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Ökosysteme sind der Motor der Digitalisierung

von Stefan Münzner

Wir wollen Deutschland und Europa zu einem führenden KI-Standort machen. […] Wir wollen den exzellenten Forschungsstandort Deutschland sichern, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ausbauen und die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von KI in allen Bereichen der Gesellschaft im Sinne eines spürbaren gesellschaftlichen Fortschritts und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger fördern.“

Dieses wohlklingende Zitat aus der KI-Strategie der Bundesregierung hat einen gewaltigen Haken, nämlich das Datum der Beschlussfassung: November 2018. Wurden diese Ziele erreicht? Nein, und wir müssen so ehrlich sein, dass wir sogar zurückgefallen sind und an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.

 

Ich möchte dafür einen Erklärungs- und einen Lösungsansatz anbieten:

Deutschland ist das Land der Zuständigkeiten, Dienstwege und Prozesse. Bei der Digitalisierung ist das nicht anders. Auch wenn wir beschreiben können, was falsch läuft, und wissen, was wir besser machen müssten, muss erst noch der richtige Prozess ge- oder erfunden werden, um die Dinge voranzubringen.

Das ist nicht nur als Kritik an der öffentlichen Hand zu verstehen: Auch große Unternehmen werden oft stark gebremst von den eigenen Prozessen, einem zu ausgeprägten Sicherheitsdenken und starken Ziel- und Interessenkonflikten.

Die Lösung dafür muss ein Kulturwandel sein. Raus aus den Silos, rein in die internen und externen Partnerschaften und Ökosysteme. ‚Die Politik‘ wird den digitalen Mangel in Deutschland ebenso wenig beheben wie ‚die Wirtschaft‘, es geht nur in gemeinsamen, übergreifenden Ökosystemen.

Dies widerspricht, ob in politischen Zusammenhängen oder unternehmerischem Denken, erstmal der traditionellen Denkweise von Machtstrukturen im Geflecht von Angebot und Nachfrage, öffnet aber die Türen für eine ganz neue Leistungs- und Innovationsfähigkeit durch Synergien, Netzwerk- und Pattformeffekte.

Die Erfahrung zeigt: Mit Transparenz und einem ausreichend großen Rahmen gelingt es fast immer, einen Ausgleich für Ziel- und Interessenskonflikte zu finden und Win-Win-Situationen zu erzeugen. Dabei muss auch niemand um Macht oder Umsatz fürchten: Gelingt das gemeinsame Vorgehen, ist der zu verteilende Kuchen am Ende so groß, dass alle mehr haben als zuvor.

Hier können wir Europäer auch unsere Stärken in der Gemeinsamkeit ausspielen: Wenn einer der aktuell prägendsten Akteure des Silicon Valley, Palantir-Verwaltungsratschef Peter Thiel „Competition is for losers“ predigt und in Monopolen den besten Weg sieht, ist es jetzt an uns, zu beweisen, dass man gemeinsam mehr erreichen kann als allein und das partnerschaftlicher Wettbewerb der bessere Weg für nachhaltigen und wertstiftenden Fortschritt ist.

 

Gute Beispiele dafür gibt es auch im öffentlichen Sektor:

Im militärischen Bereich wurde aus der Not eine Tugend gemacht und vielfältige Austausch-Kanäle zwischen Bedarfsträger und Industrie geöffnet. Zum Beispiel mit der Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie wurde klar kommuniziert, wo man auf souveräne Lösungen setzt und wo man den globalen Markt für ausreichend erachtet. Der Flaschenhals bleibt hier weiter der eigentliche Beschaffungsprozess (siehe oben) und die Einbindung von KMU, aber die Transparenz Richtung Ökosystem und damit die Innovationskraft sind deutlich gestiegen. Das wünsche ich mir auch von allen anderen Behörden.

Ein weiteres Beispiel ist die Plattform PLAIN des Auswärtigen Amtes. Hier wurden von Beginn an ein internes (Behörden) und externes (Industrie, Wissenschaft etc.) Ökosystem mit- und zusammengedacht, strategisch verankert und in vielen Formaten gelebt. Erfahrungen sind also vorhanden.

In diesem Sinne sollte der Auf- und Ausbau von Ökosystemen und Netzwerken im Fokus der Vergabestellen und bei IT-Beschaffungsvorhaben, jeder industriepolitischen Maßnahme und auch beim Einsatz von Subventionen stehen, damit wir bei der Digitalisierung vorankommen und gleichzeitig an Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.

Autor: Stefan Münzner ist Geschäftsführer von HAK.

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