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Biodiversität als Schlüssel fürs Klima? Das Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität im Dialog mit Politik und Gesellschaft

von Kirsten Thonicke

Wir müssen die biologische Vielfalt des Lebens schützen – dringender denn je. Wussten Sie zum Beispiel, dass sieben von neun planetaren Belastungsgrenzen bereits überschritten sind? Sieben biophysikalische Systeme und Prozesse befinden sich somit nicht mehr in einem Bereich, der uns stabile und sichere Lebensbedingungen ermöglicht. Oft wird übersehen, dass Biodiversität dazu beitragen kann, Schlimmeres zu verhindern oder unsere Lage sogar zu verbessern, da sie zentral ist für die Stabilisierung des Klimas. Außerdem stärkt sie die Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen an veränderte Umweltbedingungen – eine Voraussetzung für alles Leben auf der Erde, insbesondere angesichts des Klimawandels.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Beitrag, den Biodiversität zur Wirtschaft und Gesellschaft leistet. Ein großer Teil globaler wirtschaftlicher Aktivitäten basiert auf der Natur. Sie sichert Ernährung, sauberes Wasser, saubere Luft und trägt zur psychischen und physischen Gesundheit der Menschen bei. Wir alle profitieren von biologischer Vielfalt und sollten ihren Erhalt als eine zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen.

Wir, das Leibniz-Forschungsnetzwerk Biodiversität, bringen uns mit unserer Forschung aktiv in diese Aufgabe ein. Das Netzwerk vereint die Expertise von 19 Leibniz-Einrichtungen der Umwelt-, Lebens-, Raum-, Sozial-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften. Wir erforschen, wie sich die biologische Vielfalt erkennen, erhalten, nachhaltig nutzen und vorhersagen lässt. Dabei schaffen wir nicht nur Wissen, sondern bringen es gezielt in Politik und Gesellschaft ein – um die Biodiversitätskrise praktisch anzugehen und damit zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen beizutragen.

Dafür haben wir die 10 Must-Knows aus der Biodiversitätsforschung 2022 (10MustKnows22) und ihre Weiterentwicklung, die 10MustKnows24, veröffentlicht. In zehn Schlüsselbereichen haben wir aktuelles Wissen über die biologische Vielfalt verständlich zusammengefasst und daraus konkrete Handlungsempfehlungen für Politik und Gesellschaft abgeleitet. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, stellen wir unsere Publikationen auf öffentlichen Veranstaltungen vor, etwa auf der Woche der Umwelt 2024 im Park von Schloss Bellevue oder beim Mitmachtag im Futurium Berlin im Oktober 2025. Darüber hinaus bringen wir unsere interdisziplinäre Expertise in Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen, Verordnungen und politischen Strategien ein, um geeignete Rahmenbedingungen für den Schutz der Biodiversität zu fördern.

Um im nächsten Schritt vom Wissen ins Handeln zu kommen, haben wir die Zukunftswerkstatt Biodiversität gestartet, die auf den 10MustKnows24 aufbaut. Damit möchten wir die oft beklagte Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis schließen. In diesem Projekt bringen wir Akteure aus beiden Bereichen zusammen – Menschen, die sich beruflich oder ehrenamtlich für Biodiversität engagieren und Wissen sowie ihre Erfahrungen einbringen. Durch gemeinsames Lernen möchten wir zentrale Hebel und Maßnahmen identifizieren, die sozial gerecht und alltagsnah in Kommunen umgesetzt werden können. So übersetzen wir wissenschaftliche Erkenntnisse in die Realität und tragen zur Verbesserung der biologischen Vielfalt bei.

Die Ergebnisse dieser transdisziplinären Zusammenarbeit werden wir in einer praxisorientierten Publikation aufbereiten – mit Best Practice-Beispielen, Handreichungen und „Dos and Don’ts“ aus dem Prozess. So sollen zukünftige Projekte von unseren Erfahrungen profitieren können.

Mit diesen Aktivitäten nutzt das Leibniz-Forschungsnetzwerk wissenschaftliche Erkenntnisse, um den Dialog mit Akteuren und Entscheidungsträgern zu fördern. Unser Ziel ist es, das gesamtgesellschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung von Biodiversität zu schärfen – ein Thema, das umso wichtiger wird, je weiter Klima- und Artenkrise fortschreiten und je weniger sie in der öffentlichen Debatte priorisiert werden.

Denn um den gemeinsamen Wandel zu einer nachhaltigen Zukunft zu erreichen, müssen wir diese Zwillingskrise gemeinsam angehen – zum Vorteil für uns alle.

Autorin: PD Dr. Kirsten Thonicke ist Sprecherin des Leibniz Forschungsnetzwerks Biodiversität und stellvertretende Abteilungsleiterin „Erdsystemanalyse“ am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Biodiversität ist entscheidend für die Zukunft von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, da ihr Verlust nicht nur Ökosysteme, sondern auch Wertschöpfung, Investitionen und Innovationskraft gefährdet. Gleichzeitig erkennen immer mehr Akteure aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, dass der Schutz und die Förderung der Natur Chancen für nachhaltige Entwicklung, neue Geschäftsmodelle und größere Resilienz bieten. Das Table.Forum widmet sich einer natur-positiven Zukunft und zeigt anhand konkreter Beispiele, wie Unternehmen, Forschung und Zivilgesellschaft diesen Wandel aktiv gestalten. Im Mittelpunkt stehen dabei praxisnahe Fragen: Wie kann Biodiversität in der Kommunikation, im Geschäftsmodell und als Investitionschance erfolgreich genutzt werden?

Unsere Partner: Biodiversity Bridge ist ein gemeinnütziger Zusammenschluss erfahrener Biodiversitäts-Expertinnen und -Experten, die European Biodiversity Coalition ist eine sektorübergreifende Plattform, die Verantwortungsträger großer europäischer Unternehmen zusammenbringt, um geschäftsgetriebene Maßnahmen für Biodiversität zu beschleunigen und das Museum für Naturkunde Berlin ist eines der weltweit bedeutendsten Forschungsmuseen für biologische und geowissenschaftliche Evolution und Biodiversität.

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