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Es muss ein Klick durch Deutschland gehen – warum unsere Resilienz von der Digitalisierung abhängt

von Andreas Feicht

Reden wir nicht lange drumherum: Wir befinden uns aktuell in einer Phase der Multikrisen und in einer zunehmenden De-Globalisierung, wie wir sie vor wenigen Jahren noch für kaum möglich gehalten haben. Deutschland mag (noch) die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt sein – in Zeiten zerfallender Bündnisse einerseits und neuer unheiliger Allianzen andererseits müssen wir uns auf eigene Tugenden, Talente, Kräfte und nach wie vor vorhandene Chancen rückbesinnen. Und nicht jede Sackgasse bis zum Ende erforschen.

Wir stehen vor dem Verlust von Industriearbeitsplätzen, einer schleichenden De- Industrialisierung, unsere Lieferketten sind at risk. Demgegenüber steigen die Investitionsanforderungen in unsere Sicherheit, wir werden immer abhängiger von Schlüsseltechnik anderer. Was wir jetzt brauchen, das ist ein umfassender, ein radikaler Ansatz zur Digitalisierung.

Digitalisierung bedeutet unter anderem, eigene resiliente Systeme aufzubauen, weil wir in Echtzeit und schlank vorgehen wollen – in allen denkbaren Prozessen.

Es muss ein Klick durch Deutschland gehen. Privat wie unternehmerisch.

Privat:

Es ist erfreulich, dass unsere als langsam und schwerfällig angesehenen Finanzbehörden für die Allgemeinheit fast geräuschlos ein leistungsfähiges Instrumentarium für die digitale Steuererklärung geschaffen haben.

Es ist erfreulich, dass die Meldehallen unserer Kommunen inzwischen digital Termine vergeben können, wenn man einen neuen Pass braucht, und dass die Passbilder dazu digital erstellt werden.

Es ist erfreulich, dass mein Straßenverkehrsamt einen Schnellschalter für Autozulassungen hat, wenn man sich vorher im Internet angemeldet hat.

Aber wo ist die „Staats-App“, die all das und noch viel mehr zusammenfasst? Warum brauche ich neben der Registriernummer bei meiner Krankenversicherung jetzt auf einmal eine allgemeine Krankenversichertennummer für die digitale Patientenakte? Warum muss ich für viele Vorgänge noch einen Post-Ident vornehmen? Warum kann ich in Griechenland selbst eine Grundbuch-Angelegenheit über die Staats-App regeln? 

Warum kann ich meine eindeutige Steuer-ID nicht einfach als Personen-ID mit durchs Leben nehmen, für alles, was nach Identifikation verlangt? Das wäre die Aufgabe, mit der unser neues Digitalministerium Geschichte schreiben könnte, durch verbindliche Vorgaben des Bundes für digitale Anwendungen.

„Datenschutz hat Vorrang“ werden jetzt wieder viele sagen. Die durchdigitalisierte spanische Gesundheitsverwaltung unterliegt denselben europäischen Datenschutzstandards wie wir. Warum klappt es da und hier nicht?

Unternehmerisch:

Cybersicherheit und Schutz insbesondere der kritischen Infrastrukturen spielen eine zunehmende Rolle, das ist gut. Da bedarf es einer stärkeren Vernetzung und Kooperation zwischen den Akteuren, Wirtschaft und Experten einerseits, Sicherheitsbehörden andererseits.

Gleichzeitig muss die durchgehende Digitalisierung der Prozesse auch in der Industrie und Wirtschaft stattfinden, nehmen wir unsere Branche: Daten- und Cloud-Infrastrukturen müssen interagieren können, Netzdaten wie Erzeugungsdaten sind einerseits kritisch und schützenswert, andererseits brauchen wir sie nahezu in Echtzeit zur Steuerung immer komplexerer Systeme.

Wir sind in der Energiewende Brückenbauer zwischen der physischen und der digitalen Welt. Etwa, indem wir unsere Netzstationen so digitalisieren, dass sie in Millisekunden bei einer aufkommenden Störung die Fehlerstelle selbst eingrenzen.

Oder indem wir Mobilität mit Energie verbinden, indem wir das Heer der oft stundenlang ungenutzten Antriebsbatterien für Fahrzeuge zur Pufferung und zum Ausgleich der Stromnetze nutzen. Davon profitieren die Automobilisten durch Einnahmen ebenso wie das Netz und die Energieversorgung insgesamt durch mehr Sicherheit und Flexibilität.

Das alles bedarf einer klaren Moderation und einer zentralen Koordination. Der Staat muss hier über das Digitalministerium genau diese Rolle einnehmen, als „Deutschland-Stack“, der dafür sorgt, dass das „Klick“ in Deutschland koordiniert bleibt.

Autor: Andreas Feicht ist Vorstandsvorsitzender von RheinEnergie AG.

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