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Mut zur Verantwortung: Deutschlands Rolle in einer Welt im Wandel

von Alexander Marschik

Deutschland steht vor Herausforderungen, die mutige politische Entscheidungen erfordern. Die neue Bundesregierung hat Verantwortung übernommen in einer Zeit tiefgreifender geopolitischer Spannungen und globaler Umbrüche. Der Russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Nahostkrise, Spannungen zwischen den Großmächten und eine Vielzahl an regionalen und lokalen Konflikten setzen unsere Weltordnung stark unter Druck. Wirtschaftskrise, Handelskonflikte, die Spätfolgen der Covid-Pandemie und die Klimakrise erzeugen zusätzlich Unsicherheit. Die Werte unseres westlichen Gesellschaftsmodells mit Freiheit, Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit als tragende Säulen werden von verschiedenen internen und externen Akteuren in Frage gestellt. Die vielen Vorteile neuester Technik und Informationsvielfalt sind unbestritten, führen bei manchen aber auch zu Fehlinformationen, Orientierungslosigkeit und einem Rückzug aus der Realität. Viele Menschen fühlen sich zunehmend von politischen Prozessen ausgeschlossen, spüren sozialen Druck und haben finanzielle Sorgen.

Vor allem in Europa richtet sich der Blick vieler Partnerländer auf Deutschlands Regierung mit der Frage, wie das Land künftig mit diesen Herausforderungen umgehen will - und kann. Für Österreich ist klar: Europas Stärke nach innen entscheidet über seine Handlungsfähigkeit nach außen und Deutschland hat dabei eine besondere Rolle. Für Österreich ist ein starkes Deutschland eine der Säulen für Sicherheit und Stabilität, Ordnung und Prosperität, sowie für die Fähigkeit der Europäischen Union, in turbulenten Zeiten effektiv zu handeln.

Besonders sichtbar wird dies in der Sicherheitspolitik. Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte der Gedanke an massive militärische Investitionen in die deutsche Bundeswehr bei Nachbarn Unbehagen ausgelöst. Heute verbindet sich mit einem militärisch und politisch starken Deutschland die Hoffnung auf ein Mehr an Sicherheit. Erwartet wird, dass Deutschland als Partner in Europa zu einer eigenständigeren europäischen Sicherheitspolitik beiträgt und die „strategische Autonomie“ fördert. Sicherheit in Europa bedeutet aber auch, einen aktiven Beitrag zur Sicherheit in der Nachbarschaft und darüber hinaus zu leisten. Denn in unserer vernetzten Welt ist global lokal. Peacebuilding, Peacekeeping und die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität sind Bereiche, in denen alle Staaten eng kooperieren und Leistungen im Feld weltweit anbieten müssen, um erfolgreich zu sein. Wie wir alle, muss auch Deutschland hier mehr aktive Beiträge leisten – nicht nur finanziell, auch um Ausfälle anderer zu kompensieren.

Sicherheit und Stabilität brauchen eine breite Basis. Europas Stärke hängt entscheidend von seiner wirtschaftlichen Vitalität ab. Deutschland bleibt hier der Motor in der EU. Für Österreich, dessen Wirtschaft eng mit der deutschen verflochten ist, ist die Stabilität und Innovationskraft Deutschlands ein Schlüsselfaktor der eigenen Resilienz. Deutschlands Aufgabe ist es, den Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft voranzutreiben, die zugleich ihre Wettbewerbsfähigkeit wahrt. Hier sind mutige Entscheidungen in Deutschland nötig, es braucht echte Reformen. Dazu muss in einer vielerorts skeptischen Bevölkerung die Bereitschaft zu Veränderung generiert werden. Das ist immer schwierig, in Zeiten multipler Krisen und großer Unsicherheit ganz besonders.

Zu globalen Themen muss Europa stark auftreten, um seine Interessen zu wahren. In der multilateralen Diplomatie ist Deutschlands Rolle unverzichtbar. Es braucht verlässliche Partner, die an die Bedeutung der internationalen Ordnung mit der UNO im Zentrum glauben und diese aktiv verteidigen. Deutschland ist ein solcher Partner – so wie Österreich auch. Es gilt die internationalen Institutionen, die wir gemeinsam über Jahrzehnte aufgebaut haben, zu stärken und zu verbessern, aber auch vor eigennützigen und populistischen Angriffen zu verteidigen. Gerade jetzt, da internationale Zusammenarbeit unter Druck steht, gilt es, Vertrauen zu schaffen und das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen. Dies gilt für die internationalen Organisationen und Institutionen, aber auch für deren langjährig entwickelten Programme und Ziele. Handelspolitisch gilt es, offene Märkte zu verteidigen, faire Regeln zu fördern und protektionistischen Tendenzen entgegenzutreten. In der Klimapolitik wird von Deutschland erwartet, technologische Innovation mit diplomatischer Überzeugungskraft zu verbinden und so internationale Klimapolitik in positiver und effektiver Weise mitzugestalten. Bereiche wie Abrüstung, Menschenrechte und Entwicklung in allen Bereichen brauchen starke Fürsprecher, damit Projekte fortgesetzt, verbessert und umgesetzt werden können.

Die enge wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Vernetzung unserer beiden Länder ist Fundament für unsere ausgezeichneten bilateralen Beziehungen. Beim rezenten Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Stocker bei Bundeskanzler Merz in Berlin wurde wieder bestätigt, dass die Analysen und Positionen in so vielen Bereichen übereinstimmen. Und in jenen Fällen, wo wir tatsächlich unterschiedliche Auffassungen haben, versucht man diese einvernehmlich zu lösen, idealerweise lokal, vor Ort oder direkt zwischen den Akteuren. Dies ermöglicht eine friedliche und für beide gewinnbringende Nachbarschaft, die es gilt, durch ständigen Einsatz auszubauen und zu intensivieren.

Aus österreichischer Sicht bleibt Deutschland somit Partner, Motor und Garant für ein sicheres, stabiles und wohlhabendes Europa. Deutschland kann das Vertrauen seiner Nachbarn und Partner weiter festigen, in dem es wirtschaftliche Stärke mit sicherheitspolitischer Verantwortung und multilateraler Verlässlichkeit verbindet. Österreich setzt dabei auf ein starkes Deutschland – nicht nur als engsten Partner, sondern als gestaltende Kraft in einer Welt, die heute mehr denn je Stabilität, Dialog und Zusammenarbeit benötigt.

Autor: Dr. Alexander Marschik ist Österreichischer Botschafter in Deutschland.

In einer Zeit globaler Umbrüche bitten wir Botschafterinnen und Botschafter um ihre Sicht auf Deutschlands zukünftige Rolle in der Welt. Was wird in der Außen- und Sicherheitspolitik sowie in der Klima- und Handelspolitik von Berlin erwartet? Welche Impulse sollte Deutschland in internationalen Institutionen setzen – und wie lässt sich die bilaterale Zusammenarbeit weiterentwickeln?

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