in Brüssel treffen sich die Wirtschafts- und Industrieminister heute zum zweiten Sitzungstag des Wettbewerbsfähigkeitsrats. Die Diskussion wird sich um die Zukunft des Binnenmarkts und der europäischen Industriepolitik drehen.
In einem Zeichen deutsch-französischer Einigkeit veröffentlichten die Ministerien von Robert Habeck und Bruno Le Maire gestern eine gemeinsame Erklärung dazu, wie die beiden Länder in den nächsten fünf Jahren das Wirtschaftswachstum ankurbeln wollen. Auf 745 Milliarden Euro schätzen sie die zusätzlichen Investitionsbedarfe für die grüne und digitale Transformation in der EU.
Ähnlich wie in der gemeinsamen Erklärung mit ihrem italienischen Kollegen Urso fordern Habeck und Le Maire mehr finanzielle Mittel auf EU-Ebene. Neben privaten Mitteln sollen auch öffentliche Beihilfen zur Ankurbelung der Investitionen beitragen.
Aber Einigkeit zwischen Habeck und Le Maire bedeutet nicht Einigkeit zwischen Deutschland und Frankreich. Während das BMWK und Bercy ihre gemeinsame Erklärung zelebrieren, streiten sich deutsche und französische Diplomaten hinter den Brüsseler Kulissen um die Formulierung der Schlussfolgerungen des heutigen Wettbewerbsfähigkeitsrats.
So will Frankreich ein Bekenntnis zum Prinzip, dass importierte Produkte dieselben Standards wie europäische Produkte erfüllen müssen. Deutschland will diese Spiegelklauseln möglichst nicht im Text sehen. Der Text soll der neuen Kommission als Grundlage für die neue Legislatur dienen. Da will man sich auf deutscher Seite nicht mit solchen Formulierungen potenzielle Handelshemmnisse einbrocken.
Weiteres Konfliktpotenzial bietet ein Punkt, den Frankreich kurzfristig für heute auf die Agenda hob: die US-Zölle gegen chinesische Produkte. Bei der Frage, wie die EU darauf reagieren soll, werden sich Deutschland und Frankreich heute wohl kaum einig. So bleibt noch viel Gesprächsstoff für den deutsch-französischen Ministerrat am kommenden Dienstag und den EU-Handelsrat am Donnerstag.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Freitag!
TV-Debatten zwischen Politikern vor Wahlen sollen eigentlich dazu dienen, Unterschiede zwischen den Kandidaten herauszuarbeiten. Bei der Eurovisionsdebatte am Donnerstag lieferten sich die zwei Spitzenkandidatinnen und drei Kandidaten aber lediglich zum Umgang mit Rechtsaußen-Parteien einen verbalen Schlagabtausch. Ansonsten blieb die Differenzen recht blass – was auch daran lag, dass die Parteienfamilien der nationalkonservativen EKR und der extrem rechten ID nicht auf der Bühne im Europaparlament vertreten waren: Sie haben keine Spitzenkandidaten aufgestellt, was die ausrichtende European Broadcast Union (EBU) zur Bedingung gemacht hatte.
Sozialdemokraten, Grüne und Linke attackierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Bereitschaft, mit Kräften rechts von der EVP zusammenzuarbeiten. “Für mich sind EKR und ID keine demokratischen Kräfte“, sagte der sozialdemokratische Bewerber Nicolas Schmit. In Italien etwa wolle die rechte Regierung die Frauenrechte und die Medienfreiheit beschränken. “Bei bestimmten Themen brauchen wir Klarheit, keine Mehrdeutigkeit”, sagte er an die Adresse von der Leyens.
Die CDU-Politikerin verwies auf die drei Kriterien der EVP für eine Zusammenarbeit. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni handele aus ihrer Sicht eindeutig proeuropäisch und habe sich klar gegen Russlands Präsidenten Putin positioniert. Von der Leyen betonte, sie wolle nicht mit der EKR als Ganzes zusammenarbeiten: “Ich spreche nicht von Gruppen, ich spreche von Parlamentariern, die verschiedenen Gruppen angehören werden.” Das Europaparlament müsse sich nach der Wahl vom 6. bis 9. Juni erst neu sortieren. Mit Parteien wie dem Rassemblement National, der AfD oder der polnischen Konfederacja werde sie aber keinesfalls kooperieren.
Harte Kritik musste sich auch der liberale Vertreter Sandro Gozi anhören. Die Grünen-Kandidatin Terry Reintke forderte eine Sondersitzung der Renew-Fraktion noch vor der Wahl, um die niederländische Mitgliedspartei VVD auszuschließen. Diese hatte sich mit dem rechtsradikalen Islamgegner Geert Wilders auf ein Regierungsbündnis geeinigt. Gozi verwies auf die direkt nach der Wahl angesetzte Fraktionssitzung, bei der ein VVD-Ausschluss diskutiert werden soll.
Ansonsten attackierte Sozialkommissar Schmit seine bisherige Chefin von der Leyen nur noch einmal direkt: für den Migrationsdeal mit Tunesien. Angesichts der jüngsten Berichte, wonach die dortigen Grenzschützer Flüchtlinge in der Wüste aussetzen, sagte er: “Das ist nicht Europa.” Linken-Kandidat Walter Baier betonte, Europa müsse weiter offen für Flüchtlinge sein: “Das Problem ist nicht die Migration, das Problem ist die extreme Rechte”. Die anderen Parteien hätten deren Narrativ übernommen.
Gozi forderte von der Leyen auf, sich klar zu positionieren zu den Forderungen nach Eurobonds, um einen Verteidigungsfonds mit genügend Mitteln auszustatten. Die EVP-Kandidatin zeigte sich offen dafür: “Es ist absolut entscheidend zu schauen, wie wir Verteidigung finanzieren”, sagte sie mit Blick auf die nächste Legislaturperiode. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten, nämlich höhere Beiträge der Mitgliedstaaten oder neue Eigenmittel. Es sei nun Zeit, über neue Eigenmittel zu reden. Die EU-Staaten könne Brüssel nicht immer neue Aufgaben übertragen, ohne die Frage der Finanzierung zu klären: “Lasst uns nun an neuen Eigenmitteln auf europäischer Ebene arbeiten, um wirklich unsere Verteidigung zu finanzieren.”
Von der Leyen gab sich in der Debatte keine Blöße. Dabei war sie ein gewisses Risiko eingegangen, sich als erste Amtsinhaberin als Spitzenkandidatin aufstellen zu lassen und somit für ihre Politik rechtfertigen zu müssen. Der Wahlkampf, der sie bislang in elf Mitgliedstaaten geführt habe, sei “eine der besten Erfahrungen ihres Lebens”, behauptete sie.
Allerdings hat auch ihre Kandidatur bislang nicht dazu geführt, dass der Europawahlkampf Fahrt aufgenommen hätte. Auch die TV-Debatte dürfte kaum ein breiteres Publikum erreicht haben, obwohl sie in allen 27 Mitgliedstaaten übertragen wurde, schon wegen der nachmittäglichen Sendezeit. In Deutschland etwa wurde die Diskussion nur vom Informationssender Phoenix übertragen. In Frankreich konzentrierte sich das Interesse auf den abendlichen Schlagabtausch zwischen Ministerpräsident Gabriel Attal und Jordan Bardella, Chef des Rassemblement National. In die Hauptsendezeit schafft es die Europawahl erst, wenn ZDF (am 30. Mai) und ARD (am 6. Juni) die deutschen Spitzenkandidaten gegeneinander antreten lassen.
Die Umstände zeigen auch die Grenzen des Spitzenkandidatenprinzips auf, für die Befürworter ein wichtiges Element, um Europa greifbarer zu machen für die Bürgerinnen und Bürger. Die meisten Parteienfamilien haben Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft aufs Schild gehoben, die Grünen gleich zwei, die Liberalen sogar drei. Bei den Wählern stiftet das Durcheinander aus nationalen und EU-weiten Kandidaten weitere Verwirrung. “Weil die EU ein komplexes Konstrukt ist, bleibt auch das Spitzenkandidatenprinzip kompliziert“, sagt Thu Nguyen, stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Centre in Berlin.
Die Kandidaten dringen in vielen Ländern kaum durch, auch weil die Parteien nur bescheidene Ressourcen für den Wahlkampf mobilisieren, verglichen jedenfalls mit den nationalen Wahlen. Der langjährige CDU-Europapolitiker Elmar Brok konstatiert eine “Müdigkeit, Sparsamkeit und Zurückhaltung des Spitzenpersonals der demokratischen Partien – mit graduellen Unterschieden”. Die Europawahlen seien aber “zu wichtig, um als Sparbüchse für die Bundestagswahlen zu dienen”. Mit Claire Stam
Alle Texte zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
Der libanesische Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah macht keinen Hehl aus seinem Plan: Mitte Mai forderte er die Regierung in Beirut auf, syrische Flüchtlinge im Land dazu einzuladen, mit Booten in die nahe EU-Republik Zypern zu fahren. “Wenn wir das tun, wird die EU uns nicht eine Milliarde geben, sondern 20 Milliarden, vielleicht sogar 30“, sagte er. Dies würde die Europäer dazu veranlassen, “das Embargo gegen Syrien aufzuheben”, fügte der enge Verbündete des syrischen Diktators Baschar al-Assad hinzu. Nasrallah machte so indirekt eine entscheidende Schwachstelle der europäischen Migrationsverträge deutlich: Sie ermuntern die Nehmerländer zur Erpressung.
Der erklärten “umfassenden und strategischen Partnerschaft” mit dem Libanon sind seit 2016 mehrere ähnliche Vereinbarungen vorangegangen. Ihr Motto ist “Geld gegen Grenzschutz”. Die folgende Liste enthält ausschließlich EU-Abkommen mit Drittstaaten. Ihre langfristige Wirkung ist unklar. Klar ist dagegen, dass die EU sich für viel Geld teils fragwürdige Dienste anderer Staaten erkauft.
27.05.-28.05.2024
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu Russlands Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zur Lage im Nahen Osten, Gedankenaustausch zur EU-Unterstützung für die Ukraine, Gedankenaustausch zur Verteidigungsbereitschaft. Vorläufige Tagesordnung
27.05.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur Krisensituation im Agrarsektor, Gedankenaustausch zur Marktlage (insbesondere nach dem Einmarsch in die Ukraine). Vorläufige Tagesordnung
28.05.2024
Rat des Europäischen Wirtschaftsraums
Themen: Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten kommen zu Beratungen zusammen. Infos
29.05.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Diskussion über die Bereitschaft und Krisenreaktion der EU. Vorläufige Tagesordnung
30.05.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Handel)
Themen: Orientierungsaussprache zu Handel und Wettbewerbsfähigkeit (Zukunft der Handelspolitik
der EU), Stand der Dinge zu den Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Afrika. Vorläufige Tagesordnung
30.05.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Verkehr, Telekommunikation und Energie (Energie)
Themen: Billigung der Schlussfolgerungen zur Entwicklung von nachhaltigen Stromnetzen, Gedankenaustausch zur RePowerEU-Kommunikation, Gedankenaustausch zum europäischen Grünen Deal. Vorläufige Tagesordnung
Alle AfD-Europaabgeordneten sind aus der rechten ID-Fraktion im Europäischen Parlament ausgeschlossen worden. Der entsprechende Antrag von Fraktionschef Marco Zanni hat die erforderliche Unterstützung bekommen.
Zanni hatte den Ausschluss aller Abgeordneten der AfD an diesem Donnerstag beantragt. Darüber berichtete zunächst die Deutsche Presse-Agentur, der ein Dokument vorliegt, das an Spitzenvertreter aller im Parlament vertretenen ID-Mitgliedsparteien versandt wurde.
In dem Antragstext heißt es, in Anbetracht “der Reihe von Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Gruppe beteiligt waren und in Anbetracht der Tatsache, dass diese Vorfälle dem Zusammenhalt und dem Ruf der Gruppe geschadet haben” solle entschieden werden, die Mitgliedschaft der Mitglieder der deutschen Delegation mit sofortiger Wirkung zu beenden. Dabei sind die Namen aller neun AfD-Europaabgeordneten aufgeführt.
Mehr zu Maximilian Krah und der AfD im EU-Wahlkampf lesen Sie in unseren Briefings:
Hintergrund des Antrags von ID-Fraktionschef Zanni sind derzeit in der Kritik stehende Verhaltensweisen innerhalb AfD. So erteilte die Parteispitze ihrem eigenen Spitzenkandidaten Krah am Mittwoch ein Auftrittsverbot. Konkreter Anlass waren umstrittene Äußerungen Krahs zur SS. Zudem steht der 47-jährige Sachse unter Druck wegen der Spionageaffäre um einen Mitarbeiter und wegen seiner Nähe zu Russland und China. Auch die Nummer zwei der AfD-Europaliste, Petr Bystron, wird nach Korruptionsermittlungen vorerst keinen Wahlkampf mehr machen.
Der Ausschluss der AfD-Abgeordneten hat zunächst symbolischen Charakter, da das Parlament erst nach der Europawahl in zwei Wochen wieder tagen wird. Dann werden sich auch die Fraktionen neu zusammensetzen.
Der französische Rassemblement National von Marine Le Pen hat der AfD bereits die Zusammenarbeit aufgekündigt. RN-Parteichef Jordan Bardella sagte im Sender TF1: “Ich denke, dass die AfD, mit der wir im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien überschritten hat, die für mich rote Linien sind.” Nach der Wahl werde man neue Verbündete haben und nicht mehr an der Seite der AfD sitzen. dpa
Die Leiterin der Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Sandra Weeser (FDP), erhofft sich vom Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland Vorbildinitiativen für europäische Verteidigungskooperationen. “Man sollte die deutsch-französische Brigade weiterentwickeln. Vielleicht kann sie auch eine Division werden”, sagte Weeser Table.Briefings.
Zum Ende von Macrons Staatsbesuch treffen sich am Dienstag die deutschen und französischen Minister der beiden Länder in Meseberg. Zudem wird es ein gesondertes Treffen der Außen- und Verteidigungsminister geben. Dort wollen die Minister die Lücken in der europäischen Luftverteidigung angehen und ein starkes Signal an die Ukraine senden, heißt es aus dem Elysée.
Hoffnungen legt Weeser auch in das Weimarer Dreieck, in dem sie “eine unheimlich große Chance” sieht, “die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften zu erhöhen”. Die deutsch-französische Brigade könne “Vorbild für den Aufbau weiterer multinationaler Verbände und einer weiteren militärischen Integration in Europa” sein.
Am Mittwoch hatte Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren polnischen und französischen Amtskollegen, Radosław Sikorski und Stéphane Séjourné in Weimar gesagt, dass die drei Partnernationen “Triebfeder” für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik sein sollten. In der gemeinsamen Erklärung fordern die drei Minister den Ausbau der Luftverteidigung, von Landkampfsystemen oder Deep-Strike-Fähigkeiten.
Am Donnerstag stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz zudem hinter Überlegungen des französischen Präsidenten Macrons, die europäische Verteidigungsfähigkeiten zu stärken – einschließlich atomarer Kapazitäten. “Wir müssen darüber diskutieren, wie wir die richtige Mischung von Fähigkeiten erhalten, um Europa zu verteidigen und jeden Aggressor abzuschrecken”, schreibt Scholz in einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag in englischer Sprache für den Economist.
Neben der nuklearen Abschreckung gehe es um starke konventionelle Streitkräfte, Luft- und Raketenabwehr sowie Cyber-, Weltraum- und Präzisionsschlag-Fähigkeiten. In diesen Bereichen gehe es darum, die europäische Verteidigungsindustrie durch Investitionen zu verbessern. “Wir müssen den europäischen Pfeiler unserer Abschreckung stärken.“
“Um es klar zu sagen: Es wird keine ‘EU-Kernwaffen’ geben“, schrieb der SPD-Politiker. Dies sei “einfach unrealistisch”. Es gebe auch nicht die Absicht, die Souveränität der französischen nuklearen Abschreckung infrage zu stellen. “Gleichzeitig begrüße ich es, dass der französische Präsident die europäische Dimension der französischen ‘force de frappe’ betont hat“, fügte Scholz mit Verweis auf die französischen Nuklearkapazitäten aber hinzu. bub/rtr
Ein Bußgeld von 337,5 Millionen Euro hat die EU-Kommission am Donnerstag gegen den US-amerikanischen Snack-Hersteller Mondelēz International verhängt. Das Unternehmen vertreibt unter anderem Produkte wie Oreo und Toblerone. Laut Kommission habe der Konzern in 22 Fällen wettbewerbswidrige Abmachungen getroffen, die in der EU verboten sind.
Zum Beispiel habe Mondelēz zwischen 2012 und 2019 ihren Großhandelskunden vorgegeben, in welche EU-Staaten sie verkaufen dürfen und in welche nicht. In einem Fall habe der US-Konzern sogar die Exportpreise vorgegeben. Die Kommission wirft Mondelēz auch vor, es habe zwischen 2015 und 2019 seine dominante Marktposition missbraucht. Zum Beispiel habe es einen deutschen Händler nicht mit Schokolade beliefert, um zu verhindern, dass dieser die Produkte in Österreich, Belgien, Bulgarien und Rumänien verkaufen würde, wo die Produkte teurer verkauft werden.
Die Kommission bearbeitet diesen Fall schon seit 2019, als sie unangekündigte Inspektionen bei Mondelēz in Österreich, Belgien und Deutschland durchgeführt hatte. Eine Koalition von acht Mitgliedstaaten will nun, dass die EU effektiver gegen diese Handelseinschränkungen vorgeht. Die Niederlande, Belgien, Kroatien, Tschechien, Dänemark, Griechenland, Luxemburg und die Slowakei veröffentlichten am Donnerstagabend ein Positionspapier.
Sie argumentieren, dass die Handelseinschränkungen zu höheren Konsumentenpreisen führen sowie die Produktverfügbarkeit einschränken. Eine Studie der EU-Kommission von 2020 schätzte den Schaden für Konsumenten durch solche Handelseinschränkungen auf 14 Milliarden Euro.
Mit ihrem Positionspapier wollen die kleinen und mittleren Mitgliedstaaten das Thema auf die Agenda des Wettbewerbsfähigkeitsrats vom heutigen Freitag heben. Sie haben zwei Vorschläge, wie das Problem behoben werden könnte:
Das französisch-deutsche Raumfahrtunternehmen Exploration Company und das französisch-italienische Unternehmen Thales Alenia Space haben Aufträge für die Entwicklung von Frachtrückkehrdiensten für niedrige Erdumlaufbahnen (Low Earth Orbit, LEO) erhalten.
Die Frachtfahrzeuge sollen bis 2030 Versorgungsgüter an die Internationale Raumstation liefern. Das ist insofern bemerkenswert, als dies einen Systemwechsel bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA einleitet. Bisher hat die ESA solche Projekte selbst entwickelt und dann Aufträge an die Industrie erteilt. Jetzt ordert sie eine Dienstleistung – und Unternehmen können sich dafür bewerben.
Die Kommerzialisierung der Raumfahrt war eines der Kernthemen beim 11. Weltraumrat, zu dem am Donnerstag die Minister der ESA-Mitgliedstaaten, der ESA-Exekutive und die EU-Minister in Brüssel zusammenkamen, um über Europas Zukunft in der Raumfahrt zu beraten. Zu den ESA Mitgliedern zählen auch Norwegen, Großbritannien und die Schweiz, die keine EU-Mitglieder sind. Auch die ESA-hat einen Ministerrat, dem Deutschland derzeit vorsitzt. Gleichzeitig beschlossen die EU-Minister eine Schlussfolgerung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas durch Raumfahrt.
“Der Weltraum mag für viele Menschen in Europa weit entfernt erscheinen, aber tatsächlich ist er entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Europas“, sagte Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt. “Die Diskussionen heute haben gezeigt, wie wichtig der Weltraum genau für dieses Ziel ist.” Die Fähigkeiten im Weltraum beeinflussten auch die Umsetzung strategischer Maßnahmen in einer Vielzahl von anderen Bereichen, einschließlich des Klimaschutzes und der digitalen Transformation. “Dies sind entscheidende Themen für Europa in den kommenden Jahren.”
Insbesondere Deutschland, aber auch weitere Mitgliedstaaten betonen dabei, dass auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups zunehmend zum Innovationspotenzial und zur Wettbewerbsfähigkeit Europas beitragen. Europa müsse im Weltraum die Diversifizierung fördern, sagte Christmann. Man strebe an, ein attraktives Umfeld zu schaffen, um private Investitionen in die europäische Weltraumindustrie zu erhöhen, vor allem in Start-ups und KMU.
“Denn wenn es um Budgets geht, sind private Investitionen der Schlüssel“, sagte Christmann. Die öffentlichen Budgets reichten bei Weitem nicht aus, um die notwendigen Investitionen zu stemmen. Das sei eine weltweite Entwicklung. “Neue Beschaffungsansätze werden mehr Raum für unternehmerische Kreativität auf der einen Seite und Verantwortung auf der anderen Seite schaffen”, erwartet die Koordinatorin. Die Rolle des öffentlichen Sektors als Kunde weltraumgestützter Dienstleistungen und Daten sollte daher zukünftig konsequent umgesetzt werden.
“Der Systemwechsel bei der ESA ist nicht zu unterschätzen”, hebt Matthias Wachter hervor, BDI-Abteilungsleiter und Geschäftsführer der New-Space-Initiative. Damit übernehme die ESA das erfolgreiche US-System, das die NASA bereits seit 15 Jahren anwende. “Das ist ein absolut richtiges Vorgehen, wir begrüßen das sehr. Es bedeutet, dass die ESA schneller wird und weniger Geld in die Hand nehmen muss.” Die in Aussicht stehenden langlaufenden Serviceverträge machen die Unternehmen zudem attraktiver für private Investoren.
Tatsächlich hat die Auftragsvergabe im Rahmen des LEO-Cargo-Rückkehrserviceprogramms der ESA nur ein halbes Jahr gedauert. Christmann nannte dies einen Meilenstein. “Ich denke, das ist das Tempo, das wir immer mehr in Europa sehen müssen, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht.”
Was allerdings nicht so schnell kommen wird, ist das EU-Weltraumgesetz. Der belgische Staatssekretär Thomas Dermine sagte, unter der belgischen Ratspräsidentschaft werde das nicht mehr vorgelegt und es ist auch unwahrscheinlich, dass es dies noch innerhalb des laufenden Mandats geschieht.
“Gut, dass das EU-Weltraumgesetz vorerst auf Eis liegt“, sagte BDI-Experte Wachter. Die EU habe in diesem Bereich keine formale Zuständigkeit und ein solches Gesetz würde unweigerlich Friktionen in das Verhältnis der EU zur ESA bringen, meint er. Außerdem: “Europa fällt in der Raumfahrt immer weiter hinter die USA und China zurück und droht jetzt sogar von Indien überholt zu werden. Die europäische Antwort darauf kann nicht noch mehr Regulierung und eine damit verbundene Belastung der Unternehmen sein.” vis
Der Rat hat eine politische Einigung über die Erweiterung der Ziele des gemeinsamen Unternehmens für europäisches Hochleistungsrechnen (EuroHPC) erzielt. Ein zentrales Element der neuen Regelung ist die Schaffung von “KI-Fabriken”. Diese sollen eine Infrastruktur für Supercomputing-Dienste bereitstellen, um die Entwicklung eines KI-Ökosystems in der Union zu unterstützen. Wichtig dabei ist, dass die Supercomputing-Kapazitäten innovativen europäischen KI-Start-ups zugänglich sind, um ihre Modelle zu trainieren.
Das Joint Undertaking EuroHPC wurde 2018 gegründet, um Europa eine führende Rolle im Bereich des Supercomputings zu sichern. Es hat bisher neun Supercomputer in ganz Europa beschafft.
Die nun von der Kommission vorgeschlagene Erweiterung zielt darauf ab, die Nutzung dieser leistungsfähigen Maschinen zu optimieren, indem sie speziell auf die Bedürfnisse von KI-Anwendungen ausgerichtet werden.
Der Rat betont in seiner Einigung, dass die KI-Fabriken faire Zugangsmöglichkeiten bieten sollen, um eine breite Nutzung durch öffentliche und private Akteure zu ermöglichen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups sollen von den neuen Regelungen profitieren. Ein One-Stop-Shop soll den Zugang zu den Unterstützungsdiensten der Hosting-Einrichtungen erleichtern. Darüber hinaus sieht die Vereinbarung vor, dass die Union bis zu 50 Prozent der Anschaffungs- und Betriebskosten der KI-Supercomputer finanziert.
Die KI-Supercomputer sollen in erster Linie für die Entwicklung, Erprobung und Validierung groß angelegter KI-Modelle und Anwendungen genutzt werden. Zudem können Hosting-Einrichtungen das Eigentum an den Supercomputern fünf Jahre nach ihrer Inbetriebnahme übernehmen, vorausgesetzt, sie bestehen einen Abnahmetest. vis

In der Brüsseler Blase wird der politische Einfluss der Mitgliedstaaten an der Zahl der hohen Beamten, Kabinettschefs oder Beraterposten in den EU-Institutionen gemessen. Auf französischer Seite sitzt mit Botschafter Philippe Léglise-Costa ein Veteran an den Schalthebeln. Seit November 2017 steht er an der Spitze der Ständigen Vertretung Frankreichs bei der Europäischen Union – im Brüsseler Jargon PermRep genannt – und wurde seinerzeit von François Hollande, dem Vorgänger von Emmanuel Macron, als Präsident des Élysée-Palastes ernannt.
Léglise-Costa leitet einen Apparat mit 218 Mitarbeitern. Die Berater der PermRep sind neben ihren Fachgebieten wie Digitales oder Klima auch dafür zuständig, offene Stellen zu verfolgen und französische Kandidaten zu identifizieren, die gut zu dieser Stellen passen und besonders hervorgehoben werden sollen. So gibt es in der Vertretung eine Beraterin für die “französische Präsenz in den europäischen Institutionen”, Natacha Paris-Ficarelli, die für diese Aufgabe verantwortlich ist. Oberst Gildas Boin, Leiter der Abteilung “Human Resources & Einfluss”, ist ihr Pendant für Stellen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen.
Es ist eine informelle Tradition, dass in der Europäischen Kommission die Deutschen einen französischen stellvertretenden Kabinettschef wählen und umgekehrt. So entschied sich Thierry Breton bei seiner Ankunft für die Deutsch-Spanierin Lucía Caudet Balzer, die ehemalige Sprecherin der Juncker-Kommission. Im Kabinett der Präsidentin Ursula von der Leyen war der Posten an die Französin Stéphanie Riso gefallen – die jedoch nicht ersetzt wurde, seit sie im März 2023 die Leitung der GD Haushalt übernommen hat. Es wird jedoch der Name des Diplomaten Alexandre Adam gehandelt, der stellvertretender Kabinettschef von Ursula von der Leyen werden soll. Natürlich nur, wenn sie als Kommissionschefin wiedergewählt werden sollte.
Der französische Einfluss in der Europäischen Kommission ist deutlich spürbar. Dies mag logisch erscheinen, da die Struktur, die Organisation und die Bedingungen für die Aufnahme in die Institutionen (über die berühmten Auswahlverfahren) dem Modell der französischen Institutionen nachempfunden sind. So findet man Natasha Bertaud an der Seite des griechischen Vizepräsidenten Margaritis Schinas (Europäische Lebensweise), Aliénor Margerit, die mit dem Italiener Paolo Gentiloni (Wirtschaft) zusammenarbeitet, Carole Mancel-Blanchard an der Seite der Portugiesin Elisa Ferreira (Kohäsion und Reformen) oder auch Eglantine Cujo an der Seite des Litauers Virginijus Sinkevičius (Umwelt, Ozeane und Fischerei).
Auf deutscher Seite sind zu nennen etwa: Michael Hager als Chef des Kabinetts von Valdis Dombrovskis, dem lettischen Vizepräsidenten der Kommission und Markus Schulte, der das Kabinett der bulgarischen Forschungskommissarin Iliana Ivanova leitet.
Es gibt aber eine Institution, in der Frankreich Schwierigkeiten hat, Posten für hohe Beamte zu bekommen: das Europäische Parlament. Das liegt an der Kultur des politischen Kompromisses und der Verhandlungen zwischen den Fraktionen, erklärt eine französische Parlamentsquelle. “Stark zusammengefasst repräsentiert das Europäische Parlament eher die deutsche politische Kultur mit ihrer Suche nach Kompromissen und Verhandlungen, während der Europäischen Kommission eher die französische politische Kultur mit ihrer hierarchischen Struktur repräsentiert”, so unsere Quelle weiter.
Paris hat dies insbesondere im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) auf die harte Tour gelernt. Wie unsere französischen Kollegen von Contexte berichten, räumt Paris einen strategischen Fehler bei der Besetzung der Ausschüsse ein. Eine von unseren Kollegen zitierte Pariser Quelle bedauert, dass ECON (Wirtschaft und Währung) und ITRE nicht ausreichend besetzt waren. Paris habe nicht vorhersehen können, dass dort so viele wichtige Themen behandelt würden. In beiden Ausschüssen ziehen deutsche Abgeordnete die Strippen, genannt seien die jeweiligen EVP-Koordinatoren Markus Ferber und Christian Ehler.
Es sei daran erinnert, dass der ITRE-Ausschuss die Richtlinie über erneuerbare Energien, die Reform der Strom- und Gasmärkte und die Verordnung über saubere Industrie (NZIA) ausgehandelt hat. Kurzum, es sind Dossiers, die für den europäischen Industriesektor von entscheidender Bedeutung sind – und der Krieg in der Ukraine hat die ganze strategische Bedeutung dieser Dossiers unterstrichen.
Aber das ist noch nicht alles. Ein Zeichen dafür, wie schwierig es für Paris ist, im Europäischen Parlament Fuß zu fassen, ist die Tatsache, dass Frankreich den Posten des Personalchefs verloren hat. Und dies, obwohl Paris dafür Valérie Montebello-Demogeot, die Direktorin für Ressourcen in der Personalabteilung des Parlaments, ins Spiel gebracht hatte. Trotz des Brexits ging der Posten an Ellen Robson, eine britische Staatsbürgerin mit einem deutschen Ehepartner. Ihre Kandidatur wurde vom stellvertretenden Generalsekretär Markus Winkler unterstützt, wie es in den Korridoren des Parlaments heißt.
in Brüssel treffen sich die Wirtschafts- und Industrieminister heute zum zweiten Sitzungstag des Wettbewerbsfähigkeitsrats. Die Diskussion wird sich um die Zukunft des Binnenmarkts und der europäischen Industriepolitik drehen.
In einem Zeichen deutsch-französischer Einigkeit veröffentlichten die Ministerien von Robert Habeck und Bruno Le Maire gestern eine gemeinsame Erklärung dazu, wie die beiden Länder in den nächsten fünf Jahren das Wirtschaftswachstum ankurbeln wollen. Auf 745 Milliarden Euro schätzen sie die zusätzlichen Investitionsbedarfe für die grüne und digitale Transformation in der EU.
Ähnlich wie in der gemeinsamen Erklärung mit ihrem italienischen Kollegen Urso fordern Habeck und Le Maire mehr finanzielle Mittel auf EU-Ebene. Neben privaten Mitteln sollen auch öffentliche Beihilfen zur Ankurbelung der Investitionen beitragen.
Aber Einigkeit zwischen Habeck und Le Maire bedeutet nicht Einigkeit zwischen Deutschland und Frankreich. Während das BMWK und Bercy ihre gemeinsame Erklärung zelebrieren, streiten sich deutsche und französische Diplomaten hinter den Brüsseler Kulissen um die Formulierung der Schlussfolgerungen des heutigen Wettbewerbsfähigkeitsrats.
So will Frankreich ein Bekenntnis zum Prinzip, dass importierte Produkte dieselben Standards wie europäische Produkte erfüllen müssen. Deutschland will diese Spiegelklauseln möglichst nicht im Text sehen. Der Text soll der neuen Kommission als Grundlage für die neue Legislatur dienen. Da will man sich auf deutscher Seite nicht mit solchen Formulierungen potenzielle Handelshemmnisse einbrocken.
Weiteres Konfliktpotenzial bietet ein Punkt, den Frankreich kurzfristig für heute auf die Agenda hob: die US-Zölle gegen chinesische Produkte. Bei der Frage, wie die EU darauf reagieren soll, werden sich Deutschland und Frankreich heute wohl kaum einig. So bleibt noch viel Gesprächsstoff für den deutsch-französischen Ministerrat am kommenden Dienstag und den EU-Handelsrat am Donnerstag.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Freitag!
TV-Debatten zwischen Politikern vor Wahlen sollen eigentlich dazu dienen, Unterschiede zwischen den Kandidaten herauszuarbeiten. Bei der Eurovisionsdebatte am Donnerstag lieferten sich die zwei Spitzenkandidatinnen und drei Kandidaten aber lediglich zum Umgang mit Rechtsaußen-Parteien einen verbalen Schlagabtausch. Ansonsten blieb die Differenzen recht blass – was auch daran lag, dass die Parteienfamilien der nationalkonservativen EKR und der extrem rechten ID nicht auf der Bühne im Europaparlament vertreten waren: Sie haben keine Spitzenkandidaten aufgestellt, was die ausrichtende European Broadcast Union (EBU) zur Bedingung gemacht hatte.
Sozialdemokraten, Grüne und Linke attackierten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Bereitschaft, mit Kräften rechts von der EVP zusammenzuarbeiten. “Für mich sind EKR und ID keine demokratischen Kräfte“, sagte der sozialdemokratische Bewerber Nicolas Schmit. In Italien etwa wolle die rechte Regierung die Frauenrechte und die Medienfreiheit beschränken. “Bei bestimmten Themen brauchen wir Klarheit, keine Mehrdeutigkeit”, sagte er an die Adresse von der Leyens.
Die CDU-Politikerin verwies auf die drei Kriterien der EVP für eine Zusammenarbeit. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni handele aus ihrer Sicht eindeutig proeuropäisch und habe sich klar gegen Russlands Präsidenten Putin positioniert. Von der Leyen betonte, sie wolle nicht mit der EKR als Ganzes zusammenarbeiten: “Ich spreche nicht von Gruppen, ich spreche von Parlamentariern, die verschiedenen Gruppen angehören werden.” Das Europaparlament müsse sich nach der Wahl vom 6. bis 9. Juni erst neu sortieren. Mit Parteien wie dem Rassemblement National, der AfD oder der polnischen Konfederacja werde sie aber keinesfalls kooperieren.
Harte Kritik musste sich auch der liberale Vertreter Sandro Gozi anhören. Die Grünen-Kandidatin Terry Reintke forderte eine Sondersitzung der Renew-Fraktion noch vor der Wahl, um die niederländische Mitgliedspartei VVD auszuschließen. Diese hatte sich mit dem rechtsradikalen Islamgegner Geert Wilders auf ein Regierungsbündnis geeinigt. Gozi verwies auf die direkt nach der Wahl angesetzte Fraktionssitzung, bei der ein VVD-Ausschluss diskutiert werden soll.
Ansonsten attackierte Sozialkommissar Schmit seine bisherige Chefin von der Leyen nur noch einmal direkt: für den Migrationsdeal mit Tunesien. Angesichts der jüngsten Berichte, wonach die dortigen Grenzschützer Flüchtlinge in der Wüste aussetzen, sagte er: “Das ist nicht Europa.” Linken-Kandidat Walter Baier betonte, Europa müsse weiter offen für Flüchtlinge sein: “Das Problem ist nicht die Migration, das Problem ist die extreme Rechte”. Die anderen Parteien hätten deren Narrativ übernommen.
Gozi forderte von der Leyen auf, sich klar zu positionieren zu den Forderungen nach Eurobonds, um einen Verteidigungsfonds mit genügend Mitteln auszustatten. Die EVP-Kandidatin zeigte sich offen dafür: “Es ist absolut entscheidend zu schauen, wie wir Verteidigung finanzieren”, sagte sie mit Blick auf die nächste Legislaturperiode. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten, nämlich höhere Beiträge der Mitgliedstaaten oder neue Eigenmittel. Es sei nun Zeit, über neue Eigenmittel zu reden. Die EU-Staaten könne Brüssel nicht immer neue Aufgaben übertragen, ohne die Frage der Finanzierung zu klären: “Lasst uns nun an neuen Eigenmitteln auf europäischer Ebene arbeiten, um wirklich unsere Verteidigung zu finanzieren.”
Von der Leyen gab sich in der Debatte keine Blöße. Dabei war sie ein gewisses Risiko eingegangen, sich als erste Amtsinhaberin als Spitzenkandidatin aufstellen zu lassen und somit für ihre Politik rechtfertigen zu müssen. Der Wahlkampf, der sie bislang in elf Mitgliedstaaten geführt habe, sei “eine der besten Erfahrungen ihres Lebens”, behauptete sie.
Allerdings hat auch ihre Kandidatur bislang nicht dazu geführt, dass der Europawahlkampf Fahrt aufgenommen hätte. Auch die TV-Debatte dürfte kaum ein breiteres Publikum erreicht haben, obwohl sie in allen 27 Mitgliedstaaten übertragen wurde, schon wegen der nachmittäglichen Sendezeit. In Deutschland etwa wurde die Diskussion nur vom Informationssender Phoenix übertragen. In Frankreich konzentrierte sich das Interesse auf den abendlichen Schlagabtausch zwischen Ministerpräsident Gabriel Attal und Jordan Bardella, Chef des Rassemblement National. In die Hauptsendezeit schafft es die Europawahl erst, wenn ZDF (am 30. Mai) und ARD (am 6. Juni) die deutschen Spitzenkandidaten gegeneinander antreten lassen.
Die Umstände zeigen auch die Grenzen des Spitzenkandidatenprinzips auf, für die Befürworter ein wichtiges Element, um Europa greifbarer zu machen für die Bürgerinnen und Bürger. Die meisten Parteienfamilien haben Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft aufs Schild gehoben, die Grünen gleich zwei, die Liberalen sogar drei. Bei den Wählern stiftet das Durcheinander aus nationalen und EU-weiten Kandidaten weitere Verwirrung. “Weil die EU ein komplexes Konstrukt ist, bleibt auch das Spitzenkandidatenprinzip kompliziert“, sagt Thu Nguyen, stellvertretende Direktorin des Jacques Delors Centre in Berlin.
Die Kandidaten dringen in vielen Ländern kaum durch, auch weil die Parteien nur bescheidene Ressourcen für den Wahlkampf mobilisieren, verglichen jedenfalls mit den nationalen Wahlen. Der langjährige CDU-Europapolitiker Elmar Brok konstatiert eine “Müdigkeit, Sparsamkeit und Zurückhaltung des Spitzenpersonals der demokratischen Partien – mit graduellen Unterschieden”. Die Europawahlen seien aber “zu wichtig, um als Sparbüchse für die Bundestagswahlen zu dienen”. Mit Claire Stam
Alle Texte zur Europawahl 2024 finden Sie hier.
Der libanesische Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah macht keinen Hehl aus seinem Plan: Mitte Mai forderte er die Regierung in Beirut auf, syrische Flüchtlinge im Land dazu einzuladen, mit Booten in die nahe EU-Republik Zypern zu fahren. “Wenn wir das tun, wird die EU uns nicht eine Milliarde geben, sondern 20 Milliarden, vielleicht sogar 30“, sagte er. Dies würde die Europäer dazu veranlassen, “das Embargo gegen Syrien aufzuheben”, fügte der enge Verbündete des syrischen Diktators Baschar al-Assad hinzu. Nasrallah machte so indirekt eine entscheidende Schwachstelle der europäischen Migrationsverträge deutlich: Sie ermuntern die Nehmerländer zur Erpressung.
Der erklärten “umfassenden und strategischen Partnerschaft” mit dem Libanon sind seit 2016 mehrere ähnliche Vereinbarungen vorangegangen. Ihr Motto ist “Geld gegen Grenzschutz”. Die folgende Liste enthält ausschließlich EU-Abkommen mit Drittstaaten. Ihre langfristige Wirkung ist unklar. Klar ist dagegen, dass die EU sich für viel Geld teils fragwürdige Dienste anderer Staaten erkauft.
27.05.-28.05.2024
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zu Russlands Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zur Lage im Nahen Osten, Gedankenaustausch zur EU-Unterstützung für die Ukraine, Gedankenaustausch zur Verteidigungsbereitschaft. Vorläufige Tagesordnung
27.05.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur Krisensituation im Agrarsektor, Gedankenaustausch zur Marktlage (insbesondere nach dem Einmarsch in die Ukraine). Vorläufige Tagesordnung
28.05.2024
Rat des Europäischen Wirtschaftsraums
Themen: Die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten kommen zu Beratungen zusammen. Infos
29.05.2024
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Diskussion über die Bereitschaft und Krisenreaktion der EU. Vorläufige Tagesordnung
30.05.2024 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Handel)
Themen: Orientierungsaussprache zu Handel und Wettbewerbsfähigkeit (Zukunft der Handelspolitik
der EU), Stand der Dinge zu den Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Afrika. Vorläufige Tagesordnung
30.05.2024 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Verkehr, Telekommunikation und Energie (Energie)
Themen: Billigung der Schlussfolgerungen zur Entwicklung von nachhaltigen Stromnetzen, Gedankenaustausch zur RePowerEU-Kommunikation, Gedankenaustausch zum europäischen Grünen Deal. Vorläufige Tagesordnung
Alle AfD-Europaabgeordneten sind aus der rechten ID-Fraktion im Europäischen Parlament ausgeschlossen worden. Der entsprechende Antrag von Fraktionschef Marco Zanni hat die erforderliche Unterstützung bekommen.
Zanni hatte den Ausschluss aller Abgeordneten der AfD an diesem Donnerstag beantragt. Darüber berichtete zunächst die Deutsche Presse-Agentur, der ein Dokument vorliegt, das an Spitzenvertreter aller im Parlament vertretenen ID-Mitgliedsparteien versandt wurde.
In dem Antragstext heißt es, in Anbetracht “der Reihe von Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Gruppe beteiligt waren und in Anbetracht der Tatsache, dass diese Vorfälle dem Zusammenhalt und dem Ruf der Gruppe geschadet haben” solle entschieden werden, die Mitgliedschaft der Mitglieder der deutschen Delegation mit sofortiger Wirkung zu beenden. Dabei sind die Namen aller neun AfD-Europaabgeordneten aufgeführt.
Mehr zu Maximilian Krah und der AfD im EU-Wahlkampf lesen Sie in unseren Briefings:
Hintergrund des Antrags von ID-Fraktionschef Zanni sind derzeit in der Kritik stehende Verhaltensweisen innerhalb AfD. So erteilte die Parteispitze ihrem eigenen Spitzenkandidaten Krah am Mittwoch ein Auftrittsverbot. Konkreter Anlass waren umstrittene Äußerungen Krahs zur SS. Zudem steht der 47-jährige Sachse unter Druck wegen der Spionageaffäre um einen Mitarbeiter und wegen seiner Nähe zu Russland und China. Auch die Nummer zwei der AfD-Europaliste, Petr Bystron, wird nach Korruptionsermittlungen vorerst keinen Wahlkampf mehr machen.
Der Ausschluss der AfD-Abgeordneten hat zunächst symbolischen Charakter, da das Parlament erst nach der Europawahl in zwei Wochen wieder tagen wird. Dann werden sich auch die Fraktionen neu zusammensetzen.
Der französische Rassemblement National von Marine Le Pen hat der AfD bereits die Zusammenarbeit aufgekündigt. RN-Parteichef Jordan Bardella sagte im Sender TF1: “Ich denke, dass die AfD, mit der wir im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien überschritten hat, die für mich rote Linien sind.” Nach der Wahl werde man neue Verbündete haben und nicht mehr an der Seite der AfD sitzen. dpa
Die Leiterin der Arbeitsgruppe Außen- und Sicherheitspolitik in der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, Sandra Weeser (FDP), erhofft sich vom Staatsbesuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Deutschland Vorbildinitiativen für europäische Verteidigungskooperationen. “Man sollte die deutsch-französische Brigade weiterentwickeln. Vielleicht kann sie auch eine Division werden”, sagte Weeser Table.Briefings.
Zum Ende von Macrons Staatsbesuch treffen sich am Dienstag die deutschen und französischen Minister der beiden Länder in Meseberg. Zudem wird es ein gesondertes Treffen der Außen- und Verteidigungsminister geben. Dort wollen die Minister die Lücken in der europäischen Luftverteidigung angehen und ein starkes Signal an die Ukraine senden, heißt es aus dem Elysée.
Hoffnungen legt Weeser auch in das Weimarer Dreieck, in dem sie “eine unheimlich große Chance” sieht, “die Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften zu erhöhen”. Die deutsch-französische Brigade könne “Vorbild für den Aufbau weiterer multinationaler Verbände und einer weiteren militärischen Integration in Europa” sein.
Am Mittwoch hatte Außenministerin Annalena Baerbock mit ihren polnischen und französischen Amtskollegen, Radosław Sikorski und Stéphane Séjourné in Weimar gesagt, dass die drei Partnernationen “Triebfeder” für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik sein sollten. In der gemeinsamen Erklärung fordern die drei Minister den Ausbau der Luftverteidigung, von Landkampfsystemen oder Deep-Strike-Fähigkeiten.
Am Donnerstag stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz zudem hinter Überlegungen des französischen Präsidenten Macrons, die europäische Verteidigungsfähigkeiten zu stärken – einschließlich atomarer Kapazitäten. “Wir müssen darüber diskutieren, wie wir die richtige Mischung von Fähigkeiten erhalten, um Europa zu verteidigen und jeden Aggressor abzuschrecken”, schreibt Scholz in einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag in englischer Sprache für den Economist.
Neben der nuklearen Abschreckung gehe es um starke konventionelle Streitkräfte, Luft- und Raketenabwehr sowie Cyber-, Weltraum- und Präzisionsschlag-Fähigkeiten. In diesen Bereichen gehe es darum, die europäische Verteidigungsindustrie durch Investitionen zu verbessern. “Wir müssen den europäischen Pfeiler unserer Abschreckung stärken.“
“Um es klar zu sagen: Es wird keine ‘EU-Kernwaffen’ geben“, schrieb der SPD-Politiker. Dies sei “einfach unrealistisch”. Es gebe auch nicht die Absicht, die Souveränität der französischen nuklearen Abschreckung infrage zu stellen. “Gleichzeitig begrüße ich es, dass der französische Präsident die europäische Dimension der französischen ‘force de frappe’ betont hat“, fügte Scholz mit Verweis auf die französischen Nuklearkapazitäten aber hinzu. bub/rtr
Ein Bußgeld von 337,5 Millionen Euro hat die EU-Kommission am Donnerstag gegen den US-amerikanischen Snack-Hersteller Mondelēz International verhängt. Das Unternehmen vertreibt unter anderem Produkte wie Oreo und Toblerone. Laut Kommission habe der Konzern in 22 Fällen wettbewerbswidrige Abmachungen getroffen, die in der EU verboten sind.
Zum Beispiel habe Mondelēz zwischen 2012 und 2019 ihren Großhandelskunden vorgegeben, in welche EU-Staaten sie verkaufen dürfen und in welche nicht. In einem Fall habe der US-Konzern sogar die Exportpreise vorgegeben. Die Kommission wirft Mondelēz auch vor, es habe zwischen 2015 und 2019 seine dominante Marktposition missbraucht. Zum Beispiel habe es einen deutschen Händler nicht mit Schokolade beliefert, um zu verhindern, dass dieser die Produkte in Österreich, Belgien, Bulgarien und Rumänien verkaufen würde, wo die Produkte teurer verkauft werden.
Die Kommission bearbeitet diesen Fall schon seit 2019, als sie unangekündigte Inspektionen bei Mondelēz in Österreich, Belgien und Deutschland durchgeführt hatte. Eine Koalition von acht Mitgliedstaaten will nun, dass die EU effektiver gegen diese Handelseinschränkungen vorgeht. Die Niederlande, Belgien, Kroatien, Tschechien, Dänemark, Griechenland, Luxemburg und die Slowakei veröffentlichten am Donnerstagabend ein Positionspapier.
Sie argumentieren, dass die Handelseinschränkungen zu höheren Konsumentenpreisen führen sowie die Produktverfügbarkeit einschränken. Eine Studie der EU-Kommission von 2020 schätzte den Schaden für Konsumenten durch solche Handelseinschränkungen auf 14 Milliarden Euro.
Mit ihrem Positionspapier wollen die kleinen und mittleren Mitgliedstaaten das Thema auf die Agenda des Wettbewerbsfähigkeitsrats vom heutigen Freitag heben. Sie haben zwei Vorschläge, wie das Problem behoben werden könnte:
Das französisch-deutsche Raumfahrtunternehmen Exploration Company und das französisch-italienische Unternehmen Thales Alenia Space haben Aufträge für die Entwicklung von Frachtrückkehrdiensten für niedrige Erdumlaufbahnen (Low Earth Orbit, LEO) erhalten.
Die Frachtfahrzeuge sollen bis 2030 Versorgungsgüter an die Internationale Raumstation liefern. Das ist insofern bemerkenswert, als dies einen Systemwechsel bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA einleitet. Bisher hat die ESA solche Projekte selbst entwickelt und dann Aufträge an die Industrie erteilt. Jetzt ordert sie eine Dienstleistung – und Unternehmen können sich dafür bewerben.
Die Kommerzialisierung der Raumfahrt war eines der Kernthemen beim 11. Weltraumrat, zu dem am Donnerstag die Minister der ESA-Mitgliedstaaten, der ESA-Exekutive und die EU-Minister in Brüssel zusammenkamen, um über Europas Zukunft in der Raumfahrt zu beraten. Zu den ESA Mitgliedern zählen auch Norwegen, Großbritannien und die Schweiz, die keine EU-Mitglieder sind. Auch die ESA-hat einen Ministerrat, dem Deutschland derzeit vorsitzt. Gleichzeitig beschlossen die EU-Minister eine Schlussfolgerung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas durch Raumfahrt.
“Der Weltraum mag für viele Menschen in Europa weit entfernt erscheinen, aber tatsächlich ist er entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Europas“, sagte Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt. “Die Diskussionen heute haben gezeigt, wie wichtig der Weltraum genau für dieses Ziel ist.” Die Fähigkeiten im Weltraum beeinflussten auch die Umsetzung strategischer Maßnahmen in einer Vielzahl von anderen Bereichen, einschließlich des Klimaschutzes und der digitalen Transformation. “Dies sind entscheidende Themen für Europa in den kommenden Jahren.”
Insbesondere Deutschland, aber auch weitere Mitgliedstaaten betonen dabei, dass auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups zunehmend zum Innovationspotenzial und zur Wettbewerbsfähigkeit Europas beitragen. Europa müsse im Weltraum die Diversifizierung fördern, sagte Christmann. Man strebe an, ein attraktives Umfeld zu schaffen, um private Investitionen in die europäische Weltraumindustrie zu erhöhen, vor allem in Start-ups und KMU.
“Denn wenn es um Budgets geht, sind private Investitionen der Schlüssel“, sagte Christmann. Die öffentlichen Budgets reichten bei Weitem nicht aus, um die notwendigen Investitionen zu stemmen. Das sei eine weltweite Entwicklung. “Neue Beschaffungsansätze werden mehr Raum für unternehmerische Kreativität auf der einen Seite und Verantwortung auf der anderen Seite schaffen”, erwartet die Koordinatorin. Die Rolle des öffentlichen Sektors als Kunde weltraumgestützter Dienstleistungen und Daten sollte daher zukünftig konsequent umgesetzt werden.
“Der Systemwechsel bei der ESA ist nicht zu unterschätzen”, hebt Matthias Wachter hervor, BDI-Abteilungsleiter und Geschäftsführer der New-Space-Initiative. Damit übernehme die ESA das erfolgreiche US-System, das die NASA bereits seit 15 Jahren anwende. “Das ist ein absolut richtiges Vorgehen, wir begrüßen das sehr. Es bedeutet, dass die ESA schneller wird und weniger Geld in die Hand nehmen muss.” Die in Aussicht stehenden langlaufenden Serviceverträge machen die Unternehmen zudem attraktiver für private Investoren.
Tatsächlich hat die Auftragsvergabe im Rahmen des LEO-Cargo-Rückkehrserviceprogramms der ESA nur ein halbes Jahr gedauert. Christmann nannte dies einen Meilenstein. “Ich denke, das ist das Tempo, das wir immer mehr in Europa sehen müssen, wenn es um Wettbewerbsfähigkeit geht.”
Was allerdings nicht so schnell kommen wird, ist das EU-Weltraumgesetz. Der belgische Staatssekretär Thomas Dermine sagte, unter der belgischen Ratspräsidentschaft werde das nicht mehr vorgelegt und es ist auch unwahrscheinlich, dass es dies noch innerhalb des laufenden Mandats geschieht.
“Gut, dass das EU-Weltraumgesetz vorerst auf Eis liegt“, sagte BDI-Experte Wachter. Die EU habe in diesem Bereich keine formale Zuständigkeit und ein solches Gesetz würde unweigerlich Friktionen in das Verhältnis der EU zur ESA bringen, meint er. Außerdem: “Europa fällt in der Raumfahrt immer weiter hinter die USA und China zurück und droht jetzt sogar von Indien überholt zu werden. Die europäische Antwort darauf kann nicht noch mehr Regulierung und eine damit verbundene Belastung der Unternehmen sein.” vis
Der Rat hat eine politische Einigung über die Erweiterung der Ziele des gemeinsamen Unternehmens für europäisches Hochleistungsrechnen (EuroHPC) erzielt. Ein zentrales Element der neuen Regelung ist die Schaffung von “KI-Fabriken”. Diese sollen eine Infrastruktur für Supercomputing-Dienste bereitstellen, um die Entwicklung eines KI-Ökosystems in der Union zu unterstützen. Wichtig dabei ist, dass die Supercomputing-Kapazitäten innovativen europäischen KI-Start-ups zugänglich sind, um ihre Modelle zu trainieren.
Das Joint Undertaking EuroHPC wurde 2018 gegründet, um Europa eine führende Rolle im Bereich des Supercomputings zu sichern. Es hat bisher neun Supercomputer in ganz Europa beschafft.
Die nun von der Kommission vorgeschlagene Erweiterung zielt darauf ab, die Nutzung dieser leistungsfähigen Maschinen zu optimieren, indem sie speziell auf die Bedürfnisse von KI-Anwendungen ausgerichtet werden.
Der Rat betont in seiner Einigung, dass die KI-Fabriken faire Zugangsmöglichkeiten bieten sollen, um eine breite Nutzung durch öffentliche und private Akteure zu ermöglichen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups sollen von den neuen Regelungen profitieren. Ein One-Stop-Shop soll den Zugang zu den Unterstützungsdiensten der Hosting-Einrichtungen erleichtern. Darüber hinaus sieht die Vereinbarung vor, dass die Union bis zu 50 Prozent der Anschaffungs- und Betriebskosten der KI-Supercomputer finanziert.
Die KI-Supercomputer sollen in erster Linie für die Entwicklung, Erprobung und Validierung groß angelegter KI-Modelle und Anwendungen genutzt werden. Zudem können Hosting-Einrichtungen das Eigentum an den Supercomputern fünf Jahre nach ihrer Inbetriebnahme übernehmen, vorausgesetzt, sie bestehen einen Abnahmetest. vis

In der Brüsseler Blase wird der politische Einfluss der Mitgliedstaaten an der Zahl der hohen Beamten, Kabinettschefs oder Beraterposten in den EU-Institutionen gemessen. Auf französischer Seite sitzt mit Botschafter Philippe Léglise-Costa ein Veteran an den Schalthebeln. Seit November 2017 steht er an der Spitze der Ständigen Vertretung Frankreichs bei der Europäischen Union – im Brüsseler Jargon PermRep genannt – und wurde seinerzeit von François Hollande, dem Vorgänger von Emmanuel Macron, als Präsident des Élysée-Palastes ernannt.
Léglise-Costa leitet einen Apparat mit 218 Mitarbeitern. Die Berater der PermRep sind neben ihren Fachgebieten wie Digitales oder Klima auch dafür zuständig, offene Stellen zu verfolgen und französische Kandidaten zu identifizieren, die gut zu dieser Stellen passen und besonders hervorgehoben werden sollen. So gibt es in der Vertretung eine Beraterin für die “französische Präsenz in den europäischen Institutionen”, Natacha Paris-Ficarelli, die für diese Aufgabe verantwortlich ist. Oberst Gildas Boin, Leiter der Abteilung “Human Resources & Einfluss”, ist ihr Pendant für Stellen, die dem Verteidigungsministerium unterstehen.
Es ist eine informelle Tradition, dass in der Europäischen Kommission die Deutschen einen französischen stellvertretenden Kabinettschef wählen und umgekehrt. So entschied sich Thierry Breton bei seiner Ankunft für die Deutsch-Spanierin Lucía Caudet Balzer, die ehemalige Sprecherin der Juncker-Kommission. Im Kabinett der Präsidentin Ursula von der Leyen war der Posten an die Französin Stéphanie Riso gefallen – die jedoch nicht ersetzt wurde, seit sie im März 2023 die Leitung der GD Haushalt übernommen hat. Es wird jedoch der Name des Diplomaten Alexandre Adam gehandelt, der stellvertretender Kabinettschef von Ursula von der Leyen werden soll. Natürlich nur, wenn sie als Kommissionschefin wiedergewählt werden sollte.
Der französische Einfluss in der Europäischen Kommission ist deutlich spürbar. Dies mag logisch erscheinen, da die Struktur, die Organisation und die Bedingungen für die Aufnahme in die Institutionen (über die berühmten Auswahlverfahren) dem Modell der französischen Institutionen nachempfunden sind. So findet man Natasha Bertaud an der Seite des griechischen Vizepräsidenten Margaritis Schinas (Europäische Lebensweise), Aliénor Margerit, die mit dem Italiener Paolo Gentiloni (Wirtschaft) zusammenarbeitet, Carole Mancel-Blanchard an der Seite der Portugiesin Elisa Ferreira (Kohäsion und Reformen) oder auch Eglantine Cujo an der Seite des Litauers Virginijus Sinkevičius (Umwelt, Ozeane und Fischerei).
Auf deutscher Seite sind zu nennen etwa: Michael Hager als Chef des Kabinetts von Valdis Dombrovskis, dem lettischen Vizepräsidenten der Kommission und Markus Schulte, der das Kabinett der bulgarischen Forschungskommissarin Iliana Ivanova leitet.
Es gibt aber eine Institution, in der Frankreich Schwierigkeiten hat, Posten für hohe Beamte zu bekommen: das Europäische Parlament. Das liegt an der Kultur des politischen Kompromisses und der Verhandlungen zwischen den Fraktionen, erklärt eine französische Parlamentsquelle. “Stark zusammengefasst repräsentiert das Europäische Parlament eher die deutsche politische Kultur mit ihrer Suche nach Kompromissen und Verhandlungen, während der Europäischen Kommission eher die französische politische Kultur mit ihrer hierarchischen Struktur repräsentiert”, so unsere Quelle weiter.
Paris hat dies insbesondere im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) auf die harte Tour gelernt. Wie unsere französischen Kollegen von Contexte berichten, räumt Paris einen strategischen Fehler bei der Besetzung der Ausschüsse ein. Eine von unseren Kollegen zitierte Pariser Quelle bedauert, dass ECON (Wirtschaft und Währung) und ITRE nicht ausreichend besetzt waren. Paris habe nicht vorhersehen können, dass dort so viele wichtige Themen behandelt würden. In beiden Ausschüssen ziehen deutsche Abgeordnete die Strippen, genannt seien die jeweiligen EVP-Koordinatoren Markus Ferber und Christian Ehler.
Es sei daran erinnert, dass der ITRE-Ausschuss die Richtlinie über erneuerbare Energien, die Reform der Strom- und Gasmärkte und die Verordnung über saubere Industrie (NZIA) ausgehandelt hat. Kurzum, es sind Dossiers, die für den europäischen Industriesektor von entscheidender Bedeutung sind – und der Krieg in der Ukraine hat die ganze strategische Bedeutung dieser Dossiers unterstrichen.
Aber das ist noch nicht alles. Ein Zeichen dafür, wie schwierig es für Paris ist, im Europäischen Parlament Fuß zu fassen, ist die Tatsache, dass Frankreich den Posten des Personalchefs verloren hat. Und dies, obwohl Paris dafür Valérie Montebello-Demogeot, die Direktorin für Ressourcen in der Personalabteilung des Parlaments, ins Spiel gebracht hatte. Trotz des Brexits ging der Posten an Ellen Robson, eine britische Staatsbürgerin mit einem deutschen Ehepartner. Ihre Kandidatur wurde vom stellvertretenden Generalsekretär Markus Winkler unterstützt, wie es in den Korridoren des Parlaments heißt.