Katastrophen kennen keine Grenzen, da ist es gut, wenn Solidarität auch keine kennt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist heute in Begleitung von Janez Lenarčič, dem Kommissar für Krisenmanagement, nach Slowenien. Dort will sie herausfinden, wie die EU beim Wiederaufbau helfen kann.
Die Menschen in den Überschwemmungsgebieten haben derzeit wohl andere Sorgen, als sich mit dem Besuch von Politikerinnen und Politikern zu befassen. Auch wenn diese Reisen in Katastrophengebiete große Symbolkraft haben (und alleine in Deutschland schon den ein oder anderen Kanzler gemacht oder verhindert haben). Auf Behelfsbrücken und Bagger, technisches Personal, Hubschrauber und Muldenkipper warten die Menschen sicher weitaus sehnlicher. Zum Glück sind sie bereits da oder unterwegs – aus den Nachbarländern, aber auch aus Deutschland und Frankreich.
Diese Hilfe ist bitter nötig für das Land mit gerade einmal zwei Millionen Einwohnern. Hier zeigen sich die schrecklichen Auswirkungen des Klimawandels: Der Juli war global der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Sie zeigen sich dabei ausgerechnet dort, wo die Regierung vor einem Jahr angetreten ist, das Land ökologisch umzubauen. Jetzt müssen die Slowenen ihr verwüstetes Land erst einmal wieder aufbauen.
Das werden sie nicht allein schaffen. Sloweniens Ministerpräsident Robert Golob schätzt den Schaden inzwischen auf mehrere Milliarden Euro. Und auch die EU hilft: Golob hat am Sonntag den EU-Katastrophenschutzmechanismus aktiviert. Der sollte dafür sorgen, dass die Hilfe bestmöglich koordiniert dort ankommt, wo sie am nötigsten ist. Unterstützung kommt auch von ganz weit oben: vom europäischen Erdbeobachtungssystem Copernicus, das die Helfer mit genauen Geoinformationen versorgt.
Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre,
TSMC und seine deutschen Partner haben es offiziell gemacht: Der taiwanische Weltmarktführer baut ein Chip-Werk in Dresden. Die endgültige Entscheidung traf der Vorstand des Unternehmens am Dienstag in Taipeh.
Die Eckpunkte des Projekts entsprechen sehr genau den Berichten von Table.Media vom Mai und aus dem vergangenen Jahr, die noch auf informierten Quellen beruhten:
Die genaue Investitionssumme steht offiziell noch nicht fest, weil sie von staatlicher Förderung abhängt, die ihrerseits noch nicht formal freigegeben ist. Die Gesamtsumme wird aber sicher in der Größenordnung von zehn Milliarden Euro liegen. Rund die Hälfte davon soll als Förderung vom Staat kommen. Nur so hat die TSMC-Angabe Sinn, selbst maximal 3,5 Milliarden Euro an Eigenmitteln zur Verfügung zu stellen. Infineon, Bosch und NXP müssten dann anteilig jeweils 500 Millionen Euro aufbringen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte am Dienstag erfreut: “Die Serie massiver Investitionsentscheidungen in kurzer Zeit in Europa zeigt, dass der #EUChipsAct wirkt. Gemeinsam stärken wir Europas technologische Unabhängigkeit und schaffen Jobs mit Zukunft.”
Im industriepolitischen Gesamtbild ist der Bau einer Fabrik des technisch fortschrittlichsten Halbleiterunternehmens der Welt ein Erfolg. Die Regierungspolitiker überbieten sich daher mit Eigenlob für die Ansiedlung. Europa hat Jahrzehnt für Jahrzehnt Schlüsseltechnologien an Asien verloren. Das galt so lange als problemlos, wie die Belieferung im globalen Welthandel nicht infrage stand. Die geopolitische Situation hat sich jedoch gewandelt. Die Toleranz für Abhängigkeiten ist stark gesunken.
Ohne die hohe Subvention wäre TSMC sicher nicht gekommen. Die Ausgabe entspricht aber sowohl den Sicherheits- und China-Strategien der Bundesregierung als auch dem europäischen Vorgehen. In der Mitteilung von TSMC ist ausdrücklich der EU Chips Act erwähnt. Die Unternehmen wollen also Mittel aus den europäischen Töpfen abrufen.
In der Fabrik sollen vor allem zwei Klassen von Mikrochips entstehen:
Diese Art von Chips entspricht dem Stand der Technik, der um 2015 herum aktuell war. Das ist immerhin besser als ursprünglich angenommen. Die ersten Berichte über das Werk waren nur von 22 Nanometer-Technik ausgegangen, die wiederum dem Entwicklungsstand der Zeit um 2010 entspricht.
Doch auch zwölf Nanometer sind nicht an der Spitze der Technologieentwicklung. Im Vergleich mit den TSMC-Investitionen in den USA wirkt das besonders schmerzhaft: Dort stellt das taiwanische Unternehmen modernste Produkte her. Was TSMC dagegen nach Dresden bringt, heißt im Jargon “reife Technologie“.
Der deutschen Fahrzeugbranche sind diese Chips aktuell dennoch zu modern. Sie brauche deutlich einfachere Ware mit Strukturbreiten um 90 Nanometer, sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag in Berlin. Die Autoindustrie benötige zwar durchaus auch die Technologien, die bei ESMC entstehen werden. Dennoch werde der direkte Effekt des Werks in Dresden auf die eigene Unabhängigkeit nur begrenzt sein.
Die Fabrik soll aber ohnehin erst 2027 fertig werden – und Autos werden schon bald zu Hochleistungsrechnern auf Rädern mutieren. Für KI-Funktionen wie autonomes Fahren der höheren Stufen werden in absehbarer Zeit schnelle und stromsparende Chips auf dem Niveau moderner Grafikkarten gebraucht werden. Diese werden heute bereits in Sieben-Nanometer-Technologie und darunter hergestellt.
TSMC gibt Deutschland also letztlich doch Technik von gestern. Das entspricht nicht dem Geist des EU-Chips Act: Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatte die Ansiedlung ultramoderner Fabriken zur Herstellung von Chips mit kleinsten Strukturbreiten vorgeschwebt. Die Realität bleibe hinter diesen großen Ambitionen zurück, schreibt der Wissenschaftler Mathieu Duchâtel vom Institut Montaigne.
Doch das heißt nicht, dass der Chips Act erfolglos ist, wie Duchâtel betont. Im Gegenteil, die TSMC-Ansiedlung gilt weithin als strategischer Erfolg. Denn auch wenn die Ansiedlung betriebswirtschaftlich teuer aussieht, war sie dennoch richtig: Es ist nötig und überfällig, wieder eine moderne Chipindustrie in Europa aufzubauen.
Die nötige Förderung ist zudem auch deshalb so hoch, weil die USA und China die Branche ihrerseits mit Milliardensummen verwöhnen:
Im Lichte dieses Vergleichs wirkt die Förderung für TSMC in Dresden schon gar nicht mehr so hoch, zumal Intel in Magdeburg doppelt so viel erhält.
Die TSMC-Technik fügt sich zudem bestens in die bestehenden Lieferketten ein. Bosch und Infineon betreiben in der Nähe bereits eigene Halbleiterwerke, die dankbare Abnehmer für die Produkte von TSMC sein werden. Infineon beispielsweise ist zwar formal ebenfalls ein Halbleiterhersteller, doch sein Geschäftsmodell ist anders als das von TSMC.
Tatsächlich lässt Infineon einen Teil seiner Produkte in den hocheffizienten Fabriken der Taiwaner herstellen. Es handelt sich also weniger um Konkurrenten, sondern mehr um Partner. Mit Corinna Visser
An gleich drei Grundüberzeugungen der künftigen Wasserstoffwelt rüttelt eine neue Analyse, welche die Generaldirektion Energie vor wenigen Tagen veröffentlichte.
Erstellt hat die Studie “The impact of industry transition on a CO₂-neutral European energy system” das Fraunhofer ISI in Karlsruhe im Rahmen von METIS. Ergebnisse dieses Langzeitprojekts zieht die Kommission immer wieder für ihre energiepolitischen Entscheidungen heran.
Grundlage waren Annahmen aus einem Dekarbonisierungsszenario für die Industrie aus der EU-Initiative “Clean Planet for All” aus dem Jahr 2018. Die Forscher modellierten nun den Energiebedarf für das produzierende Gewerbe und leiteten daraus die wirtschaftlichsten Ausbaupfade für die Strom- und Wasserstofferzeugung ab. Weil es sich um eine rein techno-ökonomische Analyse handelt, wurden keine politischen Restriktionen wie die Resilienz der Energieversorgung unterstellt. Trotzdem stellen die Ergebnisse so manche Überzeugung infrage, die in der Wasserstoff-Debatte bislang als gesichert galt.
“Die mitteleuropäischen Länder, darunter Deutschland, Belgien und die Niederlande, haben trotz ihres großen Wasserstoffbedarfs nur eine minimale oder gar keine Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse”, heißt es in dem Bericht. Die Elektrolysekapazitäten in der Bundesrepublik sehen die Fraunhofer-Forscher 2050 bei “0 GW”. Dabei strebt die Bundesregierung in ihrer kürzlich aktualisierten Nationalen Wasserstoffstrategie schon bis 2030 zehn Gigawatt an.
Den Grund sieht der EU-Bericht in der Kostenstruktur einer Wasserstoffwirtschaft. Die Kosten für den Transport von H2 seien gegenüber der Produktion gering und benachbarte Länder hätten günstigere Bedingungen. Die führenden Wasserstoffproduzenten in Europa, gestaffelt nach ihren Elektrolyse-Kapazitäten in Gigawatt, wären im Jahr 2050:
“Frankreich hat viele gute Windstandorte“, begründet Fraunhofer-Studienleiter Tobias Fleiter den Spitzenplatz. Beim unterstellten Erneuerbaren-Ausbau in Frankreich zeigen sich aber auch die ersten Grenzen der Studie. Die Berechnungen ergeben für Frankreich 320 Gigawatt Photovoltaik und 300 Gigawatt Windenergie an Land. Die politischen Ziele der französischen Regierung für 2050 bleiben bisher aber deutlich dahinter zurück.
In seiner Belfort-Rede im Februar vergangenen Jahres habe Staatspräsident Emmanuel Macron 100 Gigawatt Photovoltaik und 40 Gigawatt Offshore-Wind als Ziele gesetzt, erklärt das Deutsch-französische Büro für die Energiewende. Auch der jährliche Zubau an Onshore-Wind ist derzeit gering.
Gleichzeitig nimmt die Fraunhofer-Studie an, dass die Stromproduktion der französischen AKW von 360 Terawattstunden im Jahr 2021 auf 206 Terawattstunden zur Mitte des Jahrhunderts zurückgeht. Plausibel ist das nur, wenn man annimmt, dass alte Meiler weitaus schneller stillgelegt als neue errichtet werden. Bei höheren Anteilen von Atomstrom wären die Elektrolysekapazitäten wohl geringer, schätzt Fleiter.
Ein leicht anderes Bild ergibt sich auch in einem Szenario, in dem nur 70 Prozent der europäischen Erneuerbaren-Potenziale ausgeschöpft werden. Dann mache Elektrolyse auch in Deutschland Sinn, sagt Co-Autor Khaled Al-Dabbas. Die Kapazitäten seien aber immer noch gering. Auch in einem unveröffentlichten Szenario mit geringeren Leitungskapazitäten gebe es eine höhere Wasserstoffproduktion in Deutschland. “Für Deutschland würde es aber auf jeden Fall die Kosten senken, die europäische Integration stärker mitzudenken”, resümiert Fleiter.
Entgegen vieler politischer Initiativen in Brüssel und Berlin halten die Forscher die Selbstversorgung mit Wasserstoff für Europa nicht nur für möglich, sondern sogar für günstiger als Importe. “Das war auch für die Kommission interessant”, verrät Fleiter. “Es zeigt, wie gewaltig und kostengünstig die Erneuerbaren-Potenziale in der EU noch sind.”
Ein leicht anderes Bild ergibt sich wieder bei einem um 30 Prozent vermindertem Erneuerbaren-Ausbau. Nötig wäre ein minimaler Import von 160 Terawattstunden Wasserstoff per Pipeline aus Marokko – angesichts einer Erzeugung von 3.000 Terawattstunden in Europa ein immer noch geringer Anteil.
Schiffstransporte von Wasserstoffderivaten und Grundprodukten für die Düngemittel-, Chemie- und Stahlindustrie könnten dennoch eine bedeutende Rolle spielen. Denn in einem weiteren Szenario hat das ISI berechnet, welche Folgen es hätte, wenn Ammoniak, Ethylen und Eisenschwamm nicht mehr in Europa hergestellt, sondern importiert würden. Wenn man nur diese drei Produkte ersetzt, würde der Wasserstoffbedarf um ein Drittel sinken. “Wir hätten fast ein anderes Energiesystem”, sagt Fleiter.
Zum einen wären die Importe von Wasserstoffderivaten gerade in Deutschland deutlich geringer. Überflüssig wären damit aber auch die meisten Offshore-Windparks. Die nötigen Kapazitäten würden sich um 60 Prozent verringern. Auch viele Solaranlagen auf Dächern würden rein ökonomisch gesehen nicht benötigt.
Viele Unternehmen aus den Grundstoffindustrien hätten aber noch unterschiedliche Präferenzen für die Dekarbonisierung, berichtet Fleiter: “Einige wollen grünen Methanol und Ammoniak importieren, andere lieber Wasserstoff.” Je nach Strategie würden manche Fertigungsstufen in der EU verbleiben, andere nicht. Der Wasserstoffbedarf der Industrie sei eben noch sehr unsicher und nicht unbedingt eine No-regret-Maßnahme, wie oft angenommen.
Der Maschinenbauverband VDMA fordert die Kommission auf, die Freihandelsagenda zielstrebig weiterzuverfolgen. Der VDMA warnt die EU davor, die Verhandlungen an Bedingungen zu knüpfen, die nicht handelsspezifisch sind. “Leider gibt es die Tendenz der EU, die Handelsabkommen mit Themen zu überfrachten, die nicht direkt mit Handel zu tun haben”, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.
Die EU-Kommission verlange etwa das Einhalten von Umweltstandards, erhebe soziale Forderungen und drohe mit Sanktionen im Fall von Verstößen. “Damit werden der Abschluss und die Umsetzung weiterer Freihandelsabkommen bedroht oder ganz zunichtegemacht. Denn viele unserer Partner sind nicht mehr bereit, die geforderten Verpflichtungen einzugehen.” Von den Hürden, welche die EU aufbaut, profitierten letztlich Drittländer wie China, die sich als Handelspartner anbieten. “Das kann nicht im Interesse Europas sein”, mahnt der VDMA-Hauptgeschäftsführer.
Um neue Märkte zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhalten, sollte es in den nächsten Monaten Fortschritte in der EU-Handelspolitik geben, fordert Brodtmann weiter. Konkret sollten die laufenden Verhandlungen der EU mit Drittstaaten wie Indien und Indonesien beschleunigt werden. Die Maschinenbauindustrie würde insbesondere von einem Freihandelsabkommen mit Indien profitieren, da das Land derzeit einen der höchsten Maschinenbauzölle der Welt hat.
Die EU hat im Juli das Freihandelsabkommen mit Neuseeland unterzeichnet. Zudem gaben die EU-Kommission und die Philippinen anlässlich des Besuchs von Ursula von der Leyen kürzlich bekannt, den Neustart der Verhandlungen über ein Handelsabkommen zu prüfen. Die Verhandlungen der EU mit Mercosur wurden bereits 2019 abgeschlossen, bislang ist nicht absehbar, wann das Abkommen in Kraft tritt. Auch das Abkommen mit Mexiko ist ausverhandelt, aber noch nicht umgesetzt. mgr
Eine von der italienischen Regierung beschlossene Übergewinnsteuer für Banken soll Insidern zufolge eine Milliardensumme in die Staatskassen spülen. Es würden voraussichtlich knapp drei Milliarden Euro durch die Steuer zusammenkommen, die 2023 einmalig erhoben werde, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Die italienische Regierung hat diese einmalige Steuer in Höhe von 40 Prozent auf die Gewinne der Finanzinstitute aus den höheren Zinsen beschlossen. Die Einnahmen sollen etwa zur Unterstützung von Hypotheken-Kreditnehmern verwendet werden, sagte Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini am Montagabend nach einer Kabinettssitzung. Experten der Bank of America schätzen, dass die neue Steuer die Banken zwischen zwei und neun Prozent ihrer Erlöse kosten könnte. Auch Länder wie Spanien und Ungarn haben Übergewinnsteuern für den Sektor eingeführt.
Geldhäuser machen wegen hoher Zinsen auf Kredite nach der starken geldpolitischen Straffung der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit große Gewinne. Zinsen für Kredite und Zinsen für Sparguthaben klafften zu Gunsten der Banken weit auseinander, hatte die Regierung kritisiert. Allein die Großbank Intesa Sanpaolo hatte erklärt, sie erwarte Einnahmen von mehr als 13,5 Milliarden Euro aus Zinsmargen. Bank-Aktien schickte Melonis neue Steuer auf Talfahrt. Der italienische Banken-Index verlor am Morgen rund sechs Prozent. rtr
Europäische Gashändler haben trotz des Kriegsrisikos begonnen, Erdgas in der Ukraine zu lagern, um von den niedrigeren Preisen und den dort verfügbaren Kapazitäten zu profitieren. Das haben Händler und Unternehmensvertreter Reuters erklärt.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im vergangenen Jahr versucht die EU ihre Gasspeicher zu füllen. Damit will sie auf die verringerten russischen Lieferungen reagieren, gerade um für die Wintermonate vorbereitet zu sein. Das selbstgesetzte Ziel bis zum ersten November, die Speicher zu 90 Prozent gefüllt zu haben, wird die EU voraussichtlich erreichen. Aktuell sind die Gasspeicher der EU-Länder laut der Transparenzplattform GIE zu 87 Prozent gefüllt.
Laut Händlern sei es kommerziell sinnvoll, Gas zusätzlich zur EU auch in der Ukraine zu lagern, um von den aktuell günstigeren Preisen im Vergleich zu künftigen Lieferungen zu profitieren. Gas für die Lieferung im September kostet 30 Euro pro Megawattstunde, während die Terminpreise für das erste Quartal 2024 bei 49 Euro liegen, so die Preise des niederländischen Gas-Terminmarktes TTF.
Eines der Unternehmen, das auf die ukrainischen Speicher setzt, ist die tschechische EPH-Gruppe. “Wir glauben an die Zuverlässigkeit der ukrainischen Gastransport- und Gasspeichersysteme, die sich selbst in einer so immens schwierigen Kriegssituation bewährt haben”, sagte Miroslav Haško, Vorsitzender von EP Commodities, Teil der EPE-Gruppe. EP Commodities transportiere Erdgas in die Ukraine und nutze ukrainische Gasspeicher, sagte Haško weiter. Zu Mengen machte er keine Angaben.
Der slowakische Staatsbetrieb SPP, der den größten Teil des slowakischen Marktes zum Teil mit russischem Gas beliefert, erklärte, er prüfe die Möglichkeit der Nutzung ukrainischer Speicher, da die slowakischen Speicher bereits zu 90 Prozent gefüllt seien. Die Denkfabrik Bruegel hatte letzten Monat erklärt, dass die Ukraine die europäische Speicherkapazität um etwa zehn Prozent erhöhen könnte.
“Wir betrachten die Gasspeicherung in der Ukraine als eine der interessanten Geschäftsmöglichkeiten, die wir derzeit in Betracht ziehen“, sagte SPP gegenüber Reuters.
Andere europäische Händler wiesen auf die Risiken aufgrund möglicher Militärschläge hin. Dazu bleibt die Gefahr des Falles, dass Russland sein Gas nicht mehr weiterpumpt, das derzeit noch über die Ukraine nach Westen fließt. Das Ganze hätte auch Auswirkungen auf die Gas-Netze.
“Wir sehen einen positiven Trend bei der Einspeisung von Gas durch ausländische Händler in unsere (Speicher-)Anlagen”, sagte die staatliche ukrainische Ukrtransgas, Teil der Naftogaz-Gruppe. Nach Angaben von Naftotgaz könnten ausländische Kunden mehr als zehn Milliarden Kubikmeter der rund 30 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität des Landes nutzen, vor allem im Westen des Landes, der weit von der Frontlinie entfernt ist. rtr/lei
Der Juli war nach Daten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus der heißeste bisher gemessene Monat. Dem Dienst liegen zwar nur Daten seit 1940 vor, aber Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess sagte am Dienstag unter Bezug auf Berechnungen des Weltklimarates: “Es ist seit mindestens 120.000 Jahren nicht so warm gewesen.” Die Klimaforschung kann das historische Klima unter anderem aus Baumringen, Luftblasen in Gletschern und Korallen rekonstruieren.
Die globale Durchschnittstemperatur lag im Juli bei 16,95 Grad und damit um 0,33 Grad höher als im bisherigen Rekordmonat Juli 2019, wie Copernicus mitteilte. Auch die Meerestemperatur lag so hoch wie nie zuvor erfasst. “Diese Rekorde haben schwerwiegende Folgen für die Menschen und den Planeten, der immer häufigeren und intensiveren Extremereignissen ausgesetzt ist”, warnte Burgess. Der weltweit bisher heißeste Tag war den Daten zufolge der 6. Juli 2023 mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,08 Grad. Die Copernicus-Daten beruhen auf computergenerierten Analysen, die Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt einbeziehen.
In Europa steigen die Temperaturen dabei fast doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt: In den vergangenen fünf Jahren war es nach Angaben von Copernicus in Europa durchschnittlich 2,2 Grad wärmer als in der vorindustriellen Zeit, weltweit waren es 1,2 Grad.
Die Weltwetterorganisation in Genf schließt inzwischen nicht aus, dass das Gesamtjahr 2023 heißer wird als das bisherige Rekordjahr 2016. Da lag die Durchschnittstemperatur 1,3 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Seit jener Zeit schreitet die Erderwärmung durch den menschengemachten Klimawandel voran. Sie hat sich seit den 1980er-Jahren stark beschleunigt. dpa

Nun sind sie also da, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Die EU-Kommission hat sie angenommen und es ist nach aktueller Lage nicht davon auszugehen, dass das EU-Parlament und der Rat von ihrem Recht der Ablehnung Gebrauch machen. Der Weg ist also frei, das bereits verabschiedete zugrundeliegende Rahmenwerk, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), mit den neuen Standards bis Mitte 2024 in nationales Recht umzusetzen.
Dass die Meinungen über die neuen Standards auseinandergehen, war zu erwarten. Wirtschaftsverbände warnen mit Blick auf Aufwand und notwendige Bürokratisierung zur Erfüllung der Berichtspflichten vor der Überforderung gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen. Umweltverbände sehen die, im Vergleich zu den ursprünglichen Vorschlägen der eingesetzten Arbeitsgruppe, deutlich gelockerten Vorgaben kritisch.
Es bleiben, wie so häufig, eine Reihe von Fragen offen, die auch der noch zu erwartende Leitfaden der EFRAG-Arbeitsgruppe zur Umsetzung nicht alle beantworten wird. Klar ist aber schon jetzt: Die Auswirkungen haben nicht nur eine inhaltliche, sondern gleich in doppelter Hinsicht eine Management-Dimension.
Zum einen: Mit einfacher Berichterstattung ist es nach diesen Standards nicht getan. Vielmehr wird ein systematisches Prozessmanagement gefordert, wie wir es etwa aus dem Qualitäts-, Innovations- oder Risikomanagement kennen. Es enthält die Analyse von Chancen und Risiken, die Definition von Indikatoren für einen Soll-Zustand, das Festlegen von Zielen, das Entwickeln und Umsetzen von geeigneten Maßnahmen zu ihrer Erreichung und natürlich die regelmäßige Kontrolle der Zielerreichung und das Ableiten neuer Maßnahmen.
Unabhängig davon, was Unternehmen für sich als wesentlich und damit als relevant für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung definieren, werden sie ein solches Prozessmanagement benötigen. Die gute Nachricht: Das ist ein geübtes Verfahren und lässt sich vielfach problemlos in die bestehenden Standards des Prozessmanagements integrieren. Es entspricht dem bekannten PDCA-Zyklus des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und bewegt sich methodisch auf bekanntem Terrain. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass die Kommission über die Berichtspflichten de facto ein solches Prozessmanagement einfordert.
Bemerkenswert ist auch, welch große Bedeutung die Wesentlichkeitsanalyse, zumal in Kombination mit den Stakeholderdialogen, erfährt. Sie wird das wichtigste Instrument sein, mit dem ein Unternehmen seine Nachhaltigkeitsaktivitäten priorisiert. Sie bildet daher die Grundlage für die Strategieentwicklung. Dass die Kommission dafür derart dezidierte methodische Vorgaben macht, ist beachtlich. Schon die vorliegenden Aussagen zur doppelten Materialität hinsichtlich externer (ökologischer und sozialer) Auswirkungen und interner (finanzieller) Wirkungen verbunden mit dem Bewertungsmaßstab nach Umfang, Reichweite und Irreversibilität zeigen, dass es sich dabei um ein komplexes Instrument handeln wird.
Dass zukünftig ein Thema als relevant betrachtet werden muss, wenn es entweder aus der Inside-out- oder der Outside-in-Perspektive in Verbindung mit der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens steht – und nicht mehr nur, wenn beide Perspektiven gegeben sind -, wird es künftig erschweren, Themen als nicht wesentlich zu betrachten.
In unserer Beratung erleben wir, dass sich insbesondere inhaltlich weniger ambitionierte Unternehmen, die bislang auch nur wenig datengetriebenes Prozessmanagement betreiben, mit den Anforderungen schwertun. Sie müssen nicht nur von der Sinnhaftigkeit des Themas, sondern auch von der Notwendigkeit eines systematischen Prozessmanagements überzeugt werden. Wir befürchten, dass sie die abgeschwächten Berichtsstandards und die daraus entstehenden Berichtslücken ausnutzen werden, um in ihrer Komfortzone zu bleiben. Der methodische Rahmen, so hilfreich er auch sein kann, würde dann eher als zusätzliches Argument unter dem Stichwort “Bürokratisierung” genutzt. Ihnen raten wir, die Chance durch die gestiegenen Transparenzanforderungen für eine Weiterentwicklung ihrer Management-Methodik zu nutzen.
Unternehmen, die bereits datengetrieben operieren und über ein entsprechendes Prozessmanagement verfügen, werden sich bei der Adaption der ESRS leichter tun. Sie werden zumindest auf Management-Ebene ESG-Anforderungen schneller integrieren. Für sie liegt die Herausforderung eher auf der inhaltlichen Ebene: ESG-Kompetenzen müssen in alle Geschäftsprozesse integriert und Geschäftsmodelle angepasst werden. Ihnen kann dabei ein systematisches und langfristiges Change Management helfen: Mit seinem gut orchestrierten Mix von Maßnahmen aus Kommunikation, Partizipation und Qualifikation bietet es den notwendigen Werkzeugkasten.
Die EU-Regulierungsbemühungen müssen sich – so wie die Aktivitäten der Unternehmen – im Sinne einer Wirkungsorientierung am Ende daran messen lassen, inwiefern sie tatsächlich zu einer ökologischen und sozialen Transformation beitragen. Die Berichtsstandards sind nur ein Puzzlestück. Die Sorgen um deren inhaltliche Verwässerung sind berechtigt. Mit ihren Vorgaben zur Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements können sie jedoch eine gute methodische Weiterentwicklung anstoßen, auf die sich Unternehmen frühzeitig einstellen sollten.
Hilke Posor und Thomas Leppert sind geschäftsführende Gesellschafterin und Gesellschafter der Heldenrat GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer in Hamburg.
Katastrophen kennen keine Grenzen, da ist es gut, wenn Solidarität auch keine kennt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist heute in Begleitung von Janez Lenarčič, dem Kommissar für Krisenmanagement, nach Slowenien. Dort will sie herausfinden, wie die EU beim Wiederaufbau helfen kann.
Die Menschen in den Überschwemmungsgebieten haben derzeit wohl andere Sorgen, als sich mit dem Besuch von Politikerinnen und Politikern zu befassen. Auch wenn diese Reisen in Katastrophengebiete große Symbolkraft haben (und alleine in Deutschland schon den ein oder anderen Kanzler gemacht oder verhindert haben). Auf Behelfsbrücken und Bagger, technisches Personal, Hubschrauber und Muldenkipper warten die Menschen sicher weitaus sehnlicher. Zum Glück sind sie bereits da oder unterwegs – aus den Nachbarländern, aber auch aus Deutschland und Frankreich.
Diese Hilfe ist bitter nötig für das Land mit gerade einmal zwei Millionen Einwohnern. Hier zeigen sich die schrecklichen Auswirkungen des Klimawandels: Der Juli war global der heißeste Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Sie zeigen sich dabei ausgerechnet dort, wo die Regierung vor einem Jahr angetreten ist, das Land ökologisch umzubauen. Jetzt müssen die Slowenen ihr verwüstetes Land erst einmal wieder aufbauen.
Das werden sie nicht allein schaffen. Sloweniens Ministerpräsident Robert Golob schätzt den Schaden inzwischen auf mehrere Milliarden Euro. Und auch die EU hilft: Golob hat am Sonntag den EU-Katastrophenschutzmechanismus aktiviert. Der sollte dafür sorgen, dass die Hilfe bestmöglich koordiniert dort ankommt, wo sie am nötigsten ist. Unterstützung kommt auch von ganz weit oben: vom europäischen Erdbeobachtungssystem Copernicus, das die Helfer mit genauen Geoinformationen versorgt.
Ich wünsche Ihnen eine informative Lektüre,
TSMC und seine deutschen Partner haben es offiziell gemacht: Der taiwanische Weltmarktführer baut ein Chip-Werk in Dresden. Die endgültige Entscheidung traf der Vorstand des Unternehmens am Dienstag in Taipeh.
Die Eckpunkte des Projekts entsprechen sehr genau den Berichten von Table.Media vom Mai und aus dem vergangenen Jahr, die noch auf informierten Quellen beruhten:
Die genaue Investitionssumme steht offiziell noch nicht fest, weil sie von staatlicher Förderung abhängt, die ihrerseits noch nicht formal freigegeben ist. Die Gesamtsumme wird aber sicher in der Größenordnung von zehn Milliarden Euro liegen. Rund die Hälfte davon soll als Förderung vom Staat kommen. Nur so hat die TSMC-Angabe Sinn, selbst maximal 3,5 Milliarden Euro an Eigenmitteln zur Verfügung zu stellen. Infineon, Bosch und NXP müssten dann anteilig jeweils 500 Millionen Euro aufbringen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen twitterte am Dienstag erfreut: “Die Serie massiver Investitionsentscheidungen in kurzer Zeit in Europa zeigt, dass der #EUChipsAct wirkt. Gemeinsam stärken wir Europas technologische Unabhängigkeit und schaffen Jobs mit Zukunft.”
Im industriepolitischen Gesamtbild ist der Bau einer Fabrik des technisch fortschrittlichsten Halbleiterunternehmens der Welt ein Erfolg. Die Regierungspolitiker überbieten sich daher mit Eigenlob für die Ansiedlung. Europa hat Jahrzehnt für Jahrzehnt Schlüsseltechnologien an Asien verloren. Das galt so lange als problemlos, wie die Belieferung im globalen Welthandel nicht infrage stand. Die geopolitische Situation hat sich jedoch gewandelt. Die Toleranz für Abhängigkeiten ist stark gesunken.
Ohne die hohe Subvention wäre TSMC sicher nicht gekommen. Die Ausgabe entspricht aber sowohl den Sicherheits- und China-Strategien der Bundesregierung als auch dem europäischen Vorgehen. In der Mitteilung von TSMC ist ausdrücklich der EU Chips Act erwähnt. Die Unternehmen wollen also Mittel aus den europäischen Töpfen abrufen.
In der Fabrik sollen vor allem zwei Klassen von Mikrochips entstehen:
Diese Art von Chips entspricht dem Stand der Technik, der um 2015 herum aktuell war. Das ist immerhin besser als ursprünglich angenommen. Die ersten Berichte über das Werk waren nur von 22 Nanometer-Technik ausgegangen, die wiederum dem Entwicklungsstand der Zeit um 2010 entspricht.
Doch auch zwölf Nanometer sind nicht an der Spitze der Technologieentwicklung. Im Vergleich mit den TSMC-Investitionen in den USA wirkt das besonders schmerzhaft: Dort stellt das taiwanische Unternehmen modernste Produkte her. Was TSMC dagegen nach Dresden bringt, heißt im Jargon “reife Technologie“.
Der deutschen Fahrzeugbranche sind diese Chips aktuell dennoch zu modern. Sie brauche deutlich einfachere Ware mit Strukturbreiten um 90 Nanometer, sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) am Dienstag in Berlin. Die Autoindustrie benötige zwar durchaus auch die Technologien, die bei ESMC entstehen werden. Dennoch werde der direkte Effekt des Werks in Dresden auf die eigene Unabhängigkeit nur begrenzt sein.
Die Fabrik soll aber ohnehin erst 2027 fertig werden – und Autos werden schon bald zu Hochleistungsrechnern auf Rädern mutieren. Für KI-Funktionen wie autonomes Fahren der höheren Stufen werden in absehbarer Zeit schnelle und stromsparende Chips auf dem Niveau moderner Grafikkarten gebraucht werden. Diese werden heute bereits in Sieben-Nanometer-Technologie und darunter hergestellt.
TSMC gibt Deutschland also letztlich doch Technik von gestern. Das entspricht nicht dem Geist des EU-Chips Act: Binnenmarktkommissar Thierry Breton hatte die Ansiedlung ultramoderner Fabriken zur Herstellung von Chips mit kleinsten Strukturbreiten vorgeschwebt. Die Realität bleibe hinter diesen großen Ambitionen zurück, schreibt der Wissenschaftler Mathieu Duchâtel vom Institut Montaigne.
Doch das heißt nicht, dass der Chips Act erfolglos ist, wie Duchâtel betont. Im Gegenteil, die TSMC-Ansiedlung gilt weithin als strategischer Erfolg. Denn auch wenn die Ansiedlung betriebswirtschaftlich teuer aussieht, war sie dennoch richtig: Es ist nötig und überfällig, wieder eine moderne Chipindustrie in Europa aufzubauen.
Die nötige Förderung ist zudem auch deshalb so hoch, weil die USA und China die Branche ihrerseits mit Milliardensummen verwöhnen:
Im Lichte dieses Vergleichs wirkt die Förderung für TSMC in Dresden schon gar nicht mehr so hoch, zumal Intel in Magdeburg doppelt so viel erhält.
Die TSMC-Technik fügt sich zudem bestens in die bestehenden Lieferketten ein. Bosch und Infineon betreiben in der Nähe bereits eigene Halbleiterwerke, die dankbare Abnehmer für die Produkte von TSMC sein werden. Infineon beispielsweise ist zwar formal ebenfalls ein Halbleiterhersteller, doch sein Geschäftsmodell ist anders als das von TSMC.
Tatsächlich lässt Infineon einen Teil seiner Produkte in den hocheffizienten Fabriken der Taiwaner herstellen. Es handelt sich also weniger um Konkurrenten, sondern mehr um Partner. Mit Corinna Visser
An gleich drei Grundüberzeugungen der künftigen Wasserstoffwelt rüttelt eine neue Analyse, welche die Generaldirektion Energie vor wenigen Tagen veröffentlichte.
Erstellt hat die Studie “The impact of industry transition on a CO₂-neutral European energy system” das Fraunhofer ISI in Karlsruhe im Rahmen von METIS. Ergebnisse dieses Langzeitprojekts zieht die Kommission immer wieder für ihre energiepolitischen Entscheidungen heran.
Grundlage waren Annahmen aus einem Dekarbonisierungsszenario für die Industrie aus der EU-Initiative “Clean Planet for All” aus dem Jahr 2018. Die Forscher modellierten nun den Energiebedarf für das produzierende Gewerbe und leiteten daraus die wirtschaftlichsten Ausbaupfade für die Strom- und Wasserstofferzeugung ab. Weil es sich um eine rein techno-ökonomische Analyse handelt, wurden keine politischen Restriktionen wie die Resilienz der Energieversorgung unterstellt. Trotzdem stellen die Ergebnisse so manche Überzeugung infrage, die in der Wasserstoff-Debatte bislang als gesichert galt.
“Die mitteleuropäischen Länder, darunter Deutschland, Belgien und die Niederlande, haben trotz ihres großen Wasserstoffbedarfs nur eine minimale oder gar keine Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse”, heißt es in dem Bericht. Die Elektrolysekapazitäten in der Bundesrepublik sehen die Fraunhofer-Forscher 2050 bei “0 GW”. Dabei strebt die Bundesregierung in ihrer kürzlich aktualisierten Nationalen Wasserstoffstrategie schon bis 2030 zehn Gigawatt an.
Den Grund sieht der EU-Bericht in der Kostenstruktur einer Wasserstoffwirtschaft. Die Kosten für den Transport von H2 seien gegenüber der Produktion gering und benachbarte Länder hätten günstigere Bedingungen. Die führenden Wasserstoffproduzenten in Europa, gestaffelt nach ihren Elektrolyse-Kapazitäten in Gigawatt, wären im Jahr 2050:
“Frankreich hat viele gute Windstandorte“, begründet Fraunhofer-Studienleiter Tobias Fleiter den Spitzenplatz. Beim unterstellten Erneuerbaren-Ausbau in Frankreich zeigen sich aber auch die ersten Grenzen der Studie. Die Berechnungen ergeben für Frankreich 320 Gigawatt Photovoltaik und 300 Gigawatt Windenergie an Land. Die politischen Ziele der französischen Regierung für 2050 bleiben bisher aber deutlich dahinter zurück.
In seiner Belfort-Rede im Februar vergangenen Jahres habe Staatspräsident Emmanuel Macron 100 Gigawatt Photovoltaik und 40 Gigawatt Offshore-Wind als Ziele gesetzt, erklärt das Deutsch-französische Büro für die Energiewende. Auch der jährliche Zubau an Onshore-Wind ist derzeit gering.
Gleichzeitig nimmt die Fraunhofer-Studie an, dass die Stromproduktion der französischen AKW von 360 Terawattstunden im Jahr 2021 auf 206 Terawattstunden zur Mitte des Jahrhunderts zurückgeht. Plausibel ist das nur, wenn man annimmt, dass alte Meiler weitaus schneller stillgelegt als neue errichtet werden. Bei höheren Anteilen von Atomstrom wären die Elektrolysekapazitäten wohl geringer, schätzt Fleiter.
Ein leicht anderes Bild ergibt sich auch in einem Szenario, in dem nur 70 Prozent der europäischen Erneuerbaren-Potenziale ausgeschöpft werden. Dann mache Elektrolyse auch in Deutschland Sinn, sagt Co-Autor Khaled Al-Dabbas. Die Kapazitäten seien aber immer noch gering. Auch in einem unveröffentlichten Szenario mit geringeren Leitungskapazitäten gebe es eine höhere Wasserstoffproduktion in Deutschland. “Für Deutschland würde es aber auf jeden Fall die Kosten senken, die europäische Integration stärker mitzudenken”, resümiert Fleiter.
Entgegen vieler politischer Initiativen in Brüssel und Berlin halten die Forscher die Selbstversorgung mit Wasserstoff für Europa nicht nur für möglich, sondern sogar für günstiger als Importe. “Das war auch für die Kommission interessant”, verrät Fleiter. “Es zeigt, wie gewaltig und kostengünstig die Erneuerbaren-Potenziale in der EU noch sind.”
Ein leicht anderes Bild ergibt sich wieder bei einem um 30 Prozent vermindertem Erneuerbaren-Ausbau. Nötig wäre ein minimaler Import von 160 Terawattstunden Wasserstoff per Pipeline aus Marokko – angesichts einer Erzeugung von 3.000 Terawattstunden in Europa ein immer noch geringer Anteil.
Schiffstransporte von Wasserstoffderivaten und Grundprodukten für die Düngemittel-, Chemie- und Stahlindustrie könnten dennoch eine bedeutende Rolle spielen. Denn in einem weiteren Szenario hat das ISI berechnet, welche Folgen es hätte, wenn Ammoniak, Ethylen und Eisenschwamm nicht mehr in Europa hergestellt, sondern importiert würden. Wenn man nur diese drei Produkte ersetzt, würde der Wasserstoffbedarf um ein Drittel sinken. “Wir hätten fast ein anderes Energiesystem”, sagt Fleiter.
Zum einen wären die Importe von Wasserstoffderivaten gerade in Deutschland deutlich geringer. Überflüssig wären damit aber auch die meisten Offshore-Windparks. Die nötigen Kapazitäten würden sich um 60 Prozent verringern. Auch viele Solaranlagen auf Dächern würden rein ökonomisch gesehen nicht benötigt.
Viele Unternehmen aus den Grundstoffindustrien hätten aber noch unterschiedliche Präferenzen für die Dekarbonisierung, berichtet Fleiter: “Einige wollen grünen Methanol und Ammoniak importieren, andere lieber Wasserstoff.” Je nach Strategie würden manche Fertigungsstufen in der EU verbleiben, andere nicht. Der Wasserstoffbedarf der Industrie sei eben noch sehr unsicher und nicht unbedingt eine No-regret-Maßnahme, wie oft angenommen.
Der Maschinenbauverband VDMA fordert die Kommission auf, die Freihandelsagenda zielstrebig weiterzuverfolgen. Der VDMA warnt die EU davor, die Verhandlungen an Bedingungen zu knüpfen, die nicht handelsspezifisch sind. “Leider gibt es die Tendenz der EU, die Handelsabkommen mit Themen zu überfrachten, die nicht direkt mit Handel zu tun haben”, sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann.
Die EU-Kommission verlange etwa das Einhalten von Umweltstandards, erhebe soziale Forderungen und drohe mit Sanktionen im Fall von Verstößen. “Damit werden der Abschluss und die Umsetzung weiterer Freihandelsabkommen bedroht oder ganz zunichtegemacht. Denn viele unserer Partner sind nicht mehr bereit, die geforderten Verpflichtungen einzugehen.” Von den Hürden, welche die EU aufbaut, profitierten letztlich Drittländer wie China, die sich als Handelspartner anbieten. “Das kann nicht im Interesse Europas sein”, mahnt der VDMA-Hauptgeschäftsführer.
Um neue Märkte zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhalten, sollte es in den nächsten Monaten Fortschritte in der EU-Handelspolitik geben, fordert Brodtmann weiter. Konkret sollten die laufenden Verhandlungen der EU mit Drittstaaten wie Indien und Indonesien beschleunigt werden. Die Maschinenbauindustrie würde insbesondere von einem Freihandelsabkommen mit Indien profitieren, da das Land derzeit einen der höchsten Maschinenbauzölle der Welt hat.
Die EU hat im Juli das Freihandelsabkommen mit Neuseeland unterzeichnet. Zudem gaben die EU-Kommission und die Philippinen anlässlich des Besuchs von Ursula von der Leyen kürzlich bekannt, den Neustart der Verhandlungen über ein Handelsabkommen zu prüfen. Die Verhandlungen der EU mit Mercosur wurden bereits 2019 abgeschlossen, bislang ist nicht absehbar, wann das Abkommen in Kraft tritt. Auch das Abkommen mit Mexiko ist ausverhandelt, aber noch nicht umgesetzt. mgr
Eine von der italienischen Regierung beschlossene Übergewinnsteuer für Banken soll Insidern zufolge eine Milliardensumme in die Staatskassen spülen. Es würden voraussichtlich knapp drei Milliarden Euro durch die Steuer zusammenkommen, die 2023 einmalig erhoben werde, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters.
Die italienische Regierung hat diese einmalige Steuer in Höhe von 40 Prozent auf die Gewinne der Finanzinstitute aus den höheren Zinsen beschlossen. Die Einnahmen sollen etwa zur Unterstützung von Hypotheken-Kreditnehmern verwendet werden, sagte Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini am Montagabend nach einer Kabinettssitzung. Experten der Bank of America schätzen, dass die neue Steuer die Banken zwischen zwei und neun Prozent ihrer Erlöse kosten könnte. Auch Länder wie Spanien und Ungarn haben Übergewinnsteuern für den Sektor eingeführt.
Geldhäuser machen wegen hoher Zinsen auf Kredite nach der starken geldpolitischen Straffung der Europäischen Zentralbank (EZB) derzeit große Gewinne. Zinsen für Kredite und Zinsen für Sparguthaben klafften zu Gunsten der Banken weit auseinander, hatte die Regierung kritisiert. Allein die Großbank Intesa Sanpaolo hatte erklärt, sie erwarte Einnahmen von mehr als 13,5 Milliarden Euro aus Zinsmargen. Bank-Aktien schickte Melonis neue Steuer auf Talfahrt. Der italienische Banken-Index verlor am Morgen rund sechs Prozent. rtr
Europäische Gashändler haben trotz des Kriegsrisikos begonnen, Erdgas in der Ukraine zu lagern, um von den niedrigeren Preisen und den dort verfügbaren Kapazitäten zu profitieren. Das haben Händler und Unternehmensvertreter Reuters erklärt.
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im vergangenen Jahr versucht die EU ihre Gasspeicher zu füllen. Damit will sie auf die verringerten russischen Lieferungen reagieren, gerade um für die Wintermonate vorbereitet zu sein. Das selbstgesetzte Ziel bis zum ersten November, die Speicher zu 90 Prozent gefüllt zu haben, wird die EU voraussichtlich erreichen. Aktuell sind die Gasspeicher der EU-Länder laut der Transparenzplattform GIE zu 87 Prozent gefüllt.
Laut Händlern sei es kommerziell sinnvoll, Gas zusätzlich zur EU auch in der Ukraine zu lagern, um von den aktuell günstigeren Preisen im Vergleich zu künftigen Lieferungen zu profitieren. Gas für die Lieferung im September kostet 30 Euro pro Megawattstunde, während die Terminpreise für das erste Quartal 2024 bei 49 Euro liegen, so die Preise des niederländischen Gas-Terminmarktes TTF.
Eines der Unternehmen, das auf die ukrainischen Speicher setzt, ist die tschechische EPH-Gruppe. “Wir glauben an die Zuverlässigkeit der ukrainischen Gastransport- und Gasspeichersysteme, die sich selbst in einer so immens schwierigen Kriegssituation bewährt haben”, sagte Miroslav Haško, Vorsitzender von EP Commodities, Teil der EPE-Gruppe. EP Commodities transportiere Erdgas in die Ukraine und nutze ukrainische Gasspeicher, sagte Haško weiter. Zu Mengen machte er keine Angaben.
Der slowakische Staatsbetrieb SPP, der den größten Teil des slowakischen Marktes zum Teil mit russischem Gas beliefert, erklärte, er prüfe die Möglichkeit der Nutzung ukrainischer Speicher, da die slowakischen Speicher bereits zu 90 Prozent gefüllt seien. Die Denkfabrik Bruegel hatte letzten Monat erklärt, dass die Ukraine die europäische Speicherkapazität um etwa zehn Prozent erhöhen könnte.
“Wir betrachten die Gasspeicherung in der Ukraine als eine der interessanten Geschäftsmöglichkeiten, die wir derzeit in Betracht ziehen“, sagte SPP gegenüber Reuters.
Andere europäische Händler wiesen auf die Risiken aufgrund möglicher Militärschläge hin. Dazu bleibt die Gefahr des Falles, dass Russland sein Gas nicht mehr weiterpumpt, das derzeit noch über die Ukraine nach Westen fließt. Das Ganze hätte auch Auswirkungen auf die Gas-Netze.
“Wir sehen einen positiven Trend bei der Einspeisung von Gas durch ausländische Händler in unsere (Speicher-)Anlagen”, sagte die staatliche ukrainische Ukrtransgas, Teil der Naftogaz-Gruppe. Nach Angaben von Naftotgaz könnten ausländische Kunden mehr als zehn Milliarden Kubikmeter der rund 30 Milliarden Kubikmeter Speicherkapazität des Landes nutzen, vor allem im Westen des Landes, der weit von der Frontlinie entfernt ist. rtr/lei
Der Juli war nach Daten des EU-Klimawandeldienstes Copernicus der heißeste bisher gemessene Monat. Dem Dienst liegen zwar nur Daten seit 1940 vor, aber Copernicus-Vizedirektorin Samantha Burgess sagte am Dienstag unter Bezug auf Berechnungen des Weltklimarates: “Es ist seit mindestens 120.000 Jahren nicht so warm gewesen.” Die Klimaforschung kann das historische Klima unter anderem aus Baumringen, Luftblasen in Gletschern und Korallen rekonstruieren.
Die globale Durchschnittstemperatur lag im Juli bei 16,95 Grad und damit um 0,33 Grad höher als im bisherigen Rekordmonat Juli 2019, wie Copernicus mitteilte. Auch die Meerestemperatur lag so hoch wie nie zuvor erfasst. “Diese Rekorde haben schwerwiegende Folgen für die Menschen und den Planeten, der immer häufigeren und intensiveren Extremereignissen ausgesetzt ist”, warnte Burgess. Der weltweit bisher heißeste Tag war den Daten zufolge der 6. Juli 2023 mit einer globalen Durchschnittstemperatur von 17,08 Grad. Die Copernicus-Daten beruhen auf computergenerierten Analysen, die Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen auf der ganzen Welt einbeziehen.
In Europa steigen die Temperaturen dabei fast doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt: In den vergangenen fünf Jahren war es nach Angaben von Copernicus in Europa durchschnittlich 2,2 Grad wärmer als in der vorindustriellen Zeit, weltweit waren es 1,2 Grad.
Die Weltwetterorganisation in Genf schließt inzwischen nicht aus, dass das Gesamtjahr 2023 heißer wird als das bisherige Rekordjahr 2016. Da lag die Durchschnittstemperatur 1,3 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900). Seit jener Zeit schreitet die Erderwärmung durch den menschengemachten Klimawandel voran. Sie hat sich seit den 1980er-Jahren stark beschleunigt. dpa

Nun sind sie also da, die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Die EU-Kommission hat sie angenommen und es ist nach aktueller Lage nicht davon auszugehen, dass das EU-Parlament und der Rat von ihrem Recht der Ablehnung Gebrauch machen. Der Weg ist also frei, das bereits verabschiedete zugrundeliegende Rahmenwerk, die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), mit den neuen Standards bis Mitte 2024 in nationales Recht umzusetzen.
Dass die Meinungen über die neuen Standards auseinandergehen, war zu erwarten. Wirtschaftsverbände warnen mit Blick auf Aufwand und notwendige Bürokratisierung zur Erfüllung der Berichtspflichten vor der Überforderung gerade kleiner und mittelständischer Unternehmen. Umweltverbände sehen die, im Vergleich zu den ursprünglichen Vorschlägen der eingesetzten Arbeitsgruppe, deutlich gelockerten Vorgaben kritisch.
Es bleiben, wie so häufig, eine Reihe von Fragen offen, die auch der noch zu erwartende Leitfaden der EFRAG-Arbeitsgruppe zur Umsetzung nicht alle beantworten wird. Klar ist aber schon jetzt: Die Auswirkungen haben nicht nur eine inhaltliche, sondern gleich in doppelter Hinsicht eine Management-Dimension.
Zum einen: Mit einfacher Berichterstattung ist es nach diesen Standards nicht getan. Vielmehr wird ein systematisches Prozessmanagement gefordert, wie wir es etwa aus dem Qualitäts-, Innovations- oder Risikomanagement kennen. Es enthält die Analyse von Chancen und Risiken, die Definition von Indikatoren für einen Soll-Zustand, das Festlegen von Zielen, das Entwickeln und Umsetzen von geeigneten Maßnahmen zu ihrer Erreichung und natürlich die regelmäßige Kontrolle der Zielerreichung und das Ableiten neuer Maßnahmen.
Unabhängig davon, was Unternehmen für sich als wesentlich und damit als relevant für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung definieren, werden sie ein solches Prozessmanagement benötigen. Die gute Nachricht: Das ist ein geübtes Verfahren und lässt sich vielfach problemlos in die bestehenden Standards des Prozessmanagements integrieren. Es entspricht dem bekannten PDCA-Zyklus des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses und bewegt sich methodisch auf bekanntem Terrain. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass die Kommission über die Berichtspflichten de facto ein solches Prozessmanagement einfordert.
Bemerkenswert ist auch, welch große Bedeutung die Wesentlichkeitsanalyse, zumal in Kombination mit den Stakeholderdialogen, erfährt. Sie wird das wichtigste Instrument sein, mit dem ein Unternehmen seine Nachhaltigkeitsaktivitäten priorisiert. Sie bildet daher die Grundlage für die Strategieentwicklung. Dass die Kommission dafür derart dezidierte methodische Vorgaben macht, ist beachtlich. Schon die vorliegenden Aussagen zur doppelten Materialität hinsichtlich externer (ökologischer und sozialer) Auswirkungen und interner (finanzieller) Wirkungen verbunden mit dem Bewertungsmaßstab nach Umfang, Reichweite und Irreversibilität zeigen, dass es sich dabei um ein komplexes Instrument handeln wird.
Dass zukünftig ein Thema als relevant betrachtet werden muss, wenn es entweder aus der Inside-out- oder der Outside-in-Perspektive in Verbindung mit der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens steht – und nicht mehr nur, wenn beide Perspektiven gegeben sind -, wird es künftig erschweren, Themen als nicht wesentlich zu betrachten.
In unserer Beratung erleben wir, dass sich insbesondere inhaltlich weniger ambitionierte Unternehmen, die bislang auch nur wenig datengetriebenes Prozessmanagement betreiben, mit den Anforderungen schwertun. Sie müssen nicht nur von der Sinnhaftigkeit des Themas, sondern auch von der Notwendigkeit eines systematischen Prozessmanagements überzeugt werden. Wir befürchten, dass sie die abgeschwächten Berichtsstandards und die daraus entstehenden Berichtslücken ausnutzen werden, um in ihrer Komfortzone zu bleiben. Der methodische Rahmen, so hilfreich er auch sein kann, würde dann eher als zusätzliches Argument unter dem Stichwort “Bürokratisierung” genutzt. Ihnen raten wir, die Chance durch die gestiegenen Transparenzanforderungen für eine Weiterentwicklung ihrer Management-Methodik zu nutzen.
Unternehmen, die bereits datengetrieben operieren und über ein entsprechendes Prozessmanagement verfügen, werden sich bei der Adaption der ESRS leichter tun. Sie werden zumindest auf Management-Ebene ESG-Anforderungen schneller integrieren. Für sie liegt die Herausforderung eher auf der inhaltlichen Ebene: ESG-Kompetenzen müssen in alle Geschäftsprozesse integriert und Geschäftsmodelle angepasst werden. Ihnen kann dabei ein systematisches und langfristiges Change Management helfen: Mit seinem gut orchestrierten Mix von Maßnahmen aus Kommunikation, Partizipation und Qualifikation bietet es den notwendigen Werkzeugkasten.
Die EU-Regulierungsbemühungen müssen sich – so wie die Aktivitäten der Unternehmen – im Sinne einer Wirkungsorientierung am Ende daran messen lassen, inwiefern sie tatsächlich zu einer ökologischen und sozialen Transformation beitragen. Die Berichtsstandards sind nur ein Puzzlestück. Die Sorgen um deren inhaltliche Verwässerung sind berechtigt. Mit ihren Vorgaben zur Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements können sie jedoch eine gute methodische Weiterentwicklung anstoßen, auf die sich Unternehmen frühzeitig einstellen sollten.
Hilke Posor und Thomas Leppert sind geschäftsführende Gesellschafterin und Gesellschafter der Heldenrat GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Wirtschaften und sektorübergreifenden Kompetenztransfer in Hamburg.