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WissZeitVG: BMBF lädt nach Kritik zum Gespräch

Jens Brandenburg (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), möchte am nächsten Donnerstag im Ministerium über das WissZeitVG sprechen.
Bild von Tim Gabel

Nach der umfassenden Kritik an den Reformvorschlägen zum WissZeitVG hält das BMBF an seinem Plan fest, die Fertigstellung des Referentenentwurfs voranzutreiben: „Schon die bisherige Beteiligung der Stakeholder hat gezeigt, dass die Erwartungen zum Teil weit auseinandergehen. Wir haben die Beteiligten kurzfristig nochmals eingeladen, um die Debatte vor Fertigstellung des Referentenentwurfs fortzusetzen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber Table.Media.

Am Mittwoch hatte der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg auf Twitter bekannt gegeben, dass er „Vertreter/-innen der Gewerkschaften, Beschäftigteninitiativen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen“ zu einer Diskussionsrunde für Donnerstag, den 30. März, um 10 Uhr ins BMBF eingeladen hat. Er kündigte an, dass die Runde auch per Livestream übertragen wird. Den Link dazu will er vorher über Twitter bekannt geben. Die BMBF-Sprecherin wies darauf hin, dass das BMBF die Debatte zur Höchstdauer der Qualifizierungbefristungen in der Postdoc-Phase sehr ernst nehme.

Mau: „Kosmetik der Höchstbefristungsdauer reicht nicht“

Umgehende Kritik daran äußerte der Berliner Soziologe Steffen Mau im Gespräch mit Table.Media. Mau hatte sich an der Initiative der Wissenschaftlerin Paula-Irene Villa-Braslavsky beteiligt. Rund 2.000 Professorinnen und Professoren hatten bereits wenige Tage nach Veröffentlichung der Reformvorschläge eine Petition gegen das Eckpunktepapier des BMBF zum WissZeitVG unterschrieben. Sie zeigten sich mit der Initiative #IchbinHanna solidarisch, die für bessere Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in der Wissenschaft eintritt.

Nach den umfassenden Protesten sei das BMBF gezwungen, nicht mehr mit marginalen Änderungen zurückzukommen, sondern die politische Fantasie anzustrengen, sagte Mau. „Wenn man es dennoch nur mit Kosmetik der Höchstbefristungsdauer versucht, reicht das meiner Ansicht nach nicht mehr aus. Es gibt die Chance zu zeigen, dass man tatsächlich eine ,Zukunftskoalition‘ ist und sich Reformen zutraut. Diese Chance sollte man auch ergreifen“, erklärte der Wissenschaftler. Im Interview mit Table.Media schlägt Mau vor, den Wissenschaftsrat mit der weiteren Organisation der Reform zu betrauen.

HRK will den Referentenentwurf des BMBF abwarten

Die „recht oberflächliche“ und „nicht gerade mutige Reform-Idee der Ampel“ werde so nicht funktionieren, meint auch Amrei Bahr, Mitbegründerin der Initiative #IchbinHanna. „Die Reaktionen und das schnelle Eingeständnis des BMBF zeigen aus meiner Sicht, dass wir ein sehr viel grundlegenderes Nachdenken darüber brauchen, wie so ein Gesetz und damit eben auch das ganze Wissenschaftssystem gestaltet werden kann. Da muss man jetzt einfach mal an die Fundamente ran.“

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wolle zunächst den Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens und etwaige Erklärungen des BMBF und der parlamentarischen Berichterstatter abwarten, sagte ein Sprecher. Eine vertiefte fachliche Diskussion zur geplanten WissZeitVG-Novellierung sei erst auf Basis des angekündigten Referentenentwurfs möglich. Zuvor hatte der Senat der HRK die BMBF-Eckpunkte in seiner Sitzung am Dienstag eingehend diskutiert. Dabei stießen einige der vom BMBF vorgelegten Eckpunkte, unter anderem „die deutlich zu kurze Befristungsmöglichkeit in der Postdoc-Phase“ und „der generelle Vorrang der Qualifizierungsbefristung im Drittmittelbereich“ im HRK-Senat auf deutliche Kritik.

Parlamentarier: Gesprächsbereit, aber mit Verweis an Länder

Sonja Staack, Hochschulexpertin der Gewerkschaft ver.di, findet es entscheidend, dass die Betroffenen jetzt selbst mit an den Tisch kommen: „Wir erwarten, dass ihr Frust über das Befristungsunwesen und ihre Zukunftsängste ernst genommen werden, und dass mit dem Gesetzentwurf der ernsthafte Versuch unternommen wird, die Berufswege in die Wissenschaft zu verändern„, sagte Staack.

Vonseiten der an der koalitionsinternen Debatte zum Eckpunktepapier beteiligten Parlamentarier gibt man sich gesprächsbereit: „Sie dürfen darauf vertrauen, dass wir die Rückmeldungen der Beschäftigten im Mittelbau sehr ernst nehmen“, sagte Carolin Wagner (SPD), Mitglied des Forschungsausschusses. Seit Sonntagabend sei sie auf Basis der Eckpunkte erneut im Gespräch „mit verschiedenen Seiten“ und werde dies auch weiter so handhaben.

Stephan Seiter: „Ich habe von Beginn an gewarnt“

Auch Nina Stahr, forschungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, begrüßt, dass das BMBF in Sachen WissZeitVG noch einmal gezielt in den Dialog gehen will. „Eine Reform des WissZeitVG kann nicht alle Probleme im Arbeitsfeld Wissenschaft allein lösen. Dafür braucht es flankierende Maßnahmen, die es nur gibt, wenn das BMBF in einen guten Austausch mit den Ländern geht und alle Ebenen sich ihrer Verantwortung bewusst sind“, erklärte Stahr.

Ihr Ausschuss-Kollege Stephan Seiter (FDP), der ebenfalls an der Regierungsdebatte zu den Reformvorschlägen beteiligt war, weist darauf hin, dass er seit Beginn der Diskussion vor der Druckerhöhung im Postdoc gewarnt habe. „Ich befürchte, dass die Verkürzung der Befristungsdauer, ohne ergänzende Maßnahmen der Länder in der Postdoc-Gestaltung, großen Zeitdruck auslösen kann„, sagte er gegenüber Table.Media. Die Reaktionen seien teils aber auch einer „übertriebenen Erwartungshaltung an die Wirkung des WissZeitVG“ geschuldet.

Union wirft Regierung unprofessionelles Vorgehen vor

Dass die BMBF-Staatssekretärin Sabine Döring noch am Sonntag über Twitter das Eckpunktepapier wieder in die „Montagehalle“ zurückgezogen hat – knapp 48 Stunden nach dessen Veröffentlichung – darüber gibt sich auch die Opposition irritiert: „Die Bundesbildungsministerin ist verreist und alle fragen sich, wie es jetzt weitergeht“, sagt Thomas Jarzombek, forschungspolitischer Sprecher der Union-Bundestagsfraktion. Ein professionelles Vorgehen der Bundesregierung sehe anders aus. „Die Bundesbildungsministerin fordere ich auf, im Sinne aller Betroffenen jetzt schnell für Klarheit über das weitere Verfahren zu sorgen.“

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