Table.Forum

Der Globale Süden und die UN-Klimakonferenz – zwischen Ambivalenzen und Hoffnung

von Josef Mühlbauer

Vom 10 November bis zum 21 November 2025 findet die UN-Klimakonferenz (Cop30) in Belem, Brasilien statt. Sie findet im Herzen Amazoniens statt, in einer Region, die sinnbildlich für die größten Widersprüche unserer Zeit steht, nämlich unermesslicher Reichtum an natürlichen Ressourcen und zugleich extreme Verwundbarkeit gegenüber der Klimakrise. Obwohl Indigene auf dem Klimagipfel vertreten sind, stürmten aus Protest zahlreiche indigene Aktivisten die Konferenz, um ein Zeichen zu setzen für die Tötungen von Umweltschützern in ihren Gebieten.

Der sogenannte „Globale Süden“, ein Sammelbegriff für Länder in Afrika, Lateinamerika und Asien, ist von den Folgen des Klimawandels ungleich stärker betroffen als die Industriestaaten des „Globen Nordens“. Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen zerstören Lebensgrundlagen, führen zu Ernährungsunsicherheit, zahlreiche Hitzetote und verschärfen bestehende soziale Ungleichheiten. Dabei sind viele dieser Staaten historisch gesehen kaum für die Treibhausgasemissionen verantwortlich, die das globale Klima derart destabilisieren.

Die Frage der Klimagerechtigkeit ist in diesen Ländern komplexer und ambivalenter, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Länder wie Brasilien, Venezuela oder Indonesien erwirtschaften einen erheblichen Teil ihres Bruttoinlandsprodukts durch den Export fossiler Energieträger oder anderer Rohstoffe bzw. seltene Erden, die unter widrigen Umweltverhältnissen extrahiert werden. Der wirtschaftliche Erfolg beruht also oft auf genau jenen Sektoren (hauptsächlich die Erdölindustrie), die die Klimakrise weiter anheizen. Diese strukturelle Abhängigkeit vom Extraktivismus, also von der Ausbeutung natürlicher Ressourcen und deren Verkauf am Weltmarkt, schafft eine gefährliche Ambivalenz. Einerseits fordern Regierungen im Globalen Süden mehr Klimafinanzierung und Gerechtigkeit von den Industriestaaten, andererseits blockieren sie mitunter ehrgeizigere Klimaziele, um kurzfristige wirtschaftliche Interessen zu schützen. Innerhalb dieser Ambivalenz ist auch der Globale Süden gefangen.

Brasilien – der Gastgeber dieser UN-Klimakonferenz – selbst steht exemplarisch für diesen Widerspruch. Unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat das Land international an Ansehen gewonnen, weil es sich zum Schutz des Regenwaldes und zu einer ambitionierteren Klimapolitik bekennt. Zugleich bleibt der Druck groß, neue Ölfelder zu erschließen und den Bergbau auszuweiten, vor allem angesichts der globalen Nachfrage nach „grünen“ Rohstoffen wie Lithium oder Nickel, die für die Energiewende im Norden, z. B. dem European Green Deal, benötigt werden.

Mit dem Aufstieg Chinas hat sich zudem das geopolitische Gewicht des Globalen Südens stark verändert. China fungiert als wirtschaftliches und politisches Gravitationszentrum für viele Entwicklungsländer und bietet Alternativen zu westlich dominierten Institutionen. Dadurch ist eine neue Selbstbewusstseinswelle im Globalen Süden entstanden. Staaten fordern mehr Mitsprache in der internationalen Klimapolitik, in den internationalen Organisationen und drängen auf eine multipolare Weltordnung, in der ökologische Fragen zunehmend mit Fragen von Souveränität und Gerechtigkeit verknüpft sind.

Die COP30 in Brasilien ist deshalb nicht nur ein Austragungsort der UN Klimakonferenz, wo Emissionsziele verhandelt werden, sondern auch ein Symbol, dass der Globale Süden mehr Verantwortung in der globalen Ordnung übernehmen möchte. Der Ausgang dieses Treffens könnte zeigen, ob der Globale Süden seine wachsende geopolitische Bedeutung auch in eine klimapolitische Führungsrolle übersetzen kann, oder ob die alten Muster aus Rohstoffabhängigkeit und Ungleichheit fortbestehen.

Eines ist klar: Ohne den Globalen Süden wird es keine Lösung der Klimakrise geben, denn vor allem die Klimakrise zeigt uns, dass es nur multilaterale Lösungen für globale Probleme gibt. Doch die Wege dorthin führen über schwierige Aushandlungen zwischen ökonomischer Notwendigkeit, ökologischer Verantwortung und politischem Selbstbewusstsein.

Autor: Univ.-Ass. Josef Mühlbauer ist Politikwissenschaftler und Friedensforscher an der Universität Graz, hat zahlreiche Bücher herausgegeben und leitet den YouTube Kanal "Varna Peace Institute".

Der Globale Süden umfasst 85 Prozent der Weltbevölkerung, ist in der Berichterstattung deutschsprachiger Medien jedoch vergleichsweise selten vertreten. Häufig stehen dann Krisen im Vordergrund, während andere Entwicklungen weniger Beachtung finden. Das Table.Forum Global South richtet den Scheinwerfer auf solchen Perspektiven und Erkenntnisse und lässt Expertenstimmen aus dieser Weltregion zu Wort kommen.

Impressum

Table.Forum ist ein Angebot von Table.Briefings
Leitung: Regine Kreitz (v.i.S.v. § 18 Abs. 2 MStV)
Table Media GmbH, Wöhlertstraße 12-13, 10115 Berlin · Deutschland,
Telefon +49 30 30 809 520
Amtsgericht Charlottenburg HRB 212399B, USt.-ID DE815849087
Geschäftsführer Dr. Thomas Feinen, Jochen Beutgen