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Von Zugang zu Wirkung im digitalen Finanzwesen

Von Albert Nsengu-Muremyi

1. Kenias Paradoxon der digitalen Finanzwelt: mehr Inklusion, weniger Wohlstand und, was Deutschland tun kann  

Kenia bietet einen klaren Blick auf die Chancen und Grenzen der digitalen Finanzwelt. Mobile Geldtransfers sind fast überall verfügbar, Zahlungen erfolgen schnell und kleine Unternehmen können ihre Transaktionen unkompliziert abwickeln. Der Wohlstand der Ptivathaushalte hat jedoch nicht im gleichen Maße zugenommen. Die Überschuldung ist gestiegen, Beschwerden sind häufig und der Verbraucherschutz bleibt unzureichend. Kenia ist daher ein praktisches Sinnbild für die europäische Entwicklungszusammenarbeit. Es zeigt, was in großem Maßstab funktioniert und wo die Politik nachziehen muss, um die Nutzer zu schützen. Deutsche Leser werden den Zusammenhang zu ihren eigenen öffentlichen Entscheidungen erkennen. Deutschland hilft über das BMZ, die GIZ und die KfW bei der Finanzierung digitaler öffentlicher Güter und nachhaltiger KMU-Finanzierungen. Die Frage ist nicht nur, wie viele Konten eröffnet werden, sondern auch, ob Haushalte faire Preise, zuverlässige Rechtsmittel und sichere Datenpraktiken vorfinden. Intelligente Unterstützung richtet die Finanzierung auf drei Hebel aus: eine stärkere Wettbewerbspolitik, die die Wechselkosten senkt und die Gebühren begrenzt; eine konsequente Durchsetzung des Datenschutzes, die Vertrauen schafft; und klare Regeln für eine verantwortungsvolle digitale Kreditvergabe, die schädliche Inkassopraktiken und ungenaue Kreditlisten verhindern. Wenn diese Hebel zusammenwirken, führen die Steuergelder zu messbaren Wohlfahrtsgewinnen und nicht nur zu einer Schlagzeilen-tauglichen Akzeptanz. In einem IDOS Policy Brief, den ich mitverfasst habe, haben wir die Lehren Kenias für genau diesen Wandel vom Zugang zu Ergebnissen zusammengefasst. Für diesen Beitrag greife ich zwei praktische  Elemente aus dieser Arbeit heraus. Erstens eine kurze Scorecard zur „Qualität der Inklusion”, die Zugangsmetriken mit Ergebniskennzahlen wie dem effektiven Kreditpreis, der Dauer der Streitbeilegung und dem Anteil der erstatteten Betrugsverluste vergleicht. Zweitens eine prägnante Erklärung, wie Interoperabilität und wettbewerbsfähige Märkte die effektiven Kreditkosten senken. Das Ziel ist eine konstruktive Darstellung: Die digitale Finanzwirtschaft funktioniert bereits in elementarer Weise, und mit gezielten politischen Maßnahmen kann Deutschland dazu beitragen, dass sie für Haushalte und Unternehmen noch besser funktioniert.  

2. Kurze Videolektionen für sicherere Kreditaufnahme  

Meine aktuelle Arbeit befasst sich mit einer Reihe kurzer Videos im Infografik-Stil, die sich gut skalieren lassen und das FinTech-Wissen sowie die Entscheidungsqualität in Kenia messbar verbessern. Erfahrungen mit Kleinbauern zeigen, dass die Art und Weise, wie wir lehren, genauso wichtig ist wie das, was wir lehren. Mobile-First-Inhalte in lokalen Sprachen, die in fokussierten Segmenten bereitgestellt werden, helfen den Nutzern, Produkte zu vergleichen, die Gesamtkosten eines Kredits zu verstehen und häufige Fallstricke zu vermeiden. Eine Zusammenstellung dieser Studien ist auf meiner Website verfügbar. Das zentrale Ergebnis ist einheitlich: Prägnante Anweisungen verändern nicht nur das Bewusstsein, sondern auch die Entscheidungen.  

Für ein Publikum in Deutschland hat dies praktische Auswirkungen. Wenn Deutschland Bildung fördert, verringert sich der Schaden durch undurchsichtige Preise und Gebühren. Dies ist eine wirkungsvolle und kostengünstige Ergänzung zu Regulierung und Aufsicht. Ich führe derzeit Studien zu videogestützter Alphabetisierung, Vertrauen in digitale Kredite und digitaler Beteiligung in ländlichen Gebieten in Kenia und Mali durch, Die Botschaft ist eindeutig: Bessere Bildung verbessert die Marktergebnisse und ist kostengünstig zu skalieren.  

3. Fähigkeiten, die digitale Finanzdienstleistungen verbessern: Erkenntnisse aus Kenia und Mali   

Digitale Tools bestimmen heute, wie Landwirte Betriebsmittel kaufen, Zahlungen erhalten und Kredite aufnehmen, aber die Fähigkeiten haben mit dem Zugang zu diesen Dienstleistungen nicht Schritt gehalten. Anhand von Primärbefragungen von fast 700 kenianischen und mehr als 1.500 malischen Kleinbauern zeigt unsere Studie die digitale Kompetenz mit einem multimethodischen Ansatz, der länderübergreifende Assoziationen, latente Klassenanalysen zur Identifizierung unterschiedlicher Kompetenzprofile und Shapley-Zerlegungen zur Rangfolge von Korrelaten kombiniert. Drei Ergebnisse sind für die Politik und für Leser in Deutschland von Bedeutung. Bildung, Alter und Zugang zu Smartphones sind statistisch signifikante Korrelate der Fähigkeiten. Finanzielle und digitale Kompetenz verstärken sich gegenseitig für bestimmte Gruppen. Die Fähigkeiten sind heterogen und im Durchschnitt in Kenia höher als in Mali, wobei in beiden Ländern anhaltende Unterschiede für Frauen, Jugendliche und Nutzer in abgelegenen ländlichen Gebieten bestehen. Das Muster ist klar. Geld fließt schneller, während die Entscheidungsqualität und der Wohlfahrtsgewinn für die Segmente, denen es an Fähigkeiten mangelt, hinterherhinken. 

Für ein Publikum in Deutschland hat dies praktische Auswirkungen. Die öffentliche Zusammenarbeit und Entwicklungsfinanzierung unterstützen bereits digitale Schienen und kleine Unternehmen. Die Renditen steigen, wenn Programme Infrastruktur mit segmentspezifischen Fähigkeiten und einfachen Produktmerkmalen kombinieren, die Fehler beim Auswahlprozess reduzieren. Ich nenne als Beispiel zwei konkrete Instrumente: Zunächst gibt es eine Kompetenzkarte, welche die Häufigkeit der einzelnen latenten Klassen in Kenia und Mali darstellt. Das zweite ist ein übersichtliches Dashboard, das den Erfolg von Aufgaben, die dafür aufgewendete Zeit, Fehlerquoten, die Abhängigkeit von Hilfe und die Vertrauensausrichtung nach Segmenten anzeigt. Diese Indikatoren verlagern die Diskussion vom Zählen von Konten hin zur Messung, ob Menschen Kreditangebote vergleichen, Gebühren verstehen und Streitigkeiten lösen können. Der Gewinn ist Inklusion, die das Wohlergehen der Haushalte erhöht und sauberere, zuverlässigere Transaktionen entlang der für deutsche Verbraucher wichtigen Wertschöpfungsketten ermöglicht.

Autor: Nsengu-Muremyi ist Doktorand im Fachbereich Agrarökonomie und ländliche Entwicklung der Georg-August-Universität und ehemaliger Stipendiat des GSP59-Programms der Vereinten Nationen in Genf.

Der Globale Süden umfasst 85 Prozent der Weltbevölkerung, ist in der Berichterstattung deutschsprachiger Medien jedoch vergleichsweise selten vertreten. Häufig stehen dann Krisen im Vordergrund, während andere Entwicklungen weniger Beachtung finden. Das Table.Forum Global South richtet den Scheinwerfer auf solchen Perspektiven und Erkenntnisse und lässt Expertenstimmen aus dieser Weltregion zu Wort kommen.  

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