Table.Forum

Skalieren oder scheitern! Warum der Schutz der Biodiversität als Pionier-Thema scheitern wird – und wie daraus ein natur-positives Wirtschaftssystem für alle werden kann

von Stefanie Eichiner

Biodiversität ist die Grundlage für stabile Lieferketten und wirtschaftliche Resilienz. Das ist inzwischen Konsens – in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Dennoch ist der Schutz der Biodiversität immer noch ein Nischenthema für Pioniere, die im wesentlichen drei unternehmerische Ansätze verfolgen: Natur als Teil der Strategie, Natur als Investitionsklasse und Natur als Narrativ.

Business-Ansätze für Biodiversität

Unternehmen, die Biodiversitätsschutz strategisch verankern, reduzieren ihre negativen Einflüsse, fördern positive Wirkungen und machen Biodiversität zum Teil ihrer Kultur. Dies findet man aktuell bei einigen großen Playern, familiengeführten Überzeugungstätern und einzelne Gründerinnen und Gründer.

Banken und Investoren erkennen Biodiversität als Risikofaktor und Investitionsfeld. Naturbasierte Lösungen werden als Anlageklasse etabliert. Die Wirkung entsteht getrieben durch Finanzierungskonditionen und Opportunitäten. Allein - viele KMU haben derzeit weder Zugang noch Kapazitäten für diesen Weg.

Teilweise wird Biodiversität emotional aufgeladen: als „Teammitglied“, Teil des Purpose, kultureller Wert. Diese Narrative schaffen Bewusstsein – doch ohne strukturelle Verankerung bleiben sie oft folgenlos.

Diese Aktivitäten belegen: Die Wirtschaft beginnt, Biodiversität zu verstehen. Aber diese selektiven Maßnahmen machen ebenso deutlich, dass eine systemische Breitenwirkung fehlt.

Es fehlt die Skalierung

Um Biodiversität flächendeckend zu verankern, braucht es zusätzliche, strukturelle Voraussetzungen in Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft. Es geht vor allem darum, das vorhandene Wissen flächendeckend verfügbar zu machen und verbesserte Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wie die Skalierung gelingt

Biodiversität muss durch Standards und Rahmenwerke – freiwillige und regulatorische – flächendeckend in zentrale Unternehmensprozesse integriert werden – von Einkaufsrichtlinien über Produktentwicklung bis zu Controlling und Risikomanagement. Netzwerke wie BAUM e.V. bieten erprobte Managementansätze.

Die Umsetzung muss branchenspezifisch und KMU-tauglich sein. Initiativen wie Food for Biodiversity zeigen, wie Biodiversität branchenspezifisch operationalisiert werden kann. Für KMU sind praxisnahe Werkzeuge und Förderangebote entscheidend – etwa durch DIHK und IHKs, die Biodiversität greifbar machen und in bestehende Prozesse integrieren.

Verlässliche Daten sind die Grundlage für Steuerung und Wirkungsmessung. Daten und Monitoringansätze stehen bereit, etwa durch das UFZ oder innovative Start-ups. Nur so wird Natur auch investierbar und wirtschaftliche Anreize möglich: steuerliche Vorteile, zinsgünstige Kredite und neue Instrumente wie Nature oder Biodiversity Credits.

Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft – etwa über die Biodiversity Bridge – ermöglicht Innovation und Wirkung. So etablierte erfolgreiche Ansätze können dann skaliert werden, um sektorübergreifend Wirkung zu entfalten und Biodiversität als integraler Teil des Wirtschaftssystems zu etablieren. Der BDI, der Bundesverband Nachhaltiges Wirtschaften oder die Michael Otto Stiftung dienen hier als Multiplikatoren in die Wirtschaft

Ein neues Normal braucht neue Narrative – gesellschaftlich verankert und durch konkrete Maßnahmen unterlegt. Biodiversität gehört in Schule, Ausbildung und Managementtrainings. Gleichzeitig braucht es eine kluge Regulierung: mit klaren Vorgaben, realistischer Umsetzungszeit und echter Einbindung der Wirtschaft. Organisationen wie der Rat für Nachhaltige Entwicklung oder der Deutsche Naturschutzring sind hier wichtige Mitstreiter, auch an der Schnittstelle zu den Ministerien und Ämtern.

Gemeinsam Gewicht in die Waagschale werfen für ein neues Normal

Seit 2008 arbeiten Unternehmen in der Initiative Biodiversity in Good Company gemeinsam am Mainstreaming Biodiversität. Für die hier vereinten Unternehmen ist Biodiversität bereits ein Kernthema. Gerade deshalb wissen diese Pionier-Unternehmen: Skalierung ist kein Selbstläufer.

Um Biodiversität aus der Nische holen und breit zu verankern – über Branchen und Unternehmensgrößen hinweg - schaffen wir durch das jährliche Dialogforum eine Plattform, die das Thema in voller Breite adressiert. Wo ein Unternehmen alleine kein Gewicht entfalten kann, geben wir dem Thema eine Stimme aus unternehmerischer Sicht. Mit den Mitgliedsunternehmen und den zahlreichen Partnerorganisationen im nationalen Projekt Unternehmen biologische Vielfalt und darüber hinaus, bringen wir Biodiversität als strategische Managementthema in die wirtschaftspolitische Debatte.

Wir verstehen Biodiversität als Teil zukunftsfähiger Unternehmensführung. Business-orientierte Ansätze sind wichtig – aber nicht ausreichend. Es braucht ein System, das jene belohnt und fördert, die Natur als gemeinsame Wirtschaftsgrundlage schützen. Dann gelingt auch die notwendige Skalierung.

Autorin: Dr. Stefanie Eichiner ist Head of Sustainability beim Holzwerkstoffhersteller Pfleiderer und Vorstandsvorsitzende der Initiative Biodiversity in Good Company e.V. Dr. Eichiner ist Mitglied im Nationalkomitee des UNESCO Mensch und Biosphäre Programms und Gewinnerin des BAUM e.V. Umwelt- und Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie „Großunternehmen“.

Biodiversität ist entscheidend für die Zukunft von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, da ihr Verlust nicht nur Ökosysteme, sondern auch Wertschöpfung, Investitionen und Innovationskraft gefährdet. Gleichzeitig erkennen immer mehr Akteure aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, dass der Schutz und die Förderung der Natur Chancen für nachhaltige Entwicklung, neue Geschäftsmodelle und größere Resilienz bieten. Das Table.Forum widmet sich einer natur-positiven Zukunft und zeigt anhand konkreter Beispiele, wie Unternehmen, Forschung und Zivilgesellschaft diesen Wandel aktiv gestalten. Im Mittelpunkt stehen dabei praxisnahe Fragen: Wie kann Biodiversität in der Kommunikation, im Geschäftsmodell und als Investitionschance erfolgreich genutzt werden?

Unsere Partner: Biodiversity Bridge ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss erfahrener Biodiversitäts-Expertinnen und -Experten, die European Biodiversity Coalition ist eine sektorübergreifende Plattform, die Verantwortungsträger großer europäischer Unternehmen zusammenbringt, um geschäftsgetriebene Maßnahmen für Biodiversität zu beschleunigen und das Museum für Naturkunde Berlin ist eines der weltweit bedeutendsten Forschungsmuseen für biologische und geowissenschaftliche Evolution und Biodiversität.

Impressum

Table.Forum ist ein Angebot von Table.Briefings
Leitung: Regine Kreitz (v.i.S.v. § 18 Abs. 2 MStV)
Table Media GmbH, Wöhlertstraße 12-13, 10115 Berlin · Deutschland,
Telefon +49 30 30 809 520
Amtsgericht Charlottenburg HRB 212399B, USt.-ID DE815849087
Geschäftsführer Dr. Thomas Feinen, Jochen Beutgen