Table.Briefing: Europe

Wirkt der DMA auch in den USA, Herr Schwab? + Schweiz und EU verhandeln wieder

Liebe Leserin, lieber Leser,

am heutigen Montag kommen die EU-Außenminister in Brüssel zusammen, die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen bestimmen wieder einmal die Agenda. US-Außenminister Antony Blinken schaltet sich vormittags per Video zu, ebenso sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba.

Einer der Punkte: die Nutzung der Erträge, die die eingefrorenen russischen Gelder abwerfen. Die Bundesregierung hat ihre Bedenken dagegen inzwischen aufgegeben, wie Kanzler Olaf Scholz nach seinem Treffen mit Emmanuel Macron und Donald Tusk am Freitag deutlich machte: Man werde die “windfall profits” aus russischen Vermögenswerten “nutzen, um den Kauf von Waffen für die Ukraine finanziell zu unterstützen”. Doch Ungarn und einige neutrale EU-Staaten hegen Bedenken. In der EU-Kommission wird derweil noch diskutiert, wie die Gelder am besten gelenkt werden sollten, etwa über die Europäische Friedensfazilität oder über den Verteidigungsfonds. Am Mittwoch soll der Vorschlag dann ins College kommen.

Die russischen Gelder waren einer von mehreren Punkten, bei denen die drei Staats- und Regierungschefs des Weimarer Dreiecks konkret wurden. Andere sollen am Dienstag beim Treffen der Verteidigungsminister auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein vorangetrieben werden: der Einkauf von Waffen und Munition für die Ukraine auf dem Weltmarkt (über die tschechische Munitionsinitiative hinaus), entsprechende Produktionsstätten in der Ukraine selbst und eine neue “Fähigkeitskoalition für weitreichende Raketenartillerie”, von der Scholz sprach. Dabei geht es nicht um Taurus-Marschflugkörper, deren Lieferung Scholz bekanntlich ablehnt, sondern um zusätzliche Systeme, die die Bundeswehr und andere europäische Streitkräfte bereits liefern.

Tusk betonte, man wolle der Ukraine “überall helfen, wo das nötig ist”, und zwar “genau jetzt und genau hier”. Die nicht ausgeräumten Meinungsverschiedenheiten von Macron und Scholz über das Ausschließen der Option eigener Soldaten in der Ukraine verwies der polnische Regierungschef hingegen ins Reich der “bösen Gerüchte”. Wohl nicht nur deshalb zeigte man sich in Berlin froh über die Anwesenheit Tusks, der als humorvoll, diplomatisch und clever geschätzt wird. Im Frühsommer wollen die drei sich wiedertreffen, diesmal auf Einladung Tusks in Warschau.

Ich wünsche Ihnen einen hoffentlich humorvollen Start in die Woche!

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Andreas Schwab: “Es gibt erhebliche Zweifel bei vielen Gatekeepern, ob sie wirklich DMA-konform sind”

Andreas Schwab (CDU), Berichterstatter des DMA für das Europäische Parlament, geht davon aus, dass der DMA auch in den USA seine Wirkung entfalten wird.

Herr Schwab, der DMA ist erst wenige Tage wirksam, da kam es mit Apple und Epic Games bereits zum ersten Anwendungsfall. Apple hat eingelenkt. Ist das ein gutes Signal?

Es ist gut, dass die Kommission die Gatekeeper definiert hat und die Regeln nun in Kraft sind. Jetzt kommt es darauf an, dass die Kommission auch in kleineren Fällen, die nicht so in der Öffentlichkeit stehen, schnell agiert. Im vorliegenden Fall hat es ja ganz gut geklappt. Der DMA kann seine Wirkung nur entfalten, wenn die Kommission zeitnah handelt, um betroffene Unternehmen zu schützen, bevor irreversible Schäden entstehen.

Sehen Sie bereits, dass andere Unternehmen, die weniger in der Öffentlichkeit stehen, sich durch den DMA gestärkt fühlen und ihre Rechte durchsetzen wollen?

Das ist das Ziel. Meine Kollegen und ich führen viele Gespräche, um über die neue rechtliche Situation aufzuklären. Die Kommission macht Workshops, und Frau Vestager reiste in die USA. Lina Khan, die Chefin der US-Wettbewerbsbehörde FTC, möchte, dass alle Beschwerden, die im Zuge des DMA bei der Kommission eingehen, an sie weitergeleitet werden. Dabei geht es nicht darum, den großen amerikanischen Unternehmen Ärger zu machen. Aber wir wollen, dass Recht und Gerechtigkeit auch in digitalen Märkten wieder Einzug halten. Betroffene Unternehmen sollten Verstöße unverzüglich melden.

Der DMA ist also nichts zum Ausruhen?

Nein. Der DMA gibt Unternehmen, die sich sonst in einer hoffnungslosen Lage befunden hätten, die Möglichkeit, auf Fehlverhalten hinzuweisen und Abhilfe zu verlangen. Aber es ist ein bisschen so, wie auf hoher See ins Wasser zu fallen: Sie müssen laut rufen und es muss auch jemand in der Nähe sein und Ihnen helfen. Dafür haben wir teilweise noch nicht genug Personal.

“Die Behörden sind aufgerufen, die Lage aufmerksam zu beobachten”

Liegt das an der Kommission?

Nur die Durchführung obliegt allein der Kommission. Aber auch die nationalen Behörden sind aufgerufen, die Lage am Markt aufmerksam zu beobachten und Informationen an die Kommission weiterzuleiten. Es war mein Vorschlag, zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Behörden zu kommen.

Funktioniert die Zusammenarbeit?

Das müssen wir beobachten. Ich weiß, dass Deutschland zwei Beamte an die Europäische Kommission ausgeliehen hat, die Niederländer ebenso. Die Italiener sind gerade dabei. Es gibt also bereits Formen der Zusammenarbeit. Das Ergebnis lässt sich erst in einigen Monaten bewerten.

“Es geht uns nicht darum, die Gatekeeper pauschal abzukassieren”

In Deutschland gab es die Diskussion, Gatekeeper an den Überwachungskosten zu beteiligen. Der DMA sieht das nicht vor. Ein Versäumnis?

Ich finde es richtig, am Anfang der Regulierung darauf zu verzichten. Es geht uns nicht darum, die Gatekeeper pauschal abzukassieren. Oder darum, Marktzugangsgebühren zu verlangen. Wir wollen die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft ins Internet übertragen. Wenn sich die Unternehmen daran halten, sind sie weiter frei zur Innovation und zur Geschäftsentwicklung. Aber klar, wenn wir nach ein paar Jahren feststellen, dass wir von den Gatekeepern ständig an der Nase herumgeführt werden, dann stellt sich die Frage, ob wir eine Aufsichtsgebühr brauchen. Aber ich hoffe, dass wir es vermeiden können. Es liegt aber an den Unternehmen, sich fair im Markt zu verhalten.

Welche Schritte erwarten Sie als nächstes?

Ich habe die Kommission bereits vor Weihnachten gebeten, weitere Dienste dem Anwendungsbereich des DMA hinzuzufügen. Das ist bisher nicht passiert. Zu klären ist zum Beispiel, ob kostenlose E-Mail- oder Clouddienste nicht auch einbezogen werden müssen. Das gleiche gilt für die Frage, ob Künstliche Intelligenz als Core Platform Services (CPS) der großen Gatekeeper zu definieren ist. Diese Arbeit an der Definition oder der Designation weiterer Services ist aus meiner Sicht bisher unterblieben. Das hätte vor dem 7. März geschehen sollen.

Was steht jetzt außerdem noch an?

Natürlich geht es jetzt darum, die Regeln für die bereits designierten CPS knallhart durchzusetzen. Das, was die Gatekeeper bisher an Compliance-Plänen vorgelegt haben, ist wahrscheinlich nicht ausreichend. Zumindest gibt es erhebliche Zweifel bei vielen Gatekeepern, ob sie wirklich DMA-konform geworden sind. Die Arbeitsgruppe zum DMA kommt am 3. April mit der Kommission und auch den betroffenen Unternehmen zusammen, um zu prüfen, was als nächstes zu tun ist.

“Das Ziel, dass der Wettbewerb gewissen Regeln folgen muss, gilt auf beiden Seiten des Atlantiks”

Sie sagten, die FTC will über alle Beschwerden im Bereich des DMA informiert werden. Was bedeutet das?

Eine Behörde in den USA strebt, genauso wie wir in Europa mit dem DMA, die Durchsetzung des freien Wettbewerbs an. Wir haben unterschiedliche rechtliche Grundlagen, unterschiedliche Instrumentarien, unterschiedliche Behörden. Aber das Ziel, dass der Wettbewerb frei und unabhängig sein soll und gewissen Regeln folgen muss, diese Prinzipien gelten auf beiden Seiten des Atlantiks. Und sie werden dort auch in gleicher Weise umgesetzt. Davon gehe ich aus.

Man konnte Apple so verstehen, dass es praktisch zwei verschiedene App-Stores geben wird, einen europäischen und einen amerikanischen …

Das ist die Drohung. Ob Apple das auch so umsetzt, muss man mal ganz entspannt abwarten. Da sind schon viele Drohungen ausgesprochen worden, die sich am Ende nicht materialisiert haben.

Sie erwarten also, dass es Druck von der FTC geben wird, die europäischen Regeln auch in den USA anzuwenden?

Es wird auch in den USA Druck geben, für faire Marktbedingungen zu sorgen. Den gibt es bereits heute, allerdings auf anderer rechtlicher Grundlage. Sicherlich wird es eine Abstimmung zwischen der Kommission und der FTC geben. Das kann bedeuten, dass wir mit unterschiedlichen Mitteln das gleiche Ziel verfolgen. Wichtig ist, dass beide Behörden das jetzige Gebaren der Gatekeeper nicht mehr akzeptieren wollen.

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So wollen Amherd und von der Leyen die EU und die Schweiz zu stabilen Partnern machen

Klappt es beim zweiten Anlauf? Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd kommt heute nach Brüssel, um zusammen mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Neustart der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU zu markieren. Es ist ein neuer Versuch, ein stabiles Fundament für die komplizierte bilaterale Beziehung zu schaffen und den Schweizer Zugang zum EU-Binnenmarkt längerfristig zu sichern. Das Ziel ist ein Paket mit den sogenannten institutionellen Fragen wie der dynamischen Rechtsübernahme, der Streitschlichtung und mit neuen Binnenmarktabkommen.

In einer zunehmend instabilen Welt sei es entscheidend, stabile und sichere Beziehungen mit den Nachbarländern zu haben, sagte der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis vor zehn Tagen, nachdem die Regierung in Bern ihr Verhandlungsmandat verabschiedet hatte. Im Mai 2021 war es allerdings die Schweiz gewesen, die einseitig und für Brüssel überraschend einen ersten Anlauf nach sieben Jahren Verhandlungen abgebrochen hatte. In Bern sehen nicht wenige es inzwischen als Fehler, damals den Verhandlungstisch abrupt verlassen zu haben. In Brüssel wirkt jedenfalls das Misstrauen gegenüber den Schweizern nach.

120 Abkommen regeln bisher die Beziehungen

Die EU hat vergangene Woche ihr Mandat ebenfalls verabschiedet. Heute wollen auch die beiden Chefunterhändler für eine erste Verhandlungsrunde zusammenkommen: für die EU der Brexit-erprobte Richard Szostak und für die Schweiz der Spitzendiplomat Patric Franzen. 120 Abkommen regeln bisher das immer engere bilaterale Verhältnis. Vor allem für die sogenannten Marktzugangsabkommen braucht es aus Sicht der EU eine neue Grundlage, die vor einer Erosion des Schweizer Zugangs warnt.

Die bilateralen Verträge mit der Schweiz wurden einst statisch abgeschlossen, auch in der Erwartung, dass das Land eines Tages beitreten würde. Die Diskrepanz zwischen den statischen Abkommen und dem dynamischen EU-Recht ist über die Jahre immer größer geworden. Auch fehlt ein Streitschlichtungsmechanismus, wenn man sich bei der Interpretation der gemeinsamen Spielregeln nicht einig ist.

Bei Streitigkeiten soll ein Schiedsgericht entscheiden

Die EU sieht deshalb die Homogenität des Binnenmarktes gefährdet. Daher soll nun die Schweiz bei fünf Marktzugangsabkommen vom Landverkehr bis zur Personenfreizügigkeit EU-Recht dynamisch nachvollziehen. Bei Streitigkeiten soll ein Schiedsgericht entscheiden, das allerdings den Europäischen Gerichtshof konsultieren muss, wenn es um reines EU-Recht geht und es dazu noch keine Rechtsprechung gibt.

Neu ist beim zweiten Anlauf, dass diese sogenannten institutionellen Fragen nicht mehr horizontal in einem Rahmenabkommen, sondern sektoriell in jedem Abkommen einzeln geregelt werden sollen. Dieses Zugeständnis der EU an die Schweizer Regierung ändert inhaltlich allerdings wenig an der Ausgangslage. Ebenso neu ist zudem der sogenannte Paketansatz mit neuen Abkommen im Bereich Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit. Dies ist ebenfalls ein Schweizer Wunsch, um mehr Spielraum für Kompromisse zu haben, wie es in Bern heißt.

Für den Forschungsplatz Schweiz soll die Vollassoziierung bei Horizon Europe und anderen EU-Programmen wieder möglich sein, wofür vor allem Baden-Württemberg lobbyiert hat, unterstützt auch aus Berlin. Ein Strommarktabkommen wäre ebenfalls für beide Seiten wichtig, aber vor allem für die Schweiz, um im integrierten Strombinnenmarkt ihr Netz stabil halten zu können. Wie wichtig für die Schweiz im Bereich Gesundheit eine Koordination sein kann, hat sich während der Corona-Pandemie gezeigt.

Die Gegner mobilisieren gegen den neuen Anlauf

Die Gegner einer engeren Anbindung an den EU-Binnenmarkt mobilisieren allerdings auch gegen diesen neuen Anlauf. Die rechtsnationalistische SVP als größte Partei sieht die Souveränität in Gefahr, spricht von einer “totalen Unterwerfung der Schweiz unter die EU” und einem “Kolonialvertrag”. Problematisch für die Regierung ist, dass auch die Gegner im linken Lager wieder nicht an Bord sind, also Sozialdemokraten und vor allem Gewerkschaften. Die Regierung gebe mit dem Verhandlungsmandat Teile des Lohnschutzes auf, kritisieren die Arbeitnehmervertreter.

Die Sozialdemokraten warnen angesichts der Öffnung des Strommarktes und der Schienen für grenzüberschreitende Verbindungen vor einem “neoliberalen Angriff” auf den öffentlichen Dienst. In der Schweiz sind viele Elektrizitätswerke noch in der Hand der Kommunen oder Kantone, und die Haushalte können ihren Anbieter nicht frei wählen, was sich mit einem Stromabkommen ändern müsste. Die Wirtschaftsverbände sind für einen Deal, werben aber wegen Differenzen in den eigenen Reihen bisher nur verhalten für ein Abkommen. Die Gegner haben die Deutungshoheit, noch bevor die Verhandlungen begonnen haben.

Schweiz profitiert in hohem Maße vom Zugang zum Binnenmarkt

Wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung nachgewiesen hat, profitiert kaum ein EU-Mitglied so sehr vom Zugang zum Binnenmarkt wie der Drittstaat Schweiz. Dazu gehört auch, dass Schweizer Unternehmen, Krankenhäuser oder der Forschungsplatz den ungebrochenen Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften dank dem bilateralen Freizügigkeitsabkommen mit der EU günstig decken können.

In der Schweiz wird die hohe Zuwanderung allerdings zunehmend kritisch gesehen. Die rechtsnationalistische SVP hat gerade eine neue Volksinitiative “gegen die 10-Millionen Schweiz” lanciert, ein Frontalangriff auch auf die bilateralen Beziehungen zur EU. Wenn Regierung und Befürworter einer Annäherung nicht bald in die Offensive gehen, klappt es beim zweiten Anlauf wieder nicht. Ein Deal mit Brüssel müsste am Ende die Hürde einer Volksabstimmung nehmen.

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News

EU und Ägypten vereinbaren strategische Partnerschaft

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi haben eine “umfassende und strategische Partnerschaft” geschlossen. In der Vereinbarung, die beide am Sonntag unterzeichneten, geht es darum, bei der Eindämmung unerwünschter Migration enger zusammenzuarbeiten. Es geht aber auch um wirtschaftliche und politische Kooperation. Die EU stellt Ägypten in den kommenden vier Jahren Finanzhilfen in Höhe von rund 7,4 Milliarden Euro in Aussicht.

Davon sind fünf Milliarden Euro für Darlehen und 1,8 Milliarden Euro für Investitionen in Bereiche wie Ernährungssicherheit und Digitalisierung vorgesehen. 600 Millionen Euro sollen als Zuschüsse fließen, 200 Millionen davon für das Migrationsmanagement. Dieses Geld soll Ägypten auch aus der schweren Wirtschaftskrise helfen, in der das Land derzeit steckt.

Von der Leyen warnt vor Hungersnot in Gaza

Von der Leyen äußerte sich in Kairo auch zur katastrophalen humanitären Situation in Gaza. “Gaza steht vor einer Hungersnot”, warnte sie. Das könne man nicht akzeptieren. “Es ist entscheidend, schnell eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand zu erzielen, der die Geiseln freilässt und mehr humanitäre Hilfe nach Gaza bringt.” Sie dankte Präsident al-Sisi, einen solchen Waffenstillstand zu vermitteln. “Wir sind auch sehr besorgt über die Risiken einer großangelegten Offensive in Rafah für die vulnerable Zivilbevölkerung”, sagte von der Leyen weiter. “Dies muss um jeden Preis vermieden werden.”

Die neue Partnerschaft mit Ägypten basiere auf sechs Hauptpfeilern, die von gegenseitigem Interesses für Europa und Ägypten seien, erläuterte von der Leyen in ihrem Statement. Diese sechs Pfeiler sind:

  • den politischen Dialog intensivieren, Förderung von Demokratie und Menschenrechten
  • wirtschaftliche Stabilität durch Reformen erreichen
  • Investitionen und Handel fördern
  • effektivere Zusammenarbeit bei Migration und Mobilität
  • stärkere Zusammenarbeit bei Sicherheit und Strafverfolgung
  • Beitrittsverhandlungen zu EU-Programmen wie Kreatives Europa und Horizont Europa. vis
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Bauernproteste zeigen Wirkung: EU-Kommission schlägt laxere Umweltregeln vor

Nach heftigen Bauernprotesten will die EU-Kommission gelockerte Umweltauflagen für Landwirte erlauben. Dabei geht es unter anderem um die Regeln für Brachflächen, wie die Brüsseler Behörde am Freitagabend mitteilte. Gemeint sind etwa Standards, die für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen sorgen sollen. Grundsätzlich müssen sich Landwirte an diese halten, um von den milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. 

Aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums senken die vorgeschlagenen Änderungen die Ambitionen für Umweltschutz der gemeinsamen EU-Agrarpolitik. Man wolle sich deshalb für Anpassungen starkmachen, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Bürokratieabbau solle nicht bedeuten, dass der Umweltschutz leide, sagte Minister Cem Özdemir. “Was wir heute verloren geben, muss umso mühsamer wiederaufgebaut werden”, sagte der Grünen-Politiker. “Es wäre der falsche Weg, die berechtigten Anliegen der Bauern nach mehr Unterstützung und Planbarkeit gegen den existenziell notwendigen Schutz von Natur, Umwelt und Biodiversität auszuspielen, das rächt sich nach hinten raus.”

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht das anders. Die Agrarpolitik werde an die sich verändernde Realität angepasst und bleibe auf die Hauptpriorität Umweltschutz ausgerichtet. Die Kommission hatte jüngst mehrfach Vorschläge für Entlastungen von Bauern präsentiert, nachdem Landwirte teils gewaltsam in der EU auf die Straßen gegangen waren. Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die Vorschläge von Freitag als ersten Schritt in die richtige Richtung. “Der heutige Verordnungsvorschlag der EU-Kommission kann und darf aber nur der Anfang zu einem deutlichen Weniger an Bürokratie- und Auflagenlast für die Landwirte sein”, teilte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken mit. dpa

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Im dritten Anlauf: EU-Rat beschließt Lieferkettenrichtlinie

Nach zwei gescheiterten Versuchen hat es im dritten Anlauf geklappt: Das Lieferkettengesetz hat am Freitag (15. März) im Ausschuss der stellvertretenden EU-Botschafter die qualifizierte Mehrheit erreicht.

Die mit dem Parlament ausgehandelten Trilogergebnisse waren zuvor zweimal am Widerstand unter anderem Deutschlands, Frankreichs und Italiens gescheitert. Deutschland enthielt sich auch am Freitag der Stimme, weil sich die Ampelkoalition nicht auf eine Position einigen konnte. Neben Deutschland enthielten sich auch acht weitere Mitgliedstaaten: Österreich, Bulgarien, Tschechien, Litauen, Estland, Malta, Ungarn und die Slowakei. Schweden beanspruchte mehr Zeit für die Prüfung.

17 Mitgliedstaaten trugen den Kompromiss aber mit, und sie erfüllten auch das nötige Quorum von 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Die belgische Ratspräsidentschaft sicherte die nötige Mehrheit im dritten Anlauf dank eines neuen Kompromissvorschlags, der Italien und Frankreich umzustimmen vermochte.

Eingeschränkter Anwendungsbereich

Der Kompromissvorschlag, der Table.Briefings vorliegt, schwächt die Lieferkettenrichtlinie in mehreren Punkten ab:

  • Der Anwendungsbereich wird auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro eingeschränkt. Im Kompromissvorschlag vom Februar lag die Schwelle bei 300 Millionen Euro, in der Ratsposition vom Dezember bei 150 Millionen Euro.
  • Der strenger formulierte Anwendungsbereich für Risikosektoren wurde gestrichen.
  • Eine zeitlich gestaffelte Einführung soll Unternehmen mehr Zeit geben, sich auf die Bestimmungen vorzubereiten. Je nach Größe müssen Unternehmen die Bestimmungen erst drei, vier oder fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie anwenden.
  • Gestrichen wurde die Verpflichtung für Unternehmen ab einem bestimmten Schwellenwert, Klimaübergangspläne mit finanziellen Anreizen für das Management zu unterlegen.
  • Die Bedingungen für die zivilrechtliche Klagebefugnis wurden angepasst.
  • Der Finanzsektor soll weitgehend ausgeklammert bleiben.

Die Schonung des Finanzsektors war von Anfang an ein Anliegen der französischen Regierung gewesen. In den vergangenen Wochen hatte sie sich auch für eine bedeutende Einschränkung des Anwendungsbereichs eingesetzt. Die italienische Regierung dürfte ihre Meinung aber nicht nur wegen des veränderten Textes zur Lieferkettenrichtlinie geändert haben. In der wenige Minuten zuvor abgestimmten Verpackungsverordnung hatte die belgische Ratspräsidentschaft Konzessionen für die italienische Regierung eingebaut.

Erfolg für belgische Ratspräsidentschaft

Die Einigung bei diesem Dossier ist ein Erfolg für die belgische Ratspräsidentschaft. Sie erweist sich als sehr begabt dabei, die Enthaltungen des größten Mitgliedstaates – das German Vote – diplomatisch zu umschiffen. Erst wenige Tage zuvor hatte sie es geschafft, die ebenfalls hochumstrittene Plattformrichtlinie gegen den Widerstand Frankreichs und die Enthaltung Deutschlands durch den Rat zu bringen.

Die stark angepasste Lieferkettenrichtlinie muss nun auch noch vom Parlament gutgeheißen werden. Die Position des Europäischen Parlaments war weit ambitionierter als das Resultat, auf das sich die stellvertretenden EU-Botschafter heute einigen konnten. Die Abstimmung im Parlament steht am 24. April an.

Unternehmen kritisieren Zusatzbelastung

Der BDI und die Deutsche Industrie- und Handelskammer kritisierten das Ergebnis in Pressemitteilungen. DIHK-Präsident Peter Adrian meinte zwar, dass der Kompromisstext einige Verbesserungen enthielte, aber dies sei nicht genug. “Auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen“, sagte er.

Die FDP lobt sich unterdessen dafür, dass es vor allem ihr zu verdanken sei, dass es überhaupt zu diesen Veränderungen gekommen ist. “Es ist der klaren Haltung der FDP zu verdanken, dass das Gesetz an vielen Stellen verbessert wurde”, meinte die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn.

NGOs kritisieren eingegrenzten Anwendungsbereich

Der europäische NGO-Zusammenschluss European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) nennt das Resultat einen Schritt in die richtige Richtung. ECCJ kritisiert jedoch die Einschränkung des Anwendungsbereichs. Nur 0,05  Prozent der europäischen Unternehmen würden schlussendlich noch in diesen Anwendungsbereich fallen. “Der Kompromiss fällt weit hinter die Ambition der ursprünglichen Trilog-Einigung zurück, dank der undemokratischen Manöver der Mitgliedstaaten in letzter Minute”, sagte ECCJ-Direktorin Nele Meyer.

Die sozialdemokratische Berichterstatterin des EU-Parlaments Lara Wolters zeigte sich dennoch erleichtert. “Die Menschen und der Planet haben über Zynismus gesiegt”, meldete sie auf X und bedankte sich bei der belgischen Ratspräsidentschaft. jaa

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EU-Staaten beschließen neue Verpackungsregeln – selbst Deutschland stimmt nach inhaltlichen Änderungen zu

Die EU-Staaten haben ein neues Gesetz zur Reduzierung von Verpackungsmüll auf den Weg gebracht. Die nötige qualifizierte Mehrheit der Vize-Botschafter stimmte der Verpackungsverordnung am Freitag zu. Lediglich Österreich und Malta trugen den Kompromiss nicht mit, wie es in Brüssel hieß.

Der belgischen Ratspräsidentschaft war es zuvor gelungen, mit inhaltlichen Änderungen zögernde Staaten wie Italien umzustimmen. Auch Deutschland stimmte nach intensiven Verhandlungen in der Koalition schließlich für die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR). Zuvor hatte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing quergestellt. Er machte Einwände gegen die Mehrwegquoten und die sogenannten Spiegelklauseln zum Einsatz von Rezyklaten geltend.

“Aus handelspolitischer Sicht problematisch”

Um den Bedenken Rechnung zu tragen, hinterlegte die Bundesregierung eine Protokollnotiz, wonach die Spiegelklausel “aus handelspolitischer Sicht problematisch sei, da sie als protektionistisches Instrument Handelshemmnisse schafft“. Eine Aufnahme der Klausel in die Verordnung dürfe “keine Präzedenz für zukünftige Gesetzgebung oder Freihandelsabkommen” darstellen.

Handelskommissar Valdis Dombrovskis hatte ähnliche Bedenken geäußert, die Behörde trägt den Kompromissvorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft aber ebenfalls mit. Nun fehlt noch die finale Zustimmung des Europaparlaments, damit die Verpackungsverordnung in Kraft treten kann.

Durch die Einigung in letzter Minute vermied es die Bundesregierung, bereits zum dritten Mal in dieser Woche von den anderen Mitgliedstaaten überstimmt zu werden. Die Ampelkoalition hatte sich zuvor auch bei den Regeln für Arbeiter auf digitalen Plattformen und dem Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit in der Minderheit wiedergefunden. Bei den Plattformen war nur Frankreich, bei der Zwangsarbeit Lettland und Ungarn im gleichen Lager wie Deutschland.

Bis 2030 sollen alle Verpackungen recycelbar sein

Laut dem mit dem Europaparlament verhandelten Gesetzestext sollen Verpackungen generell reduziert werden (um fünf Prozent bis 2030, zehn Prozent bis 2035 und 15 Prozent bis 2040). Bis 2030 sollen alle Verpackungen zudem recycelbar sein. Ausnahmen sind für leichtes Holz, Kork, Textilien, Gummi, Keramik, Porzellan und Wachs vorgesehen. Anhand von Mindestzielvorgaben soll laut dem Gesetz auch der Rezyklatanteil von Verpackungen erhöht werden. Rat und Parlament legten zudem verbindliche Mehrwegziele für 2030 und Richtziele für 2040 fest.

Ab 2030 sollen Verbote für bestimmte Einweg-Plastikverpackungen gelten, etwa für Verpackungen für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse, für Lebensmittel und Getränke, die in Cafés und Restaurants abgefüllt und konsumiert werden, Einzelportionen, Miniaturverpackungen für Toilettenartikel und Schrumpffolien für Koffer in Flughäfen. Auch sehr leichte Plastiktüten sollen vom EU-Binnenmarkt verbannt werden. tho/leo

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Deutsche Rüstungsindustrie erhält Fördergelder der EU

Rüstungs- und Chemieunternehmen aus Deutschland bekommen einen Großteil der neuen EU-Fördergelder für den Ausbau der europäischen Munitions- und Flugkörperproduktion. Wie die zuständige EU-Kommission am Freitag mitteilte, werden von den insgesamt 500 Millionen Euro mehr als 130 Millionen für deutsche Projekte zur Verfügung gestellt. Darunter sind von den Unternehmen Rheinmetall, Nitrochemie und Alzchem koordinierte Pläne zur Steigerung der Produktionskapazitäten für Geschosse und die dafür notwendigen Treibladungen. Zudem bekommt MBDA Deutschland Geld für ein Lenkflugkörper-Projekt.

Die Vergabe der Mittel erfolgt über ein Förderprogramm, das in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entwickelt wurde. Es soll Anreize für den Ausbau der Herstellung von Munition und Flugkörpern in der Europäischen Union bieten und auch dafür sorgen, dass die Ukraine langfristig unterstützt werden kann.

Produktionskapazität soll steigen

Schätzungen zufolge werden die nun geförderten Projekte es zum Beispiel ermöglichen, die Produktionsmenge von Sprengstoffen um mehr als 4300 Tonnen pro Jahr zu erhöhen. Insgesamt soll die jährliche Produktionskapazität für Geschosse bis Jahresende auf bis zu 1,7 Millionen steigen und Anfang 2026 die Zwei-Millionen-Marke übersteigen. Bei den für die Ukraine derzeit besonders wichtigen 155-Millimeter-Artilleriegeschossen habe man bereits in diesem Januar die Marke von einer Million pro Jahr erreicht, teilte die Kommission mit.

Neben den EU-Staaten ist auch Norwegen an dem Förderprogramm mit dem Namen ASAP (Act in Support of Ammunition Production) beteiligt. Der EU-Finanzierungsanteil für die Projekte liegt bei bis zu 45 Prozent.

Neben dem Programm ASAP wurde am Freitag auch das Projekt zur Förderung der gemeinsamen Beschaffung in der EU-Verteidigungsindustrie (EDIRPA) weiter vorangetrieben. Die Kommission veröffentlichte dazu eine Ausschreibung. Über das neue Instrument soll den Mitgliedstaaten bei Ankäufen, an denen ein Konsortium von mindestens drei Mitgliedstaaten beteiligt ist, eine teilweise Erstattung aus dem EU-Haushalt gewährt werden. Insgesamt stehen 310 Millionen Euro bereit. dpa

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Die EU hat jetzt ein Büro in Grönland

Visit of Ursula von der Leyen, President of the European Commission, to Greenland: On march 15, 2024, Ursula von der Leyen, president of the European Commission, traveled to Greenland and met with Múte Bourup Eged
Gemeinsam mit dem grönländischen Ministerpräsidenten Múte Bourup Egede weihte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Nuuk die offizielle Präsenz Europas in Grönland ein.

Seit dem 15. März hat die EU in Nuuk in Grönland ein Büro. Es ist die offizielle Präsenz Europas in Grönland und in der weiteren arktischen Region. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterzeichnete gemeinsam mit dem grönländischen Ministerpräsidenten Múte Bourup Egede in Anwesenheit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zwei Kooperationsabkommen mit einem Gesamtvolumen von knapp 94 Millionen Euro. Die Abkommen im Rahmen von Global Gateway “öffnen den Weg für Investitionen in saubere Energie, kritische Rohstoffe und Ausbildung in Grönland”, sagte von der Leyen.

Die Eröffnung eines EU-Büros in Nuuk ist Teil der Arktisstrategie der EU. Das Büro wird die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Regierung, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft erleichtern. Es soll öffentliche und private Investitionen der EU in Grönland fördern und die Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen wie Bildung, erneuerbare Energien, kritische Rohstoffe und Schutz der biologischen Vielfalt vertiefen.

Investitionen in Bildung und saubere Energie

Das mit 71,25 Millionen Euro ausgestattete Bildungsprogramm soll die Qualität des grönländischen Bildungssektors weiter verbessern. Das zweite Kooperationsabkommen ist ein Programm für grünes Wachstum (22,5 Millionen Euro). Es soll Investitionen in Wertschöpfungsketten für Energie und kritische Rohstoffe, Umweltschutz und Forschung unterstützen.

Der Status Grönlands als überseeisches Land und Gebiet der EU (ÜLG) unterstreicht seine einzigartigen Beziehungen zur EU. Im Zeitraum von 2021 bis 2027 erhält Grönland 225 Millionen Euro von der EU – einschließlich der jetzt bereitgestellten 94 Millionen Euro. vis

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Presseschau

EU und Ägypten: 7,4 Milliarden Euro von der EU für Migrations-Deal DER STANDARD
Wladimir Putin gewinnt Russlands Scheinwahl deutlich – Protestaktion von Kremlgegnern HANDELSBLATT
Frankreich: Präsident Emmanuel Macron nach Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz: “Frankreich kann Dinge tun, die Deutschland nicht kann” FAZ
Italien: Festgesetzte Rettungsschiffe – so kriminalisiert Italien die Seenotrettung ZDF
Frankreich: Premier Gabriel Attal kündigt eine öffentliche Konsultation zur Energie- und Klimastrategie an NACHRICHTEN.FR
Wales bekommt erstmals schwarzen Regierungschef N-TV
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Kroatien wählt Mitte April ein neues Parlament STUTTGARTER ZEITUNG
Deutschland und Malaysia: “Wir würden gern mit der EU wieder über ein Freihandelsabkommen verhandeln” WIWO
Lieferkettenrichtlinie: EU-Staaten einigen sich auf Lieferkettengesetz ZEIT
Was die Einigung auf ein EU-Lieferkettengesetz bedeutet WDR

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Roderick Kefferpütz – Die europäische Selbstbezogenheit durchbrechen

Roderick Kefferpütz, Director, Heinrich-Böll-Stiftung European Union
Roderick Kefferpütz ist seit Mai 2023 Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Europäischen Union in Brüssel.

Für sein Master-Studium in Oxford wählte Roderick Kefferpütz einen Schwerpunkt, der Anfang des Jahrtausends ein echtes Nischenthema war: russische Sicherheitspolitik. Andere Themen lockten nach dem Ende des Kalten Kriegs mehr Studenten in der britischen Traditionsuniversität. Und so saß Kefferpütz seinem Professor Woche für Woche allein gegenüber. Der begann seine Vorlesung schon mal mit der Aufforderung: “Let’s talk about war.”

Der heutige Direktor des Brüsseler Büros der Heinrich-Böll-Stiftung konnte nicht ahnen, dass ihn das Thema russische Sicherheitspolitik in seinem Berufsleben einmal so stark beschäftigen würde. Er hatte sich als Student ganz bewusst Russland ausgesucht, weil er wissen wollte, wie Europas größter Nachbar tickt. Vielen auf dem Kontinent hat es an dieser Neugier gefehlt. “Die eigenen Denkmuster auf andere zu übertragen, funktioniert nicht in der Politik”, sagt der 41-Jährige.

Den Blickwinkel zu ändern ist ihm wichtig

Der Perspektivwechsel, die Fähigkeit sich in andere hineinzudenken, ist für Kefferpütz das wichtigste Element, um erfolgreich internationale Politik zu betreiben. “Die europäische Selbstbezogenheit zu durchbrechen” lautet eines seiner wichtigsten Anliegen bei der Böll-Stiftung in Brüssel. Bevor er im Mai 2023 die Leitung des Europa-Büros mit elf Mitarbeitern übernahm, hat er schon sehr oft den Blickwinkel gewechselt. Er pendelte zwischen Politik, Thinktank und Stiftung wie nur wenige in Berlin und Brüssel.

Sein erster Job knüpfte direkt an sein Studium an: Er beschäftigte sich bei der Böll-Stiftung mit Energiesicherheit und Russland. Er wechselte für die Böll-Stiftung dann nach Brüssel und von dort 2009 in das Büro des grünen Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer. Industriepolitik wurde zu einem wichtigen Thema. Gleichzeitig kam er damals mit China in Berührung. Sein Chef, der einst ein Sinologie-Studium abgebrochen hatte, befasste sich als Vorsitzender der China-Delegation im Europäischen Parlament schon früh mit Pekings Machtpolitik.

Ausflug in die baden-württembergische Landespolitik

Aus der europäischen Legislative wechselte Kefferpütz, der mit einer Britin verheiratet ist, in die Exekutive zum grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Im baden-württembergischen Staatsministerium in Stuttgart befasste er sich zunächst mit der Regulierung von Autos. Anschließens wurde er stellvertretender Referatsleiter für Grundsatz und Strategie.

Dann lockte ihn wieder die Geopolitik. Beim Thinktank Merics in Berlin arbeitete er zwei Jahre zum Verhältnis zwischen Russland und China. Er erkannte Parallelen bei den Funktionsweisen der jeweiligen kommunistischen Parteien. “Ich hatte einen anderen Zugang als ein klassischer Sinologe”, sagt Kefferpütz.

Auf einem Segelschiff über den Atlantik

In seinem lichtdurchfluteten Büro in der Rue du Luxembourg, unweit des Europäischen Parlaments, erzählt er, wie er schon als Kind zwischen unterschiedlichen Welten gewechselt ist. Am Wochenende fuhr er mit seinen Eltern und dem vier Jahre jüngeren Bruder von Düsseldorf häufig in die Nähe von Amsterdam, die Heimat seiner niederländischen Mutter. Als er 13 Jahre alt war, beschlossen seine Eltern, nach Vancouver an der kanadischen Westküste zu ziehen, wo er sein Abitur ablegte.

Danach konnte er sich nicht für einen Studienort entscheiden und absolvierte sein erstes Uni-Jahr auf einem kanadischen Segelschiff. Was sich nach Abenteuer anhört, erwies sich als durchaus harte Schule: “Die ersten drei Monate hing ich nur über der Reling.” Die Tour führte ihn zuerst nach Feuerland und dann quer über den Atlantik nach Ägypten – in einer Zeit, als Hafenstädte ihre Anleger noch nicht für Kreuzfahrtschiffe aufgehübscht hatten. Auf diesem Trip entstand bei Kefferpütz der Wunsch, in der internationalen Politik zu arbeiten.

Der Weltraum als neue Ära der Geopolitik

Das Brüsseler Büro der Böll-Stiftung sieht er als wichtigen Knotenpunkt, um die weltweit 35 Büros der Stiftung zu verknüpfen. So ist es ihm ein Anliegen, die Perspektive des globalen Südens nach Brüssel zu tragen und genauso Kontakt in die Indo-Pazifik-Region zu halten – etwa nach Vietnam, Korea und Japan.

Neben den klassischen Themen der Stiftung wie Demokratie und grüne Wirtschaft, möchte er neue Themen anstoßen, etwa den Weltraum als neue Arena der Geopolitik. In den mehr als 15 Jahren seiner Karriere hat Kefferpütz gelernt: Vieles hängt mit Vielem zusammen – wird aber ganz unterschiedlich gesehen in der Welt. Silke Wettach

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am heutigen Montag kommen die EU-Außenminister in Brüssel zusammen, die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen bestimmen wieder einmal die Agenda. US-Außenminister Antony Blinken schaltet sich vormittags per Video zu, ebenso sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba.

    Einer der Punkte: die Nutzung der Erträge, die die eingefrorenen russischen Gelder abwerfen. Die Bundesregierung hat ihre Bedenken dagegen inzwischen aufgegeben, wie Kanzler Olaf Scholz nach seinem Treffen mit Emmanuel Macron und Donald Tusk am Freitag deutlich machte: Man werde die “windfall profits” aus russischen Vermögenswerten “nutzen, um den Kauf von Waffen für die Ukraine finanziell zu unterstützen”. Doch Ungarn und einige neutrale EU-Staaten hegen Bedenken. In der EU-Kommission wird derweil noch diskutiert, wie die Gelder am besten gelenkt werden sollten, etwa über die Europäische Friedensfazilität oder über den Verteidigungsfonds. Am Mittwoch soll der Vorschlag dann ins College kommen.

    Die russischen Gelder waren einer von mehreren Punkten, bei denen die drei Staats- und Regierungschefs des Weimarer Dreiecks konkret wurden. Andere sollen am Dienstag beim Treffen der Verteidigungsminister auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein vorangetrieben werden: der Einkauf von Waffen und Munition für die Ukraine auf dem Weltmarkt (über die tschechische Munitionsinitiative hinaus), entsprechende Produktionsstätten in der Ukraine selbst und eine neue “Fähigkeitskoalition für weitreichende Raketenartillerie”, von der Scholz sprach. Dabei geht es nicht um Taurus-Marschflugkörper, deren Lieferung Scholz bekanntlich ablehnt, sondern um zusätzliche Systeme, die die Bundeswehr und andere europäische Streitkräfte bereits liefern.

    Tusk betonte, man wolle der Ukraine “überall helfen, wo das nötig ist”, und zwar “genau jetzt und genau hier”. Die nicht ausgeräumten Meinungsverschiedenheiten von Macron und Scholz über das Ausschließen der Option eigener Soldaten in der Ukraine verwies der polnische Regierungschef hingegen ins Reich der “bösen Gerüchte”. Wohl nicht nur deshalb zeigte man sich in Berlin froh über die Anwesenheit Tusks, der als humorvoll, diplomatisch und clever geschätzt wird. Im Frühsommer wollen die drei sich wiedertreffen, diesmal auf Einladung Tusks in Warschau.

    Ich wünsche Ihnen einen hoffentlich humorvollen Start in die Woche!

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    Andreas Schwab: “Es gibt erhebliche Zweifel bei vielen Gatekeepern, ob sie wirklich DMA-konform sind”

    Andreas Schwab (CDU), Berichterstatter des DMA für das Europäische Parlament, geht davon aus, dass der DMA auch in den USA seine Wirkung entfalten wird.

    Herr Schwab, der DMA ist erst wenige Tage wirksam, da kam es mit Apple und Epic Games bereits zum ersten Anwendungsfall. Apple hat eingelenkt. Ist das ein gutes Signal?

    Es ist gut, dass die Kommission die Gatekeeper definiert hat und die Regeln nun in Kraft sind. Jetzt kommt es darauf an, dass die Kommission auch in kleineren Fällen, die nicht so in der Öffentlichkeit stehen, schnell agiert. Im vorliegenden Fall hat es ja ganz gut geklappt. Der DMA kann seine Wirkung nur entfalten, wenn die Kommission zeitnah handelt, um betroffene Unternehmen zu schützen, bevor irreversible Schäden entstehen.

    Sehen Sie bereits, dass andere Unternehmen, die weniger in der Öffentlichkeit stehen, sich durch den DMA gestärkt fühlen und ihre Rechte durchsetzen wollen?

    Das ist das Ziel. Meine Kollegen und ich führen viele Gespräche, um über die neue rechtliche Situation aufzuklären. Die Kommission macht Workshops, und Frau Vestager reiste in die USA. Lina Khan, die Chefin der US-Wettbewerbsbehörde FTC, möchte, dass alle Beschwerden, die im Zuge des DMA bei der Kommission eingehen, an sie weitergeleitet werden. Dabei geht es nicht darum, den großen amerikanischen Unternehmen Ärger zu machen. Aber wir wollen, dass Recht und Gerechtigkeit auch in digitalen Märkten wieder Einzug halten. Betroffene Unternehmen sollten Verstöße unverzüglich melden.

    Der DMA ist also nichts zum Ausruhen?

    Nein. Der DMA gibt Unternehmen, die sich sonst in einer hoffnungslosen Lage befunden hätten, die Möglichkeit, auf Fehlverhalten hinzuweisen und Abhilfe zu verlangen. Aber es ist ein bisschen so, wie auf hoher See ins Wasser zu fallen: Sie müssen laut rufen und es muss auch jemand in der Nähe sein und Ihnen helfen. Dafür haben wir teilweise noch nicht genug Personal.

    “Die Behörden sind aufgerufen, die Lage aufmerksam zu beobachten”

    Liegt das an der Kommission?

    Nur die Durchführung obliegt allein der Kommission. Aber auch die nationalen Behörden sind aufgerufen, die Lage am Markt aufmerksam zu beobachten und Informationen an die Kommission weiterzuleiten. Es war mein Vorschlag, zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Behörden zu kommen.

    Funktioniert die Zusammenarbeit?

    Das müssen wir beobachten. Ich weiß, dass Deutschland zwei Beamte an die Europäische Kommission ausgeliehen hat, die Niederländer ebenso. Die Italiener sind gerade dabei. Es gibt also bereits Formen der Zusammenarbeit. Das Ergebnis lässt sich erst in einigen Monaten bewerten.

    “Es geht uns nicht darum, die Gatekeeper pauschal abzukassieren”

    In Deutschland gab es die Diskussion, Gatekeeper an den Überwachungskosten zu beteiligen. Der DMA sieht das nicht vor. Ein Versäumnis?

    Ich finde es richtig, am Anfang der Regulierung darauf zu verzichten. Es geht uns nicht darum, die Gatekeeper pauschal abzukassieren. Oder darum, Marktzugangsgebühren zu verlangen. Wir wollen die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft ins Internet übertragen. Wenn sich die Unternehmen daran halten, sind sie weiter frei zur Innovation und zur Geschäftsentwicklung. Aber klar, wenn wir nach ein paar Jahren feststellen, dass wir von den Gatekeepern ständig an der Nase herumgeführt werden, dann stellt sich die Frage, ob wir eine Aufsichtsgebühr brauchen. Aber ich hoffe, dass wir es vermeiden können. Es liegt aber an den Unternehmen, sich fair im Markt zu verhalten.

    Welche Schritte erwarten Sie als nächstes?

    Ich habe die Kommission bereits vor Weihnachten gebeten, weitere Dienste dem Anwendungsbereich des DMA hinzuzufügen. Das ist bisher nicht passiert. Zu klären ist zum Beispiel, ob kostenlose E-Mail- oder Clouddienste nicht auch einbezogen werden müssen. Das gleiche gilt für die Frage, ob Künstliche Intelligenz als Core Platform Services (CPS) der großen Gatekeeper zu definieren ist. Diese Arbeit an der Definition oder der Designation weiterer Services ist aus meiner Sicht bisher unterblieben. Das hätte vor dem 7. März geschehen sollen.

    Was steht jetzt außerdem noch an?

    Natürlich geht es jetzt darum, die Regeln für die bereits designierten CPS knallhart durchzusetzen. Das, was die Gatekeeper bisher an Compliance-Plänen vorgelegt haben, ist wahrscheinlich nicht ausreichend. Zumindest gibt es erhebliche Zweifel bei vielen Gatekeepern, ob sie wirklich DMA-konform geworden sind. Die Arbeitsgruppe zum DMA kommt am 3. April mit der Kommission und auch den betroffenen Unternehmen zusammen, um zu prüfen, was als nächstes zu tun ist.

    “Das Ziel, dass der Wettbewerb gewissen Regeln folgen muss, gilt auf beiden Seiten des Atlantiks”

    Sie sagten, die FTC will über alle Beschwerden im Bereich des DMA informiert werden. Was bedeutet das?

    Eine Behörde in den USA strebt, genauso wie wir in Europa mit dem DMA, die Durchsetzung des freien Wettbewerbs an. Wir haben unterschiedliche rechtliche Grundlagen, unterschiedliche Instrumentarien, unterschiedliche Behörden. Aber das Ziel, dass der Wettbewerb frei und unabhängig sein soll und gewissen Regeln folgen muss, diese Prinzipien gelten auf beiden Seiten des Atlantiks. Und sie werden dort auch in gleicher Weise umgesetzt. Davon gehe ich aus.

    Man konnte Apple so verstehen, dass es praktisch zwei verschiedene App-Stores geben wird, einen europäischen und einen amerikanischen …

    Das ist die Drohung. Ob Apple das auch so umsetzt, muss man mal ganz entspannt abwarten. Da sind schon viele Drohungen ausgesprochen worden, die sich am Ende nicht materialisiert haben.

    Sie erwarten also, dass es Druck von der FTC geben wird, die europäischen Regeln auch in den USA anzuwenden?

    Es wird auch in den USA Druck geben, für faire Marktbedingungen zu sorgen. Den gibt es bereits heute, allerdings auf anderer rechtlicher Grundlage. Sicherlich wird es eine Abstimmung zwischen der Kommission und der FTC geben. Das kann bedeuten, dass wir mit unterschiedlichen Mitteln das gleiche Ziel verfolgen. Wichtig ist, dass beide Behörden das jetzige Gebaren der Gatekeeper nicht mehr akzeptieren wollen.

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    So wollen Amherd und von der Leyen die EU und die Schweiz zu stabilen Partnern machen

    Klappt es beim zweiten Anlauf? Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd kommt heute nach Brüssel, um zusammen mit Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Neustart der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU zu markieren. Es ist ein neuer Versuch, ein stabiles Fundament für die komplizierte bilaterale Beziehung zu schaffen und den Schweizer Zugang zum EU-Binnenmarkt längerfristig zu sichern. Das Ziel ist ein Paket mit den sogenannten institutionellen Fragen wie der dynamischen Rechtsübernahme, der Streitschlichtung und mit neuen Binnenmarktabkommen.

    In einer zunehmend instabilen Welt sei es entscheidend, stabile und sichere Beziehungen mit den Nachbarländern zu haben, sagte der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis vor zehn Tagen, nachdem die Regierung in Bern ihr Verhandlungsmandat verabschiedet hatte. Im Mai 2021 war es allerdings die Schweiz gewesen, die einseitig und für Brüssel überraschend einen ersten Anlauf nach sieben Jahren Verhandlungen abgebrochen hatte. In Bern sehen nicht wenige es inzwischen als Fehler, damals den Verhandlungstisch abrupt verlassen zu haben. In Brüssel wirkt jedenfalls das Misstrauen gegenüber den Schweizern nach.

    120 Abkommen regeln bisher die Beziehungen

    Die EU hat vergangene Woche ihr Mandat ebenfalls verabschiedet. Heute wollen auch die beiden Chefunterhändler für eine erste Verhandlungsrunde zusammenkommen: für die EU der Brexit-erprobte Richard Szostak und für die Schweiz der Spitzendiplomat Patric Franzen. 120 Abkommen regeln bisher das immer engere bilaterale Verhältnis. Vor allem für die sogenannten Marktzugangsabkommen braucht es aus Sicht der EU eine neue Grundlage, die vor einer Erosion des Schweizer Zugangs warnt.

    Die bilateralen Verträge mit der Schweiz wurden einst statisch abgeschlossen, auch in der Erwartung, dass das Land eines Tages beitreten würde. Die Diskrepanz zwischen den statischen Abkommen und dem dynamischen EU-Recht ist über die Jahre immer größer geworden. Auch fehlt ein Streitschlichtungsmechanismus, wenn man sich bei der Interpretation der gemeinsamen Spielregeln nicht einig ist.

    Bei Streitigkeiten soll ein Schiedsgericht entscheiden

    Die EU sieht deshalb die Homogenität des Binnenmarktes gefährdet. Daher soll nun die Schweiz bei fünf Marktzugangsabkommen vom Landverkehr bis zur Personenfreizügigkeit EU-Recht dynamisch nachvollziehen. Bei Streitigkeiten soll ein Schiedsgericht entscheiden, das allerdings den Europäischen Gerichtshof konsultieren muss, wenn es um reines EU-Recht geht und es dazu noch keine Rechtsprechung gibt.

    Neu ist beim zweiten Anlauf, dass diese sogenannten institutionellen Fragen nicht mehr horizontal in einem Rahmenabkommen, sondern sektoriell in jedem Abkommen einzeln geregelt werden sollen. Dieses Zugeständnis der EU an die Schweizer Regierung ändert inhaltlich allerdings wenig an der Ausgangslage. Ebenso neu ist zudem der sogenannte Paketansatz mit neuen Abkommen im Bereich Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit. Dies ist ebenfalls ein Schweizer Wunsch, um mehr Spielraum für Kompromisse zu haben, wie es in Bern heißt.

    Für den Forschungsplatz Schweiz soll die Vollassoziierung bei Horizon Europe und anderen EU-Programmen wieder möglich sein, wofür vor allem Baden-Württemberg lobbyiert hat, unterstützt auch aus Berlin. Ein Strommarktabkommen wäre ebenfalls für beide Seiten wichtig, aber vor allem für die Schweiz, um im integrierten Strombinnenmarkt ihr Netz stabil halten zu können. Wie wichtig für die Schweiz im Bereich Gesundheit eine Koordination sein kann, hat sich während der Corona-Pandemie gezeigt.

    Die Gegner mobilisieren gegen den neuen Anlauf

    Die Gegner einer engeren Anbindung an den EU-Binnenmarkt mobilisieren allerdings auch gegen diesen neuen Anlauf. Die rechtsnationalistische SVP als größte Partei sieht die Souveränität in Gefahr, spricht von einer “totalen Unterwerfung der Schweiz unter die EU” und einem “Kolonialvertrag”. Problematisch für die Regierung ist, dass auch die Gegner im linken Lager wieder nicht an Bord sind, also Sozialdemokraten und vor allem Gewerkschaften. Die Regierung gebe mit dem Verhandlungsmandat Teile des Lohnschutzes auf, kritisieren die Arbeitnehmervertreter.

    Die Sozialdemokraten warnen angesichts der Öffnung des Strommarktes und der Schienen für grenzüberschreitende Verbindungen vor einem “neoliberalen Angriff” auf den öffentlichen Dienst. In der Schweiz sind viele Elektrizitätswerke noch in der Hand der Kommunen oder Kantone, und die Haushalte können ihren Anbieter nicht frei wählen, was sich mit einem Stromabkommen ändern müsste. Die Wirtschaftsverbände sind für einen Deal, werben aber wegen Differenzen in den eigenen Reihen bisher nur verhalten für ein Abkommen. Die Gegner haben die Deutungshoheit, noch bevor die Verhandlungen begonnen haben.

    Schweiz profitiert in hohem Maße vom Zugang zum Binnenmarkt

    Wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung nachgewiesen hat, profitiert kaum ein EU-Mitglied so sehr vom Zugang zum Binnenmarkt wie der Drittstaat Schweiz. Dazu gehört auch, dass Schweizer Unternehmen, Krankenhäuser oder der Forschungsplatz den ungebrochenen Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften dank dem bilateralen Freizügigkeitsabkommen mit der EU günstig decken können.

    In der Schweiz wird die hohe Zuwanderung allerdings zunehmend kritisch gesehen. Die rechtsnationalistische SVP hat gerade eine neue Volksinitiative “gegen die 10-Millionen Schweiz” lanciert, ein Frontalangriff auch auf die bilateralen Beziehungen zur EU. Wenn Regierung und Befürworter einer Annäherung nicht bald in die Offensive gehen, klappt es beim zweiten Anlauf wieder nicht. Ein Deal mit Brüssel müsste am Ende die Hürde einer Volksabstimmung nehmen.

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    EU und Ägypten vereinbaren strategische Partnerschaft

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi haben eine “umfassende und strategische Partnerschaft” geschlossen. In der Vereinbarung, die beide am Sonntag unterzeichneten, geht es darum, bei der Eindämmung unerwünschter Migration enger zusammenzuarbeiten. Es geht aber auch um wirtschaftliche und politische Kooperation. Die EU stellt Ägypten in den kommenden vier Jahren Finanzhilfen in Höhe von rund 7,4 Milliarden Euro in Aussicht.

    Davon sind fünf Milliarden Euro für Darlehen und 1,8 Milliarden Euro für Investitionen in Bereiche wie Ernährungssicherheit und Digitalisierung vorgesehen. 600 Millionen Euro sollen als Zuschüsse fließen, 200 Millionen davon für das Migrationsmanagement. Dieses Geld soll Ägypten auch aus der schweren Wirtschaftskrise helfen, in der das Land derzeit steckt.

    Von der Leyen warnt vor Hungersnot in Gaza

    Von der Leyen äußerte sich in Kairo auch zur katastrophalen humanitären Situation in Gaza. “Gaza steht vor einer Hungersnot”, warnte sie. Das könne man nicht akzeptieren. “Es ist entscheidend, schnell eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand zu erzielen, der die Geiseln freilässt und mehr humanitäre Hilfe nach Gaza bringt.” Sie dankte Präsident al-Sisi, einen solchen Waffenstillstand zu vermitteln. “Wir sind auch sehr besorgt über die Risiken einer großangelegten Offensive in Rafah für die vulnerable Zivilbevölkerung”, sagte von der Leyen weiter. “Dies muss um jeden Preis vermieden werden.”

    Die neue Partnerschaft mit Ägypten basiere auf sechs Hauptpfeilern, die von gegenseitigem Interesses für Europa und Ägypten seien, erläuterte von der Leyen in ihrem Statement. Diese sechs Pfeiler sind:

    • den politischen Dialog intensivieren, Förderung von Demokratie und Menschenrechten
    • wirtschaftliche Stabilität durch Reformen erreichen
    • Investitionen und Handel fördern
    • effektivere Zusammenarbeit bei Migration und Mobilität
    • stärkere Zusammenarbeit bei Sicherheit und Strafverfolgung
    • Beitrittsverhandlungen zu EU-Programmen wie Kreatives Europa und Horizont Europa. vis
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    Bauernproteste zeigen Wirkung: EU-Kommission schlägt laxere Umweltregeln vor

    Nach heftigen Bauernprotesten will die EU-Kommission gelockerte Umweltauflagen für Landwirte erlauben. Dabei geht es unter anderem um die Regeln für Brachflächen, wie die Brüsseler Behörde am Freitagabend mitteilte. Gemeint sind etwa Standards, die für den guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand von Flächen sorgen sollen. Grundsätzlich müssen sich Landwirte an diese halten, um von den milliardenschweren EU-Agrarsubventionen zu profitieren. 

    Aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums senken die vorgeschlagenen Änderungen die Ambitionen für Umweltschutz der gemeinsamen EU-Agrarpolitik. Man wolle sich deshalb für Anpassungen starkmachen, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Bürokratieabbau solle nicht bedeuten, dass der Umweltschutz leide, sagte Minister Cem Özdemir. “Was wir heute verloren geben, muss umso mühsamer wiederaufgebaut werden”, sagte der Grünen-Politiker. “Es wäre der falsche Weg, die berechtigten Anliegen der Bauern nach mehr Unterstützung und Planbarkeit gegen den existenziell notwendigen Schutz von Natur, Umwelt und Biodiversität auszuspielen, das rächt sich nach hinten raus.”

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht das anders. Die Agrarpolitik werde an die sich verändernde Realität angepasst und bleibe auf die Hauptpriorität Umweltschutz ausgerichtet. Die Kommission hatte jüngst mehrfach Vorschläge für Entlastungen von Bauern präsentiert, nachdem Landwirte teils gewaltsam in der EU auf die Straßen gegangen waren. Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßte die Vorschläge von Freitag als ersten Schritt in die richtige Richtung. “Der heutige Verordnungsvorschlag der EU-Kommission kann und darf aber nur der Anfang zu einem deutlichen Weniger an Bürokratie- und Auflagenlast für die Landwirte sein”, teilte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken mit. dpa

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    Im dritten Anlauf: EU-Rat beschließt Lieferkettenrichtlinie

    Nach zwei gescheiterten Versuchen hat es im dritten Anlauf geklappt: Das Lieferkettengesetz hat am Freitag (15. März) im Ausschuss der stellvertretenden EU-Botschafter die qualifizierte Mehrheit erreicht.

    Die mit dem Parlament ausgehandelten Trilogergebnisse waren zuvor zweimal am Widerstand unter anderem Deutschlands, Frankreichs und Italiens gescheitert. Deutschland enthielt sich auch am Freitag der Stimme, weil sich die Ampelkoalition nicht auf eine Position einigen konnte. Neben Deutschland enthielten sich auch acht weitere Mitgliedstaaten: Österreich, Bulgarien, Tschechien, Litauen, Estland, Malta, Ungarn und die Slowakei. Schweden beanspruchte mehr Zeit für die Prüfung.

    17 Mitgliedstaaten trugen den Kompromiss aber mit, und sie erfüllten auch das nötige Quorum von 65 Prozent der EU-Bevölkerung. Die belgische Ratspräsidentschaft sicherte die nötige Mehrheit im dritten Anlauf dank eines neuen Kompromissvorschlags, der Italien und Frankreich umzustimmen vermochte.

    Eingeschränkter Anwendungsbereich

    Der Kompromissvorschlag, der Table.Briefings vorliegt, schwächt die Lieferkettenrichtlinie in mehreren Punkten ab:

    • Der Anwendungsbereich wird auf Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem Nettoumsatz von über 450 Millionen Euro eingeschränkt. Im Kompromissvorschlag vom Februar lag die Schwelle bei 300 Millionen Euro, in der Ratsposition vom Dezember bei 150 Millionen Euro.
    • Der strenger formulierte Anwendungsbereich für Risikosektoren wurde gestrichen.
    • Eine zeitlich gestaffelte Einführung soll Unternehmen mehr Zeit geben, sich auf die Bestimmungen vorzubereiten. Je nach Größe müssen Unternehmen die Bestimmungen erst drei, vier oder fünf Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie anwenden.
    • Gestrichen wurde die Verpflichtung für Unternehmen ab einem bestimmten Schwellenwert, Klimaübergangspläne mit finanziellen Anreizen für das Management zu unterlegen.
    • Die Bedingungen für die zivilrechtliche Klagebefugnis wurden angepasst.
    • Der Finanzsektor soll weitgehend ausgeklammert bleiben.

    Die Schonung des Finanzsektors war von Anfang an ein Anliegen der französischen Regierung gewesen. In den vergangenen Wochen hatte sie sich auch für eine bedeutende Einschränkung des Anwendungsbereichs eingesetzt. Die italienische Regierung dürfte ihre Meinung aber nicht nur wegen des veränderten Textes zur Lieferkettenrichtlinie geändert haben. In der wenige Minuten zuvor abgestimmten Verpackungsverordnung hatte die belgische Ratspräsidentschaft Konzessionen für die italienische Regierung eingebaut.

    Erfolg für belgische Ratspräsidentschaft

    Die Einigung bei diesem Dossier ist ein Erfolg für die belgische Ratspräsidentschaft. Sie erweist sich als sehr begabt dabei, die Enthaltungen des größten Mitgliedstaates – das German Vote – diplomatisch zu umschiffen. Erst wenige Tage zuvor hatte sie es geschafft, die ebenfalls hochumstrittene Plattformrichtlinie gegen den Widerstand Frankreichs und die Enthaltung Deutschlands durch den Rat zu bringen.

    Die stark angepasste Lieferkettenrichtlinie muss nun auch noch vom Parlament gutgeheißen werden. Die Position des Europäischen Parlaments war weit ambitionierter als das Resultat, auf das sich die stellvertretenden EU-Botschafter heute einigen konnten. Die Abstimmung im Parlament steht am 24. April an.

    Unternehmen kritisieren Zusatzbelastung

    Der BDI und die Deutsche Industrie- und Handelskammer kritisierten das Ergebnis in Pressemitteilungen. DIHK-Präsident Peter Adrian meinte zwar, dass der Kompromisstext einige Verbesserungen enthielte, aber dies sei nicht genug. “Auch leicht abgespeckt bleibt die EU-Lieferkettenrichtlinie wenig praxistauglich und wird viel Bürokratie mit sich bringen“, sagte er.

    Die FDP lobt sich unterdessen dafür, dass es vor allem ihr zu verdanken sei, dass es überhaupt zu diesen Veränderungen gekommen ist. “Es ist der klaren Haltung der FDP zu verdanken, dass das Gesetz an vielen Stellen verbessert wurde”, meinte die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn.

    NGOs kritisieren eingegrenzten Anwendungsbereich

    Der europäische NGO-Zusammenschluss European Coalition for Corporate Justice (ECCJ) nennt das Resultat einen Schritt in die richtige Richtung. ECCJ kritisiert jedoch die Einschränkung des Anwendungsbereichs. Nur 0,05  Prozent der europäischen Unternehmen würden schlussendlich noch in diesen Anwendungsbereich fallen. “Der Kompromiss fällt weit hinter die Ambition der ursprünglichen Trilog-Einigung zurück, dank der undemokratischen Manöver der Mitgliedstaaten in letzter Minute”, sagte ECCJ-Direktorin Nele Meyer.

    Die sozialdemokratische Berichterstatterin des EU-Parlaments Lara Wolters zeigte sich dennoch erleichtert. “Die Menschen und der Planet haben über Zynismus gesiegt”, meldete sie auf X und bedankte sich bei der belgischen Ratspräsidentschaft. jaa

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    EU-Staaten beschließen neue Verpackungsregeln – selbst Deutschland stimmt nach inhaltlichen Änderungen zu

    Die EU-Staaten haben ein neues Gesetz zur Reduzierung von Verpackungsmüll auf den Weg gebracht. Die nötige qualifizierte Mehrheit der Vize-Botschafter stimmte der Verpackungsverordnung am Freitag zu. Lediglich Österreich und Malta trugen den Kompromiss nicht mit, wie es in Brüssel hieß.

    Der belgischen Ratspräsidentschaft war es zuvor gelungen, mit inhaltlichen Änderungen zögernde Staaten wie Italien umzustimmen. Auch Deutschland stimmte nach intensiven Verhandlungen in der Koalition schließlich für die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR). Zuvor hatte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing quergestellt. Er machte Einwände gegen die Mehrwegquoten und die sogenannten Spiegelklauseln zum Einsatz von Rezyklaten geltend.

    “Aus handelspolitischer Sicht problematisch”

    Um den Bedenken Rechnung zu tragen, hinterlegte die Bundesregierung eine Protokollnotiz, wonach die Spiegelklausel “aus handelspolitischer Sicht problematisch sei, da sie als protektionistisches Instrument Handelshemmnisse schafft“. Eine Aufnahme der Klausel in die Verordnung dürfe “keine Präzedenz für zukünftige Gesetzgebung oder Freihandelsabkommen” darstellen.

    Handelskommissar Valdis Dombrovskis hatte ähnliche Bedenken geäußert, die Behörde trägt den Kompromissvorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft aber ebenfalls mit. Nun fehlt noch die finale Zustimmung des Europaparlaments, damit die Verpackungsverordnung in Kraft treten kann.

    Durch die Einigung in letzter Minute vermied es die Bundesregierung, bereits zum dritten Mal in dieser Woche von den anderen Mitgliedstaaten überstimmt zu werden. Die Ampelkoalition hatte sich zuvor auch bei den Regeln für Arbeiter auf digitalen Plattformen und dem Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit in der Minderheit wiedergefunden. Bei den Plattformen war nur Frankreich, bei der Zwangsarbeit Lettland und Ungarn im gleichen Lager wie Deutschland.

    Bis 2030 sollen alle Verpackungen recycelbar sein

    Laut dem mit dem Europaparlament verhandelten Gesetzestext sollen Verpackungen generell reduziert werden (um fünf Prozent bis 2030, zehn Prozent bis 2035 und 15 Prozent bis 2040). Bis 2030 sollen alle Verpackungen zudem recycelbar sein. Ausnahmen sind für leichtes Holz, Kork, Textilien, Gummi, Keramik, Porzellan und Wachs vorgesehen. Anhand von Mindestzielvorgaben soll laut dem Gesetz auch der Rezyklatanteil von Verpackungen erhöht werden. Rat und Parlament legten zudem verbindliche Mehrwegziele für 2030 und Richtziele für 2040 fest.

    Ab 2030 sollen Verbote für bestimmte Einweg-Plastikverpackungen gelten, etwa für Verpackungen für unverarbeitetes frisches Obst und Gemüse, für Lebensmittel und Getränke, die in Cafés und Restaurants abgefüllt und konsumiert werden, Einzelportionen, Miniaturverpackungen für Toilettenartikel und Schrumpffolien für Koffer in Flughäfen. Auch sehr leichte Plastiktüten sollen vom EU-Binnenmarkt verbannt werden. tho/leo

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    Deutsche Rüstungsindustrie erhält Fördergelder der EU

    Rüstungs- und Chemieunternehmen aus Deutschland bekommen einen Großteil der neuen EU-Fördergelder für den Ausbau der europäischen Munitions- und Flugkörperproduktion. Wie die zuständige EU-Kommission am Freitag mitteilte, werden von den insgesamt 500 Millionen Euro mehr als 130 Millionen für deutsche Projekte zur Verfügung gestellt. Darunter sind von den Unternehmen Rheinmetall, Nitrochemie und Alzchem koordinierte Pläne zur Steigerung der Produktionskapazitäten für Geschosse und die dafür notwendigen Treibladungen. Zudem bekommt MBDA Deutschland Geld für ein Lenkflugkörper-Projekt.

    Die Vergabe der Mittel erfolgt über ein Förderprogramm, das in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine entwickelt wurde. Es soll Anreize für den Ausbau der Herstellung von Munition und Flugkörpern in der Europäischen Union bieten und auch dafür sorgen, dass die Ukraine langfristig unterstützt werden kann.

    Produktionskapazität soll steigen

    Schätzungen zufolge werden die nun geförderten Projekte es zum Beispiel ermöglichen, die Produktionsmenge von Sprengstoffen um mehr als 4300 Tonnen pro Jahr zu erhöhen. Insgesamt soll die jährliche Produktionskapazität für Geschosse bis Jahresende auf bis zu 1,7 Millionen steigen und Anfang 2026 die Zwei-Millionen-Marke übersteigen. Bei den für die Ukraine derzeit besonders wichtigen 155-Millimeter-Artilleriegeschossen habe man bereits in diesem Januar die Marke von einer Million pro Jahr erreicht, teilte die Kommission mit.

    Neben den EU-Staaten ist auch Norwegen an dem Förderprogramm mit dem Namen ASAP (Act in Support of Ammunition Production) beteiligt. Der EU-Finanzierungsanteil für die Projekte liegt bei bis zu 45 Prozent.

    Neben dem Programm ASAP wurde am Freitag auch das Projekt zur Förderung der gemeinsamen Beschaffung in der EU-Verteidigungsindustrie (EDIRPA) weiter vorangetrieben. Die Kommission veröffentlichte dazu eine Ausschreibung. Über das neue Instrument soll den Mitgliedstaaten bei Ankäufen, an denen ein Konsortium von mindestens drei Mitgliedstaaten beteiligt ist, eine teilweise Erstattung aus dem EU-Haushalt gewährt werden. Insgesamt stehen 310 Millionen Euro bereit. dpa

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    Die EU hat jetzt ein Büro in Grönland

    Visit of Ursula von der Leyen, President of the European Commission, to Greenland: On march 15, 2024, Ursula von der Leyen, president of the European Commission, traveled to Greenland and met with Múte Bourup Eged
    Gemeinsam mit dem grönländischen Ministerpräsidenten Múte Bourup Egede weihte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Nuuk die offizielle Präsenz Europas in Grönland ein.

    Seit dem 15. März hat die EU in Nuuk in Grönland ein Büro. Es ist die offizielle Präsenz Europas in Grönland und in der weiteren arktischen Region. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterzeichnete gemeinsam mit dem grönländischen Ministerpräsidenten Múte Bourup Egede in Anwesenheit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zwei Kooperationsabkommen mit einem Gesamtvolumen von knapp 94 Millionen Euro. Die Abkommen im Rahmen von Global Gateway “öffnen den Weg für Investitionen in saubere Energie, kritische Rohstoffe und Ausbildung in Grönland”, sagte von der Leyen.

    Die Eröffnung eines EU-Büros in Nuuk ist Teil der Arktisstrategie der EU. Das Büro wird die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Regierung, dem Privatsektor und der Zivilgesellschaft erleichtern. Es soll öffentliche und private Investitionen der EU in Grönland fördern und die Zusammenarbeit in einer Reihe von Bereichen wie Bildung, erneuerbare Energien, kritische Rohstoffe und Schutz der biologischen Vielfalt vertiefen.

    Investitionen in Bildung und saubere Energie

    Das mit 71,25 Millionen Euro ausgestattete Bildungsprogramm soll die Qualität des grönländischen Bildungssektors weiter verbessern. Das zweite Kooperationsabkommen ist ein Programm für grünes Wachstum (22,5 Millionen Euro). Es soll Investitionen in Wertschöpfungsketten für Energie und kritische Rohstoffe, Umweltschutz und Forschung unterstützen.

    Der Status Grönlands als überseeisches Land und Gebiet der EU (ÜLG) unterstreicht seine einzigartigen Beziehungen zur EU. Im Zeitraum von 2021 bis 2027 erhält Grönland 225 Millionen Euro von der EU – einschließlich der jetzt bereitgestellten 94 Millionen Euro. vis

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    Presseschau

    EU und Ägypten: 7,4 Milliarden Euro von der EU für Migrations-Deal DER STANDARD
    Wladimir Putin gewinnt Russlands Scheinwahl deutlich – Protestaktion von Kremlgegnern HANDELSBLATT
    Frankreich: Präsident Emmanuel Macron nach Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz: “Frankreich kann Dinge tun, die Deutschland nicht kann” FAZ
    Italien: Festgesetzte Rettungsschiffe – so kriminalisiert Italien die Seenotrettung ZDF
    Frankreich: Premier Gabriel Attal kündigt eine öffentliche Konsultation zur Energie- und Klimastrategie an NACHRICHTEN.FR
    Wales bekommt erstmals schwarzen Regierungschef N-TV
    Zehntausende bei Protesten gegen Orban in Budapest ORF
    Kroatien wählt Mitte April ein neues Parlament STUTTGARTER ZEITUNG
    Deutschland und Malaysia: “Wir würden gern mit der EU wieder über ein Freihandelsabkommen verhandeln” WIWO
    Lieferkettenrichtlinie: EU-Staaten einigen sich auf Lieferkettengesetz ZEIT
    Was die Einigung auf ein EU-Lieferkettengesetz bedeutet WDR

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    Roderick Kefferpütz – Die europäische Selbstbezogenheit durchbrechen

    Roderick Kefferpütz, Director, Heinrich-Böll-Stiftung European Union
    Roderick Kefferpütz ist seit Mai 2023 Leiter des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Europäischen Union in Brüssel.

    Für sein Master-Studium in Oxford wählte Roderick Kefferpütz einen Schwerpunkt, der Anfang des Jahrtausends ein echtes Nischenthema war: russische Sicherheitspolitik. Andere Themen lockten nach dem Ende des Kalten Kriegs mehr Studenten in der britischen Traditionsuniversität. Und so saß Kefferpütz seinem Professor Woche für Woche allein gegenüber. Der begann seine Vorlesung schon mal mit der Aufforderung: “Let’s talk about war.”

    Der heutige Direktor des Brüsseler Büros der Heinrich-Böll-Stiftung konnte nicht ahnen, dass ihn das Thema russische Sicherheitspolitik in seinem Berufsleben einmal so stark beschäftigen würde. Er hatte sich als Student ganz bewusst Russland ausgesucht, weil er wissen wollte, wie Europas größter Nachbar tickt. Vielen auf dem Kontinent hat es an dieser Neugier gefehlt. “Die eigenen Denkmuster auf andere zu übertragen, funktioniert nicht in der Politik”, sagt der 41-Jährige.

    Den Blickwinkel zu ändern ist ihm wichtig

    Der Perspektivwechsel, die Fähigkeit sich in andere hineinzudenken, ist für Kefferpütz das wichtigste Element, um erfolgreich internationale Politik zu betreiben. “Die europäische Selbstbezogenheit zu durchbrechen” lautet eines seiner wichtigsten Anliegen bei der Böll-Stiftung in Brüssel. Bevor er im Mai 2023 die Leitung des Europa-Büros mit elf Mitarbeitern übernahm, hat er schon sehr oft den Blickwinkel gewechselt. Er pendelte zwischen Politik, Thinktank und Stiftung wie nur wenige in Berlin und Brüssel.

    Sein erster Job knüpfte direkt an sein Studium an: Er beschäftigte sich bei der Böll-Stiftung mit Energiesicherheit und Russland. Er wechselte für die Böll-Stiftung dann nach Brüssel und von dort 2009 in das Büro des grünen Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer. Industriepolitik wurde zu einem wichtigen Thema. Gleichzeitig kam er damals mit China in Berührung. Sein Chef, der einst ein Sinologie-Studium abgebrochen hatte, befasste sich als Vorsitzender der China-Delegation im Europäischen Parlament schon früh mit Pekings Machtpolitik.

    Ausflug in die baden-württembergische Landespolitik

    Aus der europäischen Legislative wechselte Kefferpütz, der mit einer Britin verheiratet ist, in die Exekutive zum grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Im baden-württembergischen Staatsministerium in Stuttgart befasste er sich zunächst mit der Regulierung von Autos. Anschließens wurde er stellvertretender Referatsleiter für Grundsatz und Strategie.

    Dann lockte ihn wieder die Geopolitik. Beim Thinktank Merics in Berlin arbeitete er zwei Jahre zum Verhältnis zwischen Russland und China. Er erkannte Parallelen bei den Funktionsweisen der jeweiligen kommunistischen Parteien. “Ich hatte einen anderen Zugang als ein klassischer Sinologe”, sagt Kefferpütz.

    Auf einem Segelschiff über den Atlantik

    In seinem lichtdurchfluteten Büro in der Rue du Luxembourg, unweit des Europäischen Parlaments, erzählt er, wie er schon als Kind zwischen unterschiedlichen Welten gewechselt ist. Am Wochenende fuhr er mit seinen Eltern und dem vier Jahre jüngeren Bruder von Düsseldorf häufig in die Nähe von Amsterdam, die Heimat seiner niederländischen Mutter. Als er 13 Jahre alt war, beschlossen seine Eltern, nach Vancouver an der kanadischen Westküste zu ziehen, wo er sein Abitur ablegte.

    Danach konnte er sich nicht für einen Studienort entscheiden und absolvierte sein erstes Uni-Jahr auf einem kanadischen Segelschiff. Was sich nach Abenteuer anhört, erwies sich als durchaus harte Schule: “Die ersten drei Monate hing ich nur über der Reling.” Die Tour führte ihn zuerst nach Feuerland und dann quer über den Atlantik nach Ägypten – in einer Zeit, als Hafenstädte ihre Anleger noch nicht für Kreuzfahrtschiffe aufgehübscht hatten. Auf diesem Trip entstand bei Kefferpütz der Wunsch, in der internationalen Politik zu arbeiten.

    Der Weltraum als neue Ära der Geopolitik

    Das Brüsseler Büro der Böll-Stiftung sieht er als wichtigen Knotenpunkt, um die weltweit 35 Büros der Stiftung zu verknüpfen. So ist es ihm ein Anliegen, die Perspektive des globalen Südens nach Brüssel zu tragen und genauso Kontakt in die Indo-Pazifik-Region zu halten – etwa nach Vietnam, Korea und Japan.

    Neben den klassischen Themen der Stiftung wie Demokratie und grüne Wirtschaft, möchte er neue Themen anstoßen, etwa den Weltraum als neue Arena der Geopolitik. In den mehr als 15 Jahren seiner Karriere hat Kefferpütz gelernt: Vieles hängt mit Vielem zusammen – wird aber ganz unterschiedlich gesehen in der Welt. Silke Wettach

    • Europapolitik

    Europe.Table Redaktion

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