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Mit der digitalen Identität auf die Überholspur

von Sebastian Dettmers

Wer an den Stand der Digitalisierung in Deutschland denkt, denkt vermutlich erst einmal an Funklöcher, Fax und Papierformulare. Doch in Wahrheit muss sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht verstecken. Es gibt tausende Digitalunternehmen, die international Erfolg haben: Und ein Vielfaches an Unternehmen, die ihre analogen Geschäftsmodelle mit digitalen Prozessen erweitert haben und gegen die globale Konkurrenz bestehen. Zudem steht Deutschland bei der Zahl der IT-Absolventen von Hochschulen weltweit auf dem 4. Platz. Und zwei Drittel der Deutschen nutzen bereits KI. Eine „Digitalwüste“ sieht anders aus.

In einem Sektor hinkt unser Land allerdings tatsächlich hinterher: in der öffentlichen Verwaltung. Nicht umsonst liegt Deutschland in dieser Kategorie beim Bitkom-DESI-Index auf Platz 21 von 27 EU-Ländern. Das neue Digitalministerium soll die Ära der faxenden Ämter beenden. Eine längst überfällige Entscheidung. Jetzt geht es darum, die Prioritäten richtig zu setzen.

Ein Thema sollte absoluten Vorrang haben: Die Schaffung einer einheitlichen, sicheren und einfach nutzbaren digitalen Identität, auch mit Blick auf die europaweite Einführung der EUDI-Wallet. Zwar könnte bereits seit 2010 ein Chip auf dem Personalausweis dazu dienen. Doch wie so häufig in der deutschen Bürokratie wurde das Projekt verkompliziert und fernab vom Bedarf von Menschen und Wirtschaft gedacht.

Andere Länder sind erheblich weiter: Die Dänen nutzen ihre MitID beispielsweise nicht nur für die Kommunikation mit Behörden, sondern auch, um sich bei Banken, Online-Händlern und in Apps auszuweisen. Genau solch eine Lösung braucht auch Deutschland. Und das nicht nur, um die Effizienz und Transparenz seiner Verwaltung zu erhöhen. Sondern auch, um einem drohenden Wildwuchs im privaten Sektor zu verhindern. Im aufkommenden KI-Zeitalter fällt es Unternehmen zunehmend schwer, die Authentizität von Kunden, Nutzern und Bewerbern zu überprüfen.

Personalverantwortliche berichten, dass sie inzwischen für jede offene Stelle gefälschte oder kaum verifizierbare Bewerbungen erhalten. Laut dem Marktforschungsunternehmen Gartner könnte bereits in drei Jahren ein Viertel aller Bewerberprofile unecht sein.

Natürlich setzen wir bei Stepstone Matching-Algorithmen ein und unterstützen Kunden so dabei, echte Bewerbende zu erkennen. Aber volkswirtschaftlich macht es wenig Sinn, dass Portalbetreiber genauso wie Banken und Telekommunikationsanbieter unabhängig voneinander aufwändige Authentifizierungsprozesse entwickeln beziehungsweise verfeinern.

Je nahtloser sich eine digitale Identität in den Alltag der Bundesbürger integriert und je stärker sie sich in bewährte Lösungen einfügt, desto größer die Akzeptanz und umso eher gelingt die Digitalisierung. Damit steigen die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten für Deutschland. Das gilt beispielhaft für den Arbeitsmarkt.

Leichtere Bewerbungsprozesse werden mehr Menschen dazu bringen, den Job zu wechseln. Derzeit trägt die mangelhafte Reallokation von Arbeitskräften aus strukturschwächeren Branchen maßgeblich zum Mangel an Fachkräften bei. Und das wiederum hemmt das Entstehen einer noch größeren Zahl digitaler Champions. Genauso wie die papiernen Hürden beim Anwerben von Arbeitsmigranten. Im Wettbewerb um internationale Fachkräfte könnte eine digitale Identität Prozesse behördenübergreifend beschleunigen und sich zum Markenzeichen von Digital Germany entwickeln.

Mit einer einheitlichen, sicheren, schlanken und gut verknüpften digitalen Identität verbessert der Staat somit nicht nur sein Ansehen und die eigene Effizienz. Sie stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit der privaten Wirtschaft in einer Zeit, in der sie Rückenwind braucht. Eine einzigartige Chance für die Bundesregierung, ihr Wachstumsversprechen einzulösen und (endlich) den Digitalisierungsturbo zu zünden.

Autor: Sebastian Dettmers ist CEO von Stepstone.

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