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EU KI-Verordnung: Orientierung geben & Vertrauen stärken

von Klaus Müller

Europäische Verordnungen sind kein Selbstzweck, sondern sie sollen im europäischen Binnenmarkt gleiche Rechte und Pflichten für alle Marktteilnehmer gewährleisten. Dennoch rufen neue EU-Regeln oft auch Widerstand hervor. Überregulierung lautet der Vorwurf oder übermäßiger Bürokratieaufwand. Die Digitalgesetze stehen zudem im Verdacht, nicht wirksam genug zu sein, etwa mit Blick auf die großen Tech-Unternehmen.

Seit dem 1. August 2024 gilt die europäische KI-Verordnung. Sie ist nicht nur der ausgewogene Versuch, die Risiken der Technologie zu kontrollieren. Vor allem eröffnet sie Chancen. Durch verbindliche Regelungen schafft sie Vertrauen bei allen Akteuren. Und das ist die Währung in der digitalen Welt.

Der AI Act ist ein wichtiger Schritt, um die Chancen der KI zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren. Er bietet einen klaren Rahmen für Innovationen und sorgt für Rechtssicherheit. Was bislang noch fehlt, ist oft ein differenzierterer Blick. Wir sehen zu oft Schlagzeilen, die Angst schüren und eine übertriebene Wahrnehmung von Risiken auf der einen Seite und hohen regulatorischen Anforderungen auf der anderen Seite vermitteln. Das führt zu unnötiger Verunsicherung in Unternehmen, die KI entwickeln und Innovationen und somit die Gesellschaft voranbringen. Diese Verunsicherung wollen wir abbauen und Unternehmen zeigen, dass der AI Act kein Hindernis, sondern eine Chance ist. Eine Chance, verantwortungsvolle KI-Systeme zu entwickeln, die das Vertrauen der Bürger gewinnen und unsere Wirtschaft stärken.

Ein mittelständisches Logistikunternehmen hat seine Produktionsprozesse mithilfe von Künstlicher Intelligenz digitalisiert. Sensoren und Algorithmen optimieren Abläufe in Echtzeit. Das steigert Effizienz und Nachhaltigkeit. Ein anderes Unternehmen setzt einen Chatbot ein, der Kundenanfragen rund um die Uhr beantwortet. KI macht vieles einfacher. Doch sobald es um die Regulierung geht, ist die Verunsicherung groß. „Fällt unser System unter die KI-Verordnung und wenn ja in welche Risiko-Klasse ? Müssen wir bestimmte Anforderungen erfüllen und zusätzliche Nachweise erbringen?“ Diese Fragen hören wir in der Bundesnetzagentur derzeit von vielen Unternehmen.

Gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) einschließlich Start-ups, die ihre Produkte bestmöglich entwickeln wollen und sich keine große Rechtsabteilungen oder eigene Compliance-Teams leisten können, ist der Einstieg schwierig. Deshalb haben wir ein Instrument entwickelt, das genau hier ansetzt.
Um Unternehmen zu unterstützen, haben wir im Juli 2025 den KI-Service Desk bei der Bundesnetzagentur ins Leben gerufen. Hier finden Marktakteure Antworten auf ihre Fragen und Orientierung in dem neuen Rechtsrahmen. Das alles ohne bürokratische Hürden.

Im Fokus des KI-Service Desks steht breitenwirksame Kommunikation. Hier stellen wir Informationen auf Basis der umfangreichen Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zu den Themenbereichen der KI-Verordnung zentral bereit. Der KI-Service Desk basiert unter anderem auf den bereits existierenden Leitlinien des AI-Office zu bestimmten Vorschriften der KI-Verordnung. Das heißt: Wir bündeln Wissen und stellen es den national tätigen Akteuren bereit. Wir haben FAQs zusammengestellt, Hinweispapiere und Dossiers, die viele Unternehmen gleichzeitig erreichen und Fragen beantworten. So kommunizieren wir in gleicher Weise an alle Adressaten, vermeiden Doppelarbeit und leisten einen Beitrag zur Rechtssicherheit.

Ein wesentlicher Bestandteil des KI-Service Desks ist der „KI-Compliance Kompass“. Das ist ein frei zugängliches Online-Tool, mit dem wir Unternehmen eine Orientierung geben , ob ihre Anwendung unter die KI-Verordnung fällt und welcher Risikoklasse sie nach erster Einschätzung zugeordnet wird: Handelt es sich um eine verbotene Praktik im KI-Bereich? Fällt die Anwendung in den Bereich der Hochrisiko-KI? Oder liegt nur ein geringes oder gar kein Risiko vor?

Der KI-Service Desk bietet aber noch vieles mehr: Hinweise zum Aufbau von KI-Kompetenz, Erläuterungen zu allen KI-Verordnung relevanten Themen wie verbotenen Praktiken, Definitionen und Normungsprozessen. Außerdem gibt er Informationen zu unserem Pilotprojekt eines KI-Reallabors, das wir gerade mit unseren Partnern der BfDI und dem Land Hessen durchführen.

Der KI-Service Desk ist ein zentraler Baustein für die Digitalisierung in Deutschland. Der Digitalminister, Karsten Wildberger, hat unsere Initiative von Anfang an unterstützt. Unternehmen können mutiger investieren, neue Geschäftsmodelle erproben und internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern, wenn sie Vertrauen in klare Regeln haben. Und nur so hat Europa die Chance, Anschluss zu halten an die scheinbar übermächtigen Technologie-Giganten in den USA. Das Potenzial auf diesem Kontinent ist groß. Wir müssen uns nur trauen, es zu heben.

KI wird die Welt verändern – die Frage ist nur, ob wir diese Veränderung gestalten oder ihr hinterherlaufen. Ich bin überzeugt: Europa kann sie gestalten und Deutschland somit wesentlich mitgestalten.

Dafür müssen wir uns bewegen. Die Bundesnetzagentur hat damit bereits begonnen.

Autor: Klaus Müller ist Präsident der Bundesnetzagentur.

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