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Digitale Souveränität braucht Menschen und Kooperationen – nicht nur Papier

von Bernd Schlömer

Souveränität im Fokus

Viel wird und wurde in Koalitionsverträgen, auf Bühnen und in Gesprächen über die Digitale Souveränität Deutschlands gesprochen. Stark verkürzt ist hiermit die Fähigkeit des Staates oder dessen Verwaltung zu verstehen, digitale Infrastrukturen, Daten und Technologien selbstbestimmt auswählen zu können, eigenständig zu kontrollieren und zu schützen.

Abhängigkeit von Plattformen
Ein aktuelles Beispiel zeigt deutlich, welche Konsequenzen die Abhängigkeit zu IT-Dienstleistern hat. Das E-Mail-Konto des Chefanklägers des Internationalen Gerichtshofs wurde, nachdem US-Präsident Donald Trump Sanktionen gegen das Gericht verhängt hatte, durch Microsoft blockiert. Grund dafür waren die erlassenen Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen früheren Verteidigungsminister Yoav Gallant mit Blick auf Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen. Diese Blockade zeigt die Abhängigkeit von ausländischen Dienstleistern und die daraus resultierenden Risiken für die digitale Souveränität. Das Gericht war nicht mehr arbeitsfähig.

Open Source als Chance

Digital souverän zu sein bedeutet für öffentliche Verwaltungen in Deutschland daher im Besonderen, nicht nur selbstbestimmt handeln zu können, sondern schlichtweg arbeitsfähig zu bleiben – auch wenn es knirscht. Insofern wurde dieses Thema auch in den Koalitionsvertrag des Bundes und – einige Jahre zuvor – auch in den des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen. Im Koalitionsvertrag von Sachsen-Anhalt wird digitale Souveränität vor allen Dingen mit möglichen Investitionen in Open Source-Technologien assoziiert. Das bietet die Möglichkeit, unabhängig von großen internationalen Konzernen zu agieren und eigene Lösungen zu entwickeln. Das klingt zunächst einmal nach genau der richtigen Strategie: Verwaltungen investieren in Open Source Technologien und ertüchtigen ihre IT-Infrastruktur unter der Maßgabe der Souveränität und Herstellerunabhängigkeit. Die Verwaltungen sollen die Kontrolle über den Betrieb und die Entwicklung der eigenen Systeme und Daten erhalten. Worauf warten wir also noch?

Der Übergang zu Open Source und die Schaffung einer souveränen digitalen Infrastruktur ist jedoch ein hoch komplexer Prozess. Es erfordert umfangreiche Investitionen in die Entwicklung eigener Technologien und den Aufbau entsprechender Fachkompetenz. Diese Strategien müssen in die Praxis umgesetzt werden, was sowohl technologische als auch personelle Ressourcen erfordert. Und dies möglichst in einem zentralen Team z.B. in einer Landesverwaltung, um Hierarchien und komplexe Abstimmungswege zu verringern. Neue Geschäftsverteilungspläne müssen erstellt und tragfähige Strukturen geschaffen werden. Gleichsam braucht es fachlich kompetentes Personal mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen – also höher dotierte Posten müssen frei sein oder geschaffen werden.

Personal befähigen

In Sachsen-Anhalt herrscht – wie in vielen anderen Ländern und Kommunen auch – eine enge Haushaltslage, die die Wiederbesetzungen frei werdender Stellen begrenzt. Wir können aktuell nicht den freien Arbeitsmarkt aufrufen. Die Ertüchtigung der Infrastruktur und die Umstellung auf Open Source muss mit vorhandenen Ressourcen bestritten werden. Es ist unrealistisch, kurzfristig genügend Open-Source-Expertinnen und -Experten mit den nötigen Befugnissen zu gewinnen. Wir brauchen kompetente und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die befugt sind, Infrastrukturen aufzubauen, Entscheidungen zu treffen, Angebote zu bewerten und Projekte zu initiieren. Deshalb ist eine Investition in den Kompetenzaufbau unseres Personalkörpers unerlässlich. Ohne genügend qualifizierte Fachkräfte sind öffentliche Verwaltungen in ihrer digitalen Transformation auf externe Anbieter angewiesen, die in vielen Fällen keine vollständige Kontrolle über ihre Produkte und Dienstleistungen abgeben.

Föderale Zusammenarbeit stärken

Der Föderalismus hat an vielen Stellen in Deutschland – auch aufgrund seiner historisch-politischen Bedeutung – eine absolute Daseinsberechtigung. Aber um geschlossen und souverän gegenüber IT-Unternehmen auftreten zu können, braucht es eine kontinuierliche Strategie und die Zusammenarbeit über Länder- und Stadtgrenzen hinweg. Wir können hierbei auf bereits getroffene Entscheidungen zurückgreifen: So wurde 2022 auf Beschluss des IT-Planungsrates das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDis) gegründet, um mit einem umfassenden Souveränitätspaket aus Plattform, Produkten und Beratung, Bund, Länder und Kommunen dabei zu unterstützen, sich aus kritischen Abhängigkeiten zu lösen und ihre Handlungsfähigkeit zu sichern. Solche Wege gilt es auszubauen, der Bund hat dazu die entscheidenden Mittel in der Hand.

Fazit: Pragmatismus anstelle von Papierkonzepten

Ein selbstbestimmter, handlungsfähiger und souveräner digitaler Staat ist unerlässlich. Aber wir dürfen uns nicht in schönen Texten und Konzepten verlieren, sondern müssen pragmatisch überlegen: Wie können wir unsere IT in Deutschland in Teilschritten digital souverän ertüchtigen mit den Mitteln und Menschen, die wir haben? Wie können wir in Allianzen und Kooperationen mit Dienstleistern und anderen Bundesländern oder in der EU agieren? Wo können wir Synergieeffekte schaffen? Woran können wir andocken? Wo müssen wir unsere Hoheiten aufgeben, auf einheitliche Lösungen setzen und wie können wir zunehmend Themen der Nachnutzung und des Wissenstransfers derart etablieren, dass sie auch im großen Maßstab funktionieren? Und vor allem: Wie kann dieses Vorhaben derart verankert werden, dass sie den Umstrukturierungen der nächsten Legislatur nicht zum Opfer fällt und die Bemühungen und Investitionen obsolet erscheinen lassen. Und von besonderer Bedeutung sind gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wir dazu in die Lage versetzen, Entscheidungen zu treffen, die auf die Strategie der Digitalen Souveränität einzahlen. Der Wille zur digitalen Souveränität muss auf allen Ebenen bundesweit sichtbar sein und werden.

Autor: Bernd Schlömer ist Staatssekretär für Digitalisierung im Ministerium für Infrastruktur und Digitales des Landes Sachsen-Anhalt.

Digitale Souveränität entscheidet über Deutschlands und Europas Handlungsfähigkeit im globalen Wettbewerb. Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft erläutern in diesem Table.Forum, warum und wie strategisch investiert, föderale Strukturen modernisiert und digitale Kompetenzen gestärkt werden müssen – technisch, politisch und gesellschaftlich.

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