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Drei Weichen für Europas digitale Zukunft

Von Esther Görnemann

Drei Weichen für Europas digitale Zukunft

Zuversicht

Ein Dekret, das Donald Trump in den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit erlässt, sticht heraus. Es ist ein Erlass, der amerikanischen Firmen jegliche Transaktionen mit dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag untersagt. Auch Tech-Konzerne und Zahlungsdienste wie SWIFT, mit denen das Gericht arbeitet. Auch Chinas Präsident Xi instrumentalisiert technologische Abhängigkeiten. Er verbot den Export kritischer Mineralien in die USA. Die Maßnahme dürfte besonders Rüstungs- und Technologieunternehmen treffen.

Europa befindet sich in einer volatilen geopolitischen Lage. Im Koalitionsvertrag oder auch im Aktionsplan für den KI-Kontinent der EU-Kommission deutet sich an, dass man die Dringlichkeit der Lage begriffen hat. Digitale Souveränität ist das Schlagwort der Stunde. Im besten Fall liegt in der Krise des transatlantischen Bündnisses eine Chance: Wir können künstliche Intelligenz in Europa souverän, demokratisch und im Interesse des Gemeinwohls gestalten. Mit drei Weichenstellungen.

Europa ist technologisch abhängig

Digitale Souveränität

Die besten KI-Modelle werden in den USA und China entwickelt. Europa ist (vorerst) Konsumentin ohne Wahlfreiheit. Dies wirft uns in fatale Abhängigkeitsverhältnisse. Wird der Zugang zu Technologien an politische Zugeständnisse geknüpft, gerät Europas wirtschaftliche Stabilität und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit massiv unter Druck.

Die digitalpolitische Strategie der EU und der Bundesregierung will die Kernressourcen der KI-Ökonomie – Rechenleistung und Daten – verfügbarer machen. Massive Investitionen sollen KI-Entwicklung in Europa erleichtern, die Kapazität an Rechenzentren soll sich verdreifachen. Man setzt auf Open Source, offene Schnittstellen und Standards, um Systeme nach eigenen Werten zu gestalten.

Private Konzerne beherrschen öffentliche Strukturen

Demokratische Aushandlung

Unterschiedliche Wertvorstellungen zeigen sich besonders bei Plattformkonzernen. Diese übernehmen mit ihren Angeboten zentrale gesellschaftliche Funktionen. Sie bieten Diskursräume, schaffen Marktplätze und verknüpfen unverzichtbare Dienste. Wie diese Angebote gestaltet sind, wer Zugang zu ihnen erhält und welche Inhalte sichtbar sind, wird aber nicht demokratisch ausgehandelt. Es unterliegt weitgehend dem unternehmerischen Kalkül der Konzerne.

Problematisch wird dies, wenn Plattformen die Sichtbarkeit von Inhalten verstärken oder einschränken (TikTok), denn sie kontrollieren Informationsströme, auf deren Basis Menschen politisch urteilen. Aus der Hoheit über Information und Deutung erwächst eine gefährliche Manipulationsmacht. Auch wer Sprachmodelle entwickelt, entscheidet, welches Wissen die KI sichtbar macht. Positionieren sich die Unternehmen dann auch noch aktiv selbst politisch (Meta), wird deutlich, dass man die Tech-Hegemone mutig und entschieden regulieren muss.

Die Basis hat die EU mit dem Digital Services Act (DSA) geschaffen. Das Verfahren der EU-Kommission gegen X ist ein viel beachteter Prozess, weil das neue Gesetz erstmals im Kräftemessen mit den Tech-Konzernen zum Einsatz kommt. Allerdings nützt das beste Gesetz wenig, wenn es nicht auch durchgesetzt wird. Keinesfalls dürfen die europäischen Digitalgesetze im Handelskonflikt mit den USA zur Verhandlungsmasse werden. Sie sind die Grundlage für eine freie, demokratische Gestaltung des digitalen Raums.

KI basiert auf Aneignung und verstärkt bestehende Ungleichheiten

Gemeinwohl

Nutzerdaten, die in Plattformen entstehen, sind für die KI-Entwicklung wertvoll, sie reichen aber nicht aus. Also greift man, oft ohne Zustimmung, auf alles Verfügbare zu. Entwickler bedienen sich an Presseartikeln oder Raubkopien, wohlwissend, dass einzelne Klageverfahren immer noch günstiger sind als Lizenzvereinbarungen. Die Aneignung betrifft nicht nur urheberrechtlich geschützte Werke, sondern auch gemeinschaftlich produzierte Ressourcen. Wissensbestände – frei, offen und kollektiv geschaffen – werden zur Ware. Das Extraktionsprinzip ist systemisch.

Ungleich ist bei generativer KI auch der Zugang: Nur wer über digitale Kompetenzen verfügt kann sie nutzen. Wer darüber hinaus noch bezahlen kann, erhält bessere Modelle. Das droht, soziale Ungleichheiten zu verschärfen – auch in Unternehmen, wo finanzstarke Akteure einen klaren Vorteil haben. Wo sie eingeführt wird, steigert KI zwar die Produktivität, oft aber auch die Arbeitsbelastung. Vor allem da, wo Arbeitnehmer wenig Verhandlungsmacht besitzen. Damit sie profitieren, sollten sie die KI-Integration wirksam mitbestimmen können.

Eine dritte Weichenstellung ist KI im Sinne des Gemeinwohls. Digitale Teilhabe erfordert Bildung – in Schule und Erwachsenenbildung. Eine europäische KI-Infrastruktur könnte ein Gegenentwurf zur Extraktionsökonomie sein: öffentlich finanziert, demokratisch kontrolliert, mit transparenten, lizenzierten Trainingsdaten.

Krisen eröffnen Möglichkeitsräume. In Europa ist es die Chance, digitale Infrastrukturen souverän, demokratisch und gemeinwohlorientiert zu gestalten.

Autorin: Esther Görnemann ist Referentin für Forschungssynthesen am Weizenbaum-Institut.

Digitale Souveränität entscheidet über Deutschlands und Europas Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erläutern in diesem Table.Forum, warum und wie strategisch investiert, föderale Strukturen modernisiert und digitale Kompetenzen gestärkt werden müssen – technisch, politisch und gesellschaftlich.

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