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Marken als Vertrauensanker

von Jens Lönneker

Warum Menschen Marken heute mehr vertrauen als Politik und anderen gesellschaftlichen Institutionen – und was diese daraus lernen können

· Sinkendes Vertrauen erschüttert zentrale Lebensbereiche

· Marken trotzen dem Trend

· Customer Experience: Role Model für die Politik

Misstrauensgemeinschaften prägen unsere Gesellschaft in krisenhafter Zeit, erläutert Prof. El-Mafaalani, einer der zurzeit meistbeachteten Soziologen. Er steht mit seinen Äußerungen – jüngst im Podcast von Paul Ronzheimer – nicht allein. Immer wieder wird in Umfragen auf sinkende Vertrauenswerte für die Regierung, politische Parteien, Medienhäuser, Kirchen, Gewerkschaften und andere Institutionen verwiesen. Beklagt wird, dass das Vertrauen in diese wesentlichen Einrichtungen und damit das Gefühl von Sicherheit und Stabilität in unserer Gesellschaft erodiert. Bestätigt wird dieser Negativtrend durch jüngste Umfragewerte für die Bundesregierung: Sieben Monate nach ihrem Start ist das Vertrauen in die führenden Akteure der Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD auf einem Tiefpunkt.

Vertrauen bietet jedoch mehr als Sicherheit. Vertrauen ermöglicht Entwicklung, Wagnisbereitschaft, Zuversicht. Es gibt dafür ein hochaktuelles und positives Vorbild: Starke Marken! Brands, die es geschafft haben, nicht nur wirtschaftlich erfolgreich zu sein, sondern die Menschen auch emotional für sich begeistern. Sie sind deshalb so stark, weil sie für viele Menschen Vertrauensanker sind. Vielfach sogar der letzte, den sie überhaupt haben. Das zeigt eine Studie der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V. (G·E·M) aus diesem Jahr. Wie schaffen Marken das und was könnte die Politik daraus lernen?

Vertrauen zu können, ist uns Menschen wichtig. Vertrauen erhält im Vergleich mit anderen Werten nach der G·E·M-Studie die zweithöchste Bewertung. Nur Gesundheit wird für noch wichtiger gehalten. Wie kann man Vertrauen verstehen? Kern des Vertrauens ist nach einer Definition der Max-Plack-Gesellschaft das Aufheben von Ungewissheit um einen Preis: die individuelle Verletzlichkeit des Vertrauenden. Beim Vertrauen handelt es sich um eine psychologische Methode. Sie kommt paradoxerweise gerade dort zum Einsatz, wo die Verhältnisse mehr oder weniger unsichere und ungewisse Komponenten aufweisen. Vertrauen soll gerade dabei helfen, mit diesem ungewissen Moment besser umgehen zu können.

Vertrauen entsteht dann, wenn Personen oder Institutionen aus Sicht der Vertrauenden sowohl Unsicherheiten und Ungewissheiten überwinden helfen als auch attraktive Entwicklungsperspektiven versprechen. Genau dies gelingt aus Sicht der Menschen im Land den Marken im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Einrichtungen deutlich besser, wie die G·E·M-Studie zeigt.

Customer Experience als Erfolgsfaktor

Bei der Vertrauens-Beurteilung von gesellschaftlichen Institutionen stehen Marken weit oben. Nur die Polizei und die Universitäten/Schulen werden unter der Vertrauensperspektive besser beurteilt. Marken erzielen sogar doppelt so hohe Vertrauenswerte wie die Bundesregierung, NGOs oder die Kirchen. Marken zeichnet somit grundsätzlich ein besonders hohes Vertrauen aus. Ein entscheidender Grund dafür: Die zufriedenstellenden Kundenerfahrungen oder „Customer Experiences“. Viele davon ließen sich durchaus auf die Politik übertragen: Kompetenz, Qualität, Verlässlichkeit, Garantie, Kulanz. Erfolgreiche Marken halten ihr Qualitätsversprechen. Und es gelingt ihnen, dabei auch eine emotionale Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen. Gibt es einmal eine negative Kundenerfahrung, weiß eine Marke den Fehler einzuräumen, und sie behebt ihn schnellstmöglich und nachhaltig.

Die Alltagserfahrungen im Umgang mit Markenangeboten erlauben zudem eine weitergehende Hypothese: Am Anfang des Aufbaus einer Marke steht meist eine Utopie. Klassische Beispiele sind Volkswagen („Ein Auto für jedermann“), Maggi bzw. Knorr mit der Vision, ganze Mahlzeiten so zu konservieren, dass sie bei Bedarf sehr einfach wieder zubereitet werden können, oder der Thermomix mit dem Versprechen, den Kochprozesses zu revolutionieren.

Marken stehen für Utopien, die gelingen, weil sie alltagstauglich sind

Pointiert formuliert stehen Marken psychologisch für Utopien, die gelingen, weil sie alltagstauglich umgesetzt sind. Sie sind damit das attraktive Gegenteil der vielen Dystopien und düsteren Prognosen, denen sich die Menschen zurzeit ausgesetzt sehen. Der Wunsch nach Zuversicht ist in unserer Gesellschaft aktuell womöglich stärker als in vielen Jahren zuvor. Dass Politikerinnen und Politiker dies aufgreifen, erscheint folgerichtig. Sie müssen dann aber in ihrer Arbeit jenes Qualitätsversprechen einlösen, das ihre Parteienmarken im Wahlkampf gegeben haben und in der täglichen Kundenkommunikation erneuern. Ist die Kundenerfahrung negativ, hilft es nicht zu behaupten, alles sei auf einem guten Weg. Guter Customer Service beginnt oft mit dem Satz „Wir bedauern, dass sie mit unserem Produkt nicht zufrieden sind. Wir geben unser Bestes, das zu korrigieren.“

Die G·E·M-Studie zeigt, dass es Marken generell gelingt, Vertrauen zu generieren, indem sie einen alltags- und zugleich zukunftstauglichen Weg einschlagen. Sie sind heute Vertrauensanker in einer von vielen Krisen geprägten Zeit. Sie können möglicherweise als Role Model auch für andere Institutionen dienen. Die Kraft einer positiven Utopie entfaltet sich dabei am ehesten, wenn diese von Verlässlichkeit und Alltagsorientierung getragen ist.

Autor: Jens Lönneker ist Geschäftsführer und Gründer bei rheingold salon.

Vertrauen ist die Basis für Investitionen, Innovation und gesellschaftliche Akzeptanz. In diesem Table.Forum sprechen Spitzenvertreter der Markenwirtschaft darüber, wie Vertrauen im Austausch mit Politik und Gesellschaft entsteht. Beleuchtet wird die Wechselwirkung zwischen Erwartungen, Regulierung und Leistungsfähigkeit der Wirtschaft.

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