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Digitale Souveränität braucht offene Technologien und starke Zivilgesellschaft

von Henrietta Litta

In Berlin ging gerade die dreitägige re:publica zu Ende – laut Veranstalter Europas größtes Festival für die digitale Gesellschaft. Mit 600 Sessions auf 30 Bühnen ist das sicherlich keine Übertreibung. Es wurde viel über die digitale Souveränität diskutiert. Der neue Digitalminister fordert sie ein, Wirtschaftsverbände befürworten sie ebenso, wie IT-Firmen, Netzaktivisten und NGOs. Auch ich habe schon oft eine Stärkung der digitalen Souveränität gefordert. Wenn so viel Einigkeit herrscht, müssen wir nur noch die Ärmel hochkrempeln und endlich loslegen, oder?

Der schwierige Begriff der Souveränität

Zu große Zustimmung deutet aber leider darauf hin, dass sehr unterschiedliche Konzepte mit dem Begriff gemeint sind. Die staatliche Souveränität ist ideengeschichtlich eng mit dem Absolutismus verknüpft: Der Staat bin ich, sagte damals der Souverän. Heute rufen Milliardäre: Die Plattform bin ich. Aber mit der digitalen Souveränität wollen wir doch eigentlich wegkommen vom technologischen Absolutismus. Nur wohin wollen wir gehen?

Die wichtigste Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben?

Viel wichtiger als das Jonglieren mit abstrakten Begrifflichkeiten ist es, verständlich erklären zu können, was wir mit digitaler Souveränität eigentlich erreichen wollen und wer davon etwas haben wird. Wer digitale Souveränität fordert, muss daher diese eine wichtige Frage beantworten: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Für mich ist die Antwort klar. Ich möchte in einem demokratischen, rechtsstaatlichen, gerechten und nachhaltigen Deutschland leben. Aus einem solchen Zielbild muss sich die souveräne Digitalpolitik ableiten. Für die erfolgreiche Umsetzung müssen insbesondere zwei Bausteine zusammenkommen.

Auf offene Technologien setzen

Wir müssen konsequenter und stärker in die Entwicklung und Pflege von offenen Technologien investieren, anstatt dies nur sonntags zu fordern. Offene Technologien machen uns unabhängiger und kreativer. Sie erlauben uns Wahl und Wechsel. Offene Technologien sind eine grundlegende Triebkraft für die digitale Welt. Von der zugrunde liegenden Software, über die Protokolle, mit denen Daten über das Internet übertragen werden, bis hin zu den Inhalten, die unter freien Lizenzen herausgegeben werden können: Die Geschichte des Internets – und damit auch die Geschichte der Welt wie wir sie heute kennen –, wurde und wird maßgeblich von den Prinzipien offener Technologien geprägt. Insbesondere Open Source Software hat mittlerweile ein beträchtliches wirtschaftliches Potenzial entwickelt und stellt eine tragende Säule der globalen IT- und Netzwerkinfrastruktur dar.

Breite Expertise einbeziehen

Digitale Souveränität ist eine Gesellschaftsaufgabe, die weit über Technologie hinausgeht. Daher sollten wir die Umsetzung und Begleitung auch gesellschaftlich organisieren. Im Bereich des Digitalen zieht Deutschland selten den Neid anderer Länder auf sich. Auf der re:publica hörte man es aber wieder eindrucksvoll: Die Stärke, Kompetenz und Vielfalt der digitalen Zivilgesellschaft in Deutschland ist einmalig und sollte viel umfassender genutzt werden. Eine starke Zivilgesellschaft, die in der Lage ist, aktuelle Entwicklungen zu verfolgen, zu analysieren und sinnvoll und kritisch zu begleiten, ist für Gesellschaften von entscheidender Bedeutung. Es bedarf kompetenter Kontrollorganisationen, um Missstände aufzudecken. Es braucht Organisationen, die sich für die Berücksichtigung von gemeinwohlorientierten Ansätzen in einer Vielzahl von Politikbereichen einsetzen, sowie Organisationen, die durch Koordinierung und Kommunikation zum Aufbau von Koalitionen zu relevanten Themen und zur Förderung von guter Digitalpolitik für alle beitragen können.

Bohemian Rhapsody als Vorbild

Die re:publica geht traditionell mit dem gemeinsamen Singen von Queens Bohemian Rhapsody zu Ende. Wer hätte in den siebziger Jahren darauf gewettet, dass ein Song, der knapp 6 Minuten lang ist und aus einem wilden Mix aus Oper, Hardrock, Ballade und Gitarrensolo besteht, ein Welterfolg werden wird? Wer digitale Souveränität umsetzen möchte, muss auch mutig sein und sich nicht von den Realpolitikern einreden lassen, dass eine demokratische digitale Souveränität mit offenen Technologien völlig utopisch sei.

Autorin: Dr. Henriette Litta ist Geschäftsführerin der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation und Co-Gründerin des Bündnis F5 für eine gemeinwohlorientierte Digitalpolitik. Jüngst ist ihre Studie „From Software to Society. Openness in a changing world“ erschienen.

Digitale Souveränität entscheidet über Deutschlands und Europas Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erläutern in diesem Table.Forum, warum und wie strategisch investiert, föderale Strukturen modernisiert und digitale Kompetenzen gestärkt werden müssen – technisch, politisch und gesellschaftlich.

Unser Partner: Schwarz Digits ist die IT- und Digitalsparte der Schwarz Gruppe, einer international führenden Handelsgruppe (Lidl, Kaufland). Schwarz Digits bietet digitale Produkte und Services an, die den hohen deutschen Datenschutzstandards entsprechen. Zu den souveränen Kernleistungen von Schwarz Digits gehören Cloud, Cybersicherheit, Künstliche Intelligenz, Kommunikation und Workplace.

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