Table.Briefing: Europe

Wärmepumpen-Konkurrenz aus China + Strommarkt + Taxonomie

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Wärmepumpen-Markt in der EU wächst rasant. Bis 2030 könnte der Jahresabsatz auf sieben Millionen Geräte steigen, wie die Internationale Energie-Agentur (IEA) schätzt. Doch europäische Hersteller bekommen zunehmend Konkurrenz aus China. Viele Komponenten stammen ohnehin schon aus der Volksrepublik. Das weckt Erinnerungen an den jähen Abstieg der deutschen Fotovoltaik-Industrie. Die war vor 15 Jahren angesichts der günstigen Konkurrenz aus China in die Knie gegangen. Wie groß Chinas Anteil im Bereich Wärmepumpen bereits ist und was sich gegen die drohende Abhängigkeit tun lässt, hat Christiane Kühl aufgeschrieben. 

Schon am 12. Mai soll der Berichtsentwurf zum Strommarktdesign im EU-Parlament vorliegen. Der zuständige Berichterstatter Nicolás González Casares hat nun erstmals über seine Vorstellungen gesprochen. In einem Interview sprach er sich für Kapazitätsmechanismen aus und zeigte sich beim Thema Übergewinne offen für marktbasierte Lösungen. Eine Reform, die ehrgeiziger sei als die Vorschläge der Kommission, müsse nicht zuletzt Deutschland überzeugen, sagte Casares. Manuel Berkel analysiert die Aussagen des Berichterstatters. 

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Sarah Schaefer
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Analyse

Solar-Debakel als Mahnung für die Wärmepumpen-Branche

Nach Solarzellen gerät ein weiteres Produkt der Energiewende in den Fokus Chinas: Wärmepumpen. Deutsche und europäische Hersteller sind international zwar wettbewerbsfähig und wachsen rasch. Doch die EU verzeichnet einen signifikanten Anstieg an Konkurrenzprodukten aus China. Viele Komponenten stammen ohnehin schon aus der Volksrepublik. Droht den aufstrebenden Akteuren in Deutschland das gleiche Schicksal wie vor 15 Jahren der deutschen Fotovoltaik-Industrie?

Zur Erinnerung: Diese ging angesichts des Ansturms günstiger Anlagen – staatlich subventionierter – Hersteller aus China in die Knie. Der deutsche Marktanteil von weltweit rund 20 Prozent ließ ab 2008 massiv nach. Viele Anbieter gingen pleite, Bosch löste seine Solarsparte auf. Der Vorgang zeigte, wie rasant eine solide Wettbewerbsposition verloren gehen kann. 

Abhängigkeit von Mikrochips

Die meisten Hersteller sind schon jetzt bei zentralen Bestandteilen ihrer Wärmepumpen von Importen aus dem außereuropäischen Ausland abhängig. Und das heißt eben sehr oft: von China.

Die Abhängigkeit betrifft vor allem:

  • den Verdichter: die eigentliche Pumpe in der Wärmepumpe, die ein chemisches Kältemittel zusammenpresst, das sich unter Einfluss der Außenwärme wieder ausdehnen kann;
  • die Steuerungselektronik, und hier insbesondere die
  • Mikrochips, deren Fehlen während der Pandemie zahlreiche Industriebranchen belastet hat.

Das Fraunhofer-Institut schätzt den chinesischen Anteil am deutschen Wärmepumpen-Markt auf 20 Prozent. In der EU bedienen aktuell vor allem europäische Hersteller den Bedarf, die Europäische Kommission beziffert deren Marktanteil in der EU auf 73 Prozent. Die Einfuhren aus China seien in den vergangenen beiden Jahren zwar gestiegen, schreibt die Brüsseler Behörde, allerdings von einem niedrigen Niveau aus und vor dem Hintergrund einer insgesamt sehr raschen Entwicklung.

Die Kommission geht davon aus, dass die europäischen Hersteller führend bleiben und 2030 noch 60 Prozent des hiesigen Marktes beherrschen. Um die Wettbewerbsposition zu sichern, soll die Branche im Rahmen des Net-Zero Industrial Act gefördert werden, unter anderem durch schnelle Genehmigungsverfahren für neue Fabriken.

Alternative Zulieferer

Die Hersteller wollten sich auf Anfrage von Table.Media nicht zu ihren Zulieferern äußern. Klar aber ist: In der Solarindustrie begann Chinas Marktübernahme einst ähnlich. “Jede Wärmepumpe enthält acht bis zehn verschiedene Arten von Chips, etwa für die zentrale Steuerung. Diese Chips kommen bei fast allen Haushaltsgeräten aus Asien, also auch bei Wärmepumpen”, sagt Björn Schreinermacher, Leiter Politik beim Bundesverband Wärmepumpe (BWP).

Es gebe eine Debatte, ob die deutsche Industrie hierzulande Produktionen von Mikrochips errichten sollten – und wenn ja, für welche Arten von Chips, sagt Schreinermacher. “Grundsätzlich ist eine Differenzierung des Einkaufs aber auch beim außereuropäischen Import möglich”, erklärt der Experte. Es gebe Anzeichen, dass bereits alternative Zulieferer außerhalb Asiens gefunden worden seien.

Deutsche Hersteller investieren Millionen

Deutsche Hersteller erwirtschafteten 2022 rund 2,8 Milliarden Euro. 236.000 verkaufte Wärmepumpen bedeuteten ein Plus von 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Bundesregierung peilt jedoch einen jährlichen Absatz von 500.000 Stück an, um einen Feldbestand von sechs Millionen Pumpen zu erzielen.

Der Markt in der EU wächst derweil mit 35 Prozent so schnell wie keine andere Region der Welt. Bis 2030 könnte der Jahresabsatz auf sieben Millionen Geräte steigen, erwartet die Internationale Energie-Agentur (IEA). Im Jahr 2021 waren es noch zwei Millionen. Das anvisierte Volumen hat in China Begehrlichkeiten geweckt – ein ähnlicher Schaden für die hiesige Branche wie einst für die Solarproduzenten inbegriffen.

Deutsche Hersteller bauen derweil mit Millioneninvestitionen ihre Kapazitäten aus. Vaillant steigerte seine Kapazität mit der Eröffnung einer Mega-Fabrik im slowakischen Senica um jährlich 300.000 Wärmepumpen auf weit über eine halbe Million Geräte. Viessmann, Europas Nummer zwei unter den Herstellern, will bis 2025 eine Milliarde Euro in den Ausbau seiner Produktion investieren.

Großzügige Subventionierung

“Wir befinden uns in einer heiklen Übergangsphase, wo wir die ganze Zeit auch gucken müssen, wie die Wettbewerber sich aufstellen”, sagt Björn Schreinermacher vom BWP. “Dass europäische Wärmepumpenhersteller in einigen Bereichen Technologieführer sind – vor allem bei wassergeführten Systemen – ist im Moment von Vorteil.” Aber dieser Vorteil trage nicht dauerhaft, weil Wettbewerber aus Asien und Nordamerika aufgrund der dortigen Subventionen schnell aufholen. Klar sei: “Das Negativbeispiel der Fotovoltaik-Industrie steht omnipräsent im Raum. Das möchte niemand wiederholen.” 

Wie aggressiv China Europas Märkte ins Visier nimmt, konnte man schon Anfang 2022 bei den Luftwärmepumpen beobachten. Deren Exporte schnellten nach oben. Allein nach Bulgarien ging mehr als das siebenfache Volumen, nach Polen das fünffache, nach Italien das dreifache. Zu den größten Wärmepumpenlieferanten der Volksrepublik gehören Haushaltsgerätehersteller wie Gree, Midea oder Haier.

Viele Komponenten stammen schon aus Asien

Auch in der Volksrepublik selbst boomt die Technologie: 2021 wurden dort laut IEA rund 13 Millionen Wärmepumpen installiert. Die Hersteller des Landes werden nach Angaben des BWP großzügig subventioniert – ebenso wie übrigens Hersteller der USA. Europäische Anbieter spielen in der Volksrepublik aber so gut wie keine Rolle. In Europa seien die häufig kleinen oder mittelständischen Unternehmen auf direkte Zuschüsse angewiesen. Für Projekte im allgemeinen EU-Interesse (IPCEI) lässt Brüssel eine solche direkte Förderung zu.

Viele Kompressoren oder deren Komponenten stammen ohnehin schon aus Asien, aber auch aus Nordamerika. “Diese Zulieferindustrie lässt sich nicht kurzfristig neu aufbauen”, sagt Schreinermacher. “Aber auch hier beginnt etwas. Eine Möglichkeit wären Konsortien, die gemeinsam etwas aufbauen.” Doch auch bei diesen Projekten zum Aufbau einer ganzen Zulieferindustrie sei eine Anschubhilfe sehr wichtig. Mit Till Hoppe

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Strommarkt: Berichterstatter will Kapazitätsmechanismen

Eine gesonderte Vergütung für flexible Kraftwerke wird möglicherweise doch noch Teil der europäischen Strommarktreform. “Wir wollen auch Kapazitätsmechanismen einführen, die im Kommissionsvorschlag nicht ausreichend enthalten sind und die eine Vergütung für Technologien sicherstellen, die bei der Flexibilität und Speicherung helfen”, sagte der zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, Nicolás González Casares (S&D), am Wochenende in einem Interview mit dem spanischen Onlinemedium “El Diario”.

Kapazitätsmärkte gelten bislang meist als Förderinstrument für neue Erdgas- und Wasserstoffkraftwerke, wenn sich diese nicht über Preisspitzen am regulären Energiemarkt refinanzieren können oder sollen. Vergütet würde dann bereits das Vorhalten von gesicherten Kapazitäten.

Kommission will Kraftwerksförderung ausklammern

Die EU-Kommission hatte das Thema wegen seiner Komplexität in ihrem Vorschlag zur Strommarktreform ausgeklammert. Vorgesehen ist darin lediglich eine Pflicht für jene Mitgliedstaaten, die bereits Kapazitätsmechanismen eingeführt haben, diese auch für Lastmanagement und Speicher zu öffnen und die Erlaubnis, bei Bedarf neue Fördermechanismen für nicht-fossile Flexibilitäten einzuführen.

Den Schwerpunkt bei Kapazitätsmechanismen will Casares auf Speichertechnologien wie Pumpspeicher und Großbatterien legen. Wasserstoff zur Rückverstromung werde erst nach 2028-2030 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Offen für eine Diskussion zu Kapazitätsmärkten zeigt sich auch die EVP. Die fraktionsinterne Meinungsbildung sei aber noch nicht abgeschlossen, hatte bereits vergangene Woche die Schattenberichterstatterin Maria da Graça Carvalho gesagt.

Strompreisbremse nicht nur für finanzstarke Staaten

Beim Thema Übergewinne zeigt sich Casares offen für marktbasierte Lösungen. “Was die Kommission vorschlägt, würde in einer ähnlichen Krise wie der letzten nicht helfen, und außerdem ist einiges von dem, was sie vorschlägt, für Hilfsprogramme in Ländern gedacht, die über eine große Finanzkraft verfügen, wie Deutschland“, kritisierte Casares.

Das Abschöpfen von Übergewinnen bei Erneuerbaren und Kernkraftwerken will die Kommission nur bei Neuanlagen verpflichtend machen – durch Contracts for Difference (CfDs). Für Energiekrisen sollen die Mitgliedstaaten außerdem die Möglichkeit erhalten, regulierte Endkundenpreise nicht nur für einkommensschwache Haushalte, sondern auch für KMU festzusetzen.

Stromnetz soll Preisunterschiede dämpfen

“Es muss eine Lösung geben, die für alle europäischen Länder gilt und nicht nur für ein paar Länder mit viel Geld”, entgegnete nun Casares. Ein “wichtiges Element” seien Verbindungsleitungen zu anderen EU-Staaten. Die griechische Regierung hatte beim letzten Treffen der EU-Energieminister eigens eine Initiative eingebracht, um den Leitungsausbau zu stärken – auch Deutschland hinkt beim Ausbau des Übertragungsnetzes hinterher, das essenziell ist für gleichmäßig hohe Strompreise in der EU.

Ein stärkeres Gewicht der Netzinfrastruktur in der Reform unterstütze auch die EVP, hatte da Graça Carvalho gesagt. Nötig seien unter anderem schnellere Genehmigungen und eine bessere europäische Koordinierung der Investitionen.

Casares will Bundesregierung für weitergehende Reform gewinnen

Zu den Übergewinnen von Erneuerbaren sagte Casares: “Man kann Elemente einbauen, die das im Notfall abfedern, aber man kann das auch auf dem normalen Markt tun.” Dazu müsse ein größerer Teil der Erzeugung über langfristige PPA, CfD oder auch Kapazitätsmärkte vergütet werden.

Damit orientiert sich der Spanier in wichtigen Bestandteilen der Reform am Ansatz der Kommission. Allerdings warb Casares auch für weitergehende Ansätze – etwa um langfristige Lieferverträge (PPA) auch für KMU und Haushaltskunden zugänglich zu machen. “Wenn ich eine Reform will, die etwas weiter, tiefer und ehrgeiziger ist als die Vorschläge der Kommission, muss ich die politischen Fraktionen, die Interessengruppen, in diesem Fall die Industrie, und natürlich Deutschland überzeugen”, sagte der Abgeordnete. Die Bundesregierung hatte die Reform anfangs gebremst, zeigte sich nach der Veröffentlichung des eher milden Kommissionsvorschlags aber bereits offen für eine schnelle Verabschiedung.

Parlament will Mitte September abstimmen

Bereits am 12. Mai wollen Casares und da Graça Carvalho als Berichterstatterin für die Markttransparenz-Verordnung REMIT ihre Berichtsentwürfe vorlegen. Eine erste Diskussion im Industrieausschuss (Itre) ist für den 22. Mai terminiert, wie ein Parlamentssprecher bestätigte.

Über das Strommarktpaket soll der Itre schon am 19. Juli abstimmen und über die REMIT am 7. September. Die endgültige Abstimmung im Plenum ist für den 11. September vorgesehen. Falls die Triloge nicht noch unter spanischer Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres abgeschlossen werden können, haben laut Casares alle beteiligten Institutionen das Ziel, die Reform bis zum Februar zu vollenden – also noch vor dem Ende der laufenden Legislatur.

  • ITRE
  • Strommarkt
  • Strompreis
  • Wasserstoff

Termine

19.04.-20.04.2023, Potsdam
HPI, Konferenz Potsdamer Konferenz für Nationale CyberSicherheit
Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) bringt Vertreter von Sicherheitsbehörden sowie Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, um die Cybersicherheitslage zu analysieren und sich zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auszutauschen. INFOS & ANMELDUNG

19.04.2023 – 09:30-15:00 Uhr, Warschau (Polen)/online
ECFR, Conference European energy security: One year into Russia’s war in Ukraine
The European Council on Foreign Relations (ECFR) hosts this conference to reflect on how the events of recent months are affecting energy security in Europe, diagnose energy deficits and draw lessons from the crisis for enhancing Europe’s energy resilience. INFOS & ANMELDUNG

19.04.2023 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV, Seminar Energieeffizienzmanagement
Der TÜV Rheinland teilt Expertise zu Status und Best Practices im Bereich Condition- und Energiemonitoring mit IoT-Technologie, die Unternehmen bei der Umsetzung und Optimierung eines Energiemanagementsystems unterstützen sollen. INFOS & ANMELDUNG

19.04.2023 – 15:00-18:30 Uhr, online
EUI, Seminar Reshuffling the connectivity ecosystem
The European University Institute (EUI) invites experts from academia and industry to discuss the future of the electronic communications sector from a broad perspective that includes various stakeholders and segments of the digital ecosystem. INFOS & ANMELDUNG

19.04.2023 – 15:15-18:15 Uhr, Berlin
FZE, Seminar Die Rolle der biogenen Kraftstoffe für den Klimaschutz im Verkehr
Auf der Veranstaltung des Forums für Zukunftsenergien (FZE) referieren Branchenexperten und diskutieren Bundestagsabgeordnete zu den Potenzialen der Biokraftstoffe für Klimaschutz im Verkehrssektor. INFOS

19.04.2023 – 17:00 Uhr, Berlin
DBB, Diskussion Europäischer Abend: Fachkräftemangel in Europa. Wie gelingt die EU-Migrationspolitik?
Auf der Veranstaltung des DBB Beamtenbund und Tarifunion diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über den europaweiten Fachkräftemangel und die Schnittstelle zur EU-Migrationspolitik. INFOS & ANMELDUNG

19.04.2023 – 19:00 Uhr, Hamburg
Körber Stiftung, Diskussion Big Data und Künstliche Intelligenz: Gefahr für die Demokratie?
Der Philosoph Julian Nida-Rümelin und der KI-Experte Rainer Mühlhoff diskutieren über die Möglichkeiten und Gefahren der digitalen Transformation sowie ihre Auswirkungen auf die Demokratie. INFOS & ANMELDUNG

20.04.-21.04.2023, Trier/online
ERA, Seminar Payment Systems and Services – Review of EU Rules and Beyond
The Academy of European Law (ERA) provides an analysis of payment systems and services, as well as an update on the regulatory framework and addresses current issues. INFOS & ANMELDUNG

20.04.2023 – 09:00-11:00 Uhr, online
BDI, Seminar Digitalisierung des Steuerrechts
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) referiert und diskutiert mit Vertreterinnen und Vertretern aus Unternehmen und Politik über die Herausforderungen in der Digitalisierung des Steuerrechts und wie diese bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden kann.
INFOS & ANMELDUNG

20.04.2023 – 14:30-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Conference EU CCUS policy: Net-Zero Industry Act & upcoming Commission’s Communication
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) explores the growing importance of and upcoming European Commission’s strategy on the carbon capture, utilisation and storage (CCUS) technology. INFOS & ANMELDUNG

News

EU-Taxonomie: NGOs reichen Klagen ein

Greenpeace und eine Gruppe weiterer NGOs reichen heute beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klagen gegen die EU-Kommission ein. Greenpeace Deutschland und sieben weitere Greenpeace-Länderbüros klagen gegen die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die EU-Taxonomie, während ClientEarth, WWF EU, der BUND und Transport & Environment sich in ihrer Klage auf fossiles Gas konzentrieren.

Sie beziehen sich damit auf den delegierten Rechtsakt, der Investitionen in bestimmte Atomkraft- und Erdgaswerke als nachhaltig und im Einklang mit der Taxonomie-Verordnung deklariert. Dieser ist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Die NGOs machen damit erstmals Gebrauch von ihrem Recht auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten nach der kürzlich geänderten Aarhus-Verordnung. “Sollte Greenpeace gewinnen, bedeutet dies sicher einen Präzedenzfall für weitere Klagen dieser Art“, sagte eine Sprecherin.

Erdgas und Atomenergie als ökologisch nachhaltig zu bezeichnen stehe im Widerspruch zur Taxonomie-Verordnung selbst, erklärten die Umweltschutzorganisationen. “Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein“, sagt Nina Treu, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland. “Grünes Geld darf nicht für Industrien missbraucht werden, die uns erst in die Natur- und Klimakrise geführt haben. Es muss in erneuerbare Energien und den zukunftsfähigen Umbau hin zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft fließen.”

“Kommission verstößt gegen Grundgedanken der Taxonomie”

“Mit der Klage zeigen wir, dass die EU-Kommission schlicht keine Ermächtigung des EU-Gesetzgebers hat, fossiles Gas und Atomkraft als nachhaltig zu labeln”, sagt Anwältin Roda Verheyen, die Greenpeace in dem Verfahren vertritt. “Die EU-Kommission verstößt damit sogar gegen den Grundgedanken der Taxonomie-Verordnung: Nur sehr wenige Technologien sollen danach das grüne Label erhalten – und gerade Atomkraft ist weder eine Hilfe bei der Transition zur Treibhausgasneutralität noch frei von erheblichen Umweltrisiken.”

Die acht Greenpeace-Büros hatten im September formalen Widerspruch gegen die Entscheidung der Kommission eingelegt und angekündigt, vor dem EuGH zu klagen, sollte die EU-Kommission den entsprechenden delegierten Rechtsakt nicht revidieren. Im Februar hatte die Kommission den Widerspruch abgelehnt.

Die Dauer des Verfahrens wird auf mehrere Jahre geschätzt. Im Oktober hatte auch Österreich eine Klage gegen die Entscheidung, Atomkraft und Erdgas in die Taxonomie aufzunehmen, beim Gericht der Europäischen Union eingereicht. leo

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EP-Haushaltsausschuss fordert neue Eigenmittel

Der Haushaltsausschuss des Europaparlaments fordert neue Einnahmequellen für die EU. Die Abgeordneten stimmten am Montagabend über einen Entwurf der Berichterstatter Valérie Hayer (Renew) und José Manuel Fernandes (EVP) ab, der sich für eine Reihe neuer Eigenmittel für das EU-Budget ausspricht:

  • eine EU-weite Finanztransaktionssteuer,
  • die Besteuerung von Aktienrückkäufen durch Unternehmen,
  • eine europäische Steuer auf Kryptowährungen,
  • eine Steuer auf Abfälle, insbesondere Lebensmittelabfälle.

Die Abgeordneten erhöhen damit den Druck auf EU-Kommission und Mitgliedstaaten. Haushaltskommissar Johannes Hahn hatte Ende 2021 drei neue Einnahmequellen vorgeschlagen, um die Rückzahlung des anleihefinanzierten Corona-Aufbauprogramms zu sichern. Die Verhandlungen über die vorgeschlagenen Einnahmequellen aus dem europäischen Emissionshandel, dem CO₂-Grenzausgleich und der globalen Mindeststeuer stocken aber.

Aus Sicht des Haushaltsausschusses braucht die EU noch weitere Einnahmequellen, um ihren zahlreichen Aufgaben gerecht zu werden. Es sei höchste Zeit, dass die Kommission ein neues Eigenmittelpaket vorlege, sagte der Grünen-Haushälter Rasmus Andresen. “Je mehr und zielgenauer Eigenmittel eingesetzt werden, desto weniger muss aus den nationalen Haushalten nach Brüssel überwiesen werden.” Das Plenum des Europaparlaments wird voraussichtlich im Mai über den Bericht abstimmen. tho

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Parlament will Abgeordnetenpensionen reformieren

Die Pensionsregelungen für Europaabgeordnete sollen reformiert werden. Nach Information von Table.Media fand Montagabend im Präsidium des Parlaments eine erste Orientierungsdebatte ohne Beschlussfassung statt. Dem Gremium gehören Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die 14 Vizepräsidenten und die fünf für Finanzen zuständigen Quästoren an.

Dem Vernehmen nach liegen dem Präsidium drei Optionen für die Reform vor. Es geht darum, was mit einem Fonds passiert, aus dem die Pensionszahlungen geleistet werden und dessen Finanzquellen zu erschöpfen drohen.

Table.Media konnte die Tischvorlage einsehen. Das sind die drei genannten Optionen:

  • Keine Aktion: der Fonds würde sein Kapital aufbrauchen, das Parlament wäre höchstwahrscheinlich gezwungen, die Zahlungsverpflichtungen zu übernehmen
  • Eine einmalige Abschlusszahlung soll allen Begünstigten angeboten werden. Auf freiwilliger Basis könnten Begünstigte dann aus dem System aussteigen. Schon jetzt haben Beitragszahler, die noch nicht das Pensionsalter erreicht haben, die Möglichkeit, gegen eine Einmalzahlung auszusteigen.
  • Es werden vier Maßnahmen erwogen, um die auflaufenden Defizite zu verringern und die Lebensdauer des Fonds zu erhöhen: Reduzierung des Nominalbetrags aller Rentenansprüche; Erhöhung des Satzes der Sonderabgabe für alle Begünstigten; Einfrieren der jährlichen Indexierung der Pensionszahlungen für alle Begünstigten; Anheben des Pensionsalters für alle, die noch nicht in Pension sind. mgr
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Standardessentielle Patente: Kommissionsvorschlag auf der Kippe

Nach massiven Lobbyaktivitäten steht offenbar auf der Kippe, ob die Kommission ihren Vorschlag zu Standardessentiellen Patenten (SEP) wie geplant am 26. April vorlegen wird. Wie zu hören ist, will das Kommissarskollegium bei seiner heutigen Sitzung in Straßburg entscheiden, ob es beim ursprünglichen Zeitplan bleibt oder der Vorschlag noch einmal überarbeitet werden soll.

SEP sind Patente, die für die Verwendung einer bestimmten Technologie unerlässlich sind. Ein Beispiel sind Patente für den Mobilfunk. Die Inhaber der Rechte von SEP sind verpflichtet, die Patente zu “fairen, vernünftigen und diskriminierungsfreien Bedingungen” (FRAND) zu lizenzieren. Um die Bedingungen hatte es zuletzt immer wieder Streit zwischen den Inhabern und den Nutzern gegeben, die vor Gerichten ausgetragen wurden.

Viele SEP-Inhaber enttäuscht

Ein Entwurf der Kommission für die SEP-Regulierung, der Table.Media vorliegt, sieht die Schaffung einer Evaluierungsinstanz für Patente vor. Außerdem müsste demnach ein Mediationsverfahren stattfinden, bevor geklagt wird. Als der Vorschlag bekannt wurde, löste er ein geteiltes Echo aus. Das Lager der Nutzer von SEP, etwa viele Automotive-Unternehmen, hat ihn begrüßt. Viele Unternehmen, die Inhaber von SEP sind, waren enttäuscht.

Dazu zählen insbesondere die beiden europäischen Netzausrüster Nokia und Ericsson: Diese schickten dem Vernehmen nach Briefe an alle 27 Kommissare, um heftig gegen den Kommissionsvorschlag zu protestieren. Weitere Schreiben – diesmal von den SEP-Nutzern – folgten, als bekannt wurde, dass die Kommission erwäge, den Vorschlag zurückzustellen. mgr  

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AI Act: Berichterstatter fordern globalen KI-Gipfel

Die Berichterstatter des AI Acts fordern Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, US-Präsident Joe Biden und Regierungen weiterer Länder auf, zügig vorläufige Grundsätze für die Entwicklung, die Kontrolle und den Einsatz sehr leistungsfähiger künstlicher Intelligenz zu schaffen. Den Aufruf von Co-Berichterstatter Dragoş Tudorache (Renew) und Brando Benifei (S&D) haben auch die Schattenberichterstatter der anderen Fraktionen unterzeichnet.

Wie die Co-Berichterstatter in dem Brief schreiben, führen sie selbst kurz vor Abschluss der internen Verhandlungen im Parlament Regeln für den Einsatz leistungsfähiger KI für allgemeine Verwendungszwecke (General Purpose AI, GPAI) in den AI Act ein. Zu dieser Art KI-Modelle zählt auch ChatGPT.

Unterzeichner halten ergänzendes Regelwerk für nötig

Wenn alles nach Plan läuft, wollen die Abgeordneten ihre Verhandlungen zum AI Act noch an diesem Mittwoch abschließen. So lassen sich die Termine für die Abstimmungen in den Ausschüssen (26. April) und im Plenum (31. Mai) halten. Nicht nur die Parlamentarier erwarten, dass der AI Act als Blaupause für andere Regulierungsinitiativen auf der ganzen Welt dienen könnte.

Tudorache und Benifei beziehen sich auf die Aufforderung vom Future of Life Institute, ein sechsmonatiges Moratorium für die Entwicklung leistungsstarker KI zu erlassen. Der öffentliche Zugang zu leistungsstarker KI sowie die exponentiellen Leistungssteigerungen, hätten auch sie veranlasst, “innezuhalten und über unsere Arbeit nachzudenken”. Sie seien nun überzeugt, dass neben dem AI Act “ein ergänzendes Regelwerk für die Entwicklung und den Einsatz leistungsfähiger KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck” nötig sei.

KI verdient mehr politische Aufmerksamkeit

Wenn sie auch den alarmistischen Aussagen des Future of Life Instituts nicht folgen, so sehen sie angesichts der rasanten Entwicklung leistungsfähiger KI dennoch die Notwendigkeit erheblicher politischer Aufmerksamkeit. Untätigkeit werde “die Kluft zwischen der Entwicklung der KI und unserer Fähigkeit, sie zu steuern, vergrößern”.

Unter anderem erklären die Unterzeichner:

  • dass sie im Rahmen des AI Acts ein Regelwerk schaffen wollen, das speziell auf jene KI-Modelle zugeschnitten ist, die auf allgemeine Zwecke ausgerichtet sind.
  • dass sie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden auffordern, einen hochrangigen globalen KI-Gipfel einzuberufen, um sich auf eine vorläufige Reihe von Grundsätzen für die Entwicklung, die Kontrolle und den Einsatz sehr leistungsfähiger künstlicher Intelligenz zu einigen.
  • dass sie die Direktoren des Handels- und Technologierates (TTC) auffordern, sich auf der kommenden TTC-Sitzung auf eine vorläufige Tagesordnung für den oben genannten Gipfel über künstliche Intelligenz zu einigen. Dabei sollen das Europäische Parlament und der US-Kongress einbezogen werden.
  • dass sie andere Länder, aber auch Unternehmen aufrufen, ihre Bemühungen zur Regulierung beziehungsweise Entwicklung von sicherer und vertrauenswürdiger KI zu verstärken. vis
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Technologie-Geopolitik: Schaake wird Sonderberaterin von Vestager

Die langjährige Europaparlamentarierin Marietje Schaake soll EU-Kommissionsvizepräsidentin Margarethe Vestager künftig als Sonderberaterin für Technologie-Geopolitik zur Seite stehen. Das teilte die Niederländerin gestern auf ihrem Twitter-Account mit. Sie freue sich auf die Zusammenarbeit, ließ Vestager ebenfalls auf der Plattform wissen.

Schaake hatte von 2009 bis 2019 während ihrer Zeit im Europaparlament maßgeblich an geopolitischen Fragen der Handels- und Technologiepolitik mitgewirkt. So war sie unter anderem 2015 zur Exportkontrolle von Überwachungstechnologien in Drittstaaten Berichterstatterin für einen EP-Bericht. Sie kritisierte regelmäßig Fehlentwicklungen an der Schnittstelle von beiden Bereichen, wie etwa das einst geplante Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), das später scheiterte. 2019 kandidierte die liberale D66-Politikerin nicht erneut für das EP.

2020 ging Schaake an die Stanford University und forscht und lehrt seitdem am dortigen Cyber Policy Center zur Regulierung von Technologie wie KI, Big-Tech-Wettbewerbskontrollen, Deep Fakes, Desinformation und Spionagesoftware. Die neue Rolle nimmt Schaake zusätzlich zu ihrer Tätigkeit in Stanford wahr. fst

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Rechnungshof prangert Tiertransporte an

Jedes Jahr werden Milliarden von lebenden Tieren innerhalb der EU sowie in oder aus Drittstaaten transportiert, Tendenz steigend. Dabei werden die geltenden Tierschutzvorschriften nicht immer eingehalten. Das geht aus einer Analyse hervor, die der Europäische Rechnungshof (EuRH) am Montag veröffentlicht hat. Es stelle sich die Frage, ob die Standards sowie die Sanktionen bei entsprechenden Vergehen angemessen seien, heißt es darin.

Produzenten würden häufig bewusst längere Strecken in Kauf nehmen, um Strafen zu vermeiden. Denn die geltenden Tierschutzvorschriften beim Transport würden von den EU-Staaten nicht einheitlich umgesetzt. Entsprechend könnten die Kostenvorteile die zu erwartenden Sanktionen in manchen Ländern übersteigen und Verstöße würden sich lohnen, so der EuRH.

Tierleiden in Transportkosten einpreisen

Der Analyse zufolge dauert ein Drittel der Transporte mehr als acht Stunden, vier Prozent sogar über 24 Stunden. “Der Transport von lebenden Tieren über lange Strecken kann sich negativ auf das Wohlergehen der Tiere auswirken”, sagt EuRH-Agrarexpertin Eva Lindström. Die Tiere seien beim Verladen Stress ausgesetzt. Während des Transports könnten sie unter Hunger, Durst, Hitze und Platzmangel leiden.

Bei der anstehenden Novellierung der EU-Tierschutzbestimmungen müsse darauf geachtet werden, die Anzahl und Dauer der Transporte einzuschränken und die Transportbedingungen zu verbessern, fordert der Rechnungshof. Die Nutzung lokaler Schlachthöfe und mobiler Anlagen könne dazu beitragen und sei umweltfreundlicher.

Der EuRH schlägt außerdem vor, das Tierleiden in die Transportkosten einzupreisen und bei den Fleischpreisen zu berücksichtigen sowie durch ein EU-weites System für Tierwohlkennzeichnung für mehr Transparenz zu sorgen.

BMEL: Transporte in Drittstaaten verbieten

Besonders problematisch: Transporte in Drittländer, wo die Standards teils erheblich niedriger sind als in der EU. Deutschland setzt sich deshalb dafür ein, Transporte in Nicht-EU-Staaten ganz zu verbieten. Unterstützung erhält Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von seinen Kollegen aus Österreich, Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden.

Die meisten EU-Länder sind jedoch dagegen. Ein nationaler Alleingang scheide aber aus, “denn es ist keinem Tier geholfen, wenn es zunächst in einen anderen Mitgliedstaat gebracht wird, um von dort aus in ein Drittland exportiert zu werden”, heißt es aus dem BMEL.

Bereits vor einem Jahr hat das EU-Parlament einen besseren Schutz von Tieren auf Transporten gefordert. Passiert ist bislang wenig. Nun hat die Kommission angekündigt, bis zum Jahresende einen Vorschlag zu präsentieren. Insider befürchten jedoch, dass die bevorstehende Europawahl im Frühjahr 2024 die Pläne durchkreuzen könnte. til

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Timmermans verschiebt China-Reise

Nach dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell hat auch Klimakommissar Frans Timmermans eine geplante Reise nach China wegen einer Infektion mit Covid-19 verschieben müssen. Man wolle die Reise so schnell wie möglich nachholen, sagte ein Sprecher. Der Niederländer hätte Chinas einflussreichen Klimapolitiker Xie Zhenhua getroffen. Auch Borrell hatte vergangene Woche wegen einer Infektion mit dem Coronavirus seine Reise nach Peking abgesagt. Er fehlte am Montag auch beim G7-Außenministertreffen in Japan.

Die Reisetätigkeit der EU-Vertreter in Richtung China hatte zuletzt besondere Aufmerksamkeit erhalten, nachdem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der französische Staatschef Emmanuel Macron in der Vorwoche Peking besucht hatten. Während von der Leyen den kritischeren Ton ihrer Grundsatzrede beibehielt, versuchte Macron, die europäische “strategische Autonomie” zwischen China und den USA zu betonen. In der Kritik stand Macron zudem wegen Aussagen zu Taiwan.

Debatte im Parlament

Am heutigen Dienstag wird das Verhältnis der EU zu China Thema einer Generaldebatte im Europaparlament sein. Er sehe, dass Europa Stück für Stück zu einer realistischeren Haltung gegenüber China komme, sagte der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer am Montag mit Blick auf die Debatte.

Es bilde sich ein “Mainstream” mit “nüchternen Ton” heraus, den Bütikofer mitunter in von der Leyen, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vertreten sieht. EU-Ratschef Charles Michel schlage mehr in diese Kerbe als Macron. EU-Kommissionschefin von der Leyen wird an der Debatte teilnehmen. 

Warnung der G7

Bei ihrem Treffen im japanischen Karuizawa haben die G7-Staaten eine deutliche Warnung an China gerichtet. Im Falle einer Aggression gegen Taiwan müsse die Volksrepublik mit harten Konsequenzen rechnen. Darauf einigten sich die sieben Außenminister am Montag bei ihrem Treffen. Man würde sich entschieden gegen jegliche gewaltsame Veränderung des Status Quo in der Straße von Taiwan stellen.

“Wir werden uns gegen jeden Zwang, jede Marktmanipulation und alle Bemühungen zur Änderung des Status quo in der Straße von Taiwan wehren“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Beamten aus der US-Delegation.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte, man spüre “hautnah, wie China immer mehr die bestehenden, allgemeinen, verbindlichen, internationalen Regeln durch seine eigenen Regeln ersetzen will, gerne mit der Behauptung, es gebe keine Regeln, obwohl man die Verträge selbst ratifiziert hat”. Schon bei ihrem Besuch in China nannte sie es ein “Horrorszenario”, sollte in der Taiwan-Straße ein militärischer Konflikt ausbrechen. ari/rad

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CDU-Spitze unterstützt mögliche weitere Amtszeit von der Leyens

Die CDU-Spitze befürwortet eine mögliche weitere Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Unsere Unterstützung im Falle einer entsprechenden Bereitschaft hat sie”, sagte Parteichef Friedrich Merz am Montag in Berlin nach einer CDU-Präsidiumssitzung. An dieser nahm auch von der Leyen teil.

Merz sagte weiter, er habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) über deren Besuch in der CDU-Zentrale informiert und damit den Wunsch verbunden, dass von der Leyen von Deutschland aus vorgeschlagen werde, wenn sie für eine weitere Amtszeit bereitstehen würde. Dies sei von allen im CDU-Präsidium unterstützt worden.

Die EU habe zuletzt auch angesichts des Krieges gegen die Ukraine die Bewährungsprobe bestanden, zusammenzustehen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, sagte Merz. Es sei besonders der Kommission und ihrer Präsidentin zu verdanken, dass dies in vielen Bereichen gelungen sei.

Noch keine Entscheidung

Von der Leyen sagte, sie habe ihre Entscheidung noch nicht getroffen. Man sei noch mehr als ein Jahr von der Europawahl entfernt. Für sie sei wichtig, dass in diesen kritischen Zeiten die Institutionen der EU geschlossen arbeiteten. “Deshalb ist es für mich im Augenblick nicht der richtige Zeitpunkt, diese Frage für ein nächstes Mandat zu beantworten”, sagte die 64-Jährige. Sie werde in den zuständigen Parteigremien behandelt werden, wenn die Zeit reif sei.

SPD, FDP und Grüne haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Vorschlagsrecht für die deutsche Kommissarin oder den deutschen Kommissar bei den Grünen liegt, “sofern die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt”. dpa

  • CDU
  • Europäische Kommission
  • Ursula von der Leyen

Macron will Frankreich mit 100-Tage-Plan befrieden

Nach den monatelangen Protesten in Frankreich gegen die Rentenreform hat Präsident Emmanuel Macron ein 100-Tages-Programm ausgerufen, um das Land zusammenzuführen. Ministerpräsidentin Élisabeth Borne solle Vorschläge zu Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Bildung und Gesundheitsfragen vorlegen, sagte Macron am Montag.

“Wir müssen am 14. Juli Bilanz ziehen können”, sagte er unter Verweis auf den französischen Nationalfeiertag. “Vor uns liegen 100 Tage der Beschwichtigung, der Einheit, des Ehrgeizes und des Handelns für Frankreich.” Macron erklärte sein Bedauern, dass die Rentenreformen nicht von einer breiten Mehrheit getragen werde. “Wird diese Reform akzeptiert? Offensichtlich nicht. Trotz monatelanger Gespräche konnte kein Konsens gefunden werden, was ich bedauere. Daraus müssen wir alle Lehren ziehen”, sagte er.

In einer ersten Reaktion erklärte der Chef der größten Gewerkschaft des Landes, Laurent Berger von der CFDT, die Rede habe nicht die Wut der Menschen im Land angesprochen. “Da ist einfach eine Art Leere, sie enthält nichts, wir haben etwas anderes erwartet”, sagte er. Die Gewerkschaften haben erklärt, ohne eine Rücknahme der umstrittenen Rentenreform werde es keine Gespräche mit der Regierung über andere Themen geben.

Am Freitag hatte der Verfassungsrat die Reform in ihrem Kern gebilligt. Sie war von Borne mit einem verfassungsrechtlichen Kniff ohne eine Abstimmung durch das Parlament gebracht worden. Umfragen zufolge lehnt eine große Mehrheit der Franzosen die Änderungen ab. rtr

  • Macron

Presseschau

Verdienstorden der Bundesrepublik – Steinmeier: “Merkel hat Deutschland und Europa in Krisenzeiten zusammengehalten” DEUTSCHLANDFUNK
EU-Parlament beschließt Klimagesetze: Europa will vorangehen TAZ
Ausstoß von CO2 soll in der EU deutlich teurer werden AUGSBURGER-ALLGEMEINE
EU-Sanktionen verpuffen – Ungarn muss Subventionen nicht zurückzahlen WELT
Landeschefs einigen sich: Strack-Zimmermann soll als FDP-Spitzenkandidatin in Europa antreten RND
EU-Parlament: Beschleunigung der Verhandlungen zu Waffenbeschaffungsfonds EURACTIV
Greenwashing: Greenpeace klagt gegen EU-Taxonomie-Beschluss BADISCHE-ZEITUNG
Neuer Anlauf für Desertec: Europa will Solarstom aus Nordafrika WINFUTURE
“Politisch motiviert”: EU übt scharfe Kritik an Verurteilung des Kremlgegners Kara-Mursa EURONEWS
Streit um Ukraine-Getreide: EU-Kommission bereitet zweites Hilfspaket vor AGRARZEITUNG
Importstopp einzelner EU-Länder: Kritik an Verbot für ukrainisches Getreide ZDF
Migrationsabkommen mit Tunesien: Zusammenarbeit beenden – oder ausbauen? TAGESSCHAU
EU-Parlament nimmt KI-Tools wie ChatGPT und Stable Diffusion ins Visier DERSTANDARD
WHO: COVID-Impfstoffe retteten in Europa über eine Million Leben AERZTEZEITUNG
E-Health: EU-Geldspritze für KI-gestützte Auswertung von Patientendaten HEISE
Impfstoff-Bestellung: Belgischer Lobbyist verklagt von der Leyen EURACTIV
Neue EU-Vorgaben: Weniger Stromverbrauch im Standby-Modus TAGESSCHAU
Rechnungshof: EU-Standards begünstigen Leid durch Tiertransporte ARIVA
Viel zu viel Raps in Europa – Rapspreise fallen wie ein Stein AGRARHEUTE
Turbulenzen in USA und Schweiz: Bankenverband hält Institute in Deutschland und der EU für robust SPIEGEL
Nach historischer Winter-Dürre: Waldbrand in Frankreich zerstört 900 Hektar Land N-TV
US ready to lend Poland $4 billion for nuclear energy plan APNEWS

Empfehlungen aus der SZ

Macron hilft Europa – auch gegen die USA: Der Präsident hat sich wirklich den blödesten Zeitpunkt ausgesucht, um Europas Autonomie von den USA zu fordern. Aber seine Analyse stimmt. Ein Kommentar. Mehr

Wenn im Ghetto die Narzissen blühen: Vor 80 Jahren begannen polnische Juden im Warschauer Ghetto den bewaffneten Aufstand gegen SS und Wehrmacht. Zum Gedenktag hat der polnische Präsident Duda Bundespräsident Steinmeier eingeladen – ein Zeichen der Versöhnung? Mehr

Heads

Toomas Hendrik Ilves – Estlands engagierter Deutschland-Kritiker

Toomas Hendrik Ilves, ehemaliger Präsident von Estland (2006 bis 2016)

Aus reiner Höflichkeit steckt Toomas Hendrik Ilves die angebotene Visitenkarte ein. Der Präsident Estlands von 2006 bis 2016 kann nicht verbergen, dass er nur wenig von dieser Marotte der Deutschen hält – warum auf Papier, wenn es auch digital geht? Und streckt zum Beweis sein Smartphone mit QR-Code als Visitenkarte entgegen.

Dass Estland heute zu den Ländern mit dem höchsten Digitalisierungsgrad und den besten in Sachen Cybersicherheit zählt, hat auch mit dem Vordenker Ilves zu tun. Als der 1953 in Schweden geborene und in den USA aufgewachsene Este 2006 Präsident der damals noch jungen Republik wird, kann er zwar bereits auf einer soliden, fortgeschrittenen Digitalisierung im Land aufbauen. Doch spätestens als die digitale Verwaltung seines Landes 2007 Opfer einer mehrwöchigen Cyberattacke aus Russland wird, ist klar, dass der Cyberraum zu einer Domäne der Kriegsführung geworden ist.

Vernetzung für Cybersicherheit

Als Folge daraus entsteht 2007, unter seiner Präsidentschaft, in Estlands Hauptstadt Tallinn das Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCDCOE) der Nato. Dort werden seither Fähigkeiten und Informationen im Bereich Cyberverteidigung, -ausbildung, -forschung und -entwicklung zwischen den Mitgliedstaaten des westlichen Verteidigungsbündnisses zusammengeführt.

An der langsam fortschreitenden Digitalisierung in Deutschland und der Haltung der Bundesregierung zu Russland übt Ilves leidenschaftlich Kritik, sehr gerne auch auf seinem Twitter-Account. Er kann aus eigener Erfahrung sprechen, lebte er doch selbst von 1984 bis 1993 in München und arbeitete dort als Journalist für Radio Free Europe.

Danach war er Botschafter Estlands in den USA, Kanada und Mexiko mit Sitz in Washington, Außenminister in Tallinn von 1996 bis zu seinem Rücktritt 1998 und von 1999 bis 2002. Nach dem EU-Beitritt Estlands in die EU 2004 ging er für zwei Jahre als Europaabgeordneter nach Brüssel, ehe seine zwei Amtszeiten als Präsident Estlands folgten.

Keine verklärte Sicht auf Russland

Was ihn in Deutschland massiv störe, ist, dass in der hiesigen Presse immer noch von “Estland, der früheren Sowjetrepublik” geschrieben werde, einer längst vergangenen Zeit. Und er hält seinen Ärger über die Naivität deutscher und anderer westeuropäischer Politiker in Bezug auf Russland nicht zurück.

“Ich saß 2007 bei der berühmten Rede von Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz in der ersten Reihe. Interessant war nicht, was er sagte, sondern wie schockiert alle aus Westeuropa waren, und wir aus Osteuropa sagten: Warum seid ihr schockiert?” Die richtigen Konsequenzen seien nie gezogen worden.

Er und andere osteuropäische Politiker wie der frühere polnische Parlamentspräsident Radosław Sikorski hätten schon vor der Münchner Sicherheitskonferenz 2022 gesagt, dass Russland in die Ukraine einmarschieren würde. Statt ihnen zu glauben, wurden sie, zum Beispiel von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, als Kriegstreiber bezeichnet. “Wir haben keine verklärte Sicht auf Russland, basierend auf Tolstoi oder Dos­to­jew­s­ki. Das ist alles ganz nett, aber nicht unsere Realität.”

Einsicht aus der deutschen Politik fehlt

Aus der deutschen Politik, allen voran CDU und SPD, fehlten ihm bedeutende Stimmen, die sagten, dass der Russland-Kurs der vergangenen Jahrzehnte nicht der richtige war. Auch für Merkels Politik hat er wenig übrig. “Merkel denkt bis heute, sie hätte alles richtig gemacht. Ich meine, wenn du ein Jahr nach der Krim-Annexion Nord Stream 2 unterzeichnest, und heute sagst, du bereust nichts … Nun gut.”

Estland habe trotzdem an Selbstbewusstsein gewonnen, auch aufgrund guter Ideen von Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Diese hatte zur Münchner Sicherheitskonferenz im Februar eine gemeinsame Munitionsbeschaffung in der EU vorgeschlagen. “Es wäre gut, wenn die Deutschen jetzt mit aller Kraft mitmachen würden”, sagt Ilves.

Was er nicht kritisiert an Deutschland: das Essen. Leberkäse, Weißwurst und Obazda zählen zu seinen Lieblingsspeisen. Lisa-Martina Klein

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  • Europapolitik

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der Wärmepumpen-Markt in der EU wächst rasant. Bis 2030 könnte der Jahresabsatz auf sieben Millionen Geräte steigen, wie die Internationale Energie-Agentur (IEA) schätzt. Doch europäische Hersteller bekommen zunehmend Konkurrenz aus China. Viele Komponenten stammen ohnehin schon aus der Volksrepublik. Das weckt Erinnerungen an den jähen Abstieg der deutschen Fotovoltaik-Industrie. Die war vor 15 Jahren angesichts der günstigen Konkurrenz aus China in die Knie gegangen. Wie groß Chinas Anteil im Bereich Wärmepumpen bereits ist und was sich gegen die drohende Abhängigkeit tun lässt, hat Christiane Kühl aufgeschrieben. 

    Schon am 12. Mai soll der Berichtsentwurf zum Strommarktdesign im EU-Parlament vorliegen. Der zuständige Berichterstatter Nicolás González Casares hat nun erstmals über seine Vorstellungen gesprochen. In einem Interview sprach er sich für Kapazitätsmechanismen aus und zeigte sich beim Thema Übergewinne offen für marktbasierte Lösungen. Eine Reform, die ehrgeiziger sei als die Vorschläge der Kommission, müsse nicht zuletzt Deutschland überzeugen, sagte Casares. Manuel Berkel analysiert die Aussagen des Berichterstatters. 

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    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    Solar-Debakel als Mahnung für die Wärmepumpen-Branche

    Nach Solarzellen gerät ein weiteres Produkt der Energiewende in den Fokus Chinas: Wärmepumpen. Deutsche und europäische Hersteller sind international zwar wettbewerbsfähig und wachsen rasch. Doch die EU verzeichnet einen signifikanten Anstieg an Konkurrenzprodukten aus China. Viele Komponenten stammen ohnehin schon aus der Volksrepublik. Droht den aufstrebenden Akteuren in Deutschland das gleiche Schicksal wie vor 15 Jahren der deutschen Fotovoltaik-Industrie?

    Zur Erinnerung: Diese ging angesichts des Ansturms günstiger Anlagen – staatlich subventionierter – Hersteller aus China in die Knie. Der deutsche Marktanteil von weltweit rund 20 Prozent ließ ab 2008 massiv nach. Viele Anbieter gingen pleite, Bosch löste seine Solarsparte auf. Der Vorgang zeigte, wie rasant eine solide Wettbewerbsposition verloren gehen kann. 

    Abhängigkeit von Mikrochips

    Die meisten Hersteller sind schon jetzt bei zentralen Bestandteilen ihrer Wärmepumpen von Importen aus dem außereuropäischen Ausland abhängig. Und das heißt eben sehr oft: von China.

    Die Abhängigkeit betrifft vor allem:

    • den Verdichter: die eigentliche Pumpe in der Wärmepumpe, die ein chemisches Kältemittel zusammenpresst, das sich unter Einfluss der Außenwärme wieder ausdehnen kann;
    • die Steuerungselektronik, und hier insbesondere die
    • Mikrochips, deren Fehlen während der Pandemie zahlreiche Industriebranchen belastet hat.

    Das Fraunhofer-Institut schätzt den chinesischen Anteil am deutschen Wärmepumpen-Markt auf 20 Prozent. In der EU bedienen aktuell vor allem europäische Hersteller den Bedarf, die Europäische Kommission beziffert deren Marktanteil in der EU auf 73 Prozent. Die Einfuhren aus China seien in den vergangenen beiden Jahren zwar gestiegen, schreibt die Brüsseler Behörde, allerdings von einem niedrigen Niveau aus und vor dem Hintergrund einer insgesamt sehr raschen Entwicklung.

    Die Kommission geht davon aus, dass die europäischen Hersteller führend bleiben und 2030 noch 60 Prozent des hiesigen Marktes beherrschen. Um die Wettbewerbsposition zu sichern, soll die Branche im Rahmen des Net-Zero Industrial Act gefördert werden, unter anderem durch schnelle Genehmigungsverfahren für neue Fabriken.

    Alternative Zulieferer

    Die Hersteller wollten sich auf Anfrage von Table.Media nicht zu ihren Zulieferern äußern. Klar aber ist: In der Solarindustrie begann Chinas Marktübernahme einst ähnlich. “Jede Wärmepumpe enthält acht bis zehn verschiedene Arten von Chips, etwa für die zentrale Steuerung. Diese Chips kommen bei fast allen Haushaltsgeräten aus Asien, also auch bei Wärmepumpen”, sagt Björn Schreinermacher, Leiter Politik beim Bundesverband Wärmepumpe (BWP).

    Es gebe eine Debatte, ob die deutsche Industrie hierzulande Produktionen von Mikrochips errichten sollten – und wenn ja, für welche Arten von Chips, sagt Schreinermacher. “Grundsätzlich ist eine Differenzierung des Einkaufs aber auch beim außereuropäischen Import möglich”, erklärt der Experte. Es gebe Anzeichen, dass bereits alternative Zulieferer außerhalb Asiens gefunden worden seien.

    Deutsche Hersteller investieren Millionen

    Deutsche Hersteller erwirtschafteten 2022 rund 2,8 Milliarden Euro. 236.000 verkaufte Wärmepumpen bedeuteten ein Plus von 53 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Bundesregierung peilt jedoch einen jährlichen Absatz von 500.000 Stück an, um einen Feldbestand von sechs Millionen Pumpen zu erzielen.

    Der Markt in der EU wächst derweil mit 35 Prozent so schnell wie keine andere Region der Welt. Bis 2030 könnte der Jahresabsatz auf sieben Millionen Geräte steigen, erwartet die Internationale Energie-Agentur (IEA). Im Jahr 2021 waren es noch zwei Millionen. Das anvisierte Volumen hat in China Begehrlichkeiten geweckt – ein ähnlicher Schaden für die hiesige Branche wie einst für die Solarproduzenten inbegriffen.

    Deutsche Hersteller bauen derweil mit Millioneninvestitionen ihre Kapazitäten aus. Vaillant steigerte seine Kapazität mit der Eröffnung einer Mega-Fabrik im slowakischen Senica um jährlich 300.000 Wärmepumpen auf weit über eine halbe Million Geräte. Viessmann, Europas Nummer zwei unter den Herstellern, will bis 2025 eine Milliarde Euro in den Ausbau seiner Produktion investieren.

    Großzügige Subventionierung

    “Wir befinden uns in einer heiklen Übergangsphase, wo wir die ganze Zeit auch gucken müssen, wie die Wettbewerber sich aufstellen”, sagt Björn Schreinermacher vom BWP. “Dass europäische Wärmepumpenhersteller in einigen Bereichen Technologieführer sind – vor allem bei wassergeführten Systemen – ist im Moment von Vorteil.” Aber dieser Vorteil trage nicht dauerhaft, weil Wettbewerber aus Asien und Nordamerika aufgrund der dortigen Subventionen schnell aufholen. Klar sei: “Das Negativbeispiel der Fotovoltaik-Industrie steht omnipräsent im Raum. Das möchte niemand wiederholen.” 

    Wie aggressiv China Europas Märkte ins Visier nimmt, konnte man schon Anfang 2022 bei den Luftwärmepumpen beobachten. Deren Exporte schnellten nach oben. Allein nach Bulgarien ging mehr als das siebenfache Volumen, nach Polen das fünffache, nach Italien das dreifache. Zu den größten Wärmepumpenlieferanten der Volksrepublik gehören Haushaltsgerätehersteller wie Gree, Midea oder Haier.

    Viele Komponenten stammen schon aus Asien

    Auch in der Volksrepublik selbst boomt die Technologie: 2021 wurden dort laut IEA rund 13 Millionen Wärmepumpen installiert. Die Hersteller des Landes werden nach Angaben des BWP großzügig subventioniert – ebenso wie übrigens Hersteller der USA. Europäische Anbieter spielen in der Volksrepublik aber so gut wie keine Rolle. In Europa seien die häufig kleinen oder mittelständischen Unternehmen auf direkte Zuschüsse angewiesen. Für Projekte im allgemeinen EU-Interesse (IPCEI) lässt Brüssel eine solche direkte Förderung zu.

    Viele Kompressoren oder deren Komponenten stammen ohnehin schon aus Asien, aber auch aus Nordamerika. “Diese Zulieferindustrie lässt sich nicht kurzfristig neu aufbauen”, sagt Schreinermacher. “Aber auch hier beginnt etwas. Eine Möglichkeit wären Konsortien, die gemeinsam etwas aufbauen.” Doch auch bei diesen Projekten zum Aufbau einer ganzen Zulieferindustrie sei eine Anschubhilfe sehr wichtig. Mit Till Hoppe

    • Chips
    • Energie
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    • Klima & Umwelt
    • Klimaschutz

    Strommarkt: Berichterstatter will Kapazitätsmechanismen

    Eine gesonderte Vergütung für flexible Kraftwerke wird möglicherweise doch noch Teil der europäischen Strommarktreform. “Wir wollen auch Kapazitätsmechanismen einführen, die im Kommissionsvorschlag nicht ausreichend enthalten sind und die eine Vergütung für Technologien sicherstellen, die bei der Flexibilität und Speicherung helfen”, sagte der zuständige Berichterstatter des EU-Parlaments, Nicolás González Casares (S&D), am Wochenende in einem Interview mit dem spanischen Onlinemedium “El Diario”.

    Kapazitätsmärkte gelten bislang meist als Förderinstrument für neue Erdgas- und Wasserstoffkraftwerke, wenn sich diese nicht über Preisspitzen am regulären Energiemarkt refinanzieren können oder sollen. Vergütet würde dann bereits das Vorhalten von gesicherten Kapazitäten.

    Kommission will Kraftwerksförderung ausklammern

    Die EU-Kommission hatte das Thema wegen seiner Komplexität in ihrem Vorschlag zur Strommarktreform ausgeklammert. Vorgesehen ist darin lediglich eine Pflicht für jene Mitgliedstaaten, die bereits Kapazitätsmechanismen eingeführt haben, diese auch für Lastmanagement und Speicher zu öffnen und die Erlaubnis, bei Bedarf neue Fördermechanismen für nicht-fossile Flexibilitäten einzuführen.

    Den Schwerpunkt bei Kapazitätsmechanismen will Casares auf Speichertechnologien wie Pumpspeicher und Großbatterien legen. Wasserstoff zur Rückverstromung werde erst nach 2028-2030 in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

    Offen für eine Diskussion zu Kapazitätsmärkten zeigt sich auch die EVP. Die fraktionsinterne Meinungsbildung sei aber noch nicht abgeschlossen, hatte bereits vergangene Woche die Schattenberichterstatterin Maria da Graça Carvalho gesagt.

    Strompreisbremse nicht nur für finanzstarke Staaten

    Beim Thema Übergewinne zeigt sich Casares offen für marktbasierte Lösungen. “Was die Kommission vorschlägt, würde in einer ähnlichen Krise wie der letzten nicht helfen, und außerdem ist einiges von dem, was sie vorschlägt, für Hilfsprogramme in Ländern gedacht, die über eine große Finanzkraft verfügen, wie Deutschland“, kritisierte Casares.

    Das Abschöpfen von Übergewinnen bei Erneuerbaren und Kernkraftwerken will die Kommission nur bei Neuanlagen verpflichtend machen – durch Contracts for Difference (CfDs). Für Energiekrisen sollen die Mitgliedstaaten außerdem die Möglichkeit erhalten, regulierte Endkundenpreise nicht nur für einkommensschwache Haushalte, sondern auch für KMU festzusetzen.

    Stromnetz soll Preisunterschiede dämpfen

    “Es muss eine Lösung geben, die für alle europäischen Länder gilt und nicht nur für ein paar Länder mit viel Geld”, entgegnete nun Casares. Ein “wichtiges Element” seien Verbindungsleitungen zu anderen EU-Staaten. Die griechische Regierung hatte beim letzten Treffen der EU-Energieminister eigens eine Initiative eingebracht, um den Leitungsausbau zu stärken – auch Deutschland hinkt beim Ausbau des Übertragungsnetzes hinterher, das essenziell ist für gleichmäßig hohe Strompreise in der EU.

    Ein stärkeres Gewicht der Netzinfrastruktur in der Reform unterstütze auch die EVP, hatte da Graça Carvalho gesagt. Nötig seien unter anderem schnellere Genehmigungen und eine bessere europäische Koordinierung der Investitionen.

    Casares will Bundesregierung für weitergehende Reform gewinnen

    Zu den Übergewinnen von Erneuerbaren sagte Casares: “Man kann Elemente einbauen, die das im Notfall abfedern, aber man kann das auch auf dem normalen Markt tun.” Dazu müsse ein größerer Teil der Erzeugung über langfristige PPA, CfD oder auch Kapazitätsmärkte vergütet werden.

    Damit orientiert sich der Spanier in wichtigen Bestandteilen der Reform am Ansatz der Kommission. Allerdings warb Casares auch für weitergehende Ansätze – etwa um langfristige Lieferverträge (PPA) auch für KMU und Haushaltskunden zugänglich zu machen. “Wenn ich eine Reform will, die etwas weiter, tiefer und ehrgeiziger ist als die Vorschläge der Kommission, muss ich die politischen Fraktionen, die Interessengruppen, in diesem Fall die Industrie, und natürlich Deutschland überzeugen”, sagte der Abgeordnete. Die Bundesregierung hatte die Reform anfangs gebremst, zeigte sich nach der Veröffentlichung des eher milden Kommissionsvorschlags aber bereits offen für eine schnelle Verabschiedung.

    Parlament will Mitte September abstimmen

    Bereits am 12. Mai wollen Casares und da Graça Carvalho als Berichterstatterin für die Markttransparenz-Verordnung REMIT ihre Berichtsentwürfe vorlegen. Eine erste Diskussion im Industrieausschuss (Itre) ist für den 22. Mai terminiert, wie ein Parlamentssprecher bestätigte.

    Über das Strommarktpaket soll der Itre schon am 19. Juli abstimmen und über die REMIT am 7. September. Die endgültige Abstimmung im Plenum ist für den 11. September vorgesehen. Falls die Triloge nicht noch unter spanischer Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres abgeschlossen werden können, haben laut Casares alle beteiligten Institutionen das Ziel, die Reform bis zum Februar zu vollenden – also noch vor dem Ende der laufenden Legislatur.

    • ITRE
    • Strommarkt
    • Strompreis
    • Wasserstoff

    Termine

    19.04.-20.04.2023, Potsdam
    HPI, Konferenz Potsdamer Konferenz für Nationale CyberSicherheit
    Das Hasso-Plattner-Institut (HPI) bringt Vertreter von Sicherheitsbehörden sowie Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zusammen, um die Cybersicherheitslage zu analysieren und sich zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen auszutauschen. INFOS & ANMELDUNG

    19.04.2023 – 09:30-15:00 Uhr, Warschau (Polen)/online
    ECFR, Conference European energy security: One year into Russia’s war in Ukraine
    The European Council on Foreign Relations (ECFR) hosts this conference to reflect on how the events of recent months are affecting energy security in Europe, diagnose energy deficits and draw lessons from the crisis for enhancing Europe’s energy resilience. INFOS & ANMELDUNG

    19.04.2023 – 10:00-11:00 Uhr, online
    TÜV, Seminar Energieeffizienzmanagement
    Der TÜV Rheinland teilt Expertise zu Status und Best Practices im Bereich Condition- und Energiemonitoring mit IoT-Technologie, die Unternehmen bei der Umsetzung und Optimierung eines Energiemanagementsystems unterstützen sollen. INFOS & ANMELDUNG

    19.04.2023 – 15:00-18:30 Uhr, online
    EUI, Seminar Reshuffling the connectivity ecosystem
    The European University Institute (EUI) invites experts from academia and industry to discuss the future of the electronic communications sector from a broad perspective that includes various stakeholders and segments of the digital ecosystem. INFOS & ANMELDUNG

    19.04.2023 – 15:15-18:15 Uhr, Berlin
    FZE, Seminar Die Rolle der biogenen Kraftstoffe für den Klimaschutz im Verkehr
    Auf der Veranstaltung des Forums für Zukunftsenergien (FZE) referieren Branchenexperten und diskutieren Bundestagsabgeordnete zu den Potenzialen der Biokraftstoffe für Klimaschutz im Verkehrssektor. INFOS

    19.04.2023 – 17:00 Uhr, Berlin
    DBB, Diskussion Europäischer Abend: Fachkräftemangel in Europa. Wie gelingt die EU-Migrationspolitik?
    Auf der Veranstaltung des DBB Beamtenbund und Tarifunion diskutieren Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft über den europaweiten Fachkräftemangel und die Schnittstelle zur EU-Migrationspolitik. INFOS & ANMELDUNG

    19.04.2023 – 19:00 Uhr, Hamburg
    Körber Stiftung, Diskussion Big Data und Künstliche Intelligenz: Gefahr für die Demokratie?
    Der Philosoph Julian Nida-Rümelin und der KI-Experte Rainer Mühlhoff diskutieren über die Möglichkeiten und Gefahren der digitalen Transformation sowie ihre Auswirkungen auf die Demokratie. INFOS & ANMELDUNG

    20.04.-21.04.2023, Trier/online
    ERA, Seminar Payment Systems and Services – Review of EU Rules and Beyond
    The Academy of European Law (ERA) provides an analysis of payment systems and services, as well as an update on the regulatory framework and addresses current issues. INFOS & ANMELDUNG

    20.04.2023 – 09:00-11:00 Uhr, online
    BDI, Seminar Digitalisierung des Steuerrechts
    Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) referiert und diskutiert mit Vertreterinnen und Vertretern aus Unternehmen und Politik über die Herausforderungen in der Digitalisierung des Steuerrechts und wie diese bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden kann.
    INFOS & ANMELDUNG

    20.04.2023 – 14:30-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    ERCST, Conference EU CCUS policy: Net-Zero Industry Act & upcoming Commission’s Communication
    The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) explores the growing importance of and upcoming European Commission’s strategy on the carbon capture, utilisation and storage (CCUS) technology. INFOS & ANMELDUNG

    News

    EU-Taxonomie: NGOs reichen Klagen ein

    Greenpeace und eine Gruppe weiterer NGOs reichen heute beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg Klagen gegen die EU-Kommission ein. Greenpeace Deutschland und sieben weitere Greenpeace-Länderbüros klagen gegen die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die EU-Taxonomie, während ClientEarth, WWF EU, der BUND und Transport & Environment sich in ihrer Klage auf fossiles Gas konzentrieren.

    Sie beziehen sich damit auf den delegierten Rechtsakt, der Investitionen in bestimmte Atomkraft- und Erdgaswerke als nachhaltig und im Einklang mit der Taxonomie-Verordnung deklariert. Dieser ist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Die NGOs machen damit erstmals Gebrauch von ihrem Recht auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten nach der kürzlich geänderten Aarhus-Verordnung. “Sollte Greenpeace gewinnen, bedeutet dies sicher einen Präzedenzfall für weitere Klagen dieser Art“, sagte eine Sprecherin.

    Erdgas und Atomenergie als ökologisch nachhaltig zu bezeichnen stehe im Widerspruch zur Taxonomie-Verordnung selbst, erklärten die Umweltschutzorganisationen. “Die EU-Kommission darf nicht das Problem als Lösung verkleiden. Atom und Gas können nicht nachhaltig sein“, sagt Nina Treu, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland. “Grünes Geld darf nicht für Industrien missbraucht werden, die uns erst in die Natur- und Klimakrise geführt haben. Es muss in erneuerbare Energien und den zukunftsfähigen Umbau hin zu einer sozial-ökologischen Wirtschaft fließen.”

    “Kommission verstößt gegen Grundgedanken der Taxonomie”

    “Mit der Klage zeigen wir, dass die EU-Kommission schlicht keine Ermächtigung des EU-Gesetzgebers hat, fossiles Gas und Atomkraft als nachhaltig zu labeln”, sagt Anwältin Roda Verheyen, die Greenpeace in dem Verfahren vertritt. “Die EU-Kommission verstößt damit sogar gegen den Grundgedanken der Taxonomie-Verordnung: Nur sehr wenige Technologien sollen danach das grüne Label erhalten – und gerade Atomkraft ist weder eine Hilfe bei der Transition zur Treibhausgasneutralität noch frei von erheblichen Umweltrisiken.”

    Die acht Greenpeace-Büros hatten im September formalen Widerspruch gegen die Entscheidung der Kommission eingelegt und angekündigt, vor dem EuGH zu klagen, sollte die EU-Kommission den entsprechenden delegierten Rechtsakt nicht revidieren. Im Februar hatte die Kommission den Widerspruch abgelehnt.

    Die Dauer des Verfahrens wird auf mehrere Jahre geschätzt. Im Oktober hatte auch Österreich eine Klage gegen die Entscheidung, Atomkraft und Erdgas in die Taxonomie aufzunehmen, beim Gericht der Europäischen Union eingereicht. leo

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    EP-Haushaltsausschuss fordert neue Eigenmittel

    Der Haushaltsausschuss des Europaparlaments fordert neue Einnahmequellen für die EU. Die Abgeordneten stimmten am Montagabend über einen Entwurf der Berichterstatter Valérie Hayer (Renew) und José Manuel Fernandes (EVP) ab, der sich für eine Reihe neuer Eigenmittel für das EU-Budget ausspricht:

    • eine EU-weite Finanztransaktionssteuer,
    • die Besteuerung von Aktienrückkäufen durch Unternehmen,
    • eine europäische Steuer auf Kryptowährungen,
    • eine Steuer auf Abfälle, insbesondere Lebensmittelabfälle.

    Die Abgeordneten erhöhen damit den Druck auf EU-Kommission und Mitgliedstaaten. Haushaltskommissar Johannes Hahn hatte Ende 2021 drei neue Einnahmequellen vorgeschlagen, um die Rückzahlung des anleihefinanzierten Corona-Aufbauprogramms zu sichern. Die Verhandlungen über die vorgeschlagenen Einnahmequellen aus dem europäischen Emissionshandel, dem CO₂-Grenzausgleich und der globalen Mindeststeuer stocken aber.

    Aus Sicht des Haushaltsausschusses braucht die EU noch weitere Einnahmequellen, um ihren zahlreichen Aufgaben gerecht zu werden. Es sei höchste Zeit, dass die Kommission ein neues Eigenmittelpaket vorlege, sagte der Grünen-Haushälter Rasmus Andresen. “Je mehr und zielgenauer Eigenmittel eingesetzt werden, desto weniger muss aus den nationalen Haushalten nach Brüssel überwiesen werden.” Das Plenum des Europaparlaments wird voraussichtlich im Mai über den Bericht abstimmen. tho

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    Parlament will Abgeordnetenpensionen reformieren

    Die Pensionsregelungen für Europaabgeordnete sollen reformiert werden. Nach Information von Table.Media fand Montagabend im Präsidium des Parlaments eine erste Orientierungsdebatte ohne Beschlussfassung statt. Dem Gremium gehören Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, die 14 Vizepräsidenten und die fünf für Finanzen zuständigen Quästoren an.

    Dem Vernehmen nach liegen dem Präsidium drei Optionen für die Reform vor. Es geht darum, was mit einem Fonds passiert, aus dem die Pensionszahlungen geleistet werden und dessen Finanzquellen zu erschöpfen drohen.

    Table.Media konnte die Tischvorlage einsehen. Das sind die drei genannten Optionen:

    • Keine Aktion: der Fonds würde sein Kapital aufbrauchen, das Parlament wäre höchstwahrscheinlich gezwungen, die Zahlungsverpflichtungen zu übernehmen
    • Eine einmalige Abschlusszahlung soll allen Begünstigten angeboten werden. Auf freiwilliger Basis könnten Begünstigte dann aus dem System aussteigen. Schon jetzt haben Beitragszahler, die noch nicht das Pensionsalter erreicht haben, die Möglichkeit, gegen eine Einmalzahlung auszusteigen.
    • Es werden vier Maßnahmen erwogen, um die auflaufenden Defizite zu verringern und die Lebensdauer des Fonds zu erhöhen: Reduzierung des Nominalbetrags aller Rentenansprüche; Erhöhung des Satzes der Sonderabgabe für alle Begünstigten; Einfrieren der jährlichen Indexierung der Pensionszahlungen für alle Begünstigten; Anheben des Pensionsalters für alle, die noch nicht in Pension sind. mgr
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    • Europapolitik

    Standardessentielle Patente: Kommissionsvorschlag auf der Kippe

    Nach massiven Lobbyaktivitäten steht offenbar auf der Kippe, ob die Kommission ihren Vorschlag zu Standardessentiellen Patenten (SEP) wie geplant am 26. April vorlegen wird. Wie zu hören ist, will das Kommissarskollegium bei seiner heutigen Sitzung in Straßburg entscheiden, ob es beim ursprünglichen Zeitplan bleibt oder der Vorschlag noch einmal überarbeitet werden soll.

    SEP sind Patente, die für die Verwendung einer bestimmten Technologie unerlässlich sind. Ein Beispiel sind Patente für den Mobilfunk. Die Inhaber der Rechte von SEP sind verpflichtet, die Patente zu “fairen, vernünftigen und diskriminierungsfreien Bedingungen” (FRAND) zu lizenzieren. Um die Bedingungen hatte es zuletzt immer wieder Streit zwischen den Inhabern und den Nutzern gegeben, die vor Gerichten ausgetragen wurden.

    Viele SEP-Inhaber enttäuscht

    Ein Entwurf der Kommission für die SEP-Regulierung, der Table.Media vorliegt, sieht die Schaffung einer Evaluierungsinstanz für Patente vor. Außerdem müsste demnach ein Mediationsverfahren stattfinden, bevor geklagt wird. Als der Vorschlag bekannt wurde, löste er ein geteiltes Echo aus. Das Lager der Nutzer von SEP, etwa viele Automotive-Unternehmen, hat ihn begrüßt. Viele Unternehmen, die Inhaber von SEP sind, waren enttäuscht.

    Dazu zählen insbesondere die beiden europäischen Netzausrüster Nokia und Ericsson: Diese schickten dem Vernehmen nach Briefe an alle 27 Kommissare, um heftig gegen den Kommissionsvorschlag zu protestieren. Weitere Schreiben – diesmal von den SEP-Nutzern – folgten, als bekannt wurde, dass die Kommission erwäge, den Vorschlag zurückzustellen. mgr  

    • Europäische Kommission
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    AI Act: Berichterstatter fordern globalen KI-Gipfel

    Die Berichterstatter des AI Acts fordern Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, US-Präsident Joe Biden und Regierungen weiterer Länder auf, zügig vorläufige Grundsätze für die Entwicklung, die Kontrolle und den Einsatz sehr leistungsfähiger künstlicher Intelligenz zu schaffen. Den Aufruf von Co-Berichterstatter Dragoş Tudorache (Renew) und Brando Benifei (S&D) haben auch die Schattenberichterstatter der anderen Fraktionen unterzeichnet.

    Wie die Co-Berichterstatter in dem Brief schreiben, führen sie selbst kurz vor Abschluss der internen Verhandlungen im Parlament Regeln für den Einsatz leistungsfähiger KI für allgemeine Verwendungszwecke (General Purpose AI, GPAI) in den AI Act ein. Zu dieser Art KI-Modelle zählt auch ChatGPT.

    Unterzeichner halten ergänzendes Regelwerk für nötig

    Wenn alles nach Plan läuft, wollen die Abgeordneten ihre Verhandlungen zum AI Act noch an diesem Mittwoch abschließen. So lassen sich die Termine für die Abstimmungen in den Ausschüssen (26. April) und im Plenum (31. Mai) halten. Nicht nur die Parlamentarier erwarten, dass der AI Act als Blaupause für andere Regulierungsinitiativen auf der ganzen Welt dienen könnte.

    Tudorache und Benifei beziehen sich auf die Aufforderung vom Future of Life Institute, ein sechsmonatiges Moratorium für die Entwicklung leistungsstarker KI zu erlassen. Der öffentliche Zugang zu leistungsstarker KI sowie die exponentiellen Leistungssteigerungen, hätten auch sie veranlasst, “innezuhalten und über unsere Arbeit nachzudenken”. Sie seien nun überzeugt, dass neben dem AI Act “ein ergänzendes Regelwerk für die Entwicklung und den Einsatz leistungsfähiger KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck” nötig sei.

    KI verdient mehr politische Aufmerksamkeit

    Wenn sie auch den alarmistischen Aussagen des Future of Life Instituts nicht folgen, so sehen sie angesichts der rasanten Entwicklung leistungsfähiger KI dennoch die Notwendigkeit erheblicher politischer Aufmerksamkeit. Untätigkeit werde “die Kluft zwischen der Entwicklung der KI und unserer Fähigkeit, sie zu steuern, vergrößern”.

    Unter anderem erklären die Unterzeichner:

    • dass sie im Rahmen des AI Acts ein Regelwerk schaffen wollen, das speziell auf jene KI-Modelle zugeschnitten ist, die auf allgemeine Zwecke ausgerichtet sind.
    • dass sie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden auffordern, einen hochrangigen globalen KI-Gipfel einzuberufen, um sich auf eine vorläufige Reihe von Grundsätzen für die Entwicklung, die Kontrolle und den Einsatz sehr leistungsfähiger künstlicher Intelligenz zu einigen.
    • dass sie die Direktoren des Handels- und Technologierates (TTC) auffordern, sich auf der kommenden TTC-Sitzung auf eine vorläufige Tagesordnung für den oben genannten Gipfel über künstliche Intelligenz zu einigen. Dabei sollen das Europäische Parlament und der US-Kongress einbezogen werden.
    • dass sie andere Länder, aber auch Unternehmen aufrufen, ihre Bemühungen zur Regulierung beziehungsweise Entwicklung von sicherer und vertrauenswürdiger KI zu verstärken. vis
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    Technologie-Geopolitik: Schaake wird Sonderberaterin von Vestager

    Die langjährige Europaparlamentarierin Marietje Schaake soll EU-Kommissionsvizepräsidentin Margarethe Vestager künftig als Sonderberaterin für Technologie-Geopolitik zur Seite stehen. Das teilte die Niederländerin gestern auf ihrem Twitter-Account mit. Sie freue sich auf die Zusammenarbeit, ließ Vestager ebenfalls auf der Plattform wissen.

    Schaake hatte von 2009 bis 2019 während ihrer Zeit im Europaparlament maßgeblich an geopolitischen Fragen der Handels- und Technologiepolitik mitgewirkt. So war sie unter anderem 2015 zur Exportkontrolle von Überwachungstechnologien in Drittstaaten Berichterstatterin für einen EP-Bericht. Sie kritisierte regelmäßig Fehlentwicklungen an der Schnittstelle von beiden Bereichen, wie etwa das einst geplante Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), das später scheiterte. 2019 kandidierte die liberale D66-Politikerin nicht erneut für das EP.

    2020 ging Schaake an die Stanford University und forscht und lehrt seitdem am dortigen Cyber Policy Center zur Regulierung von Technologie wie KI, Big-Tech-Wettbewerbskontrollen, Deep Fakes, Desinformation und Spionagesoftware. Die neue Rolle nimmt Schaake zusätzlich zu ihrer Tätigkeit in Stanford wahr. fst

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    Rechnungshof prangert Tiertransporte an

    Jedes Jahr werden Milliarden von lebenden Tieren innerhalb der EU sowie in oder aus Drittstaaten transportiert, Tendenz steigend. Dabei werden die geltenden Tierschutzvorschriften nicht immer eingehalten. Das geht aus einer Analyse hervor, die der Europäische Rechnungshof (EuRH) am Montag veröffentlicht hat. Es stelle sich die Frage, ob die Standards sowie die Sanktionen bei entsprechenden Vergehen angemessen seien, heißt es darin.

    Produzenten würden häufig bewusst längere Strecken in Kauf nehmen, um Strafen zu vermeiden. Denn die geltenden Tierschutzvorschriften beim Transport würden von den EU-Staaten nicht einheitlich umgesetzt. Entsprechend könnten die Kostenvorteile die zu erwartenden Sanktionen in manchen Ländern übersteigen und Verstöße würden sich lohnen, so der EuRH.

    Tierleiden in Transportkosten einpreisen

    Der Analyse zufolge dauert ein Drittel der Transporte mehr als acht Stunden, vier Prozent sogar über 24 Stunden. “Der Transport von lebenden Tieren über lange Strecken kann sich negativ auf das Wohlergehen der Tiere auswirken”, sagt EuRH-Agrarexpertin Eva Lindström. Die Tiere seien beim Verladen Stress ausgesetzt. Während des Transports könnten sie unter Hunger, Durst, Hitze und Platzmangel leiden.

    Bei der anstehenden Novellierung der EU-Tierschutzbestimmungen müsse darauf geachtet werden, die Anzahl und Dauer der Transporte einzuschränken und die Transportbedingungen zu verbessern, fordert der Rechnungshof. Die Nutzung lokaler Schlachthöfe und mobiler Anlagen könne dazu beitragen und sei umweltfreundlicher.

    Der EuRH schlägt außerdem vor, das Tierleiden in die Transportkosten einzupreisen und bei den Fleischpreisen zu berücksichtigen sowie durch ein EU-weites System für Tierwohlkennzeichnung für mehr Transparenz zu sorgen.

    BMEL: Transporte in Drittstaaten verbieten

    Besonders problematisch: Transporte in Drittländer, wo die Standards teils erheblich niedriger sind als in der EU. Deutschland setzt sich deshalb dafür ein, Transporte in Nicht-EU-Staaten ganz zu verbieten. Unterstützung erhält Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von seinen Kollegen aus Österreich, Dänemark, Luxemburg und den Niederlanden.

    Die meisten EU-Länder sind jedoch dagegen. Ein nationaler Alleingang scheide aber aus, “denn es ist keinem Tier geholfen, wenn es zunächst in einen anderen Mitgliedstaat gebracht wird, um von dort aus in ein Drittland exportiert zu werden”, heißt es aus dem BMEL.

    Bereits vor einem Jahr hat das EU-Parlament einen besseren Schutz von Tieren auf Transporten gefordert. Passiert ist bislang wenig. Nun hat die Kommission angekündigt, bis zum Jahresende einen Vorschlag zu präsentieren. Insider befürchten jedoch, dass die bevorstehende Europawahl im Frühjahr 2024 die Pläne durchkreuzen könnte. til

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    Timmermans verschiebt China-Reise

    Nach dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell hat auch Klimakommissar Frans Timmermans eine geplante Reise nach China wegen einer Infektion mit Covid-19 verschieben müssen. Man wolle die Reise so schnell wie möglich nachholen, sagte ein Sprecher. Der Niederländer hätte Chinas einflussreichen Klimapolitiker Xie Zhenhua getroffen. Auch Borrell hatte vergangene Woche wegen einer Infektion mit dem Coronavirus seine Reise nach Peking abgesagt. Er fehlte am Montag auch beim G7-Außenministertreffen in Japan.

    Die Reisetätigkeit der EU-Vertreter in Richtung China hatte zuletzt besondere Aufmerksamkeit erhalten, nachdem EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und der französische Staatschef Emmanuel Macron in der Vorwoche Peking besucht hatten. Während von der Leyen den kritischeren Ton ihrer Grundsatzrede beibehielt, versuchte Macron, die europäische “strategische Autonomie” zwischen China und den USA zu betonen. In der Kritik stand Macron zudem wegen Aussagen zu Taiwan.

    Debatte im Parlament

    Am heutigen Dienstag wird das Verhältnis der EU zu China Thema einer Generaldebatte im Europaparlament sein. Er sehe, dass Europa Stück für Stück zu einer realistischeren Haltung gegenüber China komme, sagte der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer am Montag mit Blick auf die Debatte.

    Es bilde sich ein “Mainstream” mit “nüchternen Ton” heraus, den Bütikofer mitunter in von der Leyen, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell vertreten sieht. EU-Ratschef Charles Michel schlage mehr in diese Kerbe als Macron. EU-Kommissionschefin von der Leyen wird an der Debatte teilnehmen. 

    Warnung der G7

    Bei ihrem Treffen im japanischen Karuizawa haben die G7-Staaten eine deutliche Warnung an China gerichtet. Im Falle einer Aggression gegen Taiwan müsse die Volksrepublik mit harten Konsequenzen rechnen. Darauf einigten sich die sieben Außenminister am Montag bei ihrem Treffen. Man würde sich entschieden gegen jegliche gewaltsame Veränderung des Status Quo in der Straße von Taiwan stellen.

    “Wir werden uns gegen jeden Zwang, jede Marktmanipulation und alle Bemühungen zur Änderung des Status quo in der Straße von Taiwan wehren“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Beamten aus der US-Delegation.

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte, man spüre “hautnah, wie China immer mehr die bestehenden, allgemeinen, verbindlichen, internationalen Regeln durch seine eigenen Regeln ersetzen will, gerne mit der Behauptung, es gebe keine Regeln, obwohl man die Verträge selbst ratifiziert hat”. Schon bei ihrem Besuch in China nannte sie es ein “Horrorszenario”, sollte in der Taiwan-Straße ein militärischer Konflikt ausbrechen. ari/rad

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    CDU-Spitze unterstützt mögliche weitere Amtszeit von der Leyens

    Die CDU-Spitze befürwortet eine mögliche weitere Amtszeit von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. “Unsere Unterstützung im Falle einer entsprechenden Bereitschaft hat sie”, sagte Parteichef Friedrich Merz am Montag in Berlin nach einer CDU-Präsidiumssitzung. An dieser nahm auch von der Leyen teil.

    Merz sagte weiter, er habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) über deren Besuch in der CDU-Zentrale informiert und damit den Wunsch verbunden, dass von der Leyen von Deutschland aus vorgeschlagen werde, wenn sie für eine weitere Amtszeit bereitstehen würde. Dies sei von allen im CDU-Präsidium unterstützt worden.

    Die EU habe zuletzt auch angesichts des Krieges gegen die Ukraine die Bewährungsprobe bestanden, zusammenzustehen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen, sagte Merz. Es sei besonders der Kommission und ihrer Präsidentin zu verdanken, dass dies in vielen Bereichen gelungen sei.

    Noch keine Entscheidung

    Von der Leyen sagte, sie habe ihre Entscheidung noch nicht getroffen. Man sei noch mehr als ein Jahr von der Europawahl entfernt. Für sie sei wichtig, dass in diesen kritischen Zeiten die Institutionen der EU geschlossen arbeiteten. “Deshalb ist es für mich im Augenblick nicht der richtige Zeitpunkt, diese Frage für ein nächstes Mandat zu beantworten”, sagte die 64-Jährige. Sie werde in den zuständigen Parteigremien behandelt werden, wenn die Zeit reif sei.

    SPD, FDP und Grüne haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Vorschlagsrecht für die deutsche Kommissarin oder den deutschen Kommissar bei den Grünen liegt, “sofern die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt”. dpa

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    Macron will Frankreich mit 100-Tage-Plan befrieden

    Nach den monatelangen Protesten in Frankreich gegen die Rentenreform hat Präsident Emmanuel Macron ein 100-Tages-Programm ausgerufen, um das Land zusammenzuführen. Ministerpräsidentin Élisabeth Borne solle Vorschläge zu Arbeitsbedingungen, Sicherheit, Bildung und Gesundheitsfragen vorlegen, sagte Macron am Montag.

    “Wir müssen am 14. Juli Bilanz ziehen können”, sagte er unter Verweis auf den französischen Nationalfeiertag. “Vor uns liegen 100 Tage der Beschwichtigung, der Einheit, des Ehrgeizes und des Handelns für Frankreich.” Macron erklärte sein Bedauern, dass die Rentenreformen nicht von einer breiten Mehrheit getragen werde. “Wird diese Reform akzeptiert? Offensichtlich nicht. Trotz monatelanger Gespräche konnte kein Konsens gefunden werden, was ich bedauere. Daraus müssen wir alle Lehren ziehen”, sagte er.

    In einer ersten Reaktion erklärte der Chef der größten Gewerkschaft des Landes, Laurent Berger von der CFDT, die Rede habe nicht die Wut der Menschen im Land angesprochen. “Da ist einfach eine Art Leere, sie enthält nichts, wir haben etwas anderes erwartet”, sagte er. Die Gewerkschaften haben erklärt, ohne eine Rücknahme der umstrittenen Rentenreform werde es keine Gespräche mit der Regierung über andere Themen geben.

    Am Freitag hatte der Verfassungsrat die Reform in ihrem Kern gebilligt. Sie war von Borne mit einem verfassungsrechtlichen Kniff ohne eine Abstimmung durch das Parlament gebracht worden. Umfragen zufolge lehnt eine große Mehrheit der Franzosen die Änderungen ab. rtr

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    Presseschau

    Verdienstorden der Bundesrepublik – Steinmeier: “Merkel hat Deutschland und Europa in Krisenzeiten zusammengehalten” DEUTSCHLANDFUNK
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    Landeschefs einigen sich: Strack-Zimmermann soll als FDP-Spitzenkandidatin in Europa antreten RND
    EU-Parlament: Beschleunigung der Verhandlungen zu Waffenbeschaffungsfonds EURACTIV
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    Viel zu viel Raps in Europa – Rapspreise fallen wie ein Stein AGRARHEUTE
    Turbulenzen in USA und Schweiz: Bankenverband hält Institute in Deutschland und der EU für robust SPIEGEL
    Nach historischer Winter-Dürre: Waldbrand in Frankreich zerstört 900 Hektar Land N-TV
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    Toomas Hendrik Ilves – Estlands engagierter Deutschland-Kritiker

    Toomas Hendrik Ilves, ehemaliger Präsident von Estland (2006 bis 2016)

    Aus reiner Höflichkeit steckt Toomas Hendrik Ilves die angebotene Visitenkarte ein. Der Präsident Estlands von 2006 bis 2016 kann nicht verbergen, dass er nur wenig von dieser Marotte der Deutschen hält – warum auf Papier, wenn es auch digital geht? Und streckt zum Beweis sein Smartphone mit QR-Code als Visitenkarte entgegen.

    Dass Estland heute zu den Ländern mit dem höchsten Digitalisierungsgrad und den besten in Sachen Cybersicherheit zählt, hat auch mit dem Vordenker Ilves zu tun. Als der 1953 in Schweden geborene und in den USA aufgewachsene Este 2006 Präsident der damals noch jungen Republik wird, kann er zwar bereits auf einer soliden, fortgeschrittenen Digitalisierung im Land aufbauen. Doch spätestens als die digitale Verwaltung seines Landes 2007 Opfer einer mehrwöchigen Cyberattacke aus Russland wird, ist klar, dass der Cyberraum zu einer Domäne der Kriegsführung geworden ist.

    Vernetzung für Cybersicherheit

    Als Folge daraus entsteht 2007, unter seiner Präsidentschaft, in Estlands Hauptstadt Tallinn das Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCDCOE) der Nato. Dort werden seither Fähigkeiten und Informationen im Bereich Cyberverteidigung, -ausbildung, -forschung und -entwicklung zwischen den Mitgliedstaaten des westlichen Verteidigungsbündnisses zusammengeführt.

    An der langsam fortschreitenden Digitalisierung in Deutschland und der Haltung der Bundesregierung zu Russland übt Ilves leidenschaftlich Kritik, sehr gerne auch auf seinem Twitter-Account. Er kann aus eigener Erfahrung sprechen, lebte er doch selbst von 1984 bis 1993 in München und arbeitete dort als Journalist für Radio Free Europe.

    Danach war er Botschafter Estlands in den USA, Kanada und Mexiko mit Sitz in Washington, Außenminister in Tallinn von 1996 bis zu seinem Rücktritt 1998 und von 1999 bis 2002. Nach dem EU-Beitritt Estlands in die EU 2004 ging er für zwei Jahre als Europaabgeordneter nach Brüssel, ehe seine zwei Amtszeiten als Präsident Estlands folgten.

    Keine verklärte Sicht auf Russland

    Was ihn in Deutschland massiv störe, ist, dass in der hiesigen Presse immer noch von “Estland, der früheren Sowjetrepublik” geschrieben werde, einer längst vergangenen Zeit. Und er hält seinen Ärger über die Naivität deutscher und anderer westeuropäischer Politiker in Bezug auf Russland nicht zurück.

    “Ich saß 2007 bei der berühmten Rede von Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz in der ersten Reihe. Interessant war nicht, was er sagte, sondern wie schockiert alle aus Westeuropa waren, und wir aus Osteuropa sagten: Warum seid ihr schockiert?” Die richtigen Konsequenzen seien nie gezogen worden.

    Er und andere osteuropäische Politiker wie der frühere polnische Parlamentspräsident Radosław Sikorski hätten schon vor der Münchner Sicherheitskonferenz 2022 gesagt, dass Russland in die Ukraine einmarschieren würde. Statt ihnen zu glauben, wurden sie, zum Beispiel von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, als Kriegstreiber bezeichnet. “Wir haben keine verklärte Sicht auf Russland, basierend auf Tolstoi oder Dos­to­jew­s­ki. Das ist alles ganz nett, aber nicht unsere Realität.”

    Einsicht aus der deutschen Politik fehlt

    Aus der deutschen Politik, allen voran CDU und SPD, fehlten ihm bedeutende Stimmen, die sagten, dass der Russland-Kurs der vergangenen Jahrzehnte nicht der richtige war. Auch für Merkels Politik hat er wenig übrig. “Merkel denkt bis heute, sie hätte alles richtig gemacht. Ich meine, wenn du ein Jahr nach der Krim-Annexion Nord Stream 2 unterzeichnest, und heute sagst, du bereust nichts … Nun gut.”

    Estland habe trotzdem an Selbstbewusstsein gewonnen, auch aufgrund guter Ideen von Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Diese hatte zur Münchner Sicherheitskonferenz im Februar eine gemeinsame Munitionsbeschaffung in der EU vorgeschlagen. “Es wäre gut, wenn die Deutschen jetzt mit aller Kraft mitmachen würden”, sagt Ilves.

    Was er nicht kritisiert an Deutschland: das Essen. Leberkäse, Weißwurst und Obazda zählen zu seinen Lieblingsspeisen. Lisa-Martina Klein

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