Viktor Orbán ist wieder eine Überraschung gelungen: Am frühen Montagmorgen tauchte er in Peking auf. Er war von Russland nach China weitergereist und hatte allein dadurch schon ein Zeichen gesetzt. Schließlich reiste er entlang der Achse der Alliierten gegen eine freie Ukraine in ihren ursprünglichen Grenzen.
Orbán wird durch den Alleingang erneut seinem Image als EU-Schreck gerecht. Indem er mit einer Friedensagenda kommt, die vor allem auf russische Bedürfnisse eingeht, unterläuft er die Bemühungen einer langen Reihe von EU-Vertretern, die in Peking die immer gleiche Botschaft vorgetragen haben: Die territoriale Integrität der Ukraine ist ein europäisches Kerninteresse. Orbán zeigt stattdessen wieder einmal, wie gespalten die EU in Wirklichkeit ist, schreibt Michael Radunski.
Derweil laufen in der KP die Vorbereitungen für ein entscheidendes Treffen des Zentralkomitees, also des wichtigsten Gremiums der mächtigsten Partei auf dem Planeten. Bei diesem Dritten Plenum geht es um Wirtschaftsfragen und damit um Weichenstellungen, die auch für Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft entscheidend sind. Christiane Kühl beschreibt, welche Positionen vorab in der Partei konkurrieren – und wie sich Xi als Alleinherrscher am Ende vermutlich entscheiden wird.
Viktor Orbán ist auf einer “Friedensmission 3.0”. So nannte Ungarns Ministerpräsident seine Reise nach China am Montag. Im Gästehaus Diaoyutai traf er Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Vor seiner China-Reise war Orbán nach Kiew und Moskau gereist.
Und so scheint es, als würde Viktor Orbán alles richtig machen: Gespräche führen mit den direkten Kriegsparteien, dazu mit Russlands wichtigstem Verbündeten China. Aber Orbáns China-Reise offenbart vor allem drei grundlegende Probleme:
Entsprechend gibt es von Orbáns Reisediplomatie auch keine konkreten Vorschläge. Vielmehr zündete Xi lediglich rhetorische Nebelkerzen. So hat er sich am Montag abermals für einen Waffenstillstand mit anschließenden Verhandlungen ausgesprochen. Die Lage in der Ukraine müsse so weit wie möglich abgekühlt werden. Wie genau dies geschehen soll oder welche Schritte Peking selbst unternehmen könnte, sagte Xi leider nicht. Sein Rezept: Es brauche “positive Energie”.
Dabei ist Orbáns Analyse richtig. “Die Zahl der Länder, die mit beiden Kriegsparteien reden können, nimmt ab”, sagt er. “Ungarn wird langsam zum einzigen Land in Europa, das mit allen reden kann.” Vor wenigen Tagen hat Ungarn die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Hinzu kommt, dass neben der Ukraine und Russland auch China als wichtigster Partner von Wladimir Putin einbezogen werden muss.
Doch schon in Russland wurde klar, dass es in Moskau wie in Peking weniger um Frieden und mehr um Propaganda geht. Orbán sei als Spitzenvertreter des Europäischen Rates nach Moskau gekommen, interpretierte Wladimir Putin entsprechend. Mehrere ranghohe europäische Beamte wiesen deshalb darauf hin, dass Orbán nicht für die EU spreche, sondern lediglich eine Diskussion über bilaterale Beziehungen führen könne. Seine Besuche in der Ukraine, Russland und China wurden nicht innerhalb der EU abgesprochen.
In Peking ein ähnliches Bild: Dort wird erst gar nicht von Krieg gesprochen, sondern nach wie vor von einer Krise in der Ukraine – eine Wortwahl, die abermals zeigt, wie Peking wirklich denkt über den brutalen russischen Angriffskrieg mit unzähligen Toten auf beiden Seiten. Auf der chinesischen Internetseite von CCTV zeigt sich ein deutlich anderer Schwerpunkt der Gespräche: die hervorragenden chinesisch-ungarischen Beziehungen, die zuletzt in die neue Ära einer “umfassenden strategischen Partnerschaft für alle Wetterlagen” aufgewertet wurde (我们宣布将中匈关系提升为新时代全天候全面战略伙伴关系).
Doch wie steht es um Chinas Friedensbemühungen in der Ukraine? Eher mau. Offiziell gibt sich China zwar neutral. Aber chinesische Zolldaten, amerikanische Geheimdienstinformationen und Funde auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zeigen, wie sehr China die russische Kriegsmaschinerie unterstützt.
Erst kürzlich bekräftige Xi, China werde Russland fest unterstützen bei Angelegenheiten, die seine Kerninteressen betreffen – und nichts anderes ist Putins Obsession mit der Ukraine. Eine Lösung müsse berechtigte Sicherheitsbedenken beachten, meint Xi – eine von Putins Begründungen für den russischen Angriff. Ziel sei die Gestaltung einer neuen, ausgewogenen, effektiven und nachhaltigen Sicherheitsarchitektur, sagt er.
Mehr noch: Zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass chinesische Truppen Mitte Juli an Militärübungen in Weißrussland teilnehmen werden. Das teilte das chinesische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Kleine Erinnerung: Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko gewährte Putins Truppen freien Zugang, um die Ukraine auch von Norden aus angreifen zu können.
Statt Frieden verfolgt Peking ein viel größeres Ziel: die Spaltung des Westens. Und so war es kein Zufall, dass sich Orbán und Xi just einen Tag vor dem anstehenden Nato-Gipfel in Washington trafen. Denn dort werden US-Präsident Joe Biden und die andere Staats- und Regierungschefs wahrscheinlich weitere Unterstützung für die Ukraine beschließen in ihrem Kampf gegen die russische Invasion. Und: Die Nato plane in ihrem Gipfelkommuniqué, China für seine Unterstützung der russischen Invasion in der Ukraine zu kritisieren, heißt es aus Diplomatenkreisen.
China weist jegliche Kritik zurück – und sieht die Schuld stattdessen im Westen. Die Nato “glaubt blind an den Einsatz von Gewalt, hält an der Mentalität des Kalten Krieges fest und schafft Blockkonfrontationen, die die wahre Bedrohung für Frieden und Stabilität in der Region und der Welt darstellen”.
In Washington wie auch in Brüssel wird deutlich, wie wichtig eine gemeinsame Haltung in diesem Krieg ist. Und hier wird Viktor Orbán plötzlich ganz wichtig für die Führung in Peking. So sagte Xi am Montag: Es ist zu hoffen, dass Ungarn als rotierender EU-Ratsvorsitz eine positive Rolle bei der Förderung der Beziehungen zwischen China und der EU spielen wird.
Denn Orbán hat sein Land zu einem chinesischen Aktivposten innerhalb der EU geformt, den Peking mehr denn je benötigt. Während Brüssel auf De-Risking setzt, steht Budapest fest an Pekings Seite. Es ist Ungarn, das immer wieder gegen EU-Vorschläge sein Veto einlegt, in denen China wegen Menschenrechtsverletzungen oder in Bezug auf Hongkong oder Taiwan verurteilt wurde. Einer Berechnung des Budapester Online-Portals valaszonline.hu zufolge kamen in den vergangenen sechs Jahren etwa 60 Prozent der Vetos gegen Russland oder China aus Ungarn. Vor diesem Hintergrund erscheint Orbáns Friedensmission 3.0 leider in einem anderen Licht.
Lange erwartet steht das überfällige Dritte Plenum des derzeitigen 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas nun vor der Tür. Es stellt traditionell die Weichen für die Wirtschaftspolitik der kommenden fünf Jahre.
Die KP hat mitgeteilt, dass das Dritte Plenum am 15. Juli beginnen soll. Ein Plenum ist in der Sprache der Partei ein Treffen aller Mitglieder des Zentralkomitees. Derzeit hat das 20. Zentralkomitee seit Parteigründung mit seinen 367 Mitgliedern das Sagen. Bisherige Äußerungen aus der KP weisen darauf hin, dass wieder einmal eine “Vertiefung umfassender Reformen zur Förderung der chinesischen Modernisierung” beschlossen werden soll.
Diese Formel weist eher auf eine Fortsetzung der bisherigen Politik hin als auf einen grundlegenden Wandel. Parteichef Xi Jinping verwendet sie schon seit Jahren. Es gibt in der KP bereits eine eigene Kommission mit diesem Ziel, die Xi selbst gegründet hat und der er vorsitzt.
So sagt der Titel des wichtigsten KP-Treffens zur Wirtschaft seit vielen Jahren zunächst erstmal wenig aus. Offiziell wird die Agenda erst auf der Plenarsitzung enthüllt und voraussichtlich eine Menge Parteisprech wie “hochwertige Entwicklung” und “neue Produktivkräfte” enthalten. Manche der Dritten Plenen der Vergangenheit haben gewaltige Veränderungen angestoßen, etwa den Beginn der Öffnungspolitik unter Reformpatriarch Deng Xiaoping. Etwas Ähnliches könnte die angeschlagene chinesische Wirtschaft auch heute gebrauchen.
Eine Fortsetzung der bisherigen Wirtschaftspolitik bedeutet: Der Fokus bleibt bei höheren Ausgaben für neue Fabriken und damit noch höhere Herstellungskapazitäten. Denn bislang setzt Xi zur Stützung der Wirtschaft auf eine Angebotspolitik: Förderung von Firmen und Investitionen – und nicht auf die gezielte Ankurbelung des Konsums und damit der Nachfrageseite. Xi lehnt trotz all seiner kommunistischen Propaganda direkte staatliche Hilfszahlungen an die Bürger ab.
Das mag auch an seinen Beratern liegen: Chinas heute hochrangige Ökonomen seien von dem Studium neoliberaler westlicher Angebotspolitik in der Ära Ronald Reagans und Margaret Thatchers geprägt, räumte der Ökonomieprofessor Li Dekui von der Tsinghua-Universität im Juni bei einer Veranstaltung ein. “Wir wurden angehalten zu sagen, die Regierung sollte hart an der Angebotsseite arbeiten und sich keine Sorgen über die Nachfrageseite machen. Zu viel Sozialhilfe werde den Enthusiasmus der Bevölkerung für harte Arbeit abtöten. Ich glaube, wir haben uns damit geirrt.” Li spricht sich nun etwa für Erleichterungen beim Wohnungskauf oder eine konsumorientierte Lokalpolitik aus. Er plädiert also für einen Wechsel in der Wirtschaftspolitik.
Auch andere Berater schwenkten um. Chinesische Ökonomen, KP-Funktionäre und die beratende Konsultativkonferenz (CPPCC) fordern in verschiedenen Bereichen einen Politikwechsel hin zu mehr Nachfrageorientierung. Einige wünschen sich Steuerreformen, um den klammen Lokalverwaltungen mehr Spielraum zu geben und eine konsumorientierte Lokalpolitik.
Andere haben Vorschläge für eine bessere Krankenversicherung. Manche fordern eine echte Reform des Hukou-Systems, das Wanderarbeiter in den Städten noch immer von vielen öffentlichen Dienstleistungen ausschließt. All das würde es den Verbrauchern ermöglichen, mehr auszugeben und weniger zu sparen. Das wäre wichtig, denn das Konsumentenvertrauen hat sich von der Pandemie bislang kaum erholt.
Han Wenxiu, stellvertretender Direktor des Büros für zentrale Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten, schrieb Mitte Juni im ZK-Magazin Qiushi auf, was er vom Dritten Plenum erwartet. Zichen Wang vom Center for China and Globalization in seinem englischsprachigen Blog Pekingnology übersetzte den viel beachteten Text – denn er hält ihn trotz der vielen Parteiklauseln für spannend, weil Han die Wirtschaftspolitik mitgestaltet und dicht dran ist an den Entscheidern.
Bei Han aber rangiert die Nachfragepolitik nur auf Rang fünf von sechs wichtigen Punkten für das Dritte Plenum:
Inwieweit diese Punkte tatsächlich die Pläne der KP wiedergeben und im Abschluss-Kommuniqué des Dritten Plenums berücksichtigt werden, ist trotz der Nähe Hans zur Zentralregierung natürlich unklar.
Yao Yang, Direktor des China Center for Economic Research (CCER) an der Peking-Universität, geht jedenfalls nicht von einem neuen Reformschub aus. “Die wichtigsten Reformen in China wurden in den 1990-er Jahren abgeschlossen”, sagte er in einer Rede. “Was wir jetzt tun müssen, ist nicht, weitere Reformen einzuleiten, sondern die Errungenschaften der Reformen der 1990-er Jahre zu konsolidieren.”
Tatsächlich erodiert die Parteispitze unter Xi derzeit viele Liberalisierungsschritte der Reformära. Manche Experten fordern daher wieder mehr Vertrauen in den Markt, damit die Privatfirmen wieder aktiver werden. Diese leiden unter immer neuen Regeln, Umwälzungen oder der Vorschrift, KP-Zellen in ihr Unternehmen zu integrieren. Auch die Privatfirmen selbst wünschen sich marktorientierte Reformen. Yao erwartet vom Dritten Plenum die Bekanntgabe wirtschaftlicher Ziele für 2035.
Der Chef des niederländischen Chip-Herstellers ASML hat ein Ende der Sanktionen gegen China gefordert. Im Interview mit dem Handelsblatt sagte Christophe Fouquet, in China würden Chips produziert, die im Westen dringend benötigt würden. “Es macht keinen Sinn, jemanden davon abzuhalten, etwas zu produzieren, das du brauchst.” Bei russischem Gas hätte man verstanden, dass man sich vorher Alternativen erschließen müsse, bei Chips jedoch offenbar nicht. ASML ist führend in der Technologie, mit der sich die fortschrittlichsten Halbleiter der Welt produzieren lassen.
Geopolitisch ist Fouquets Haltung hochbrisant. Die USA drängen auf immer strengere Exportrestriktionen in der Chipindustrie gegenüber China. Die US-Regierung will, dass noch mehr Anlagen für die Chipherstellung nicht mehr in das Land geliefert werden dürfen. Bisher betreffen die Sanktionen nur Maschinen für die teuren Spezialchips. Dieser Initiative schlossen sich auch Japan und die Niederlande an, wo ASML seinen Sitz hat. Die USA haben zudem versucht, ASML daran zu hindern, seine bereits an chinesische Kunden verkauften Geräte zu warten. Nun stellt sich Fouquet offen gegen die US-Politik. Auch der ehemalige ASML-Vorstandschef, Peter Wennink, sieht in solchen geopolitischen Überlegenheiten ein Problem.
Wie die Politik stattdessen agieren sollte, ist laut Fouquet klar: “Wir empfehlen den Regierungen dann, eigene Werke aufzubauen. Denn es geht nicht, China die Fertigung zu erschweren und selbst keine Alternativen zu schaffen.” rad
Chinesische Beamte wirtschaften exponentiell in die eigene Tasche. Das hat eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim in Zusammenarbeit mit der City University New York ergeben. Demnach würden die Beamten durchschnittlich die acht- bis vierzehnfache Summe ihres regulären Gehalts durch Korruption verdienen. Je höher ein Beamter in der Verwaltungs-Hierarchie angesiedelt ist, desto höher ist auch die Summe, die er auf illegale Weise dazuverdient.
Regulär gehören nur sieben Prozent der korrupten Beamten/-innen zum obersten Einkommens-Prozent im städtischen China. Rechnet man das illegale Einkommen hinzu, wären es aber 91 Prozent dieser Gruppe. Die bereits ergriffenen weitreichenden Maßnahmen Chinas mit 3,7 Millionen Bestrafungen hemmen Korruption allerdings systematisch, heißt es seitens des ZEW. Die Analyse habe auch gezeigt, dass Korruption mit steigendem Bildungsniveau, Hierarchieebene und Mitgliedschaftsdauer in der Kommunistischen Partei Chinas zunimmt.
Die Studie untersucht die Zusammenhänge, unter denen Korruption in China stattfindet und berechnet ihre Auswirkungen sowohl auf die Ungleichheit im Land als auch auf die Einkommen der korrupten Beamten. Erstmals kann dadurch der Einfluss von Korruption auf die Einkommensverteilung geschätzt werden. Die Berechnung basiert auf einem Datensatz mit 1.451 Verurteilungen wegen Korruption zwischen 2012 und 2021. Die Daten stammen von der Zentralen Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei, die seit 2012 die Korruptionsfälle seit 2012 genau dokumentiert, um den Effekt der staatlichen Anti-Korruptions-Kampagne aufzuzeigen. grz
Europas Botschafter in China hat der Volksrepublik vorgeworfen, den Austausch mit der Europäischen Union aktiv zu erschweren. Bei einer Rede auf dem Weltfriedensforum in Peking am Sonntag stellte EU-Botschafter Jorge Toledo Albiñana fest, dass sich der zwischenmenschliche Austausch zwischen China und dem Block seit der Pandemie nicht erholt habe. Im Gegenteil sei der Austausch “sehr weit” vom Niveau vor der Pandemie entfernt, sagte Toledo einem Bericht der South China Morning Post zufolge.
“Wir dachten, wenn die Covid-Beschränkungen vorbei sind, können wir uns wieder ungehindert mit chinesischen Professoren, chinesischen Studenten und chinesischen Thinktanks treffen.” Doch das Gegenteil sei der Fall. “Nein, das können wir nicht. Sie alle brauchen eine Genehmigung, um sich mit uns zu treffen, und manchmal bekommen wir die Genehmigungen nicht.”
Der EU-Botschafter bestätigte damit die Meinung von Nicholas Burns, dem US-Gesandten in China. Burns hatte vergangenen Monat kritisiert, dass China den zwischenmenschlichen Austausch “unmöglich” mache, unter anderem, indem es chinesische Staatsbürger daran hindere, an amerikanischen Regierungsprogrammen teilzunehmen. Laut Burns hätten chinesische Beamte seit November in 61 öffentliche Veranstaltungen eingegriffen, die von der US-Botschaft in Peking organisiert wurden. rad
Japan und die Philippinen wollen in den Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer enger zusammenarbeiten. Dafür haben die Regierungen ein wichtiges Verteidigungsabkommen unterzeichnet. Es soll beiden Ländern ermöglichen, wechselseitig Truppen für gemeinsame Militärübungen zu entsenden.
Es ist eine bemerkenswerte Annäherung, die Beziehungen der beiden Staaten ist historisch belastet. Die Philippinen standen im Zweiten Weltkrieg unter japanischer Besatzung. Inzwischen setzt man jedoch auf eine verstärkte Allianz mit Tokio, um auf die Bedrohung durch China zu reagieren, das immer robuster seinen Machtanspruch in der Region vertritt.
Vor allem zwischen den Philippinen und China hat sich der Konflikt im Südchinesischen Meer zuletzt dramatisch zugespitzt. Gleich an drei Riffen droht eine bewaffnete Auseinandersetzung. Die Folge: Auf den Philippinen unterstützt eine Mehrheit der Bevölkerung inzwischen sogar militärische Maßnahmen, um einer Bedrohung durch China im Südchinesischen Meer entgegenzuwirken. rad
Die Autoverkäufe in China sind trotz staatlicher Anreize weiter gesunken. Der Absatz ging im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 Prozent auf 1,78 Millionen Fahrzeuge zurück, teilte der Branchenverband China Passenger Car Association (CPCA) am Montag mit. Damit schrumpfen die chinesischen Autoverkäufe den dritten Monat in Folge.
Die seit 2023 entfachte Preisschlacht auf dem weltgrößten Fahrzeugmarkt hatte zunächst die Verkaufszahlen angekurbelt, doch auch die staatlichen Subventionen für einen Fahrzeugtausch konnten eine abflauende Dynamik in den vergangenen Monaten nicht aufhalten. Zwar wurden im Juni 9,9 Prozent mehr E-Autos in der Volksrepublik verkauft – im Mai waren es aber noch 27,4 Prozent gewesen.
Kräftige Zuwächse verbuchten dagegen Fahrzeuge mit klimaschonendem Antrieb, sogenannte New Energy Vehicles (NEV). In dieser Kategorie zog der Absatz um 67,2 Prozent an, nachdem bereits im Vormonat ein Plus von 61,1 Prozent zu Buche schlug. Auch die chinesischen Exportzahlen stiegen um 28 Prozent – ein Trend, der sich wegen der Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos in der EU jedoch abschwächen könnte. rtr
Elf Paraden haben aus Hassan Sunny in China einen Fußballgott gemacht. Der Torhüter von Singapurs Nationalmannschaft hatte im WM-Qualifikationsspiel gegen Thailand zwar auch eine 1:3-Niederlage seiner Mannschaft nicht verhindern können. Doch nur weil er mit seinen überragenden Reflexen eine höhere Niederlage abwendete, behaupteten die Chinesen in der Abschlusstabelle den zweiten Platz vor den Thailändern. Dadurch zog China in die Finalrunde der Qualifikation ein und kann weiterhin auf die zweite WM-Teilnahme nach 2002 hoffen.
Entsprechend groß war die Freude im fußballbegeisterten China. Überschwänglicher Dank prasselte auf Hassan Sunny ein. In den sozialen Medien überschlugen sich die Emotionen. Die Tatsache, dass ein Torwart bis zur letzten Sekunde wie eine Löwenmutter für ihren Nachwuchs kämpfte und sich gegen ein weiteres Gegentor stemmte, obwohl das Spiel für seine Mannschaft nur noch statistische Bedeutung besaß, wurde in der Volksrepublik als Akt menschlicher Größe und Güte gefeiert.
Schnell machte im Internet die Runde, dass die Familie des 40-Jährigen in Singapur das kleine Restaurant Dapur Hassan in einem Hawker-Foodcenter betreibt. Der Stand avancierte daraufhin zum Magneten für chinesische Touristen und Auslandschinesen. Alle wollten ein Foto und der Familie des Torwarts ihren Dank ausdrücken. Tagelang bildeten sich lange Schlangen von chinesischen Gästen vor dem Tresen – vordergründig, um ihren Hunger zu stillen, aber eigentlich, um etwas von dem zurückzugeben, was ihnen Sunny Hassan an Freude beschert hatte.
Irgendwer kam dann auf die Idee, den QR-Code des digitalen Alipay-Kontos von Dapur Hassan über chinesische soziale Medien zu verbreiten. Und weil der Fußball derart große Gefühle freisetzt, verspürten zahlreiche Fans das dringende Bedürfnis, Sunny Hassan auch aus der Ferne ihre Dankbarkeit zu vermitteln und überwiesen als Gegenleistung Geld auf das Konto des Familienbetriebs.
Die Sache nahm eine solche Dynamik an, dass der Torhüter sich nach einigen Tagen gezwungen sah, öffentlich auf ein Ende der Spendenaktion zu drängen. “Eine Zeit lang hat es mir Spaß gemacht. Ich dachte, okay, das Geld kommt rein. Aber dann habe ich mich gefragt: Wann hört das auf? Ist das legal?”, sagte Sunny zu Channel News Asia (CNA). “Besorgte Menschen”, wie er sie nennt, hätten ihm geraten, “sich von all dem fernzuhalten, um Missverständnisse zu vermeiden”. Zudem waren auch Betrüger auf den Zug aufgesprungen und hatten falsche QR-Codes verbreitet, um sich die Zahlungen unter den Nagel zu reißen.
Es ist nicht offiziell kolportiert, wie groß die Summe war, die aus China floss. Es kursiert eine Zahl in Höhe von mehreren Millionen Euro. Ob das wirklich stimmt, ist nicht klar. Hassan selbst hatte anfänglich davon gesprochen, einen Teil sparen und einen anderen Teil in die Vergrößerung des Restaurants investieren zu wollen. Inzwischen hat er angekündigt, die gesamte Summe für gute Zwecke spenden zu wollen.
Finanziell wird sich seine gute Leistung so oder so auszahlen. Ein global operierendes Finanzunternehmen aus Singapur setzte den Torwart sogleich in ein Flugzeug nach Shanghai, um ihn dort den chinesischen Fans und Medien persönlich und exklusiv präsentieren zu können. Sicherlich nicht ohne Gegenleistung.
Auch die Kryptowährungsbörse HTX schnappte zu und machte Sunny zu ihrem Beauftragten für Sicherheitsfragen. Der Posten mag eine kurzfristige Erfindung sein. Aber HTX erhofft sich einen schnellen Imagegewinn durch Sunnys Engagement – vor allem in Asien, wo ein großer Markt für digitale Währungen lauert. Das Konzept liegt auf der Hand: sicherer Torhüter gleich sichere Kryptobörse. “So wie Sunny sein Tor auf dem Spielfeld furchtlos verteidigt, so setzt sich HTX mit derselben Entschlossenheit dafür ein, das Vermögen jedes Nutzers zu schützen”, vermarktet das Unternehmen die Zusammenarbeit.
Wenn die Fußball-Experten recht behalten, dürfte der Hype um Hassan Sunny in China jedoch in einigen Monaten schon wieder beendet sein. Dann nämlich, wenn die Kicker aus der Volksrepublik auf der Zielgeraden zur WM doch noch scheitern, was allgemein erwartet wird. Dann wird Hassan Sunny nur noch eine schöne Erinnerung an die Zeit sein, als der Traum noch lebte. Marcel Grzanna
Fanny Huang wird Head des Taiwan & China Representative Office der DHL Supply Chain. Huang kam 2018 als Director of Strategic Deal Management zu dem Logistik-Unternehmen und hat anschließend den Bereich DHL Summit Solutions auf den Philippinen aufgebaut.
Hailin Xu wird CEO der Saurer Gruppe. Xu kam 2018 als Senior Vice President und Managing Director zu dem Schweizer Hersteller von Textilmaschinen und Fahrzeuggetrieben. Bevor er zu Saurer kam, arbeitete der an der Tsinghua-Universität ausgebildete Chemie-Ingenieur von 2008 bis 2018 für die ABB-Gruppe in der Schweiz als Vice President of Global Supply Chain.
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Bis vor Kurzem war der hohe Nordosten Chinas nicht wirklich angesagt bei Touristen: Dank der langen und eisigen Winter, und der vielen Schwerindustrieanlagen aus den Zeiten, als Stalin die Volksrepublik noch wirtschaftlich unterstützte. Heute hat sich der Trend gewendet. Denn seit mit dem Klimawandel die Sommermonate im Süden und Osten Chinas so unerträglich schwül und heiß geworden sind, kommen immer mehr Reisende in die Provinz Heilongjiang. Sie suchen kühlende Erholung im Nordosten Chinas.
Gemeinden wie hier auf dem Foto die Stadt Mohe putzen sich entsprechend heraus. Dabei kann es auch in Heilongjiang im Sommer über 30 Grad heiß werden. Aber das ist immer noch erträglicher als das, was die Daheimgebliebenen in Hangzhou, Shanghai oder Shenzhen in diesen Tagen bei über 40 Grad und extrem hoher Luftfeuchtigkeit aushalten müssen.
Viktor Orbán ist wieder eine Überraschung gelungen: Am frühen Montagmorgen tauchte er in Peking auf. Er war von Russland nach China weitergereist und hatte allein dadurch schon ein Zeichen gesetzt. Schließlich reiste er entlang der Achse der Alliierten gegen eine freie Ukraine in ihren ursprünglichen Grenzen.
Orbán wird durch den Alleingang erneut seinem Image als EU-Schreck gerecht. Indem er mit einer Friedensagenda kommt, die vor allem auf russische Bedürfnisse eingeht, unterläuft er die Bemühungen einer langen Reihe von EU-Vertretern, die in Peking die immer gleiche Botschaft vorgetragen haben: Die territoriale Integrität der Ukraine ist ein europäisches Kerninteresse. Orbán zeigt stattdessen wieder einmal, wie gespalten die EU in Wirklichkeit ist, schreibt Michael Radunski.
Derweil laufen in der KP die Vorbereitungen für ein entscheidendes Treffen des Zentralkomitees, also des wichtigsten Gremiums der mächtigsten Partei auf dem Planeten. Bei diesem Dritten Plenum geht es um Wirtschaftsfragen und damit um Weichenstellungen, die auch für Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft entscheidend sind. Christiane Kühl beschreibt, welche Positionen vorab in der Partei konkurrieren – und wie sich Xi als Alleinherrscher am Ende vermutlich entscheiden wird.
Viktor Orbán ist auf einer “Friedensmission 3.0”. So nannte Ungarns Ministerpräsident seine Reise nach China am Montag. Im Gästehaus Diaoyutai traf er Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping, um über den Krieg in der Ukraine zu sprechen. Vor seiner China-Reise war Orbán nach Kiew und Moskau gereist.
Und so scheint es, als würde Viktor Orbán alles richtig machen: Gespräche führen mit den direkten Kriegsparteien, dazu mit Russlands wichtigstem Verbündeten China. Aber Orbáns China-Reise offenbart vor allem drei grundlegende Probleme:
Entsprechend gibt es von Orbáns Reisediplomatie auch keine konkreten Vorschläge. Vielmehr zündete Xi lediglich rhetorische Nebelkerzen. So hat er sich am Montag abermals für einen Waffenstillstand mit anschließenden Verhandlungen ausgesprochen. Die Lage in der Ukraine müsse so weit wie möglich abgekühlt werden. Wie genau dies geschehen soll oder welche Schritte Peking selbst unternehmen könnte, sagte Xi leider nicht. Sein Rezept: Es brauche “positive Energie”.
Dabei ist Orbáns Analyse richtig. “Die Zahl der Länder, die mit beiden Kriegsparteien reden können, nimmt ab”, sagt er. “Ungarn wird langsam zum einzigen Land in Europa, das mit allen reden kann.” Vor wenigen Tagen hat Ungarn die rotierende EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Hinzu kommt, dass neben der Ukraine und Russland auch China als wichtigster Partner von Wladimir Putin einbezogen werden muss.
Doch schon in Russland wurde klar, dass es in Moskau wie in Peking weniger um Frieden und mehr um Propaganda geht. Orbán sei als Spitzenvertreter des Europäischen Rates nach Moskau gekommen, interpretierte Wladimir Putin entsprechend. Mehrere ranghohe europäische Beamte wiesen deshalb darauf hin, dass Orbán nicht für die EU spreche, sondern lediglich eine Diskussion über bilaterale Beziehungen führen könne. Seine Besuche in der Ukraine, Russland und China wurden nicht innerhalb der EU abgesprochen.
In Peking ein ähnliches Bild: Dort wird erst gar nicht von Krieg gesprochen, sondern nach wie vor von einer Krise in der Ukraine – eine Wortwahl, die abermals zeigt, wie Peking wirklich denkt über den brutalen russischen Angriffskrieg mit unzähligen Toten auf beiden Seiten. Auf der chinesischen Internetseite von CCTV zeigt sich ein deutlich anderer Schwerpunkt der Gespräche: die hervorragenden chinesisch-ungarischen Beziehungen, die zuletzt in die neue Ära einer “umfassenden strategischen Partnerschaft für alle Wetterlagen” aufgewertet wurde (我们宣布将中匈关系提升为新时代全天候全面战略伙伴关系).
Doch wie steht es um Chinas Friedensbemühungen in der Ukraine? Eher mau. Offiziell gibt sich China zwar neutral. Aber chinesische Zolldaten, amerikanische Geheimdienstinformationen und Funde auf den Schlachtfeldern in der Ukraine zeigen, wie sehr China die russische Kriegsmaschinerie unterstützt.
Erst kürzlich bekräftige Xi, China werde Russland fest unterstützen bei Angelegenheiten, die seine Kerninteressen betreffen – und nichts anderes ist Putins Obsession mit der Ukraine. Eine Lösung müsse berechtigte Sicherheitsbedenken beachten, meint Xi – eine von Putins Begründungen für den russischen Angriff. Ziel sei die Gestaltung einer neuen, ausgewogenen, effektiven und nachhaltigen Sicherheitsarchitektur, sagt er.
Mehr noch: Zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass chinesische Truppen Mitte Juli an Militärübungen in Weißrussland teilnehmen werden. Das teilte das chinesische Verteidigungsministerium am Sonntag mit. Kleine Erinnerung: Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko gewährte Putins Truppen freien Zugang, um die Ukraine auch von Norden aus angreifen zu können.
Statt Frieden verfolgt Peking ein viel größeres Ziel: die Spaltung des Westens. Und so war es kein Zufall, dass sich Orbán und Xi just einen Tag vor dem anstehenden Nato-Gipfel in Washington trafen. Denn dort werden US-Präsident Joe Biden und die andere Staats- und Regierungschefs wahrscheinlich weitere Unterstützung für die Ukraine beschließen in ihrem Kampf gegen die russische Invasion. Und: Die Nato plane in ihrem Gipfelkommuniqué, China für seine Unterstützung der russischen Invasion in der Ukraine zu kritisieren, heißt es aus Diplomatenkreisen.
China weist jegliche Kritik zurück – und sieht die Schuld stattdessen im Westen. Die Nato “glaubt blind an den Einsatz von Gewalt, hält an der Mentalität des Kalten Krieges fest und schafft Blockkonfrontationen, die die wahre Bedrohung für Frieden und Stabilität in der Region und der Welt darstellen”.
In Washington wie auch in Brüssel wird deutlich, wie wichtig eine gemeinsame Haltung in diesem Krieg ist. Und hier wird Viktor Orbán plötzlich ganz wichtig für die Führung in Peking. So sagte Xi am Montag: Es ist zu hoffen, dass Ungarn als rotierender EU-Ratsvorsitz eine positive Rolle bei der Förderung der Beziehungen zwischen China und der EU spielen wird.
Denn Orbán hat sein Land zu einem chinesischen Aktivposten innerhalb der EU geformt, den Peking mehr denn je benötigt. Während Brüssel auf De-Risking setzt, steht Budapest fest an Pekings Seite. Es ist Ungarn, das immer wieder gegen EU-Vorschläge sein Veto einlegt, in denen China wegen Menschenrechtsverletzungen oder in Bezug auf Hongkong oder Taiwan verurteilt wurde. Einer Berechnung des Budapester Online-Portals valaszonline.hu zufolge kamen in den vergangenen sechs Jahren etwa 60 Prozent der Vetos gegen Russland oder China aus Ungarn. Vor diesem Hintergrund erscheint Orbáns Friedensmission 3.0 leider in einem anderen Licht.
Lange erwartet steht das überfällige Dritte Plenum des derzeitigen 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas nun vor der Tür. Es stellt traditionell die Weichen für die Wirtschaftspolitik der kommenden fünf Jahre.
Die KP hat mitgeteilt, dass das Dritte Plenum am 15. Juli beginnen soll. Ein Plenum ist in der Sprache der Partei ein Treffen aller Mitglieder des Zentralkomitees. Derzeit hat das 20. Zentralkomitee seit Parteigründung mit seinen 367 Mitgliedern das Sagen. Bisherige Äußerungen aus der KP weisen darauf hin, dass wieder einmal eine “Vertiefung umfassender Reformen zur Förderung der chinesischen Modernisierung” beschlossen werden soll.
Diese Formel weist eher auf eine Fortsetzung der bisherigen Politik hin als auf einen grundlegenden Wandel. Parteichef Xi Jinping verwendet sie schon seit Jahren. Es gibt in der KP bereits eine eigene Kommission mit diesem Ziel, die Xi selbst gegründet hat und der er vorsitzt.
So sagt der Titel des wichtigsten KP-Treffens zur Wirtschaft seit vielen Jahren zunächst erstmal wenig aus. Offiziell wird die Agenda erst auf der Plenarsitzung enthüllt und voraussichtlich eine Menge Parteisprech wie “hochwertige Entwicklung” und “neue Produktivkräfte” enthalten. Manche der Dritten Plenen der Vergangenheit haben gewaltige Veränderungen angestoßen, etwa den Beginn der Öffnungspolitik unter Reformpatriarch Deng Xiaoping. Etwas Ähnliches könnte die angeschlagene chinesische Wirtschaft auch heute gebrauchen.
Eine Fortsetzung der bisherigen Wirtschaftspolitik bedeutet: Der Fokus bleibt bei höheren Ausgaben für neue Fabriken und damit noch höhere Herstellungskapazitäten. Denn bislang setzt Xi zur Stützung der Wirtschaft auf eine Angebotspolitik: Förderung von Firmen und Investitionen – und nicht auf die gezielte Ankurbelung des Konsums und damit der Nachfrageseite. Xi lehnt trotz all seiner kommunistischen Propaganda direkte staatliche Hilfszahlungen an die Bürger ab.
Das mag auch an seinen Beratern liegen: Chinas heute hochrangige Ökonomen seien von dem Studium neoliberaler westlicher Angebotspolitik in der Ära Ronald Reagans und Margaret Thatchers geprägt, räumte der Ökonomieprofessor Li Dekui von der Tsinghua-Universität im Juni bei einer Veranstaltung ein. “Wir wurden angehalten zu sagen, die Regierung sollte hart an der Angebotsseite arbeiten und sich keine Sorgen über die Nachfrageseite machen. Zu viel Sozialhilfe werde den Enthusiasmus der Bevölkerung für harte Arbeit abtöten. Ich glaube, wir haben uns damit geirrt.” Li spricht sich nun etwa für Erleichterungen beim Wohnungskauf oder eine konsumorientierte Lokalpolitik aus. Er plädiert also für einen Wechsel in der Wirtschaftspolitik.
Auch andere Berater schwenkten um. Chinesische Ökonomen, KP-Funktionäre und die beratende Konsultativkonferenz (CPPCC) fordern in verschiedenen Bereichen einen Politikwechsel hin zu mehr Nachfrageorientierung. Einige wünschen sich Steuerreformen, um den klammen Lokalverwaltungen mehr Spielraum zu geben und eine konsumorientierte Lokalpolitik.
Andere haben Vorschläge für eine bessere Krankenversicherung. Manche fordern eine echte Reform des Hukou-Systems, das Wanderarbeiter in den Städten noch immer von vielen öffentlichen Dienstleistungen ausschließt. All das würde es den Verbrauchern ermöglichen, mehr auszugeben und weniger zu sparen. Das wäre wichtig, denn das Konsumentenvertrauen hat sich von der Pandemie bislang kaum erholt.
Han Wenxiu, stellvertretender Direktor des Büros für zentrale Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten, schrieb Mitte Juni im ZK-Magazin Qiushi auf, was er vom Dritten Plenum erwartet. Zichen Wang vom Center for China and Globalization in seinem englischsprachigen Blog Pekingnology übersetzte den viel beachteten Text – denn er hält ihn trotz der vielen Parteiklauseln für spannend, weil Han die Wirtschaftspolitik mitgestaltet und dicht dran ist an den Entscheidern.
Bei Han aber rangiert die Nachfragepolitik nur auf Rang fünf von sechs wichtigen Punkten für das Dritte Plenum:
Inwieweit diese Punkte tatsächlich die Pläne der KP wiedergeben und im Abschluss-Kommuniqué des Dritten Plenums berücksichtigt werden, ist trotz der Nähe Hans zur Zentralregierung natürlich unklar.
Yao Yang, Direktor des China Center for Economic Research (CCER) an der Peking-Universität, geht jedenfalls nicht von einem neuen Reformschub aus. “Die wichtigsten Reformen in China wurden in den 1990-er Jahren abgeschlossen”, sagte er in einer Rede. “Was wir jetzt tun müssen, ist nicht, weitere Reformen einzuleiten, sondern die Errungenschaften der Reformen der 1990-er Jahre zu konsolidieren.”
Tatsächlich erodiert die Parteispitze unter Xi derzeit viele Liberalisierungsschritte der Reformära. Manche Experten fordern daher wieder mehr Vertrauen in den Markt, damit die Privatfirmen wieder aktiver werden. Diese leiden unter immer neuen Regeln, Umwälzungen oder der Vorschrift, KP-Zellen in ihr Unternehmen zu integrieren. Auch die Privatfirmen selbst wünschen sich marktorientierte Reformen. Yao erwartet vom Dritten Plenum die Bekanntgabe wirtschaftlicher Ziele für 2035.
Der Chef des niederländischen Chip-Herstellers ASML hat ein Ende der Sanktionen gegen China gefordert. Im Interview mit dem Handelsblatt sagte Christophe Fouquet, in China würden Chips produziert, die im Westen dringend benötigt würden. “Es macht keinen Sinn, jemanden davon abzuhalten, etwas zu produzieren, das du brauchst.” Bei russischem Gas hätte man verstanden, dass man sich vorher Alternativen erschließen müsse, bei Chips jedoch offenbar nicht. ASML ist führend in der Technologie, mit der sich die fortschrittlichsten Halbleiter der Welt produzieren lassen.
Geopolitisch ist Fouquets Haltung hochbrisant. Die USA drängen auf immer strengere Exportrestriktionen in der Chipindustrie gegenüber China. Die US-Regierung will, dass noch mehr Anlagen für die Chipherstellung nicht mehr in das Land geliefert werden dürfen. Bisher betreffen die Sanktionen nur Maschinen für die teuren Spezialchips. Dieser Initiative schlossen sich auch Japan und die Niederlande an, wo ASML seinen Sitz hat. Die USA haben zudem versucht, ASML daran zu hindern, seine bereits an chinesische Kunden verkauften Geräte zu warten. Nun stellt sich Fouquet offen gegen die US-Politik. Auch der ehemalige ASML-Vorstandschef, Peter Wennink, sieht in solchen geopolitischen Überlegenheiten ein Problem.
Wie die Politik stattdessen agieren sollte, ist laut Fouquet klar: “Wir empfehlen den Regierungen dann, eigene Werke aufzubauen. Denn es geht nicht, China die Fertigung zu erschweren und selbst keine Alternativen zu schaffen.” rad
Chinesische Beamte wirtschaften exponentiell in die eigene Tasche. Das hat eine Untersuchung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim in Zusammenarbeit mit der City University New York ergeben. Demnach würden die Beamten durchschnittlich die acht- bis vierzehnfache Summe ihres regulären Gehalts durch Korruption verdienen. Je höher ein Beamter in der Verwaltungs-Hierarchie angesiedelt ist, desto höher ist auch die Summe, die er auf illegale Weise dazuverdient.
Regulär gehören nur sieben Prozent der korrupten Beamten/-innen zum obersten Einkommens-Prozent im städtischen China. Rechnet man das illegale Einkommen hinzu, wären es aber 91 Prozent dieser Gruppe. Die bereits ergriffenen weitreichenden Maßnahmen Chinas mit 3,7 Millionen Bestrafungen hemmen Korruption allerdings systematisch, heißt es seitens des ZEW. Die Analyse habe auch gezeigt, dass Korruption mit steigendem Bildungsniveau, Hierarchieebene und Mitgliedschaftsdauer in der Kommunistischen Partei Chinas zunimmt.
Die Studie untersucht die Zusammenhänge, unter denen Korruption in China stattfindet und berechnet ihre Auswirkungen sowohl auf die Ungleichheit im Land als auch auf die Einkommen der korrupten Beamten. Erstmals kann dadurch der Einfluss von Korruption auf die Einkommensverteilung geschätzt werden. Die Berechnung basiert auf einem Datensatz mit 1.451 Verurteilungen wegen Korruption zwischen 2012 und 2021. Die Daten stammen von der Zentralen Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei, die seit 2012 die Korruptionsfälle seit 2012 genau dokumentiert, um den Effekt der staatlichen Anti-Korruptions-Kampagne aufzuzeigen. grz
Europas Botschafter in China hat der Volksrepublik vorgeworfen, den Austausch mit der Europäischen Union aktiv zu erschweren. Bei einer Rede auf dem Weltfriedensforum in Peking am Sonntag stellte EU-Botschafter Jorge Toledo Albiñana fest, dass sich der zwischenmenschliche Austausch zwischen China und dem Block seit der Pandemie nicht erholt habe. Im Gegenteil sei der Austausch “sehr weit” vom Niveau vor der Pandemie entfernt, sagte Toledo einem Bericht der South China Morning Post zufolge.
“Wir dachten, wenn die Covid-Beschränkungen vorbei sind, können wir uns wieder ungehindert mit chinesischen Professoren, chinesischen Studenten und chinesischen Thinktanks treffen.” Doch das Gegenteil sei der Fall. “Nein, das können wir nicht. Sie alle brauchen eine Genehmigung, um sich mit uns zu treffen, und manchmal bekommen wir die Genehmigungen nicht.”
Der EU-Botschafter bestätigte damit die Meinung von Nicholas Burns, dem US-Gesandten in China. Burns hatte vergangenen Monat kritisiert, dass China den zwischenmenschlichen Austausch “unmöglich” mache, unter anderem, indem es chinesische Staatsbürger daran hindere, an amerikanischen Regierungsprogrammen teilzunehmen. Laut Burns hätten chinesische Beamte seit November in 61 öffentliche Veranstaltungen eingegriffen, die von der US-Botschaft in Peking organisiert wurden. rad
Japan und die Philippinen wollen in den Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer enger zusammenarbeiten. Dafür haben die Regierungen ein wichtiges Verteidigungsabkommen unterzeichnet. Es soll beiden Ländern ermöglichen, wechselseitig Truppen für gemeinsame Militärübungen zu entsenden.
Es ist eine bemerkenswerte Annäherung, die Beziehungen der beiden Staaten ist historisch belastet. Die Philippinen standen im Zweiten Weltkrieg unter japanischer Besatzung. Inzwischen setzt man jedoch auf eine verstärkte Allianz mit Tokio, um auf die Bedrohung durch China zu reagieren, das immer robuster seinen Machtanspruch in der Region vertritt.
Vor allem zwischen den Philippinen und China hat sich der Konflikt im Südchinesischen Meer zuletzt dramatisch zugespitzt. Gleich an drei Riffen droht eine bewaffnete Auseinandersetzung. Die Folge: Auf den Philippinen unterstützt eine Mehrheit der Bevölkerung inzwischen sogar militärische Maßnahmen, um einer Bedrohung durch China im Südchinesischen Meer entgegenzuwirken. rad
Die Autoverkäufe in China sind trotz staatlicher Anreize weiter gesunken. Der Absatz ging im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 Prozent auf 1,78 Millionen Fahrzeuge zurück, teilte der Branchenverband China Passenger Car Association (CPCA) am Montag mit. Damit schrumpfen die chinesischen Autoverkäufe den dritten Monat in Folge.
Die seit 2023 entfachte Preisschlacht auf dem weltgrößten Fahrzeugmarkt hatte zunächst die Verkaufszahlen angekurbelt, doch auch die staatlichen Subventionen für einen Fahrzeugtausch konnten eine abflauende Dynamik in den vergangenen Monaten nicht aufhalten. Zwar wurden im Juni 9,9 Prozent mehr E-Autos in der Volksrepublik verkauft – im Mai waren es aber noch 27,4 Prozent gewesen.
Kräftige Zuwächse verbuchten dagegen Fahrzeuge mit klimaschonendem Antrieb, sogenannte New Energy Vehicles (NEV). In dieser Kategorie zog der Absatz um 67,2 Prozent an, nachdem bereits im Vormonat ein Plus von 61,1 Prozent zu Buche schlug. Auch die chinesischen Exportzahlen stiegen um 28 Prozent – ein Trend, der sich wegen der Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos in der EU jedoch abschwächen könnte. rtr
Elf Paraden haben aus Hassan Sunny in China einen Fußballgott gemacht. Der Torhüter von Singapurs Nationalmannschaft hatte im WM-Qualifikationsspiel gegen Thailand zwar auch eine 1:3-Niederlage seiner Mannschaft nicht verhindern können. Doch nur weil er mit seinen überragenden Reflexen eine höhere Niederlage abwendete, behaupteten die Chinesen in der Abschlusstabelle den zweiten Platz vor den Thailändern. Dadurch zog China in die Finalrunde der Qualifikation ein und kann weiterhin auf die zweite WM-Teilnahme nach 2002 hoffen.
Entsprechend groß war die Freude im fußballbegeisterten China. Überschwänglicher Dank prasselte auf Hassan Sunny ein. In den sozialen Medien überschlugen sich die Emotionen. Die Tatsache, dass ein Torwart bis zur letzten Sekunde wie eine Löwenmutter für ihren Nachwuchs kämpfte und sich gegen ein weiteres Gegentor stemmte, obwohl das Spiel für seine Mannschaft nur noch statistische Bedeutung besaß, wurde in der Volksrepublik als Akt menschlicher Größe und Güte gefeiert.
Schnell machte im Internet die Runde, dass die Familie des 40-Jährigen in Singapur das kleine Restaurant Dapur Hassan in einem Hawker-Foodcenter betreibt. Der Stand avancierte daraufhin zum Magneten für chinesische Touristen und Auslandschinesen. Alle wollten ein Foto und der Familie des Torwarts ihren Dank ausdrücken. Tagelang bildeten sich lange Schlangen von chinesischen Gästen vor dem Tresen – vordergründig, um ihren Hunger zu stillen, aber eigentlich, um etwas von dem zurückzugeben, was ihnen Sunny Hassan an Freude beschert hatte.
Irgendwer kam dann auf die Idee, den QR-Code des digitalen Alipay-Kontos von Dapur Hassan über chinesische soziale Medien zu verbreiten. Und weil der Fußball derart große Gefühle freisetzt, verspürten zahlreiche Fans das dringende Bedürfnis, Sunny Hassan auch aus der Ferne ihre Dankbarkeit zu vermitteln und überwiesen als Gegenleistung Geld auf das Konto des Familienbetriebs.
Die Sache nahm eine solche Dynamik an, dass der Torhüter sich nach einigen Tagen gezwungen sah, öffentlich auf ein Ende der Spendenaktion zu drängen. “Eine Zeit lang hat es mir Spaß gemacht. Ich dachte, okay, das Geld kommt rein. Aber dann habe ich mich gefragt: Wann hört das auf? Ist das legal?”, sagte Sunny zu Channel News Asia (CNA). “Besorgte Menschen”, wie er sie nennt, hätten ihm geraten, “sich von all dem fernzuhalten, um Missverständnisse zu vermeiden”. Zudem waren auch Betrüger auf den Zug aufgesprungen und hatten falsche QR-Codes verbreitet, um sich die Zahlungen unter den Nagel zu reißen.
Es ist nicht offiziell kolportiert, wie groß die Summe war, die aus China floss. Es kursiert eine Zahl in Höhe von mehreren Millionen Euro. Ob das wirklich stimmt, ist nicht klar. Hassan selbst hatte anfänglich davon gesprochen, einen Teil sparen und einen anderen Teil in die Vergrößerung des Restaurants investieren zu wollen. Inzwischen hat er angekündigt, die gesamte Summe für gute Zwecke spenden zu wollen.
Finanziell wird sich seine gute Leistung so oder so auszahlen. Ein global operierendes Finanzunternehmen aus Singapur setzte den Torwart sogleich in ein Flugzeug nach Shanghai, um ihn dort den chinesischen Fans und Medien persönlich und exklusiv präsentieren zu können. Sicherlich nicht ohne Gegenleistung.
Auch die Kryptowährungsbörse HTX schnappte zu und machte Sunny zu ihrem Beauftragten für Sicherheitsfragen. Der Posten mag eine kurzfristige Erfindung sein. Aber HTX erhofft sich einen schnellen Imagegewinn durch Sunnys Engagement – vor allem in Asien, wo ein großer Markt für digitale Währungen lauert. Das Konzept liegt auf der Hand: sicherer Torhüter gleich sichere Kryptobörse. “So wie Sunny sein Tor auf dem Spielfeld furchtlos verteidigt, so setzt sich HTX mit derselben Entschlossenheit dafür ein, das Vermögen jedes Nutzers zu schützen”, vermarktet das Unternehmen die Zusammenarbeit.
Wenn die Fußball-Experten recht behalten, dürfte der Hype um Hassan Sunny in China jedoch in einigen Monaten schon wieder beendet sein. Dann nämlich, wenn die Kicker aus der Volksrepublik auf der Zielgeraden zur WM doch noch scheitern, was allgemein erwartet wird. Dann wird Hassan Sunny nur noch eine schöne Erinnerung an die Zeit sein, als der Traum noch lebte. Marcel Grzanna
Fanny Huang wird Head des Taiwan & China Representative Office der DHL Supply Chain. Huang kam 2018 als Director of Strategic Deal Management zu dem Logistik-Unternehmen und hat anschließend den Bereich DHL Summit Solutions auf den Philippinen aufgebaut.
Hailin Xu wird CEO der Saurer Gruppe. Xu kam 2018 als Senior Vice President und Managing Director zu dem Schweizer Hersteller von Textilmaschinen und Fahrzeuggetrieben. Bevor er zu Saurer kam, arbeitete der an der Tsinghua-Universität ausgebildete Chemie-Ingenieur von 2008 bis 2018 für die ABB-Gruppe in der Schweiz als Vice President of Global Supply Chain.
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Bis vor Kurzem war der hohe Nordosten Chinas nicht wirklich angesagt bei Touristen: Dank der langen und eisigen Winter, und der vielen Schwerindustrieanlagen aus den Zeiten, als Stalin die Volksrepublik noch wirtschaftlich unterstützte. Heute hat sich der Trend gewendet. Denn seit mit dem Klimawandel die Sommermonate im Süden und Osten Chinas so unerträglich schwül und heiß geworden sind, kommen immer mehr Reisende in die Provinz Heilongjiang. Sie suchen kühlende Erholung im Nordosten Chinas.
Gemeinden wie hier auf dem Foto die Stadt Mohe putzen sich entsprechend heraus. Dabei kann es auch in Heilongjiang im Sommer über 30 Grad heiß werden. Aber das ist immer noch erträglicher als das, was die Daheimgebliebenen in Hangzhou, Shanghai oder Shenzhen in diesen Tagen bei über 40 Grad und extrem hoher Luftfeuchtigkeit aushalten müssen.