der Streit um den U-Boot-Deal hätte den Handels- und Technologierat (TTC) fast versenkt. Doch nun ist das Forum zwischen der EU und den USA wie geplant gestartet. Zu besprechen gibt es einiges. Jasmin Kohl und Till Hoppe haben sich die wichtigsten Themen genauer angeschaut und von Experten erfahren, welche Unterschiede Brüssel und Washington überwinden müssen.
Auch eine neue Privacy-Shield-Vereinbarung ist Teil der Beratungen beim TTC. Alex Greenstein, Direktor im US-Handelsministerium, gibt sich mit Blick auf die nötigen Änderungen zuversichtlich. Doch ein wichtiger Kritiker bleibt skeptisch, wie Falk Steiner berichtet.
Nachdem das Selfie des ersten Treffens zwischen Grünen und FDP Aufsehen erzeugt hat, geht es nun weiter mit den Gesprächen: Wir haben die Termine und viele Namen der Politiker, die an den Sondierungen teilnehmen werden.
Beim Auftakttreffen des Handels- und Technologierates (TTC) saßen EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, Handelskommissar Valdis Dombrovskis, US-Außenminister Antony Blinken, US-Handelsministerin Gina Raimondo und die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai gestern rund sechs Stunden zusammen. Das neue Forum soll Annäherung zwischen den beiden Handelsmächten einleiten, nachdem die Trump-Regierung viel Porzellan zerschlagen hat und das TTIP-Abkommen nicht zustande gekommen war.
Überschattet wurde der TTC durch Verstimmungen um einen geplatzten U-Boot-Deal (Europe.Table berichtete). Frankreichs Drängen, das Auftakttreffen zu verschieben oder zumindest die Abschlusserklärung zu verwässern, blockten die anderen EU-Staaten ab. Für sie überwog das Interesse an engeren Beziehungen zu Washington. Der TTC soll eine breite Palette an Themen abdecken, aber nur wenige wurden am Mittwoch bereits intensiver diskutiert. Wir analysieren die Vereinbarungen und ordnen sie ein.
Das dringlichste Thema sind die Lieferketten in der Halbleiterindustrie – die Engpässe machen der Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks schwer zu schaffen. USA und EU haben jetzt in ihrer Erklärung vereinbart:
Die Biden-Administration versucht derzeit unter Hochdruck, mehr Informationen über Lieferbeziehungen in der Branche zu erhalten. Das Handelsministerium hat den Unternehmen 45 Tage Zeit gegeben, um einen entsprechenden Fragebogen zu beantworten und droht damit, sie ansonsten über den Defense Production Act zur Herausgabe auch vertraulicher Informationen zu zwingen.
USA und EU wollen nun gemeinsam daran arbeiten, mehr Transparenz herzustellen und so mögliche Flaschenhälse in den Wertschöpfungsketten zu identifizieren. In Europa soll dies etwa im Rahmen der Halbleiter-Allianz geschehen, die Industriekommissar Thierry Breton im Juli angestoßen hatte.
Zudem wollen sie eine Übersicht über Stärken und Schwächen der heimischen Industrie erstellen. Die vorhandenen strategischen Abhängigkeiten sollen “durch eine Diversifizierung der Lieferkette und eine Steigerung der Investitionen” adressiert werden. Breton spricht derzeit bereits in Japan und Südkorea mit Vertretern von Chipindustrie und Regierungen. Die Erkenntnisse sollen in den geplanten European Chips Act einfließen.
US-Unternehmen sind vor allem beim Chipdesign stark, europäische Anbieter bei den benötigten Maschinen, etwa für die Belichtung der Chips. Bei der Fertigung von Halbleitern der neuesten technischen Generation sind Amerikaner wie Europäer auf andere angewiesen – vor allem TSMC aus Taiwan und Samsung aus Südkorea.
Die US-Regierung hat TSMC dazu bewegt, in Arizona eine 12 Milliarden Dollar teure Fabrik zu bauen, die Chips mit Strukturgrößen von 5 Nanometern produzieren wird – derzeit die Grenze des technisch Machbaren. In Europa versucht unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, TSMC, Samsung oder Intel zu einer Ansiedlung zu bewegen, allerdings sind auch andere Länder als Deutschland in Europa im Gespräch.
Den Förderbedarf bezifferte Altmaier auf bis zu zehn Milliarden Euro. Die Biden-Regierung will rund 50 Milliarden Dollar zur Förderung der heimischen Chipindustrie bereitstellen. “Ich habe daher viele Fragezeichen, wie belastbar das Bekenntnis ist, einen Subventionswettlauf zu vermeiden”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.
USA und EU wollen auch bei der Ausfuhrkontrolle für Dual-Use-Güter enger zusammenarbeiten. Dazu zählt insbesondere auch Überwachungstechnologie, die von autoritären Regimen für Menschenrechtsverstöße missbraucht werden kann. Konkret wollen beide Seiten:
Der Abstimmungsbedarf ergibt sich unter anderem aus der Chipindustrie. Die Trump-Administration hatte nicht nur eigenhändig chinesische Unternehmen wie SMIC auf ihre schwarze Liste der Ausfuhrverbote gesetzt. Sie drängte zudem bilateral die Regierungen der Niederlande und Japans, die Lieferung unentbehrlichen Produktionsequipments an den chinesischen Chipkonzern zu stoppen. Das sei aber nicht im Interesse der EU, sagt Kleinhans. Die EU strebt einheitliche Exportkontrollregeln an, die überarbeitete Dual-Use-Verordnung ist erst kürzlich in Kraft getreten.
Von einer engeren Koordinierung würden aber auch Unternehmen aus anderen Sektoren profitieren, die bislang unterschiedliche Vorgaben beachten müssen. Die USA beanspruchen schließlich weltweite Geltung für ihr Exportkontrollregime. Man könne zwar nicht davon ausgehen, dass Washington jetzt auf eine eigene Liste der genehmigungspflichtigen Güter verzichte, sagt Anahita Thoms, Partnerin bei der Kanzlei Baker McKenzie. “Aber auch eine engere Abstimmung zwischen EU und USA hier könnte den Unternehmen Bürokratie ersparen.”
Beide Seiten könnten viel schneller abgestimmt agieren, wenn sie etwa neue Cybersicherheitstechnologien als problematisch identifizierten, so Thoms. Bislang findet die internationale Koordinierung dazu nur einmal jährlich im Rahmen der Plenarsitzung des Wassenaar-Abkommens statt. Auch VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann begrüßt die Pläne: Es sei besser, neue Kanäle für den Informationsaustausch zu schaffen, anstatt die multilateralen Rahmenwerke durch neue Regelwerke zu duplizieren.
Auch auf einem verwandten Gebiet, der Sicherheitsprüfung für ausländische Investitionen, wollen EU und USA sich enger abstimmen. Über eine Arbeitsgruppe im Rahmen des TTC wollen sie Informationen austauschen darüber, in welchen Sektoren gerade viele relevante Deals angemeldet werden und woher die Investoren kommen. Der Fokus liegt auch hier vor allem auf China, aber auch auf Russland und Staaten vom Persischen Golf oder Fernost.
Das Kooperationspotenzial ergibt sich auch daraus, dass die Investitionsprüfung in den USA nach ähnlichen Prinzipien funktioniert wie in Deutschland und anderen EU-Staaten, die entsprechende Verfahren haben. Im Zuge der Diskussion um den EU-Mechanismus für das Investment Screening hatten in den vergangenen Jahren weitere Mitgliedstaaten Sicherheitsprüfungen eingeführt. Auf die Übrigen dürften die USA jetzt den Druck erhöhen, erwartet Thoms. “Washington erwartet von der EU eine klare Positionierung gegenüber China.”
In Einzelfällen teilen die US-Sicherheitsbehörden schon heute ihre Erkenntnisse etwa mit der Bundesregierung, wenn sie ihre Sicherheitsinteressen berührt sehen. “Ein formalisierter Austausch, wie er jetzt im Rahmen des TTC vorgesehen ist, bedeutet aber eine andere Qualität der Zusammenarbeit“, sagt Thoms.
USA und EU haben sich im Kontext der OECD KI-Prinzipien bereits 2019 dafür ausgesprochen, einen KI-Standard zu setzen, der innovativ und vertrauenswürdig ist sowie Menschenrechte und demokratische Werte respektiert. Im April legte die Kommission mit ihrem Vorschlag für eine KI-Regulierung nach. In Pittsburgh haben die USA und die EU gestern vereinbart:
Frederik Zuiderveen Borgesius, Professor für IKT und Privatrecht an der Universität Radboud, erwartet, dass die teilweise sehr unterschiedlichen Traditionen und Wertevorstellungen in USA und EU für langwierige Diskussionen über Künstliche Intelligenz (KI) im TTC sorgen werden. Denn bei der Frage, wie KI reguliert werden soll, seien die Unterschiede in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und Grundrechte maßgeblich.
Ein Beispiel dafür sei das Recht auf freie Meinungsäußerung: “In der EU werden Datenschutz und Meinungsfreiheit als gleichermaßen wichtige Menschenrechte betrachtet.” Welches Recht vorherrsche, hänge von dem jeweiligen Sachverhalt ab. In den USA hingegen überwiege das Recht auf freie Meinungsäußerung generell das Datenschutzrecht. Daher sei es wahrscheinlich, dass das US-amerikanische Gesetz zu Künstlicher Intelligenz bei der Nutzung personenbezogener Daten weniger streng als das europäische Gesetz ausfallen werde.
Ben Wagner, Dozent an der Fakultät Technologie, Politik und Management der TU Delft, zeigt sich etwas optimistischer: “Die USA scheinen sich langsam der europäischen Position im Bereich Datenschutz anzunähern.” Wie nachhaltig diese Entwicklung sei, bleibe jedoch abzuwarten.
Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) mache die unterschiedlichen Wertevorstellungen deutlich, so Zuiderveen Borgesius: Während in der EU das Recht auf Privatsphäre und die Vorschriften zum Schutz für personenbezogene Daten auch für die Privatwirtschaft gelten, gibt es in den USA keine vergleichbare Rechtsgrundlage auf nationaler Ebene. Einige US-Staaten hätten zwar Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten, diese seien jedoch weniger streng als die DSGVO.
Kristina Irion, außerordentliche Professorin am Institut für Informationsrecht an der Universität Amsterdam, betont, dass die Unterschiede zwischen Brüssel und Washington auch bei den Regulierungsansätzen groß seien: Während die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Konformitätsbewertung von Hochrisiko-KI-Systemen plädiert, bevor sie in Verkehr gebracht werden, bewerten die USA dieses Vorhaben als Marktzugangsbeschränkung.
Die USA würden daher wahrscheinlich versuchen, eine gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen zu erreichen. “Mich besorgt aber eher die Tatsache, dass es momentan auf beiden Seiten des Atlantiks wenig Kapazität gibt, diese Konformitätsbewertungen von KI überhaupt durchzuführen”, sagt Irion. Till Hoppe/Jasmin Kohl
Intensive Verhandlungen zwischen der Biden-Administration und der Generaldirektion Justiz unter EU-Kommissar Didier Reynders seien derzeit im Gange, wie dieser am Dienstag bestätigte. Die Verhandlungen schritten gut voran. Der für das Privacy Shield zuständige Director im US-Handelsministerium (DoC) Alex Greenstein berichtete diese Woche bei der Bitkom Privacy Conference, dass er selbst vergangene Woche in Brüssel gewesen sei.
Ziel der derzeitigen Gespräche außerhalb des Trade and Technology Council (TTC) sei eine verbesserte Privacy-Shield-Vereinbarung, die den Einwänden des Europäischen Gerichtshofs Rechnung trage (Europe.Table berichtete). Weil dessen sogenanntes “Schrems II”-Urteil sich ausschließlich auf behördlichen Zugang zu Daten bezogen habe, müsse für das Privacy Shield das Rad nicht neu erfunden werden.
Der EuGH hatte auch aufgrund der zu weit gehenden Befugnisse von US-Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsbehörden bei gleichzeitig fehlendem Rechtsschutz für europäische Bürger die bisherige Privacy-Shield-Vereinbarung als unzureichend für eine Angemessenheitsentscheidung der EU-Kommission annulliert und damit der transatlantischen Übertragung von Daten eine wesentliche Rechtsgrundlage entzogen.
Im TTC ist die Privacy-Shield-Vereinbarung Teil der Beratungen. Allerdings seien die konkreten technischen Details der Umsetzung zu komplex für dieses politische Forum, so Greenstein. Aus Sicht des Handelsministeriums sei es richtig, dass Unternehmen, die im Rahmen des überarbeiteten Privacy Shield Daten verarbeiten wollten, von der US-Handelsaufsichtsbehörde (FTC) beaufsichtigt würden.
Die in den USA steigende Anzahl an Datenschutzgesetzen in den Einzelstaaten würde, wie auch ein möglicherweise irgendwann kommendes Datenschutzgesetz auf Bundesebene, die vom EuGH beanstandeten Punkte im Bereich der Sicherheitsbehörden vermutlich nicht mit abdecken. Die notwendigen Änderungen schienen derzeit auf dem kurzen Weg der Exekutivbefugnisse des Präsidenten möglich, also ohne dass der US-Kongress zustimmen müsse, so Greenstein. Insbesondere die Themen Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit und Rechtsbehelfe seien im Fokus, so der DoC-Verhandler. Es gebe kein Interesse an einem “Schrems-III”-Urteil.
Der angesprochene Max Schrems, der die beiden bisherigen Vereinbarungen vor dem EuGH zu Fall gebracht hatte (Europe.Table berichtete), bleibt skeptisch: “Wir sehen keine Lösung ohne Änderung der US-Gesetze – zumindest hat die noch keiner erklären können”, so Schrems auf Anfrage von Europe.Table. Anscheinend, so der österreichische Datenschutzaktivist, probierten die USA, “alle paar Monate den Glauben an eine Lösung weiter aufrechtzuerhalten, damit ihre Unternehmen keinen Exodus von europäischen Kunden sehen – im Kern scheint es aber keine Bewegung zu geben.” Wenn ein neues Privacy Shield unzureichend sei, würde er erneut dagegen Klage einreichen, kündigte Schrems an.
Nachdem sich bereits am 28. September die Spitzen von Grünen und FDP überraschend getroffen hatten und offenkundig nicht im Streit auseinander gingen, stehen jetzt die weiteren Schritte fest:
Der Leitantrag des Bundesvorstands für den sogenannten Länderrat am Samstag unter dem Titel “Neue Politik” enthält den Sondierungsauftrag und benennt ein doppelt gestaffeltes Sondierungsteam: Im engen Zirkel von zehn Verhandlern sollen die langjährigen Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, der Europaparlamentarier Sven Giegold, die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann, der politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der grün-schwarze Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die stellvertretende Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth teilnehmen.
In einem zweiten Kreis kommen die Bundestags-Europapolitikerin Franziska Brantner (Europe.Table berichtete), die Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, die Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge, Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die bisherige Vize-Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk, die Europaparlamentarierin Ska Keller, die Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink, der Verkehrspolitiker Oliver Krischer, die Naturschutzpolitikerin und frühere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, der Innen- und Digitalpolitiker Konstantin von Notz, der frühere Parteivorsitzende und Verkehrsausschussvorsitzende Cem Özdemir, die Grüne Jugend-Vorsitzende Jamila Schäfer, der einstige Umweltminister Jürgen Trittin und Bundesschatzmeister Marc Urbatsch aus dem Berliner Landesverband. Diese sollen bei Bedarf durch Arbeitsgruppen unterstützt werden.
Der im Habeck-Duktus verfasste Antrag ist für Jamaika und Ampel offen formuliert – so offen, dass man aus ihm viel Aufgeschlossenheit gegenüber schwarz-gelb-grünen Bündnissen herauslesen kann: “Wir werden in einer progressiven Regierung eine neue Politik entwerfen, die alte Gegensätze in ein neues Verhältnis setzt und dadurch Neues schafft.”
Die Verhandlungen sollten “zügig und vertrauensvoll” zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen führen. Ein ausdrückliches Ziel: “2017 darf sich nicht wiederholen.” Damit das nicht passiert, sollen die Verhandler vor Koalitionsverhandlungen eine Freigabe für die weiteren Schritte von einem Parteitag erhalten – und über einen Koalitionsvertrag “und das von grüner Seite vorgesehen Personaltableau” anschließend in einer “online-gestützten Urabstimmung” entschieden werden.
Die SPD hat ihr Verhandlungsteam ebenfalls bereits benannt: Neben Kanzlerkandidat Olaf Scholz sollen die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, der wiedergewählte Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, die rheinland-pfälzische Ampel-Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Noch-Generalsekretär Lars Klingbeil die Verhandlungen für die Sozialdemokraten führen. Mit Ausnahme von Dreyer hatten die fünf SPD-Führungsfiguren bereits gemeinsam still und leise die Kanzlerkandidatur und die Wahlkampfstrategie beschlossen.
Während der Sondierungsphase sind hier bislang offiziell keine Erweiterungen vorgesehen, allerdings dürften Angehörigen der Parteigremien auch hier regelmäßig involviert sein. Auch bei den Sozialdemokraten ist es nahezu sicher, dass im Laufe des Prozesses einer Regierungsbildung die Parteibasis zur Abstimmung gebeten würde.
Die Liberalen wollen je nach Größe der anderen Verhandlungsteams entweder mit einem Sechser- oder mit einem Zwölferteam auf die Verhandlungspartner zugehen. Dabei sollen es Mitglieder aus dem Parteipräsidium sein – neben Christian Lindner dürften der ampelerfahrene Generalsekretär Volker Wissing, der parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann, der sozialliberale Johannes Vogel und der langjährige Europaparlamentarier und heutige Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer im engeren Team gesetzt sein. Für Wolfgang Kubicki spricht zudem seine Erfahrung bei Verhandlungen beim Jamaika-Bündnis in Schleswig-Holstein, für Nicola Beer der Europabezug.
Derzeit noch unklar ist, wer wann für die beiden Unionsparteien das mögliche Jamaika-Viererbündnis verhandeln würde. Als sicher gesetzt gelten theoretisch der CDU-Vorsitzende Armin Laschet – sofern noch im Amt – und der wiedergewählte Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Auch die Generalsekretäre Paul Ziemiak und Markus Blume dürften kaum vom Verhandlungstisch fernzuhalten sein. Jamaika-Erfahrung könnten sich die beiden Unionsparteien zudem mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther herbeirufen, der mit Habeck und Kubicki bereits 2017 in Kiel verhandelte.
01.10.2021 – 09:00 Uhr, München/online
Infodas, Konferenz Cyber Women 2021
Das Event Cyber Women richtet sich an Expertinnen aus und Interessierte an der IT-Sicherheit und will den Austausch über IT-Sicherheit sowie die Vernetzung untereinander in den Mittelpunkt stellen. TICKETS
04.10.2021 – 14:00-16:00 Uhr, online
DBU, Konferenz Klimaretter Holz? Chancen für den Klima- und Ressourcenschutz durch eine nachhaltige Holzwirtschaft
Die Referent:innen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aus Wissenschaft und Praxis diskutieren über die Bedeutung von Herkunft, Produktion und Nutzung von Holz für Klima und Umwelt. INFOS & ANMELDUNG
04.10.2021 – 14:30-16:00 Uhr, online
HBöS, Seminar EU methane legislation – How to reduce the unabated by 2030
The Heinrich Böll Foundation seminar aims to present policy proposals for a methane charge and performance standard. An EU instrument to charge for upstream methane emissions and to set a default value for leakage rates from gas imports will be proposed. INFOS & REGISTRATION
04.10.-06.10.2021, Aachen/online
Konferenz Aachener Colloquium Sustainable Mobility
Das 30. Aachener Colloquium Sustainable Mobility stellt nachhaltige Mobilitätslösungen in den Mittelpunkt. Expert:innen aus Forschung und Industrie werden die neuesten Entwicklungen präsentieren und den Austausch anregen. ANMELDUNG
05.10.2021 – 12:30-14:00 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Grenzüberschreitende Mobilität: Zugverbindungen zwischen Deutschland und Frankreich im “Europäischen Jahr der Schiene”
Wo ist grenzüberschreitender Schienenverkehr zwischen Deutschland und Frankreich schon Realität? Welche Lehren lassen sich daraus für andere Regionen Europas ableiten? Diesen Fragen gehen die Referent:innen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik nach. INFOS & ANMELDUNG
05.10.-06.10.2021, online
Conference Warsaw Security Forum
The Warsaw Security Forum (WSF) focuses on transatlantic cooperation, as well as the elaboration of joint responses to common security challenges. REGISTRATION
05.10.-07.10.2021, online
Eon, Konferenz Energy Innovation Days 2021
Die Themen der Eon Energy Innovation Days sind unter anderem: Grenzen der Elektrifizierung, zentrale Energiemärkte, Blockchain, Zukunft der Energie, Netto-Null-Energieversorgung sowie Dekarbonisierung. INFOS & ANMELDUNG
Die Vereinbarkeit der EU-Klimaschutzmaßnahmen mit wirtschaftlichem Wohlstand stand im Mittelpunkt bei einer Sitzung des Rats für Wettbewerbsfähigkeit am Mittwoch. Ziel sei die Ausarbeitung eines “Clean Industry Framework”, sagte BMWi-Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß. Mithilfe des Fahrplans sollen Leitmärkte für grüne Industriegüter und Endprodukte etabliert und das EU-Beihilferecht weiterentwickelt werden. Energieintensiven Industriezweigen müsse es ermöglicht werden, innovative Technologien zu entwickeln, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft zu erhalten.
Dafür müssten die spezifischen Bedingungen in den einzelnen Wirtschaftszweigen besser verstanden werden, um eine Ungleichbehandlung zu vermeiden und herauszufinden, welche Maßnahmen den grünen Wandel beschleunigen könnten, sagte Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission. Seit Anfang der Woche sei man diesbezüglich im engen Austausch mit energieintensiven Industrien und der Tourismusbranche. In den nächsten Wochen sollen weitere wirtschaftliche “Ökosysteme” folgen.
Auch die Entwicklung auf den Energiemärkten werde weiter genau verfolgt. Diese sei zwar weniger auf den Green Deal als auf die gestiegene Nachfrage zurückzuführen, so Šefčovič. Die Kommission arbeite aber weiterhin an einem funktionierenden integrierten Strommarkt, um Anreize für Investitionen zu geben und Fairness zu gewährleisten. Um die Mitgliedsstaaten bei staatlichen Hilfsmaßnahmen gegen die hohen Gas- und Stromkosten zu unterstützen, hatte die Kommission bereits die Ausarbeitung einer “Toolbox” angekündigt.
Bei der Umsetzung des Fit-for-55-Pakets sei auch die Planbarkeit ein entscheidender Faktor für die EU-Wirtschaft, betonte der slowenische Wirtschaftsminister Zdravko Počivalšek. Der Rat müsse deshalb frühzeitig in die Ausarbeitung mit einbezogen werden. til
Eine Gruppe von Investmentfonds, die fast 30 Billionen Dollar an Vermögenswerten verwalten, forderte am Mittwoch 1.600 der weltweit umweltschädlichsten Unternehmen auf, sich wissenschaftlich fundierte Emissionsreduktionsziele zu setzen.
Die 220 Investoren – darunter Fidelity International und Amundi – erklärten, sie hätten die Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen, in die sie investieren, schriftlich zu Anstrengungen beim Klimaschutz aufgefordert. Konkret verlangten sie, dass die Unternehmen Ziele festlegen, die dazu beitragen, die globale Erwärmung bis 2050 auf maximal 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Die Investorengruppe gab in einer Erklärung an, dass die fraglichen Unternehmen – darunter auch Lufthansa und BASF – zusammen 11,9 Gigatonnen der sogenannten Scope-1- und 2-Emissionen verursachen, also der Emissionen, die mit ihren eigenen Tätigkeiten verbunden sind. Das ist insgesamt mehr als die Emissionen der EU und der USA zusammen.
Die Gruppe gab nicht an, welche Maßnahmen die Unterzeichner ergreifen würden, wenn die Unternehmen der Aufforderung nicht nachkämen. Aber als Aktionäre könnten sie ihre Stimmrechte nutzen, um Änderungen zu erzwingen, wenn diese nicht kommen.
“Als langfristige Investoren, die ihr Kapital verantwortungsbewusst einsetzen wollen, erwarten wir von unseren Portfoliounternehmen, dass sie wissenschaftlich fundierte Pläne zur Emissionsreduzierung im Einklang mit dem Pariser Abkommen entwickeln, sich dazu verpflichten und diese umsetzen”, sagte Barnaby Wiener, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit und Stewardship bei MFS Investment Management. rtr/luk
Die G7-Finanzminister sind mit ihren Plänen für eine globale Mindeststeuer einen Schritt vorangekommen. Die Minister hätten bei einem Treffen am Mittwoch bei wichtigen, noch offenen Themen Übereinstimmungen gefunden, sagte ein Sprecher des britischen Finanzministers Rishi Sunak. Der japanische Finanzminister Taro Aso hatte zuvor erklärt, man habe sich bei einigen Punkten geeinigt. In der kommenden Woche beraten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) und die G20-Staaten über das Mindeststeuer-Thema.
Unter dem Dach der OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an – einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer haben die USA mindestens 15 Prozent vorgeschlagen. Großen Internet-Konzernen wie Amazon und die Google-Mutter Alphabet wird vorgeworfen, durch Gewinnverlagerungen weniger Steuern zu zahlen als angemessen. rtr
Nach der Veröffentlichung der globalen “Roadmap to Net Zero” im Mai hat die Internationale Energieagentur IEA nun einen länderspezifischen Fahrplan für China ausgearbeitet. Auf den horrenden Anstieg fossiler Energieträger der letzten Dekaden müsse nun ein ebensolcher Anstieg erneuerbarer Energien für die wachsende Stromerzeugung folgen, sagte IEA-Generaldirektor Fatih Birol am Mittwoch bei der Präsentation des Fahrplans. Die chinesische Regierung will den Gipfel der Emissionen 2030 erreichen und bis 2060 klimaneutral werden, was in China “30/60-Ziel” genannt wird.
Im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP26 im November drängen besonders die EU und die USA Peking zu einem noch schnelleren Vorgehen, was die IEA für durchaus möglich hält. “China hat die Fähigkeit, die wirtschaftlichen Mittel und das politische Können, um den Höhepunkt früher zu erreichen – etwa in den mittleren 2020er Jahren”, sagte Birol.
Derweil dominieren auch in China die hohen Energiepreise die Debatte. Industrie und Bevölkerung kämpfen mit der Rationierung von Strom, Produktionsstopps und Stromausfällen. China ist der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, und der Energiesektor ist für 90 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Dazu gehört auch der Stromverbrauch energiefressender Schwerindustriebranchen. Laut IEA sind allein die Treibhausgas-Emissionen aus den Stahl- und Zementwerken Chinas höher als die gesamten Emissionen der EU.
Auch deshalb widmete die IEA dem riesigen Land ihren ersten Landes-Fahrplan. Demnach könne China, wenn es seine Ziele erfüllt, die globalen Emissionen auf das Niveau der frühen 2000er Jahre drücken, selbst wenn sonst alle Emissionen auf dem heutigen Niveau bleiben würden.
Das Land hat bereits angekündigt, keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr finanzieren zu wollen, müsste dann aber auch aufhören, sie in China zu bauen. Und: Für die Hälfte der Emissionsminderungen nach 2030 werde China laut IEA auf Technologien setzen müssen, die noch nicht existieren. Investitionen in Forschung und Innovation sind daher zwingend. ck
Der Streit um Fischereirechte zwischen Frankreich und Großbritannien ist wieder aufgeflammt. Die britische Kanalinsel Jersey und die Regierung in London verweigerten Dutzenden französischen Fischerbooten Lizenzen, um in ihren Gewässern zu fischen. Die französische Meeresministerin Annick Girardin kritisierte am Mittwoch, Großbritannien halte sich nicht an Brexit-Handelsabsprachen und betreibe mit Fischereirechten Politik. Die Regierung in Paris drohte mit Vergeltungsmaßnahmen.
“Es ist eine erneute Weigerung der Briten, die Bedingungen des Brexit-Abkommens trotz unserer gemeinsamen Arbeit umzusetzen”, sagte Girardin. “Die französische Fischerei sollte nicht aus politischen Gründen von den Briten in Geiselhaft genommen werden.” Jersey verlangt, dass alle nicht lizenzierten Boote innerhalb von 30 Tagen aufhören müssen, in den Gewässern von Jersey zu fischen. Fischerboote mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Jersey-Gewässern erhielten weiterhin eine Lizenz, sagte der Umweltminister der Kanalinsel, John Young.
Im Frühjahr war der Fischereistreit zwischen beiden Ländern eskaliert, als sie Patrouillenboote vor die Küste Jerseys schickten. Die Franzosen beschweren sich, dass Fischereilizenzen der britischen Insel den Zugang zu den dortigen Gewässern zu sehr einschränken. Jersey liegt etwa 23 Kilometer von der französischen und 140 Kilometer von der britischen Küste entfernt. rtr
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie hat eine Untersuchung zu Mobilgeräten des chinesischen Elektronik-Herstellers Xiaomi eingeleitet. Zuvor war der litauischen Cybersicherheitsbehörde NCSC ein Xiaomi-Smartphone aufgefallen. Bei dem Gerät lief eine Software im Hintergrund, die bestimmte Begriffe aufspürte und zensierte, die aus Sicht der chinesischen Staats- und Parteiführung unerwünscht sind – beispielsweise “Demokratiebewegung”.
Sollte die Untersuchung durch das BSI die Erkenntnisse der litauischen Kollegen stützen, könnte dies den derzeitigen Marktführer in Europa in große Probleme stürzen. Xiaomi hatte von den Debatten um Huawei und von den US-Sanktionen gegen den chinesischen Konzern profitiert.
Nach der Diskussion um einen möglichen Ausschluss von Huawei und ZTE vom Aufbau europäischer 5G-Netze könnten nun auch die Endgeräte mit durch die Hersteller angepassten Android-Versionen in den Fokus der Debatte geraten. Xiaomi selbst hat nach eigenen Angaben eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. fst/rtr
Sie studierte politische Wissenschaft in Bonn, als ein Freund ihr von diesem tollen internationalen Seminar in Berlin berichtete. Es ging um Europa. Und Reisekostenerstattung gab es auch. “Das war als Studentin nicht ganz irrelevant”, erzählt Linn Selle und lacht.
Sie fuhr zum Seminar, das von den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) veranstaltet wurde. Als sie die Menschen und ihre Themen dort kennenlernte, hatte es sie “gepackt” und sie fing an, sich bei den JEF zu engagieren. Erst in Bonn, später im Bundesvorstand. Dabei stellte sie fest: Egal, ob junge Menschen aus Griechenland, aus den Westbalkanstaaten oder aus Deutschland kommen – sie haben sehr ähnliche Herausforderungen, Lebenswirklichkeiten und Werte. Diese Erfahrung prägt ihre europäische Perspektive bis heute.
An der Europa-Universität Viadrina absolvierte Linn Selle den Master European Studies. Später promovierte sie dort über die Verhandlungen zum EU-Haushalt 2014-2020. Parallel dazu begann sie als Referentin für Internationale Handelspolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin zu arbeiten.
Ab 2014 vertrat sie die JEF ehrenamtlich im Vorstand der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD). Das überparteiliche Netzwerk für Europapolitik in Deutschland besteht aus 257 Mitgliedsorganisationen, darunter viele Stiftungen, Gewerkschaften, Wirtschafts- und Berufsverbände, Bildungsträger, Parteien oder Unternehmen.
2018 wurde sie Präsidentin der EBD. Die Anfrage kam für sie überraschend, aber nach einer kleinen Bedenkzeit sagte sie zu: “Das ist eine Frage, bei der man nicht Nein sagen kann, wenn man europapolitische Fragestellungen spannend findet.” Besonders wichtig sei der EBD der Austausch mit ihren Mitgliedsorganisationen. Sie würden regelmäßig zu aktuellen europäischen Fragestellungen informiert und von ihnen unterstützt.
“Vor Kurzem haben wir einen Protestbrief an den belarussischen ‘Botschafter’ veröffentlicht. Weil in Belarus Partnerorganisationen unserer Mitglieder verboten wurden”, berichtet Linn Selle. Zudem würde die EBD aktuelle europapolitische Entwicklungen begleiten und auch kritisieren: “Kritik darf nicht nur von den Antieuropäern kommen, sondern vor allem von denen, die es besser machen wollen.”
Seit Juni 2021 ist Linn Selle Referatsleiterin Europa bei der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen und kann sich nun auch hauptamtlich vertieft mit europapolitischen Themen beschäftigen. Es sei spannend, nun die andere Seite mitzubekommen und zu sehen, wie Politik konkret gemacht würde, meint sie.
Die Themen von Job und Ehrenamt überschneiden sich an einigen Stellen. Gerade spielt die Konferenz zur Zukunft Europas, bei der bis 2022 neue Antworten für die Zukunft der Europäischen Demokratie formuliert werden sollen, eine große Rolle in beiden Bereichen. Gleichzeitig würde es in ihrem aktuellen Job um teilweise viel “technischere Fachfragen” gehen. Da helfe es ihr, dass sie sich schon lange mit genuin europäischen Fragen beschäftigt habe: “Wie funktioniert EU-Haushaltspolitik? Wie wollen wir die Rechtsstaatlichkeit sichern?”
Als bisher jüngste Vorsitzende der EBD und auch jüngste Trägerin des Preises Frauen Europas (2014) hat sie ziemlich viel in kurzer Zeit erreicht. Doch viel wichtiger als Stationen in ihrem Lebenslauf sei die Frage, was sie politisch erreicht habe, findet sie: “Ich bin total stolz darauf, dass die EBD in den letzten Jahren deutlich sichtbarer geworden ist.”
Sichtbarkeit kann die EBD auch zeigen, wenn es um die Frage geht, wie sich die deutsche Regierung künftig besser aufstellen kann, um sich zügiger zu EU-Themen zu positionieren. Die EBD erarbeitet zurzeit Vorschläge zur europapolitischen Koordinierung der Bundesregierung, die in die anstehenden Koalitionsverhandlungen einfließen sollen.
Die Regierungsbildung wird Linn Selle dennoch etwas mehr vom Seitenrand verfolgen als sonst, weil sie bald in Mutterschutz und Elternzeit geht. “Das ist alles sehr spannend mit Kindern, man weiß nie, was auf einen zukommt”, sagt sie. In Sachen Europa ist das wahrscheinlich ganz ähnlich. Sarah Kröger
Hintergrundgespräche – im Kommissionssprech “Technical briefings” – sind für uns EU-Berichterstatter:innen sehr hilfreich, um die oft komplexen Gesetzesvorhaben der Europäischen Kommission zu analysieren. Denn dort treffen unsere Fragen auf die Arbeitsebene der EU-Kommission. Und damit auf jene Experten, die genau diese Vorhaben ausgearbeitet haben.
Wenn auch meist klar ist, worum es in den zahlreichen Briefings gehen soll, verfehlt manch imposant klingender Titel seinen Zweck und wirft Fragen auf, wo wirklich nur eine Antwort benötigt wird: Um was geht es?
Diese Woche lud die Kommission EU-Berichterstatter:innen zu einem Hintergrund-Briefing “zum Start der EU-Missionen, die große Herausforderungen bewältigen sollen” ein. Das Rätselraten begann: Will die Kommission die derzeit sechs militärischen Missionen der EU ausweiten? Ein Vorstoß in Richtung Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion? “Große Herausforderungen” – davon gibt es derzeit viele…
Nichts dergleichen. Die “EU-Missionen” sollen nicht in Übersee stattfinden, sondern in der EU, im Rahmen des Forschungs- und Innovationsförderprogramms “Horizon Europe“, das viele Milliarden Euro verteilt. Angekündigt wurden die “EU-Missionen” schon im aktuellen Arbeitsprogramm, allein die Umsetzung ist neu. Sie umfassen fünf Bereiche: 1) Bekämpfung von Krebs, 2) Anpassung an den Klimawandel, 3) Wiederbelebung von Ozeanen und Gewässern, 4) Klimaneutrale und intelligente Städte (Smart Cities) und 5) Gesundung der Böden.
Sinn dieser Forschungsmissionen: zum Erfolg der Kommissions-Prioritäten wie dem Green Deal oder dem Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung beitragen – alles in der Tat große Herausforderungen. Aber nur ein kleines bisschen größer, als herauszufinden, was gemeint ist, wenn die EU-Kommission sich wieder einmal in ihrer Sprachwelt verläuft. Jasmin Kohl
der Streit um den U-Boot-Deal hätte den Handels- und Technologierat (TTC) fast versenkt. Doch nun ist das Forum zwischen der EU und den USA wie geplant gestartet. Zu besprechen gibt es einiges. Jasmin Kohl und Till Hoppe haben sich die wichtigsten Themen genauer angeschaut und von Experten erfahren, welche Unterschiede Brüssel und Washington überwinden müssen.
Auch eine neue Privacy-Shield-Vereinbarung ist Teil der Beratungen beim TTC. Alex Greenstein, Direktor im US-Handelsministerium, gibt sich mit Blick auf die nötigen Änderungen zuversichtlich. Doch ein wichtiger Kritiker bleibt skeptisch, wie Falk Steiner berichtet.
Nachdem das Selfie des ersten Treffens zwischen Grünen und FDP Aufsehen erzeugt hat, geht es nun weiter mit den Gesprächen: Wir haben die Termine und viele Namen der Politiker, die an den Sondierungen teilnehmen werden.
Beim Auftakttreffen des Handels- und Technologierates (TTC) saßen EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, Handelskommissar Valdis Dombrovskis, US-Außenminister Antony Blinken, US-Handelsministerin Gina Raimondo und die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai gestern rund sechs Stunden zusammen. Das neue Forum soll Annäherung zwischen den beiden Handelsmächten einleiten, nachdem die Trump-Regierung viel Porzellan zerschlagen hat und das TTIP-Abkommen nicht zustande gekommen war.
Überschattet wurde der TTC durch Verstimmungen um einen geplatzten U-Boot-Deal (Europe.Table berichtete). Frankreichs Drängen, das Auftakttreffen zu verschieben oder zumindest die Abschlusserklärung zu verwässern, blockten die anderen EU-Staaten ab. Für sie überwog das Interesse an engeren Beziehungen zu Washington. Der TTC soll eine breite Palette an Themen abdecken, aber nur wenige wurden am Mittwoch bereits intensiver diskutiert. Wir analysieren die Vereinbarungen und ordnen sie ein.
Das dringlichste Thema sind die Lieferketten in der Halbleiterindustrie – die Engpässe machen der Industrie auf beiden Seiten des Atlantiks schwer zu schaffen. USA und EU haben jetzt in ihrer Erklärung vereinbart:
Die Biden-Administration versucht derzeit unter Hochdruck, mehr Informationen über Lieferbeziehungen in der Branche zu erhalten. Das Handelsministerium hat den Unternehmen 45 Tage Zeit gegeben, um einen entsprechenden Fragebogen zu beantworten und droht damit, sie ansonsten über den Defense Production Act zur Herausgabe auch vertraulicher Informationen zu zwingen.
USA und EU wollen nun gemeinsam daran arbeiten, mehr Transparenz herzustellen und so mögliche Flaschenhälse in den Wertschöpfungsketten zu identifizieren. In Europa soll dies etwa im Rahmen der Halbleiter-Allianz geschehen, die Industriekommissar Thierry Breton im Juli angestoßen hatte.
Zudem wollen sie eine Übersicht über Stärken und Schwächen der heimischen Industrie erstellen. Die vorhandenen strategischen Abhängigkeiten sollen “durch eine Diversifizierung der Lieferkette und eine Steigerung der Investitionen” adressiert werden. Breton spricht derzeit bereits in Japan und Südkorea mit Vertretern von Chipindustrie und Regierungen. Die Erkenntnisse sollen in den geplanten European Chips Act einfließen.
US-Unternehmen sind vor allem beim Chipdesign stark, europäische Anbieter bei den benötigten Maschinen, etwa für die Belichtung der Chips. Bei der Fertigung von Halbleitern der neuesten technischen Generation sind Amerikaner wie Europäer auf andere angewiesen – vor allem TSMC aus Taiwan und Samsung aus Südkorea.
Die US-Regierung hat TSMC dazu bewegt, in Arizona eine 12 Milliarden Dollar teure Fabrik zu bauen, die Chips mit Strukturgrößen von 5 Nanometern produzieren wird – derzeit die Grenze des technisch Machbaren. In Europa versucht unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, TSMC, Samsung oder Intel zu einer Ansiedlung zu bewegen, allerdings sind auch andere Länder als Deutschland in Europa im Gespräch.
Den Förderbedarf bezifferte Altmaier auf bis zu zehn Milliarden Euro. Die Biden-Regierung will rund 50 Milliarden Dollar zur Förderung der heimischen Chipindustrie bereitstellen. “Ich habe daher viele Fragezeichen, wie belastbar das Bekenntnis ist, einen Subventionswettlauf zu vermeiden”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.
USA und EU wollen auch bei der Ausfuhrkontrolle für Dual-Use-Güter enger zusammenarbeiten. Dazu zählt insbesondere auch Überwachungstechnologie, die von autoritären Regimen für Menschenrechtsverstöße missbraucht werden kann. Konkret wollen beide Seiten:
Der Abstimmungsbedarf ergibt sich unter anderem aus der Chipindustrie. Die Trump-Administration hatte nicht nur eigenhändig chinesische Unternehmen wie SMIC auf ihre schwarze Liste der Ausfuhrverbote gesetzt. Sie drängte zudem bilateral die Regierungen der Niederlande und Japans, die Lieferung unentbehrlichen Produktionsequipments an den chinesischen Chipkonzern zu stoppen. Das sei aber nicht im Interesse der EU, sagt Kleinhans. Die EU strebt einheitliche Exportkontrollregeln an, die überarbeitete Dual-Use-Verordnung ist erst kürzlich in Kraft getreten.
Von einer engeren Koordinierung würden aber auch Unternehmen aus anderen Sektoren profitieren, die bislang unterschiedliche Vorgaben beachten müssen. Die USA beanspruchen schließlich weltweite Geltung für ihr Exportkontrollregime. Man könne zwar nicht davon ausgehen, dass Washington jetzt auf eine eigene Liste der genehmigungspflichtigen Güter verzichte, sagt Anahita Thoms, Partnerin bei der Kanzlei Baker McKenzie. “Aber auch eine engere Abstimmung zwischen EU und USA hier könnte den Unternehmen Bürokratie ersparen.”
Beide Seiten könnten viel schneller abgestimmt agieren, wenn sie etwa neue Cybersicherheitstechnologien als problematisch identifizierten, so Thoms. Bislang findet die internationale Koordinierung dazu nur einmal jährlich im Rahmen der Plenarsitzung des Wassenaar-Abkommens statt. Auch VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann begrüßt die Pläne: Es sei besser, neue Kanäle für den Informationsaustausch zu schaffen, anstatt die multilateralen Rahmenwerke durch neue Regelwerke zu duplizieren.
Auch auf einem verwandten Gebiet, der Sicherheitsprüfung für ausländische Investitionen, wollen EU und USA sich enger abstimmen. Über eine Arbeitsgruppe im Rahmen des TTC wollen sie Informationen austauschen darüber, in welchen Sektoren gerade viele relevante Deals angemeldet werden und woher die Investoren kommen. Der Fokus liegt auch hier vor allem auf China, aber auch auf Russland und Staaten vom Persischen Golf oder Fernost.
Das Kooperationspotenzial ergibt sich auch daraus, dass die Investitionsprüfung in den USA nach ähnlichen Prinzipien funktioniert wie in Deutschland und anderen EU-Staaten, die entsprechende Verfahren haben. Im Zuge der Diskussion um den EU-Mechanismus für das Investment Screening hatten in den vergangenen Jahren weitere Mitgliedstaaten Sicherheitsprüfungen eingeführt. Auf die Übrigen dürften die USA jetzt den Druck erhöhen, erwartet Thoms. “Washington erwartet von der EU eine klare Positionierung gegenüber China.”
In Einzelfällen teilen die US-Sicherheitsbehörden schon heute ihre Erkenntnisse etwa mit der Bundesregierung, wenn sie ihre Sicherheitsinteressen berührt sehen. “Ein formalisierter Austausch, wie er jetzt im Rahmen des TTC vorgesehen ist, bedeutet aber eine andere Qualität der Zusammenarbeit“, sagt Thoms.
USA und EU haben sich im Kontext der OECD KI-Prinzipien bereits 2019 dafür ausgesprochen, einen KI-Standard zu setzen, der innovativ und vertrauenswürdig ist sowie Menschenrechte und demokratische Werte respektiert. Im April legte die Kommission mit ihrem Vorschlag für eine KI-Regulierung nach. In Pittsburgh haben die USA und die EU gestern vereinbart:
Frederik Zuiderveen Borgesius, Professor für IKT und Privatrecht an der Universität Radboud, erwartet, dass die teilweise sehr unterschiedlichen Traditionen und Wertevorstellungen in USA und EU für langwierige Diskussionen über Künstliche Intelligenz (KI) im TTC sorgen werden. Denn bei der Frage, wie KI reguliert werden soll, seien die Unterschiede in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und Grundrechte maßgeblich.
Ein Beispiel dafür sei das Recht auf freie Meinungsäußerung: “In der EU werden Datenschutz und Meinungsfreiheit als gleichermaßen wichtige Menschenrechte betrachtet.” Welches Recht vorherrsche, hänge von dem jeweiligen Sachverhalt ab. In den USA hingegen überwiege das Recht auf freie Meinungsäußerung generell das Datenschutzrecht. Daher sei es wahrscheinlich, dass das US-amerikanische Gesetz zu Künstlicher Intelligenz bei der Nutzung personenbezogener Daten weniger streng als das europäische Gesetz ausfallen werde.
Ben Wagner, Dozent an der Fakultät Technologie, Politik und Management der TU Delft, zeigt sich etwas optimistischer: “Die USA scheinen sich langsam der europäischen Position im Bereich Datenschutz anzunähern.” Wie nachhaltig diese Entwicklung sei, bleibe jedoch abzuwarten.
Auch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) mache die unterschiedlichen Wertevorstellungen deutlich, so Zuiderveen Borgesius: Während in der EU das Recht auf Privatsphäre und die Vorschriften zum Schutz für personenbezogene Daten auch für die Privatwirtschaft gelten, gibt es in den USA keine vergleichbare Rechtsgrundlage auf nationaler Ebene. Einige US-Staaten hätten zwar Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten, diese seien jedoch weniger streng als die DSGVO.
Kristina Irion, außerordentliche Professorin am Institut für Informationsrecht an der Universität Amsterdam, betont, dass die Unterschiede zwischen Brüssel und Washington auch bei den Regulierungsansätzen groß seien: Während die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Konformitätsbewertung von Hochrisiko-KI-Systemen plädiert, bevor sie in Verkehr gebracht werden, bewerten die USA dieses Vorhaben als Marktzugangsbeschränkung.
Die USA würden daher wahrscheinlich versuchen, eine gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen zu erreichen. “Mich besorgt aber eher die Tatsache, dass es momentan auf beiden Seiten des Atlantiks wenig Kapazität gibt, diese Konformitätsbewertungen von KI überhaupt durchzuführen”, sagt Irion. Till Hoppe/Jasmin Kohl
Intensive Verhandlungen zwischen der Biden-Administration und der Generaldirektion Justiz unter EU-Kommissar Didier Reynders seien derzeit im Gange, wie dieser am Dienstag bestätigte. Die Verhandlungen schritten gut voran. Der für das Privacy Shield zuständige Director im US-Handelsministerium (DoC) Alex Greenstein berichtete diese Woche bei der Bitkom Privacy Conference, dass er selbst vergangene Woche in Brüssel gewesen sei.
Ziel der derzeitigen Gespräche außerhalb des Trade and Technology Council (TTC) sei eine verbesserte Privacy-Shield-Vereinbarung, die den Einwänden des Europäischen Gerichtshofs Rechnung trage (Europe.Table berichtete). Weil dessen sogenanntes “Schrems II”-Urteil sich ausschließlich auf behördlichen Zugang zu Daten bezogen habe, müsse für das Privacy Shield das Rad nicht neu erfunden werden.
Der EuGH hatte auch aufgrund der zu weit gehenden Befugnisse von US-Nachrichtendiensten und Strafverfolgungsbehörden bei gleichzeitig fehlendem Rechtsschutz für europäische Bürger die bisherige Privacy-Shield-Vereinbarung als unzureichend für eine Angemessenheitsentscheidung der EU-Kommission annulliert und damit der transatlantischen Übertragung von Daten eine wesentliche Rechtsgrundlage entzogen.
Im TTC ist die Privacy-Shield-Vereinbarung Teil der Beratungen. Allerdings seien die konkreten technischen Details der Umsetzung zu komplex für dieses politische Forum, so Greenstein. Aus Sicht des Handelsministeriums sei es richtig, dass Unternehmen, die im Rahmen des überarbeiteten Privacy Shield Daten verarbeiten wollten, von der US-Handelsaufsichtsbehörde (FTC) beaufsichtigt würden.
Die in den USA steigende Anzahl an Datenschutzgesetzen in den Einzelstaaten würde, wie auch ein möglicherweise irgendwann kommendes Datenschutzgesetz auf Bundesebene, die vom EuGH beanstandeten Punkte im Bereich der Sicherheitsbehörden vermutlich nicht mit abdecken. Die notwendigen Änderungen schienen derzeit auf dem kurzen Weg der Exekutivbefugnisse des Präsidenten möglich, also ohne dass der US-Kongress zustimmen müsse, so Greenstein. Insbesondere die Themen Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit und Rechtsbehelfe seien im Fokus, so der DoC-Verhandler. Es gebe kein Interesse an einem “Schrems-III”-Urteil.
Der angesprochene Max Schrems, der die beiden bisherigen Vereinbarungen vor dem EuGH zu Fall gebracht hatte (Europe.Table berichtete), bleibt skeptisch: “Wir sehen keine Lösung ohne Änderung der US-Gesetze – zumindest hat die noch keiner erklären können”, so Schrems auf Anfrage von Europe.Table. Anscheinend, so der österreichische Datenschutzaktivist, probierten die USA, “alle paar Monate den Glauben an eine Lösung weiter aufrechtzuerhalten, damit ihre Unternehmen keinen Exodus von europäischen Kunden sehen – im Kern scheint es aber keine Bewegung zu geben.” Wenn ein neues Privacy Shield unzureichend sei, würde er erneut dagegen Klage einreichen, kündigte Schrems an.
Nachdem sich bereits am 28. September die Spitzen von Grünen und FDP überraschend getroffen hatten und offenkundig nicht im Streit auseinander gingen, stehen jetzt die weiteren Schritte fest:
Der Leitantrag des Bundesvorstands für den sogenannten Länderrat am Samstag unter dem Titel “Neue Politik” enthält den Sondierungsauftrag und benennt ein doppelt gestaffeltes Sondierungsteam: Im engen Zirkel von zehn Verhandlern sollen die langjährigen Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter, der Europaparlamentarier Sven Giegold, die parlamentarische Geschäftsführerin Britta Haßelmann, der politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, der grün-schwarze Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die stellvertretende Bundesvorsitzende Ricarda Lang und Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth teilnehmen.
In einem zweiten Kreis kommen die Bundestags-Europapolitikerin Franziska Brantner (Europe.Table berichtete), die Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, die Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge, Hamburgs zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, die bisherige Vize-Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk, die Europaparlamentarierin Ska Keller, die Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink, der Verkehrspolitiker Oliver Krischer, die Naturschutzpolitikerin und frühere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke, der Innen- und Digitalpolitiker Konstantin von Notz, der frühere Parteivorsitzende und Verkehrsausschussvorsitzende Cem Özdemir, die Grüne Jugend-Vorsitzende Jamila Schäfer, der einstige Umweltminister Jürgen Trittin und Bundesschatzmeister Marc Urbatsch aus dem Berliner Landesverband. Diese sollen bei Bedarf durch Arbeitsgruppen unterstützt werden.
Der im Habeck-Duktus verfasste Antrag ist für Jamaika und Ampel offen formuliert – so offen, dass man aus ihm viel Aufgeschlossenheit gegenüber schwarz-gelb-grünen Bündnissen herauslesen kann: “Wir werden in einer progressiven Regierung eine neue Politik entwerfen, die alte Gegensätze in ein neues Verhältnis setzt und dadurch Neues schafft.”
Die Verhandlungen sollten “zügig und vertrauensvoll” zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen führen. Ein ausdrückliches Ziel: “2017 darf sich nicht wiederholen.” Damit das nicht passiert, sollen die Verhandler vor Koalitionsverhandlungen eine Freigabe für die weiteren Schritte von einem Parteitag erhalten – und über einen Koalitionsvertrag “und das von grüner Seite vorgesehen Personaltableau” anschließend in einer “online-gestützten Urabstimmung” entschieden werden.
Die SPD hat ihr Verhandlungsteam ebenfalls bereits benannt: Neben Kanzlerkandidat Olaf Scholz sollen die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, der wiedergewählte Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, die rheinland-pfälzische Ampel-Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Noch-Generalsekretär Lars Klingbeil die Verhandlungen für die Sozialdemokraten führen. Mit Ausnahme von Dreyer hatten die fünf SPD-Führungsfiguren bereits gemeinsam still und leise die Kanzlerkandidatur und die Wahlkampfstrategie beschlossen.
Während der Sondierungsphase sind hier bislang offiziell keine Erweiterungen vorgesehen, allerdings dürften Angehörigen der Parteigremien auch hier regelmäßig involviert sein. Auch bei den Sozialdemokraten ist es nahezu sicher, dass im Laufe des Prozesses einer Regierungsbildung die Parteibasis zur Abstimmung gebeten würde.
Die Liberalen wollen je nach Größe der anderen Verhandlungsteams entweder mit einem Sechser- oder mit einem Zwölferteam auf die Verhandlungspartner zugehen. Dabei sollen es Mitglieder aus dem Parteipräsidium sein – neben Christian Lindner dürften der ampelerfahrene Generalsekretär Volker Wissing, der parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann, der sozialliberale Johannes Vogel und der langjährige Europaparlamentarier und heutige Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer im engeren Team gesetzt sein. Für Wolfgang Kubicki spricht zudem seine Erfahrung bei Verhandlungen beim Jamaika-Bündnis in Schleswig-Holstein, für Nicola Beer der Europabezug.
Derzeit noch unklar ist, wer wann für die beiden Unionsparteien das mögliche Jamaika-Viererbündnis verhandeln würde. Als sicher gesetzt gelten theoretisch der CDU-Vorsitzende Armin Laschet – sofern noch im Amt – und der wiedergewählte Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus, der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
Auch die Generalsekretäre Paul Ziemiak und Markus Blume dürften kaum vom Verhandlungstisch fernzuhalten sein. Jamaika-Erfahrung könnten sich die beiden Unionsparteien zudem mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther herbeirufen, der mit Habeck und Kubicki bereits 2017 in Kiel verhandelte.
01.10.2021 – 09:00 Uhr, München/online
Infodas, Konferenz Cyber Women 2021
Das Event Cyber Women richtet sich an Expertinnen aus und Interessierte an der IT-Sicherheit und will den Austausch über IT-Sicherheit sowie die Vernetzung untereinander in den Mittelpunkt stellen. TICKETS
04.10.2021 – 14:00-16:00 Uhr, online
DBU, Konferenz Klimaretter Holz? Chancen für den Klima- und Ressourcenschutz durch eine nachhaltige Holzwirtschaft
Die Referent:innen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt aus Wissenschaft und Praxis diskutieren über die Bedeutung von Herkunft, Produktion und Nutzung von Holz für Klima und Umwelt. INFOS & ANMELDUNG
04.10.2021 – 14:30-16:00 Uhr, online
HBöS, Seminar EU methane legislation – How to reduce the unabated by 2030
The Heinrich Böll Foundation seminar aims to present policy proposals for a methane charge and performance standard. An EU instrument to charge for upstream methane emissions and to set a default value for leakage rates from gas imports will be proposed. INFOS & REGISTRATION
04.10.-06.10.2021, Aachen/online
Konferenz Aachener Colloquium Sustainable Mobility
Das 30. Aachener Colloquium Sustainable Mobility stellt nachhaltige Mobilitätslösungen in den Mittelpunkt. Expert:innen aus Forschung und Industrie werden die neuesten Entwicklungen präsentieren und den Austausch anregen. ANMELDUNG
05.10.2021 – 12:30-14:00 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Grenzüberschreitende Mobilität: Zugverbindungen zwischen Deutschland und Frankreich im “Europäischen Jahr der Schiene”
Wo ist grenzüberschreitender Schienenverkehr zwischen Deutschland und Frankreich schon Realität? Welche Lehren lassen sich daraus für andere Regionen Europas ableiten? Diesen Fragen gehen die Referent:innen der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik nach. INFOS & ANMELDUNG
05.10.-06.10.2021, online
Conference Warsaw Security Forum
The Warsaw Security Forum (WSF) focuses on transatlantic cooperation, as well as the elaboration of joint responses to common security challenges. REGISTRATION
05.10.-07.10.2021, online
Eon, Konferenz Energy Innovation Days 2021
Die Themen der Eon Energy Innovation Days sind unter anderem: Grenzen der Elektrifizierung, zentrale Energiemärkte, Blockchain, Zukunft der Energie, Netto-Null-Energieversorgung sowie Dekarbonisierung. INFOS & ANMELDUNG
Die Vereinbarkeit der EU-Klimaschutzmaßnahmen mit wirtschaftlichem Wohlstand stand im Mittelpunkt bei einer Sitzung des Rats für Wettbewerbsfähigkeit am Mittwoch. Ziel sei die Ausarbeitung eines “Clean Industry Framework”, sagte BMWi-Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß. Mithilfe des Fahrplans sollen Leitmärkte für grüne Industriegüter und Endprodukte etabliert und das EU-Beihilferecht weiterentwickelt werden. Energieintensiven Industriezweigen müsse es ermöglicht werden, innovative Technologien zu entwickeln, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft zu erhalten.
Dafür müssten die spezifischen Bedingungen in den einzelnen Wirtschaftszweigen besser verstanden werden, um eine Ungleichbehandlung zu vermeiden und herauszufinden, welche Maßnahmen den grünen Wandel beschleunigen könnten, sagte Maroš Šefčovič, Vizepräsident der EU-Kommission. Seit Anfang der Woche sei man diesbezüglich im engen Austausch mit energieintensiven Industrien und der Tourismusbranche. In den nächsten Wochen sollen weitere wirtschaftliche “Ökosysteme” folgen.
Auch die Entwicklung auf den Energiemärkten werde weiter genau verfolgt. Diese sei zwar weniger auf den Green Deal als auf die gestiegene Nachfrage zurückzuführen, so Šefčovič. Die Kommission arbeite aber weiterhin an einem funktionierenden integrierten Strommarkt, um Anreize für Investitionen zu geben und Fairness zu gewährleisten. Um die Mitgliedsstaaten bei staatlichen Hilfsmaßnahmen gegen die hohen Gas- und Stromkosten zu unterstützen, hatte die Kommission bereits die Ausarbeitung einer “Toolbox” angekündigt.
Bei der Umsetzung des Fit-for-55-Pakets sei auch die Planbarkeit ein entscheidender Faktor für die EU-Wirtschaft, betonte der slowenische Wirtschaftsminister Zdravko Počivalšek. Der Rat müsse deshalb frühzeitig in die Ausarbeitung mit einbezogen werden. til
Eine Gruppe von Investmentfonds, die fast 30 Billionen Dollar an Vermögenswerten verwalten, forderte am Mittwoch 1.600 der weltweit umweltschädlichsten Unternehmen auf, sich wissenschaftlich fundierte Emissionsreduktionsziele zu setzen.
Die 220 Investoren – darunter Fidelity International und Amundi – erklärten, sie hätten die Vorstandsvorsitzenden der Unternehmen, in die sie investieren, schriftlich zu Anstrengungen beim Klimaschutz aufgefordert. Konkret verlangten sie, dass die Unternehmen Ziele festlegen, die dazu beitragen, die globale Erwärmung bis 2050 auf maximal 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Die Investorengruppe gab in einer Erklärung an, dass die fraglichen Unternehmen – darunter auch Lufthansa und BASF – zusammen 11,9 Gigatonnen der sogenannten Scope-1- und 2-Emissionen verursachen, also der Emissionen, die mit ihren eigenen Tätigkeiten verbunden sind. Das ist insgesamt mehr als die Emissionen der EU und der USA zusammen.
Die Gruppe gab nicht an, welche Maßnahmen die Unterzeichner ergreifen würden, wenn die Unternehmen der Aufforderung nicht nachkämen. Aber als Aktionäre könnten sie ihre Stimmrechte nutzen, um Änderungen zu erzwingen, wenn diese nicht kommen.
“Als langfristige Investoren, die ihr Kapital verantwortungsbewusst einsetzen wollen, erwarten wir von unseren Portfoliounternehmen, dass sie wissenschaftlich fundierte Pläne zur Emissionsreduzierung im Einklang mit dem Pariser Abkommen entwickeln, sich dazu verpflichten und diese umsetzen”, sagte Barnaby Wiener, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit und Stewardship bei MFS Investment Management. rtr/luk
Die G7-Finanzminister sind mit ihren Plänen für eine globale Mindeststeuer einen Schritt vorangekommen. Die Minister hätten bei einem Treffen am Mittwoch bei wichtigen, noch offenen Themen Übereinstimmungen gefunden, sagte ein Sprecher des britischen Finanzministers Rishi Sunak. Der japanische Finanzminister Taro Aso hatte zuvor erklärt, man habe sich bei einigen Punkten geeinigt. In der kommenden Woche beraten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) und die G20-Staaten über das Mindeststeuer-Thema.
Unter dem Dach der OECD streben knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an – einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer haben die USA mindestens 15 Prozent vorgeschlagen. Großen Internet-Konzernen wie Amazon und die Google-Mutter Alphabet wird vorgeworfen, durch Gewinnverlagerungen weniger Steuern zu zahlen als angemessen. rtr
Nach der Veröffentlichung der globalen “Roadmap to Net Zero” im Mai hat die Internationale Energieagentur IEA nun einen länderspezifischen Fahrplan für China ausgearbeitet. Auf den horrenden Anstieg fossiler Energieträger der letzten Dekaden müsse nun ein ebensolcher Anstieg erneuerbarer Energien für die wachsende Stromerzeugung folgen, sagte IEA-Generaldirektor Fatih Birol am Mittwoch bei der Präsentation des Fahrplans. Die chinesische Regierung will den Gipfel der Emissionen 2030 erreichen und bis 2060 klimaneutral werden, was in China “30/60-Ziel” genannt wird.
Im Vorfeld der Weltklimakonferenz COP26 im November drängen besonders die EU und die USA Peking zu einem noch schnelleren Vorgehen, was die IEA für durchaus möglich hält. “China hat die Fähigkeit, die wirtschaftlichen Mittel und das politische Können, um den Höhepunkt früher zu erreichen – etwa in den mittleren 2020er Jahren”, sagte Birol.
Derweil dominieren auch in China die hohen Energiepreise die Debatte. Industrie und Bevölkerung kämpfen mit der Rationierung von Strom, Produktionsstopps und Stromausfällen. China ist der weltgrößte Emittent von Treibhausgasen, und der Energiesektor ist für 90 Prozent dieser Emissionen verantwortlich. Dazu gehört auch der Stromverbrauch energiefressender Schwerindustriebranchen. Laut IEA sind allein die Treibhausgas-Emissionen aus den Stahl- und Zementwerken Chinas höher als die gesamten Emissionen der EU.
Auch deshalb widmete die IEA dem riesigen Land ihren ersten Landes-Fahrplan. Demnach könne China, wenn es seine Ziele erfüllt, die globalen Emissionen auf das Niveau der frühen 2000er Jahre drücken, selbst wenn sonst alle Emissionen auf dem heutigen Niveau bleiben würden.
Das Land hat bereits angekündigt, keine Kohlekraftwerke im Ausland mehr finanzieren zu wollen, müsste dann aber auch aufhören, sie in China zu bauen. Und: Für die Hälfte der Emissionsminderungen nach 2030 werde China laut IEA auf Technologien setzen müssen, die noch nicht existieren. Investitionen in Forschung und Innovation sind daher zwingend. ck
Der Streit um Fischereirechte zwischen Frankreich und Großbritannien ist wieder aufgeflammt. Die britische Kanalinsel Jersey und die Regierung in London verweigerten Dutzenden französischen Fischerbooten Lizenzen, um in ihren Gewässern zu fischen. Die französische Meeresministerin Annick Girardin kritisierte am Mittwoch, Großbritannien halte sich nicht an Brexit-Handelsabsprachen und betreibe mit Fischereirechten Politik. Die Regierung in Paris drohte mit Vergeltungsmaßnahmen.
“Es ist eine erneute Weigerung der Briten, die Bedingungen des Brexit-Abkommens trotz unserer gemeinsamen Arbeit umzusetzen”, sagte Girardin. “Die französische Fischerei sollte nicht aus politischen Gründen von den Briten in Geiselhaft genommen werden.” Jersey verlangt, dass alle nicht lizenzierten Boote innerhalb von 30 Tagen aufhören müssen, in den Gewässern von Jersey zu fischen. Fischerboote mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Jersey-Gewässern erhielten weiterhin eine Lizenz, sagte der Umweltminister der Kanalinsel, John Young.
Im Frühjahr war der Fischereistreit zwischen beiden Ländern eskaliert, als sie Patrouillenboote vor die Küste Jerseys schickten. Die Franzosen beschweren sich, dass Fischereilizenzen der britischen Insel den Zugang zu den dortigen Gewässern zu sehr einschränken. Jersey liegt etwa 23 Kilometer von der französischen und 140 Kilometer von der britischen Küste entfernt. rtr
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie hat eine Untersuchung zu Mobilgeräten des chinesischen Elektronik-Herstellers Xiaomi eingeleitet. Zuvor war der litauischen Cybersicherheitsbehörde NCSC ein Xiaomi-Smartphone aufgefallen. Bei dem Gerät lief eine Software im Hintergrund, die bestimmte Begriffe aufspürte und zensierte, die aus Sicht der chinesischen Staats- und Parteiführung unerwünscht sind – beispielsweise “Demokratiebewegung”.
Sollte die Untersuchung durch das BSI die Erkenntnisse der litauischen Kollegen stützen, könnte dies den derzeitigen Marktführer in Europa in große Probleme stürzen. Xiaomi hatte von den Debatten um Huawei und von den US-Sanktionen gegen den chinesischen Konzern profitiert.
Nach der Diskussion um einen möglichen Ausschluss von Huawei und ZTE vom Aufbau europäischer 5G-Netze könnten nun auch die Endgeräte mit durch die Hersteller angepassten Android-Versionen in den Fokus der Debatte geraten. Xiaomi selbst hat nach eigenen Angaben eine unabhängige Untersuchung in Auftrag gegeben. fst/rtr
Sie studierte politische Wissenschaft in Bonn, als ein Freund ihr von diesem tollen internationalen Seminar in Berlin berichtete. Es ging um Europa. Und Reisekostenerstattung gab es auch. “Das war als Studentin nicht ganz irrelevant”, erzählt Linn Selle und lacht.
Sie fuhr zum Seminar, das von den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) veranstaltet wurde. Als sie die Menschen und ihre Themen dort kennenlernte, hatte es sie “gepackt” und sie fing an, sich bei den JEF zu engagieren. Erst in Bonn, später im Bundesvorstand. Dabei stellte sie fest: Egal, ob junge Menschen aus Griechenland, aus den Westbalkanstaaten oder aus Deutschland kommen – sie haben sehr ähnliche Herausforderungen, Lebenswirklichkeiten und Werte. Diese Erfahrung prägt ihre europäische Perspektive bis heute.
An der Europa-Universität Viadrina absolvierte Linn Selle den Master European Studies. Später promovierte sie dort über die Verhandlungen zum EU-Haushalt 2014-2020. Parallel dazu begann sie als Referentin für Internationale Handelspolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin zu arbeiten.
Ab 2014 vertrat sie die JEF ehrenamtlich im Vorstand der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD). Das überparteiliche Netzwerk für Europapolitik in Deutschland besteht aus 257 Mitgliedsorganisationen, darunter viele Stiftungen, Gewerkschaften, Wirtschafts- und Berufsverbände, Bildungsträger, Parteien oder Unternehmen.
2018 wurde sie Präsidentin der EBD. Die Anfrage kam für sie überraschend, aber nach einer kleinen Bedenkzeit sagte sie zu: “Das ist eine Frage, bei der man nicht Nein sagen kann, wenn man europapolitische Fragestellungen spannend findet.” Besonders wichtig sei der EBD der Austausch mit ihren Mitgliedsorganisationen. Sie würden regelmäßig zu aktuellen europäischen Fragestellungen informiert und von ihnen unterstützt.
“Vor Kurzem haben wir einen Protestbrief an den belarussischen ‘Botschafter’ veröffentlicht. Weil in Belarus Partnerorganisationen unserer Mitglieder verboten wurden”, berichtet Linn Selle. Zudem würde die EBD aktuelle europapolitische Entwicklungen begleiten und auch kritisieren: “Kritik darf nicht nur von den Antieuropäern kommen, sondern vor allem von denen, die es besser machen wollen.”
Seit Juni 2021 ist Linn Selle Referatsleiterin Europa bei der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen und kann sich nun auch hauptamtlich vertieft mit europapolitischen Themen beschäftigen. Es sei spannend, nun die andere Seite mitzubekommen und zu sehen, wie Politik konkret gemacht würde, meint sie.
Die Themen von Job und Ehrenamt überschneiden sich an einigen Stellen. Gerade spielt die Konferenz zur Zukunft Europas, bei der bis 2022 neue Antworten für die Zukunft der Europäischen Demokratie formuliert werden sollen, eine große Rolle in beiden Bereichen. Gleichzeitig würde es in ihrem aktuellen Job um teilweise viel “technischere Fachfragen” gehen. Da helfe es ihr, dass sie sich schon lange mit genuin europäischen Fragen beschäftigt habe: “Wie funktioniert EU-Haushaltspolitik? Wie wollen wir die Rechtsstaatlichkeit sichern?”
Als bisher jüngste Vorsitzende der EBD und auch jüngste Trägerin des Preises Frauen Europas (2014) hat sie ziemlich viel in kurzer Zeit erreicht. Doch viel wichtiger als Stationen in ihrem Lebenslauf sei die Frage, was sie politisch erreicht habe, findet sie: “Ich bin total stolz darauf, dass die EBD in den letzten Jahren deutlich sichtbarer geworden ist.”
Sichtbarkeit kann die EBD auch zeigen, wenn es um die Frage geht, wie sich die deutsche Regierung künftig besser aufstellen kann, um sich zügiger zu EU-Themen zu positionieren. Die EBD erarbeitet zurzeit Vorschläge zur europapolitischen Koordinierung der Bundesregierung, die in die anstehenden Koalitionsverhandlungen einfließen sollen.
Die Regierungsbildung wird Linn Selle dennoch etwas mehr vom Seitenrand verfolgen als sonst, weil sie bald in Mutterschutz und Elternzeit geht. “Das ist alles sehr spannend mit Kindern, man weiß nie, was auf einen zukommt”, sagt sie. In Sachen Europa ist das wahrscheinlich ganz ähnlich. Sarah Kröger
Hintergrundgespräche – im Kommissionssprech “Technical briefings” – sind für uns EU-Berichterstatter:innen sehr hilfreich, um die oft komplexen Gesetzesvorhaben der Europäischen Kommission zu analysieren. Denn dort treffen unsere Fragen auf die Arbeitsebene der EU-Kommission. Und damit auf jene Experten, die genau diese Vorhaben ausgearbeitet haben.
Wenn auch meist klar ist, worum es in den zahlreichen Briefings gehen soll, verfehlt manch imposant klingender Titel seinen Zweck und wirft Fragen auf, wo wirklich nur eine Antwort benötigt wird: Um was geht es?
Diese Woche lud die Kommission EU-Berichterstatter:innen zu einem Hintergrund-Briefing “zum Start der EU-Missionen, die große Herausforderungen bewältigen sollen” ein. Das Rätselraten begann: Will die Kommission die derzeit sechs militärischen Missionen der EU ausweiten? Ein Vorstoß in Richtung Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion? “Große Herausforderungen” – davon gibt es derzeit viele…
Nichts dergleichen. Die “EU-Missionen” sollen nicht in Übersee stattfinden, sondern in der EU, im Rahmen des Forschungs- und Innovationsförderprogramms “Horizon Europe“, das viele Milliarden Euro verteilt. Angekündigt wurden die “EU-Missionen” schon im aktuellen Arbeitsprogramm, allein die Umsetzung ist neu. Sie umfassen fünf Bereiche: 1) Bekämpfung von Krebs, 2) Anpassung an den Klimawandel, 3) Wiederbelebung von Ozeanen und Gewässern, 4) Klimaneutrale und intelligente Städte (Smart Cities) und 5) Gesundung der Böden.
Sinn dieser Forschungsmissionen: zum Erfolg der Kommissions-Prioritäten wie dem Green Deal oder dem Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung beitragen – alles in der Tat große Herausforderungen. Aber nur ein kleines bisschen größer, als herauszufinden, was gemeint ist, wenn die EU-Kommission sich wieder einmal in ihrer Sprachwelt verläuft. Jasmin Kohl