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Mit langem Atem: Wie wir Deutschland modernisieren und digital machen

von Karsten Wildberger

Deutschland braucht beides zugleich: eine konsequente Staatsmodernisierung und einen digitalen Staat. Dafür wurde das neue Ministerium geschaffen – mit zwei Querschnittsaufgaben, die durchs ganze Regierungssystem gehen und tief in Länder und Kommunen hineinwirken. Beides ist machbar, wenn wir Mindset, Umsetzung und Messbarkeit neu denken.

Worum es geht

Erstens geht es um Modernisierung und Entbürokratisierung: bessere Gesetze, weniger Aufwand, eine handlungsfähige Verwaltung. Das ist Neuland in seiner Breite und verlangt einen Blick über Ressortgrenzen hinweg. Zweitens braucht ein moderner Staat eine leistungsfähige digitale Basis. Das betrifft Netze und Infrastruktur ebenso wie die alltäglichen Verwaltungsleistungen, die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen in Anspruch nehmen. Beide Aufgaben erfordern einen langen Atem. Wer jahrzehntelang „Beton“ in Prozesse und Köpfe gegossen hat, trägt ihn nicht über Nacht ab – aber es ist möglich, wenn wir den Ansatz ändern.

Haltung, Umsetzung, Messbarkeit

Modernisierung beginnt im Kopf. Ein neues Mindset entsteht jedoch nicht durch Appelle, sondern durchs Handeln. Deshalb verbinden wir Gesetzgebung und Umsetzung von Anfang an: Ein Text allein reicht nicht, wenn die Realisierung nicht mitgedacht ist – das hat etwa das Onlinezugangsgesetz gezeigt. Zugleich machen wir Fortschritt messbar. Vorhaben werden mit klaren Zielen und Kennzahlen hinterlegt, denn Politik braucht Accountability und Nähe zum Thema – zum Ergebnis, zum „Kunden“, zum Alltag. Ebenso wichtig ist eine verständliche Kommunikation. Menschen haben wenig Vertrauen in die immer selben Versprechen; sie wollen wissen, was passiert, wo es hakt und wie wir schneller werden und konkret spüren, dass sich etwas verändert.

Was bereits läuft

Im Ministerium arbeitet ein Staatssekretärsausschuss ressortübergreifend und sammelt konkrete Vorhaben, priorisiert und treibt sie voran. Im Oktober beraten wir in einer Kabinettsitzung mit dem Schwerpunkt Bürokratierückbau gebündelte Maßnahmen, um die Wirtschaft zu entlasten – ein Format, das wir verstetigen. Parallel entsteht eine Modernisierungsagenda: ein Arbeitsdokument, das den Koalitionsvertrag vertieft, Zuständigkeiten klärt und Projekte auf den Erfüllungsaufwand beziffert. Im Regelwerk werden wir Entlastungen umsetzen, unter anderem mit einer weitgehenden Rücknahme zusätzlicher Berichts- und Dokumentationspflichten für Unternehmen. Mit der Reform des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes haben wir einen Anfang gemacht. Europäische Vorgaben wie die KI-Verordnung bringen wir zügig in die Anwendung – und reduzieren nationale Komplexität dort, wo sie nicht nötig ist.

Netze und Infrastruktur

Beim Breitbandausbau lagen wir Ende 2024 bei 40 Prozent Glasfaserversorgung der Haushalte. Bis zum Ende der Legislatur wollen wir über 70 Prozent erreichen. Das ist nicht 100 Prozent, aber ein großer Sprung. Entscheidend ist zudem die Nutzung: Ein ausgebauter Anschluss führt nicht automatisch zu einem Vertragsabschluss. Deshalb justieren wir das Marktdesign und die relevanten Stellschrauben nach, damit Ausbau und tatsächlicher Anschluss schneller zusammenfinden.

Verwaltungsdigitalisierung

Unser Ansatz kombiniert Skalierung, Zentralisierung und Innovation. Gemeinsam mit den Ländern identifizieren wir besonders leistungsfähige Kommunen und rollen deren Lösungen schneller in Regionen aus, in denen sie noch fehlen. So vermeiden wir Insellösungen und gewinnen Tempo. Wo Leistungen überall gleich benötigt werden, setzen wir auf zentrale Umsetzung. Ein Beispiel ist das Thema Kfz: An- und Ummeldungen mit einem Volumen von rund neun Millionen Vorgängen pro Jahr werden einmal sauber, sicher und bürgerfreundlich gelöst – statt hundertfach parallel. Das verändert nicht nur Oberflächen, sondern auch Abläufe in den Ämtern. Zusätzlich nutzen wir Künstliche Intelligenz als Beschleuniger. Junge Unternehmen laden wir ein, Verwaltungsleistungen mit Basismodellen und agentischer KI durchzudigitalisieren – von der Auslegung von Regelwerken über die Führung durch Anträge bis zur Vorbereitung von Bescheiden. Erste große Projekte laufen, und genau hier kann Tempo entstehen.

Unsere KI-Chancen

KI ist mehr als „die nächste Stufe der Digitalisierung“. Sie eröffnet drei strategische Felder. An der Basis stehen fundamentale Modelle, die enorme Investitionen und Rechenleistung erfordern. Europa hat hier erste Ansätze; um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden, brauchen wir eigene Kapazitäten – bis hin zu „Gigafactories“ für Rechenleistung und europäische Basismodelle. Darauf aufbauend entstehen branchenspezifische Lösungen: für Logistik, Recht, Callcenter, Back-Office oder Robotik. In diesem Feld hat Deutschland große Stärken und kann schnell Wirkung entfalten. Entscheidend ist schließlich die Geschwindigkeit der Adaption. Wer KI rasch in Produktion, Verwaltung und Dienstleistungen bringt, stärkt seine Wettbewerbsfähigkeit – und trägt damit auch zur Weiterentwicklung der grundlegenden Modelle bei.

Transparenz über Fortschritt – und über Hürden

Nicht jede Maßnahme ist ein Volltreffer. Wichtig ist, offen zu benennen, wo etwas noch nicht gelingt, und so lange nachzuschärfen, bis es funktioniert. Modernisierung ist kein Event, sondern ein Prozess.

Die Aufgabe, die ich übernommen habe, ist ehrenvoll und notwendig – und sie lohnt sich: für die Bürgerinnen und Bürger, für Unternehmen und für einen Staat, der wieder als verlässlicher Partner erlebt wird. Unser Ziel bleibt klar: Deutschland modernisieren – messbar, umsetzungsstark und verständlich erklärt. Mit langem Atem, aber ohne Zeit zu verlieren.

Autor: Karsten Wildberger ist Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung.

Der Beitrag basiert auf einem Impulsvortrag, den Karsten Wildberger am 4. September 2025 beim ersten CEO Round Table bei Table.Briefings gehalten hat.

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