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Genug geredet, konzipiert und angekündigt– Deutschland muss jetzt handeln, reformieren und digitalisieren!

von Robert Mayr

Seit Jahren wird über die schleppende Digitalisierung hierzulande geklagt. Es gibt Strategiepapiere, Gipfel, Modellprojekte und immer neue Schlagworte. Verkündet wurde viel – passiert ist wenig. Unternehmen und Bürger erleben den Stillstand täglich: Zu wenig digitale Services für Unternehmen und Bürger, zu viele föderale Hürden und Doppelentwicklungen, zu lange und zu komplizierte Verfahren, zu wenig Ergebnisse. Der Befund ist seit Jahren derselbe – und er ist niederschmetternd. Jetzt ist endlich Handeln gefragt.

Deutschland im Stillstand

Deutschland steckt in einer anhaltenden Rezession, die Bevölkerung blickt überwiegend pessimistisch in die Zukunft – nur 13 Prozent der Menschen hierzulande trauen der Regierung echte Reformen zu. Fehlentscheidungen haben die Wettbewerbsfähigkeit geschwächt, während die Politik immer wieder versucht, mit neuen Schulden statt mit Reformen Zeit zu kaufen. Doch genau die läuft uns davon.

Es gilt, offen darüber zu sprechen und mit allen gesellschaftlichen Akteuren, damit auch allen Teilen der Wirtschaft, in den Dialog einzutreten. Nur mit gemeinsamer Lösungsfindung gelingt eine Weiterentwicklung Deutschlands und auch der EU.

Digitalisierung braucht Strukturreformen

In dieser Weiterentwicklung darf Digitalisierung nicht in eine technologische Romantik abgleiten, in der alles „von uns“ neu erfunden werden muss und soll. Denn ein „Eurostack“ oder „Deutschlandstack“ allein macht noch keinen digitalen Staat. Erst wenn Prozesse vereinfacht, Zuständigkeiten geklärt, Normen digitaltauglich gemacht und Zielkonflikte gelöst sind, kann die Technik, wenn wir endlich für eine solide Infrastruktur gesorgt haben, wirken.

Ganz konkret meine Reformvorschläge:

·       Bürokratieabbau statt Bürokratieproduktion: Ein echtes Bürokratiemoratorium in dieser Legislatur – mit klaren Vereinfachungen bei Anträgen und Genehmigungen, einer Neuordnung föderaler Zuständigkeit mit dem Ziel einer effizienten und effektiven Verwaltung. Unabdingbar hierfür sind digitale Identitäten, die breit nutzbar sind, auch und gerade von und für die Wirtschaft.  Wer QR-Codes für Passbilder ausdruckt oder Originalurkunden von Amt zu Amt tragen lässt, betreibt keine Digitalisierung – er betreibt Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und kümmert sich mehr um offizielle Zuständigkeiten als Prozessverbesserungen zu erreichen.

·       Gesetze mit Ablaufdatum: Legislative Lifecycle Management muss Standard werden. Gesetze werden befristet, evaluiert und bei fehlender Wirkung gestrichen.

·       Mutig Innovationen gestalten statt Sorgen verwalten: Aufgaben priorisieren, Zielkonflikte klären, eine andere Balance zwischen Datenschutz und Datennutzung schaffen. Dazu gehört die Akzeptanz, dass Datennutzung nicht in jedem Fall und immer hinter dem Datenschutz zurückstehen sollte und somit eine flexiblere Zweckbindung der Datennutzung im Interesse aller Stakeholder sein kann, beispielsweise in der Forschung.

·       Pragmatische IT statt Dauerneuentwicklung: Verwaltung muss nicht in jeder Kommune für jeden Prozess Lösungen neu erfinden.  Gemeinsame, verbindliche, Beschaffungen und Entwicklungen von Softwarelösungen sparen Geld und verhindern Medienbrüche.

·       Den Mittelstand entlasten: Er ist der Investitionstreiber Deutschlands – und wird gerade von Bürokratie ausgebremst. 44 Prozent aller Bruttoinvestitionen stammen von KMU, aber ihre Umsätze sinken, während die Bürokratiekosten steigen. Der DATEV-Mittelstandsindex belegt das Monat für Monat.

Beispiel KI: Mut statt Misstrauen

Viele Unternehmen testen erste KI-Anwendungen. Doch statt Rückenwind zu bekommen, sind sie verunsichert angesichts des europäischen AI Act. Ex-ante-Regulierung, bevor Technologien überhaupt marktreif sind, ist innovationsfeindlich. Europa und Deutschland sollten auf ihre Stärken setzen: Hochwertige Daten, industrielles Know-how, starke Rollen in Lieferketten. Der Staat muss Standards setzen, technologieoffene Leitplanken geben – und dann den Wettbewerb machen lassen. Wunsch-Champions zu küren, hat noch nie funktioniert.

Politik am Scheideweg

Wir erleben eine gefährliche Mischung aus Stagnation und Pessimismus, Reformunfähigkeit und Überforderung. Dazu kommt eine neue Herausforderung: In einem zunehmend emotionalisierten politischen Klima wird es immer schwieriger, sachlich zu argumentieren und Reformen politisch zu legitimieren. Wer Mut zur Veränderung hat, muss mit Gegenwind rechnen. Genau jetzt braucht es diesen Mut.

Wir erleben täglich, dass die Unternehmen, gerade auch im Mittelstand, bei passenden Rahmenbedingungen bereit sind zu investieren, innovativ zu sein und Verantwortung zu tragen. Was uns noch fehlt: Klare zukunftsweisende Regeln, konsequente Reformen, Vertrauen in Unternehmen. Deutschland hat alles, was es braucht: Starke Firmen, Technologien und Kapital.

Genug geredet. Packen wir es endlich an.

Autor: Prof. Dr. Robert Mayr ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, promovierter Diplom-Kaufmann und seit 2016 CEO der DATEV eG.

Was ist jetzt entscheidend, um Digitale Souveränität zu erreichen? Wie transformieren wir richtig auf dem Weg zu Smart State und Smart Society? Die führenden Köpfe aus Politik, Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft geben Handlungsimpulse für Deutschlands und Europas strategische Zukunftsfragen.

Unser Partner: Sopra Steria – das führende europäische Tech- und Beratungsunternehmen verbindet Strategie und Umsetzung mit digitaler Souveränität und europäischer Haltung in 30 Ländern.

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