wasser hinzu, soweit dies von der EU-Kommission bestätigt wird.
Wie groß sind diese Netzwerke?
Wir kooperieren mit 490 Hochschulen und 300 Forschungseinrichtungen, 1.400 Unternehmen sowie 240 Kommunen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Im letzten Jahrzehnt haben über 7.800 Gründerfirmen unterstützt und gezielt 2.100 innovative Produkte und Dienstleistungen mit mehr als 2,3 Milliarden Euro gefördert. Im Ergebnis konnten schon 7,3 Milliarden Euro an externen Investitionen in diese Innovationsfirmen gehebelt werden. Über 17.400 neue Jobs sind dadurch entstanden.
Im Rückblick erscheint der Weg des EIT als nicht ganz so geradlinig. An der Wiege des Instituts stand ja die Idee, ein europäisches Gegenstück zur US-amerikanischen Innovationsschmiede MIT in Boston, Massachusetts, aufzubauen. Das hatte der Europäische Rechnungshof dann aber in Zweifel gezogen.
In der Tat hatte der Rechnungshof in einem Prüfbericht 2015 zwei Punkte am EIT bemängelt: Es sei in seiner Organisationsstruktur zu kompliziert und die Ergebnisse seien noch zu wenig sichtbar. Darauf haben wir mit einem Aktionsplan reagiert, der stärker auf den Impact orientierte. Es wurde genauer gemessen, wie die einzelnen Innovationsgemeinschaften in Richtung ihrer strategischen Zielsetzungen vorankamen, etwa durch Projekterlöse. Gleichzeitig wurden bei der Organisation die administrativen Abläufe vereinfacht, etwa indem wir die jährlichen Abrechnungszyklen auf drei Jahre ausgedehnt haben. Das ist eine massive Vereinfachung. Der Zeitgewinn durch weniger Bürokratie kommt der Innovation zugute. Und die Sichtbarkeit in der europäischen Innovationsszene ist heute auf jeden Fall besser gegeben, wie ich finde.
Im vorigen Jahr hat die EU-Kommission eine neue Innovations-Agenda beschlossen. Welche Folgen hatte dieser strategische Rahmen für das EIT?
Die Innovationsagenda hat uns sehr wichtige Impulse gegeben. Sie kam insofern für das EIT zur richtigen Zeit, weil wir die Reform der KICs weitgehend abgeschlossen hatten und dafür bereit waren, als EIT über unsere Innovationsgemeinschaften hinaus durch andere Konstellationen in den Europäischen Innovationsraum hineinzuwirken. Als zentralen Hebel setzen wir auf die Bildung – schulisch, betrieblich und akademisch. Unser “Flaggschiff” ist die “Deep Tech Talent Initiative”, mit der innerhalb von drei Jahren eine Million junge Menschen in Europa in Richtung neuer Technologien fortgebildet werden sollen.
Wie arbeitet das EIT mit den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU zusammen, auch mit Deutschland?
Deutschland ist ein sehr aktiver Partner des EIT, wie auch zum Beispiel Spanien, Frankreich und Schweden. Das zeigt sich an der Zahl der großen Anzahl von EIT-Zentren vor Ort – in Deutschland gibt es neun solcher “Hubs”. In den letzten Jahren hatten wir aber auch ein immer stärkeres Interesse aus Mittel- und Osteuropa. Etwa die Hälfte der Start-ups, die derzeit von uns gefördert werden, wie auch die Hälfte unserer Studierenden kommen aus diesem Teil Europas. Das geht auf unsere Programme zurück, mit denen wir Länder mit geringer Innovationskapazität zu mehr Engagement in diesem Bereich bewegen wollen. Dafür ist auch der Sitz des EIT in Budapest ein günstiger Standort. Wir erreichen, etwa in Polen und den baltischen Staaten, immer mehr Teilnehmer und Start-ups, weil dort die nationale Innovationsförderung nicht so ausgeprägt ist. Manfred Ronzheimer
Die Ampel-Regierung hatte die Stärkung der China-Kompetenz explizit in den Koalitionsvertrag geschrieben. “Asien- und China-Kompetenz wollen wir deutlich ausbauen”, heißt es darin auf Seite 24. In ihrer China-Strategie, die sie im Juli der Öffentlichkeit vorgestellt hat, wird der “Chinapolitischen Koordinierung und China-Kompetenz” gar ein ganzes Kapitel gewidmet. Durch die zunehmende Bedeutung Chinas wachse der Bedarf an Menschen mit entsprechender Expertise, heißt es darin. Diese gelte es zu fördern.
In der Realität scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Immer mehr China-Programmen werden die Gelder gestrichen, oder sie werden gar komplett gekappt. Das Auswärtige Amt fördert nach eigenen Angaben zwar weiter Projekte, wie etwa das “Bildungsnetzwerk China”. Doch die privat-staatliche Zusammenarbeit in dem Netzwerk fährt derzeit herunter.
Das “Bildungsnetzwerk China” ist eine Gründung der Privatstiftung Mercator zusammen mit den Goethe-Instituten, die dem Auswärtigem Amt unterstellt sind. Das Bildungsnetzwerk will die Vermittlung von China-Kompetenzen an deutschen Schulen ausbauen. Auch Austauschprogramme unterstützt das Netzwerk. Seit 2014 sind sich nach eigenen Angaben durch den auch vom Goethe-Institut in Peking unterstütztem Schulpartnerschaftsfonds “fast 2.000 deutsche und chinesische Jugendliche begegnet”.
Doch diese Schulpartnerschaftsfonds laufen 2024 aus. Wie das Netzwerk auf seiner Webseite mitteilt, können “ab sofort keine neuen Anträge auf Förderung schulischer Austauschbegegnungen eingereicht werden”. Zur Begründung weist es lediglich darauf hin, dass die Stiftung Mercator als Mittelgeber “sich mit Blick auf außenpolitische Herausforderungen und die Rolle Europas in der Welt” neu ausrichte. Ersatz ist nicht in Sicht.
Immerhin: Standorte von Goethe-Instituten in China sind von der aktuellen Neuausrichtung nicht betroffen. Das Auswärtige Amt ist für den Betrieb der weltweiten Goethe-Institute zuständig, mit Deutschkursen und Kulturvermittlung. Es will im Zuge der neuen Ausrichtung einige Standorte, etwa in Frankreich, schließen. Das Goethe-Institut in Peking mit seinen Zweigstellen in anderen Städten des Landes bleiben also bestehen.
Was Hoffnung macht: Im Forschungsbereich will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stärker den sogenannten regionalen Ausbau der China-Kompetenz ausbauen. Seit Mitte 2021 gibt es “Regio-China”. Über dieses Förderprogramm sollen die Akteure in Deutschland, die in den vergangenen Jahren viel China-Kompetenz aufgebaut haben, ihr Wissen durch den Austausch untereinander stärker vertiefen und neue Formate aufbauen. “Wo bisher noch Wissen und Erfahrungen fehlen, sollen diese gemeinsam aufgebaut werden”, heißt es in der Förderbeschreibung.
Auf der Streichliste steht dagegen das Manager-Fortbildungsprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei handelt es sich um ein Instrument der Außenwirtschaftsförderung, das vor allem kleine und mittlere deutsche Unternehmen bei der Erschließung von Auslandsmärkten unterstützt. Auch dieses Programm werde generell “im Zuge der Neuausrichtung aller außenwirtschaftlichen Förderinstrumente neu aufgelegt”, bestätigte ein Ministeriumssprecher. Es werde künftig vor allem um Markterschließung mit dem Ziel der Diversifizierung und der Resilienz gehen: “Für das Zielland China wurde das Programm eingestellt”.
Das Auswärtige Amt verweist auf das BMBF, das künftig die China-Programme stärker bündeln soll. Dort beteuert man, dass zwar sehr wohl auch künftig Forschungskooperationen mit chinesischen Einrichtungen eingegangen werden sollen. Gleichzeitig wolle das Bundesforschungsministerium die Unterstützung von Kooperationen “mit besonderen Dual-Use-Risiken oder bei Kooperation mit Bereich Künstlicher Intelligenz, die womöglich zu Überwachungszwecken und Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden”, einstellen.
Beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gibt es in der Projektförderung und bei den Stipendien speziell zu China zwar bislang keine Streichungen. Aufgrund der restriktiven Corona-Politik war in den vergangenen Jahren die Vergabe von Stipendien nach China aber deutlich zurückgegangen.
2018, also vor der Pandemie, förderte der DAAD rund 3.200 Stipendien und Projekte. Im Jahr 2022 lag die Zahl bei nur noch bei 1.800. “Das betrifft aber die Umsetzung und nicht das grundsätzliche Angebot”, heißt es vom DAAD. Nachdem die Corona-Regeln auch in China ausgelaufen sind, gebe es eine leichte Erholung. “Das Interesse der deutschen Hochschulen an Kooperationen mit China ist weiterhin groß”, sagte DAAD-Sprecher Michael Flacke.
Laut dem DAAD gibt es allerdings bei den Hochschulen mit Blick auf China “eine gestiegene Unsicherheit”. Mit Geldern des Bundesforschungsministeriums werde daher das Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi) ausgebaut. Das BMBF unterstützt den Ausbau des Zentrums mit zusätzlich rund einer Million Euro pro Jahr.
Sorge bereitet dem DAAD die drastisch gesunkene Zahl an deutschen Studierenden in China im Zuge der Pandemie. 2019 zählte das chinesische Bildungsministerium noch 8.108 Studierende aus Deutschland, Ende 2022 waren der DAAD-Außenstelle Peking nur einige Handvoll deutscher Studierender in China bekannt. “Zwar konnte die Lehre mit Onlinekursen oftmals aufrechterhalten werden, aber der Aufenthalt im Gastland ist das Herzstück jedes Studierendenaustauschs”, sagt DAAD-Sprecher Flacke. Seit August 2022 können zwar wieder Visa für einen langfristigen Studienaufenthalt in China beantragt werden. Doch die Flüge sind weiterhin sehr teuer. Immerhin nimmt der DAAD in diesem Jahr wieder einen Anstieg der an China interessierten Studierenden wahr.
Besonders drastisch fallen die Streichungen des China-Engagements bei den Privatstiftungen aus. Robert-Bosch-Stiftung, Bertelsmann-Stiftung, Körber-Stiftung, Stiftung Mercator – sie alle hatten in den 2010er-Jahren umfangreiche China-Programme. Die Bosch-Stiftung war mit speziellen Austauschprogrammen für Journalisten, Lehrern und Juristen besonders engagiert. “Wir haben seit dem 2019 beendeten Strategieprozess all unsere Regionalprojekte auslaufen lassen“, teilte die Bosch-Stiftung auf Anfrage mit.
Im Thema Klimawandel habe die Stiftung zunächst noch eine chinesische NGO unterstützt. Aber auch diese Förderung sei beendet. Aktuell fördere die Bosch-Stiftung Programme nach Themen (Frieden, Demokratie, Einwanderungsgesellschaft, Migration, Klimawandel und Ungleichheit), aber nicht mehr nach Regionen, lautet die Begründung.
Die Stiftung Mercator, die unter anderem das berühmte China-Institut Merics maßgeblich finanziert, hat zwar zugesichert, einen Großteil der Finanzierung ab 2024 für weitere fünf Jahre zu übernehmen. Auslaufen wird aber die Förderung, für das dreimal durchgeführte, aber äußerst erfolgreiche Stipendium-Programm für 25 Studierende und Auszubildende aus den sogenannten MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Das Programm hat der ehrenamtlich geführte Verein Bildungsbrücke China-Deutschland e.V. entwickelt. Am 3. November findet zum vorläufigen Abschluss dieses Programms in Düsseldorf eine Tagung statt zu der Frage: Wege zu mehr Chinakompetenz im MINT-Bereich. Die Ergebnisse dieser Tagung sollen als Handlungsempfehlungen an die Politik weitergeleitet werden.
Und auch die Bertelsmann-Stiftung hat ihr China-Programm deutlich zurückgefahren. Sämtliche China- und asienbezogenen Aktivitäten der Stiftung wurden 2021 ins Programm “Souveränes Europa – Strategisches Management Globaler Verflechtung” eingegliedert. Ein eigenes Asien-Programm gibt es nicht mehr. Gab es vorher fünf Personen, die explizit zu Asien gearbeitet haben, davon zwei zu China, ist heute nur noch eine Person für die ganze Region zuständig.
Indre Bermann vom Verein Bildungsbrücke China-Deutschland e.V. und Initiatorin des MINT-Programms hat den Eindruck: Es werde wieder mehr über China gelernt als mit China. Der People-To-People-Ansatz gehe dabei verloren. “Das halte ich für sehr bedauerlich.”
1.-10. November 2023, Berlin
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7. November 2023,
Akademientag Was ist gerecht? – Gerechtigkeitsvorstellungen im globalen Vergleich Mehr
7.-9. November 2023, Berlin
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15.-17. November 2023, Bielefeld
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16. November 2023, Wilhelm Büchner Hochschule, Darmstadt
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16. November 2023, 17:00-18:30 Uhr, Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin und Online
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30. November 2023, 15:30-18:00 Uhr, Quadriga Forum, Werderscher Markt 15, 10117 Berlin
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In seiner Herbstsitzung in Saarbrücken beriet der Wissenschaftsrat über Perspektiven für die Weiterentwicklung der Gesundheitsfachberufe, die Souveränität und Sicherheit der Wissenschaft im digitalen Raum sowie die Zukunft der deutschen marinen Forschungsflotte.
Die Forschung und Disziplinenbildung in den Gesundheitsfachberufen komme nicht voran. Das ist eine der Botschaften des Wissenschaftsrates. Es gebe keine Herausbildung von Forschungsschwerpunkten. Und es fehle an wissenschaftlichem Nachwuchs, was auch mit daran liege, dass es nur wenige Masterstudiengänge gebe und wenig Promovierende. In der Pflege sei die Zahl der Studienanfänger gar zurückgegangen.
Gegenüber der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe bestünden Widerstände sowohl innerhalb der Fächer und eigener Berufsgruppen als auch von außen, schreibt der Wissenschaftsrat. Abgrenzungs- und Behauptungsprobleme gebe es besonders gegenüber der Medizin. Weiterhin werde der Nutzen der Akademisierung nicht von allen Akteuren erkannt, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anja Katrin Boßerhoff bei der Vorstellung der Papiere am gestrigen Montag.
Empfehlungen des Wissenschaftsrats
Die deutsche Meeresforschung verfügt aktuell über die regionalen Forschungsschiffe Alkor, Heincke und Elisabeth Mann Borgese, die seit über 30 Jahren im Einsatz sind. Der Wissenschaftsrat (WR) empfiehlt, künftig mindestens die gleiche Kapazität zur Verfügung zu stellen. Die bestehende Flotte soll durch – auf einem einheitlichen Entwurf basierende – Neubauten schrittweise ersetzen und weiterentwickelt werden. Das BMBF hatte den Wissenschaftsrat um Empfehlungen zur Weiterentwicklung der deutschen regionalen Forschungsflotte gebeten.
Der Wissenschaftsrat spricht sich für eine identische Grundplattform der neuen Schiffe aus, da so Entwurfskosten gespart werden können. Außerdem seien Erfahrungen von Schiff zu Schiff übertragbar. “Die neuen regionalen Forschungsschiffe müssen vor allen Dingen offen für Innovationen sein, um mit den Anforderungen der Zukunft Schritt halten zu können, etwa bei der Ausstattung für die Forschung oder beim Antrieb”, sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick.
Großgeräte wie Meeresbodenbohrer oder Tauchroboter werden in Deutschland von den großen Helmholtz-Zentren betrieben, aber auch von Forschenden anderer Einrichtungen genutzt. Um den Zugang zu den Geräten für alle Nutzenden gleichermaßen zu gewährleisten, rät der Wissenschaftsrat, die Einsatzkosten vorerst aus Projektmitteln zu decken. Längerfristig sollte ein gemeinsamer Fonds für die Finanzierung des Gerätebetriebs gegründet werden. Dieser soll als dritte Instanz zwischen Einrichtungen und Zuwendungsgebern fungieren.
Mit Blick auf die digitale Souveränität von Wissenschaftseinrichtungen drängt Wissenschaftsrats-Chef Wick auf eine schnelle Stärkung der Selbstbefähigung. “Der Zugang zu digitalen Diensten, Infrastrukturen und Daten ist essenziell für die Qualität der Forschung und die Überprüfbarkeit wissenschaftlicher Ergebnisse. Der Schutz vor Cyberangriffen wird immer wichtiger”, sagte Wolfgang Wick.
Empfehlungen des Wissenschaftsrats:
Gefragt nach der Finanzierung der benannten Maßnahmen verwies die Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Dorothea Wagner, darauf, dass diese in den Bereich der Daueraufgaben gehörten. Angesichts der aktuellen Finanzlage sei es unwahrscheinlich, dass es dafür zusätzliche Ressourcen gebe. Dies bedeute, dass eine Verschiebung der Prioritäten notwendig werde und es somit “weniger Mittel für andere Aufgaben gibt”. Diese Verschiebung der Prioritäten sei nicht allein bei den Hochschulen zu leisten, sondern auch bei den Fördermittelgebern. mw
Kurz nach der Einigung des Deal-Konsortiums mit Elsevier, steht auch die Verlängerung des Vertrags mit Wiley. Wie der Wissenschaftsverlag vergangene Woche bekannt gab, soll eine Fünfjahresvereinbarung getroffen werden, nachdem der 2019 geschlossene Vertrag zum Jahresende ausläuft. Die neue Vereinbarung wird Autoren an deutschen Institutionen weiterhin die Möglichkeit bieten, im gesamten Wiley-Portfolio Open Access zu publizieren. Mit eingeschlossen ist auch der Lesezugriff auf alle Wiley-Zeitschrifteninhalte.
Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und federführender Verhandler von Deal, zeigte sich zufrieden mit der Vereinbarung. Diese beinhalte “ein sehr gutes Opt-in-Angebot für Bibliotheken zur Bereitstellung von Open-Access-Publikationsdiensten für die deutsche Wissenschaftsgemeinschaft”. Deal habe damit sein Ziel erreicht, ein nachhaltiges Modell für deutsche Institutionen und Wiley zu finden.
Die Verhandlungsteams haben sich ebenfalls auf die finanziellen Rahmenbedingungen geeinigt. Diese orientieren sich wohl an den Vereinbarungen mit Elsevier. Details werden jedoch erst nach Unterzeichnung der endgültigen Vereinbarung Mitte November öffentlich. Kurz danach werden die Deal-Einrichtungen eingeladen, auf die neue Vereinbarung umzusteigen. Dann können sie weiterhin die Open-Access-Publikationsdienstleistungen und den Zugang zu Wileys Portfolio an wissenschaftlichen Zeitschriften nutzen.
Währenddessen dauern die Verhandlungen mit Springer Nature noch an. Ein Ergebnis wird aber noch in der laufenden Woche erwartet, heißt es aus Verhandlungskreisen. mw
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) haben anlässlich der bevorstehenden Beratungen zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Verfahren gezüchtet wurden, eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Diese unterstützt den von der Europäischen Kommission am 5. Juli vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken des Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen und sie somit vom Gentechnikrecht auszunehmen. Diese Gleichstellung basiert auf der Einschätzung, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) aufweisen wie konventionell gezüchtete Sorten und ein niedriges Risikoprofil haben.
Die Stellungnahme hebt hervor, dass laut Europäischem Gerichtshof und Europäischer Kommission das Vorsorgeprinzip nur bei wissenschaftlich begründetem Besorgnisanlass angewendet werden kann. Im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten fehle dieser Besorgnisanlass, da bisher veröffentlichte Studien keinerlei Hinweise auf ein höheres Risiko für Umwelt und Mensch gäben.
Laut DFG und Leopoldina wäre die Zulassung von genomisch veränderten Pflanzen auch vereinbar mit Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, da durch die NGT-1-Pflanzen weitestgehend auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden könne. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Entwurf der Kommission die Kennzeichnung als “Öko-” oder “Bio-” für Produkte, die absichtlich NGT-1-Pflanzen verwenden, nicht gestattet.
Kritik an der Stellungnahme äußert Tina Andres, Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Sie betont, dass der Einsatz von Gentechnik im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ökologischen Produktion stehe. Durch die Abschaffung der Risikoprüfung und Kennzeichnung von genomisch veränderten Pflanzen würde es unmöglich werden, diese von Produkten konventioneller Züchtung zu unterscheiden: “Während jedes Pflanzenmedikament oder jeder Kräuterextrakt, der Pflanzen schützen soll, vor einer EU-Zulassung richtigerweise auf Risiken geprüft werden muss, sollen gentechnisch veränderte Pflanzen völlig unkontrolliert in die Umwelt entlassen werden”, sagte Andres im Gespräch mit Table.Media.
Der Gesetzesentwurf zu genomischen Techniken in der Pflanzenzucht wird aktuell im Europaparlament beraten. kih
Anwendungen Künstlicher Intelligenz (KI) sollen künftig auch beim Klimaschutz helfen, doch Forscher warnen vor einem stark steigenden Energieverbrauch der KI-Rechenzentren. “Werkzeuge der KI verbrauchen viel Strom, und die Tendenz ist steigend”, sagte der Geschäftsführer des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam und Leiter des Fachgebiets Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit, Ralf Herbrich. Allein das Training eines einzigen KI-Modells sei mit aufwendigen Vorhersage-Berechnungen ein energieintensiver Prozess.
Der Datenwissenschaftler Alex de Vries aus Amsterdam vergleicht den Energieverbrauch durch die Nutzung einer Suchmaschine, die KI nutzt, mit dem ganzer Länder. Wissenschaftler und Internet-Konzerne arbeiten daran, den ökologischen Fußabdruck der KI zu verbessern. Das Thema Künstliche Intelligenz hatte unter anderem durch ChatGPT des kalifornischen Start-ups OpenAI große Aufmerksamkeit erfahren.
“Rechenzentren verbrauchen heute 4 bis 5 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs“, sagte Herbrich. Nehme man die Nutzung digitaler Technologien wie Laptops und Smartphones dazu, seien 8 Prozent erreicht. “Es gibt Schätzungen, dass der Verbrauch in den nächsten Jahren auf 30 Prozent ansteigen wird.” Der KI-Experte stellt den Vergleich mit einem Backofen an: Für das Training eines KI-Modells liefen Prozessoren hunderter Grafikkarten, die jeweils etwa 1000 Watt verbrauchten, für mehrere Wochen. “1000 Watt ist so viel wie ein Backofen.”
Die Forschung zielt laut Herbrich darauf ab, dass Berechnungen mit weniger Parametern und damit weniger Energieeinsatz gelingen können und zugleich die Genauigkeit der Vorhersagen nur minimal sinkt. Auch die Technologieunternehmen trieben die Forschung zu Energieeinsparungen bei KI voran. Es dauere aber einige Jahre, Lösungen zu entwickeln. dpa
Ein Querschnitt der legendären Mondrakete Saturn V zierte als Poster sein Kinderzimmer. Technikbegeistert ist Matthias Mayer, Leiter des Bereichs Wissenschaft der Körber-Stiftung Hamburg, geblieben. “Ich bin Naturwissenschaftler des Herzens”, erzählt der 61-Jährige im Restaurant des Berliner Futuriums. Mit seiner lichtdurchfluteten Architektur und dem offenen Foyer ist das Zukunftsmuseum ein Ort der Visionen. Auch Mayer beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Zukunftsvisionen. Bei diesen Visionen geht es um die Gesellschaft von morgen, um Innovationen und um technologischen Fortschritt: “Wir brauchen eine ernsthafte Debatte zwischen der Gesellschaft und der Wissenschaft darüber, in welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen und was die Rolle der Wissenschaft darin sein sollte”, sagt der Stiftungsmann.
Der Blick auf Mayers Biografie zeigt einen vielfach interessierten Menschen: Der gebürtige Pfälzer studierte Philosophie, Germanistik, Politik und Pädagogik an der Universität Konstanz und an der Freien Universität Berlin. Neben dem Studium organisierte er Jazzkonzerte. Im letzten Drittel seiner Promotion erhielt er das Angebot der Körber-Stiftung, den “Deutschen Studienpreis” zu betreuen. Der Grundgedanke dieses Wissenschaftspreises: Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu anzuregen, den gesellschaftlichen Wert der eigenen wissenschaftlichen Leistung herauszuheben.
Mayer brach seine Promotion ab und nahm die neue Herausforderung an. Er kam 1996 zur Körber-Stiftung, wo er seit 2008 den Wissenschaftsbereich leitet. In dieser Funktion verantwortet Mayer auch den “Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft“, der mit einer Million Euro zu den weltweit höchstdotierten Forschungspreisen zählt. Die diesjährige Preisverleihung im Hamburger Rathaus liegt noch nicht lang zurück. Mayer kann ein wenig durchatmen, bevor er mit der Planung für das kommende Jahr beginnt. An der großen Bedeutung dieses Preises lässt er aber keinen Zweifel: “Mit dem Körber-Preis wird die europäische Wissenschaftslandschaft vorangetrieben.”
Wenn man Matthias Mayer nach einer typischen Arbeitswoche fragt, dann sagt er, so etwas kenne er nicht. Jedes Projekt habe seine eigenen Anforderungen und Bedingungen, also eine eigene Charakteristik. Bei seiner täglichen Arbeit gehe es trotzdem viel um die Kommunikation nach außen: Mayer will ins Gespräch kommen mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, hinzu kommt das konzeptionelle Arbeiten: “Ich denke mir Dinge neu aus und überlege sie. Ich frage mich: Sind wir auf dem richtigen Weg – was könnte das Projekt von morgen sein?”
Je länger man sich mit Mayer unterhält, desto mehr reift die Erkenntnis: Sein Antrieb ist wohl vor allem die Begeisterung für den Geist der Wissenschaft. Das spürt man sofort, wenn Mayer erzählt, dass er sich “von der Archäologie bis hin zur Zahnmedizin” für alle Wissenschaftsbereiche interessiere und eigentlich an einer “Willkommenskultur für Ideen” arbeite. Die Entwicklung genau dieser Ideen-Willkommenskultur betrachtet er allerdings eher kritisch: “Eine Unvoreingenommenheit und eine grundsätzliche Bereitschaft, sich auf Expertenurteile einzulassen, hat auch bei uns in den letzten Jahren abgenommen.” Einen apokalyptischen Blick in die Zukunft lehnt Mayer trotzdem ab: Als “hoffnungslos überzeugter Aufklärer” glaubt er vielmehr an die “Kraft der Vernunft”. Gabriele Voßkühler
Norbert Huber ist seit Oktober neuer Vize-Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).
Juliane Huwe wurde am 18. Oktober 2023 vom Senat der Universität Greifswald zur Kanzlerin der Universität Greifswald gewählt.
Bernd Pietschmann erklärte mit Wirkung zum 31.10.23 seinen Rücktritt vom Amt des Rektors der FH Aachen aus familiären Gründen.
Pater Helmut Scharler wurde zum Präsidenten der Vinzenz Pallotti University in Vallendar gewählt.
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Freitag, 27. Oktober
Nina Stahr (Grüne), MdB im Forschungsausschuss, 41
Samstag, 28. Oktober
Jessica Rosenthal (SPD), MdB im Forschungsausschuss und Juso-Bundesvorsitzende, 30
Björn Alpermann – Professor und Xinjang-Forscher. Der Sinologe Björn Alpermann forscht an der Universität Würzburg unter anderem zu Xinjiang. Als 2017 und 2018 Berichte über Masseninhaftierungen in der nordwestlichen Provinz aufkamen, klangen diese für Alpermann so drastisch, dass er begann, sich intensiv mit der Region auseinanderzusetzen. Inzwischen gibt es ein europäisches Forschungsnetzwerk. Mehr
NKR-Chef Goebel über Bürokratieabbau: “Wir sind viel zu kompliziert”. Der Vorsitzende des Normenkontrollrats der Bundesregierung (NKR) hält angesichts einer überbordenden Bürokratie eine Staatsreform in Deutschland für dringend notwendig und fordert die Regierungskoalition auf, diese auf den Weg zu bringen. Im Interview mit Stefan Braun und Till Hoppe stellt Lutz Goebel klar: Wir müssen schneller werden. Mehr
BSW – Bündnis Sahra Wagenknecht, so soll die neue Partei der bisherigen Linken-Politikerin heißen. BSW steht aber auch für: Bettina Stark-Watzinger. Zu sehen etwa in dicken gelben Lettern auf ihrer Handtasche. Damit zeigt sich die Ministerin gerne in der Öffentlichkeit, auch auf Reisen wie zuletzt in Israel hatte sie die Tasche dabei. Es ist ein Geschenk ihres Mannes.
Ob Sahra Wagenknecht dadurch inspiriert wurde, ist nicht überliefert. Dass die beiden engeren Kontakt pflegen, ist angesichts der politischen Ausrichtungen jedoch eher unwahrscheinlich. Wir werden sehen, wer nun mit seinem Label erfolgreicher sein wird. Ein besonders gutes Omen ist es für Wagenknecht jedenfalls nicht. Die liberale BSW ist im aktuellen Regierungsmonitor des Spiegels nur auf dem drittletzten Platz aller Minister und Ministerinnen. Markus Weisskopf