von Frank Wetzel
Beim Thema nachhaltige Energie hat die neue Regierung sich große Ziele gesetzt. Sie will nicht alles anders machen. Aber sie will versuchen, vieles ein Stück besser zu machen. Wir müssen es schaffen, die Energiepreise zu domestizieren, und wir müssen sicherstellen, dass die Energieversorgungssicherheit an unserem Standort zu einem Aushängeschild wird. Investoren, die nach Deutschland und nach Europa schauen, müssen wissen, dass die Energieversorgung hier gesichert ist, und dass die Energiepreise wettbewerbsfähig sind. Das ist eine gewaltige Herausforderung.
An vorderster Stelle steht die Energieversorgungssicherheit. Denn ohne sie verlieren wir nicht nur das Vertrauen der Investoren, wir verlieren auch das unserer eigenen Bevölkerung. An zweiter Stelle steht eine Energiewende, bei der wir nicht immer die teuersten Lösungen wählen, sondern wir müssen Kosteneffizienz in die Systeme bringen. Darum geht es, wenn wir neue Infrastruktur bauen müssen, wenn wir Erneuerbare zubauen, wenn wir mehr Flexibilitäten schaffen wollen. Das entscheidende Instrument, um die Nachhaltigkeit und den Klimawandel zu adressieren, haben wir ja geschaffen: den Emissionshandel. Dabei müssen Systemgerechtigkeit und Systemdienlichkeit im Vordergrund stehen. Wir können nicht jedem Einzelwunsch gerecht werden.
Wo stellen sich die ganz großen Herausforderungen konkret? Als erstes geht es darum, wie wir kurzfristig das Dilemma der hohen Strompreise adressieren können. Da wir den Börsenstrompreis nicht beeinflussen können und wollen, können wir nur die staatlich induzierten Anteile herausnehmen, insbesondere für die Industrie, aber nicht nur. Dafür hatte bereits die alte Bundesregierung veranlasst, die EEG-Kosten aus dem Klima- und Transformationsfonds zu finanzieren. Diese gewaltigen Aufwendungen darf man nicht übersehen.
Die neue Bundesregierung ist nun bereit, die Netzentgelte für die nächsten Jahre zu reduzieren. Es handelt sich um Aufwendungen von rund 6,5 Milliarden Euro. Die Bundesregierung ist darüber hinaus bereit, die Gasspeicherumlage zu kompensieren, eine Entlastung von insgesamt 3.4 Milliarden Euro. Zudem soll für die besonders betroffene energieintensive Industrie etwas getan werden in Form einer Fortsetzung der Strompreiskompensation und deren Ausdehnung.
Der Koalitionsvertrag geht sogar noch einen Schritt weiter. Für energieintensive Unternehmen, die bereits bei den Netzentgelten und durch die Strompreiskompensation entlastet sind, die aber in starken Außenhandelsbeziehungen stehen und damit in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht sind, schaffen wir den Industriestrompreis. Hier haben wir es in harten Verhandlungen mit der EU-Kommission geschafft, ein Fenster zu öffnen. Mit diesen Maßnahmen gehen wir voran und setzen ein klares Signal.
Wir müssen zusätzlich sicherstellen, dass die Systemkosten der Energiewende gegenüber dem Status quo insgesamt sinken und dafür müssen erhebliche Effizienzaufwendungen erfolgen. Eine weitere Aufgabe ist der Zubau steuerbarer Kraftwerke. Sie sind erforderlich für die Energieversorgungssicherheit, aber auch, um den Zubau der Erneuerbaren zum Erfolg zu machen. Und deswegen sind sie auch, selbst wenn es sich um Gaskraftwerke handelt, ein wesentlicher Beitrag zur Defossilisierung und begleiten den Kohleausstieg.
Wir eröffnen auch Möglichkeiten für Technologieneutralität. So wird in Kürze ein Carbon Capture Gesetz auf den Weg gebracht. Denn auch hier muss sich in Deutschland etwas bewegen. Und wir sind in harten Verhandlungen mit der EU-Kommission, um von den starren Vorgaben für grünen Wasserstoff, die im Augenblick den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft bremsen, wegzukommen. Denn das würde bedeuten „Operation gelungen, Patient tot“. Zudem müssen wir den Energie-Binnenmarkt weiterentwickeln. Momentan haben wir eine Zweiteilung zwischen den Staaten, die auf Kernenergie setzen, und denen, die wie Deutschland auf Erneuerbare setzen. Im Energie-Binnenmarkt soll jeder Staat über seinen eigenen Strommix entscheiden – alle eint das gemeinsame Ziel der Dekarbonisierung.
Gemeinsam gilt es auch, den Ausbau erneuerbarer Kapazitäten im Bereich Offshore voranzutreiben. Hier sind wir mit unseren Partnern auf gutem Weg. Das Ziel ist, die Energieversorgung erneuerbarer zu machen, aber auch sicherer, sowie eine Weiterentwicklung zu vertretbaren Kosten voranzutreiben, um dann auch die Klimaziele bis zur Jahrhundertmitte zu erreichen, wie es vorgesehen ist. Das bedarf aber der Unterstützung durch alle.
Insbesondere beim Thema Wärmeversorgung ist deutlich geworden, dass wir die Akzeptanz der Bevölkerung brauchen. Wenn wir die verlieren, wird es uns nicht gelingen, die Energiewende erfolgreich voranzubringen. Beim Ausbau der Strom-Netzinfrastruktur reden wir über Kosten von Hunderten von Milliarden Euro. Das ist so abstrakt, darunter kann man sich wenig vorstellen. Aber bei der Frage, wie sieht es denn aus mit meinem Gebäude, mit meiner Wärme, mit meiner Heizung, da ist der Einzelne betroffen. Wir haben erlebt, wenn hier die Akzeptanz fehlt, dann kann plötzlich eine ganze Industrie, die eigentlich erfolgreich Wärmepumpen baut, in Schieflage geraten.
Hier macht uns beispielsweise Dänemark vor, was bei uns nicht geklappt hat. Wenn wir die Wärmewende hinkriegen wollen, dann müssen wir die Menschen mitnehmen. Das gilt übrigens für das gesamte Thema nachhaltige Energie. Wir müssen ein hohes Maß an Flexibilität und Innovationsfähigkeit an den Tag legen und dürfen uns nicht ideologisch oder durch Vorschriften so einengen, dass, wenn sich die Welt mal ein bisschen verändert, und das tut sie ja ständig, schon wieder alles nicht mehr ins vorgegebene Raster passt. Wir brauchen Luft zum Atmen, und da bin ich gar nicht so pessimistisch.
Leicht gekürzte Fassung eines Impulsvortrags beim High-Level-Round-Table Nachhaltige Energie am 25. Juni 2025.
Autor: Frank Wetzel ist Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie.
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